Handels- und Gesellschaftsrecht

Rückzahlung von Mietzahlungen als Forderung aus Insolvenzanfechtung

Aktenzeichen  23 O 238/18

Datum:
18.3.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52192
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 134, § 143 Abs. 1 S. 1
BGB § 271 Abs. 2, § 516 Abs. 1
ZPO
ZPO § 3, § 91 Abs. 1 S. 1, § 138 Abs. 3
GKG § 48,§ 63 Abs. 2,

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei der Kläger die Vollstreckung durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden darf, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 28.755,57 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückzahlung der von der Schuldnerin in der Zeit von Februar 2012 bis einschließlich Juli 2015 geleisteten Mietzahlungen.
1. Insbesondere folgt solch ein Anspruch nicht aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO in Verbindung mit § 134 InsO.
Gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO ist dasjenige, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. § 134 InsO bestimmt in diesem Zusammenhang, dass namentlich unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar sind, es sei denn, sie diese sind früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.
a) Unbeschadet des Umstandes, dass gemäß dieser Voraussetzungen mit Blick auf das erst am 06.04.2016 über das Vermögen der Schuldnerin durch das Amtsgericht Bamberg eröffnete Insolvenzverfahren (Anlage Kl) jedenfalls die Mietzahlungen im Februar und März 2012 außerhalb des anfechtbaren Zeitraums erfolgt wären, waren die Mietzinszahlungen der Schuldnerin gerade nicht unentgeltlich, so dass sie nicht dem § 134 Abs. 1 InsO unterfallen.
Unentgeltlich ist eine Leistung dann, wenn der Erwerb des Empfängers ~ hier also des Beklagten – in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt {BGH, NJW-RR 1993, 1379 [1381]). Eine solche Vereinbarung erfordert dabei zwar keine Einigkeit der Beteiligten darüber, dass der Beklagte für die Leistung der Schuldnerin keinen ausgleichenden Gegenwert erbringen soll in dem Sinne, dass ausdrücklich die Unentgeltlichkeit gemaß § 516 Abs. 1 BGB vereinbart sein müsste. Vielmehr kann die Einigkeit formlos herbeigeführt werden, etwa indem die Schuldnerin einseitig eine Leistung zuwendet und der Beklagte diese in dem Bewusstsein annimmt, dass von ihm keine Gegenleistung erwartet wird. Nimmt allerdings auch nur einer der Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht an, dass ein – objektiv ausgleichendes – Entgelt zu erbringen ist, entfällt § 134 InsO (vgl. dazu insgesamt Kayser, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 2, 3. Auflage 2013, § 134 Rdnr. 17). Über die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung entscheidet dabei grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte {BGH, NZI 2015 315 [319]). Die Beweislast hinsichtlich der Vornahme einer unentgeltlichen Leistung trifft den klägerischen Insolvenzverwalter {BGH, NJW 1992, 2421 [2423]).
Dies vorausgeschickt, erfolgten die Mietzinszahlungen der Schuldnerin nicht unentgeltlich, da der Beklagte angenommen hat, eine objektiv ausgleichende Leistung für die Mietzinszahlungen erbracht zu haben.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Höhe des mit der Schuldnerin vereinbarten Mietzinses mit der vom Beklagten geschuldeten Gebrauchsüberlassung der Photovoltaikanlage in einem ausgewogenen Gleichgewicht stehen, so dass es insoweit keiner weitergehenden Ausführung bedarf. § 138 Abs. 3 ZPO.
Auf Grund der gewählten Vertragskonstruktion, bei welcher die Photovoltaikanlage unmittelbar – ohne vorherigen Besitz des Beklagten – von einer Tochtergesellschaft der Schuldnerin ebendieser zur Verfügung gestellt werden sollte, war für den Beklagten zu keiner Zeit erkennbar, dass die von ihm zu erbringende Gegenleistung tatsächlich nicht erbracht worden ist. Stattdessen hatte er auf Grund des Verlangens der GmbH auf Zahlung des Kaufpreises und vielmehr noch durch die tatsächliche Aufnahme der Mietzinszahlungen durch die Schuldnerin allen Anlass zu der Annahme, die Anlage sei tatsächlich fertig und der Schuldnerin zur Inbetriebnahme überlassen worden. Denn nur im Falle einer solchen Inbetriebnahme war die Schuldnerin zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet gewesen. Der Beklagte konnte mithin annehmen, dass die für die Mietzinszahlungen vertraglich vereinbarte, objektiv ausgleichende Gebrauchsüberlassung der Photovoltaikanlage an die Schuldnerin erfolgt ist. Anhaltspunkte für ein Wissen des Beklagten, seine Gebrauchsüberlassung hingegen nicht vorgenommen zu haben, sind weder ersichtlich noch von dem beweisbelasteten Kläger vorgetragen worden. Vielmehr hat der Zeuge S| W^^l ausgesagt (S. 3 f. des Protokolls der öffentlichen Sitzung des AG Würzburg vom 20.11.2018 zum Az.: 14 C 1014/18, dritter Reiter roter Anlagenband „übergebene Anlagen beklagten Partei“), Berater für den als Anlageform gedachten Kauf von Photovoltaikanlagen und deren anschließende Vermietung an die Schuldnerin gewesen zu sein und daher zu wissen, dass den hieran interessierten Personen stets erklärt worden sei, dass die Photovoltaikanlagen bereits am Netz und der Kaufsowie Mietvertrag darum stets in einem einheitlichen Vorgang abgeschlossen worden seien.
Gegen die Annahme einer unentgeltlichen Erbringung der Mietzahlungen seitens der Schuldnerin spricht zudem der Sinn und Zweck des § 134 InsO. Mit dieser Vorschrift wird bezweckt, Zuwendung, deren Hauptzweck Freigiebigkeit gewesen ist, der Insolvenzmasse zur Verfügung zu stellen, da sich ein in Vermögensverfall geratener Schuldner nicht auf Kosten seiner Gläubiger freigiebig zeigen können soll (siehe BGHZ 162, 276 [280 f.]). Liegt einer Zuwendung im Zweipersonenverhältnis allerdings ein Vertrag im Sinne einer causa für die Zuwendung zu Grunde, muss für die Frage nach der Unentgeltlichkeit an diese Kausalbeziehung angeknüpft werden, da sich materiellrechtlich am Inhalt eines solchen Vertrages durch die Insolvenz eines Beteiligten nichts ändert. Wurde der Schuldnerin ernsthaft eine werthaltige Gegenleistung versprochen, war die Erbringung dieser Leistung also Vertragsgegenstand, besteht kein Anlass mehr zu prüfen, ob die Beteiligten die erbrachte oder versprochene Gegenleistung als Entgelt angesehen haben oder ob mit der Leistung der Schuldnerin Freigiebigkeit bezweckt war. Denn in diesem Falle gehört die Erbringung einer vollwertigen Gegenleistung zur causa (so insgesamt Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 134 Rdnr. 23 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 71, 61 [66]). Entsprechend steht der zwischen den Parteien vereinbarte Mietvertrag samt der darin enthaltenen Verpflichtung des Beklagten zur Überlassung einer Photovoltaikanlage als causa für die dazu gleichwertigen Mietzinszahlungen der Schuldnerin der Annahme einer Freigiebigkeit der Schuldnerin bzw. Unentgeltlichkeit deren Zahlungen entgegen. Das bloße Ausbleiben der vereinbarten Gegenleistung macht die Mietzinszahlungen der Schuldnerin nicht unentgeltlich (siehe Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 134 Rdnr. 24).
Es ist in diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Schuldnerin ~ die die Lage durchschaut hat und der nicht verborgen bleiben konnte, die Photovoltaikanlage tatsächlich nicht von ihrer Tochtergesellschaft überlassen bekommen zu haben – den Beklagten in dem irrigen Glauben gelassen hat, dessen Gegenleistung sei vollwertig erbracht worden. Bei dieser Sachlage ist mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 134 InsO zu fragen, ob die Schuldnerin dies getan hat, um dem Beklagten mit ihrer objektiv höherwertigen Leistung ‘etwas Gutes zu tun’ oder ob sie damit ein eigenes geschäftliches Ziel verfolgt. Nur im ersten Falle wäre ihre Leistung freigiebig, während im anderen Fall die Annahme einer freigiebigen Zuwendung fern liegt und kein hinreichender Grund besteht, sich über die für Entgeltlichkeit sprechende Kausalbeziehung hinwegzusetzen {Ganter, NZI 2015, 249 [258]; so auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht. Anfechtung und verwandte Regelungsinstrumente in der Unternehmensinsolvenz, 2000, S. 458). Der Schuldnerin stand im Gegenzug ihrer Mietzahlungen ein gleichwertiger Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Eben diesem galten ihre Mietzinszahlungen. Entsprechend hat der Zeuge M^^| G| ausgesagt (S. 5 des Protokolls der öffentlichen Sitzung des AG Würzburg vom 20.11.2018 zum Az.: 14 C 1014/18, dritter Reiter roter Anlagenband „übergebene Anlagen beklagten Partei“), als für die Geschäftsführung der Schuldnerin verantwortliche Person sei ihm bekannt gewesen, dass die Photovoltaikanlagen in Briest seinerzeit noch nicht am Netz gewesen seien; gleichwohl seien die vereinbarten Mietzahlungen schon ausgezahlt worden, um Schaden von der Firma und den Kunden abzuwenden sowie in der Erwartung, dass die Anlagen alsbald an das Netz gehen werden.
An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, dass die Schuldnerin die Mietzinszahlungen erbracht hat, obgleich ihr mangels Inbetriebnahme der Anlage ausweislich der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien der Einwand fehlender Fälligkeit zur Seite gestanden hätte. So sollte der Mietvertragsbeginn der Tag der Inbetriebnahme der Anlage sein und ab diesem Tag ein monatlicher Mietzins in Höhe von insgesamt 693,77 € von der Schuldnerin an den Beklagten gezahlt werden. Ohne Inbetriebnahme war die Mietzinszahlung hingegen noch nicht fällig. Gemäß § 271 Abs. 2 BGB gilt dabei aber, dass die Vereinbarung einer Zeit, zu welcher eine Leistung zu erbringen ist, nur ausschließt, dass der Gläubiger die Leistung vor dieser Zeit verlangen darf; nicht ausgeschlossen wird hingegen, dass die Schuldnerin die Leistung vorher bewirken kann. Eine Regelung, wonach die Schuldnerin zur vorzeitigen Erfüllung ihrer Mietzinszahlungspflichten nicht berechtigt sein soll, besteht vorliegend nicht. Der Verzicht auf die Einrede fehlender Fälligkeit ändert aber nichts daran, dass die Schuldnerin ihre noch nicht fälligen Mietzinszahlungen als Gegenleistung für den gleichwertigen Gebrauchsüberlassungsanspruch und nicht etwa unentgeltlich erbracht hat.
b) Unabhängig hiervon scheitert ein Anspruch gemäß § 134 InsO auch daran, dass eine Leistung der Schuldnerin nicht gegeben ist.
Zwar hat diese die Mietzahlungen faktisch vorgenommen. Allerdings liegt darin nur dann eine „Leistung“ im Sinne des § 134 InsO, wenn hierdurch das Vermögen der Schuldnerin geschmälert worden ist {Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 134 Rdnr. 10). Erfasst werden durch den genannten Anfechtungstatbestand nur Schmälerungen gerade des Vermögens der Schuldnerin, durch welche die Insolvenzgläubiger unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden (vgl. BGH, NZI 2015, 315 [319]).
Der Kläger konnte nicht darlegen und beweisen, dass die Mietzahlungen tatsächlich aus dem Vermögen der Schuldnerin stammen und daher deren Vermögen geschmälert haben.
Der Zeuge hat ausgesagt, etwaige Rechnungen an die Schuldnerin als deren Ge schäftsführer nicht aus dem Vermögen der Schuldnerin beglichen zu haben, sondern an Firmen in Frankfurt, der GmbH und der GmbH, weitergereicht zu haben. Die Mieten seien dann von jenen Firmen angewiesen worden. Die Schuldnerin habe die Mieten nicht zahlen können, da die Photovoltaikanlagen noch nicht am Netz gewesen waren.
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der Mietzahlungen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der die Leistung eines anderen auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe verpflichtet.
Gemessen an diesen Voraussetzungen erfolgten die Mietzinszahlungen ~ eine Leistung der Schuldnerin als gegeben unterstellt ~ gerade nicht rechtsgrundlos.
Ohne rechtlichen Grund ist eine Leistung dann erfolgt, wenn der Empfänger den ihm zugeflossenen Vorteil nicht behalten darf {Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rdnr. 398 m.w.N). Wird auf eine grundsätzlich bestehende Schuld – wie hier in Form des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrags – eine Leistung vorgenommen, der indes Leistungsverweigerungsrechte entgegenstehen, so erfolgt die Leistungserbringung nur dann rechtsgrundlos, wenn der Leistungserbringung ein dauernde Einrede entgegengestanden hat (siehe statt aller Stadler, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018, § 812 Rdnr. 13).
Der Zahlung der vertraglich geschuldeten Mietzinsen stand indessen allein eine vorübergehende Einrede (die Einrede fehlender Fälligkeit) entgegen. Ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht besaß die Schuldnerin mithin nicht.
Die Schuldnerin hat auch nicht mehr gezahlt, als es ihre vertragliche Verpflichtung gewesen ist. Ausweislich des Mietvertrags war als Grundmietzeit gemäß Nr. 1 Buchst, a) und b) der Vertragspräambel (Anlage K3) eine Mietvertragsdauer von 10 Jahren vereinbart worden. Für jenen Zeitraum ist das Kündigungsrecht ausgeschlossen worden, so dass die Schuldnerin für 10 Jahre, die durch die hiesigen Mietzahlungen zwischen 2012 und 2015 noch nicht erreicht worden sind, zur Mietzahlung ohnedies verpflichtet gewesen ist. Ein Beendigungstatbestand vor Zahlung der letzten, hier eingeklagten Mietzahlung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und folgen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
C.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

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