Aktenzeichen 2 HK O 3604/16
Leitsatz
Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug geregelt, dass der Schadensersatz 10% des Kaufpreises beträgt, wenn der Verkäufer diesen im Falle der Nichtabnahme verlangt, beinhaltet dies nicht die Regelung eines pauschalierten Schadensersatzes. Der Verkäufer muss vielmehr darlegen und beweisen, dass ihm durch die Nichtabnahme ein Schaden entstanden ist (aA OLG München BeckRS 2017, 124900). (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.950,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.07.2016 sowie weitere 679,10 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 26.8.2016 zu zahlen, im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage war vollumfänglich zuzusprechen. Der Klägerin steht grundsätzlich nach der Rückabwicklung des Vertrages ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 89.500,00 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu. Dieser Anspruch ist teilweise durch Erfüllung erloschen. In Höhe des eingeklagten Restbetrages ist er nicht durch die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch erloschen. Denn einen tatsächlich entstandenen Schaden hat die Beklagtenseite nicht vorgetragen. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ziff. IV ergibt sich lediglich eine pauschalierte Schadenshöhe, nicht aber ein Anspruch an sich.
Im Einzelnen:
I.
Die Parteien haben einen Kaufvertrag über einen Pkw abgeschlossen.
Die um 6.000 km erhöhte Laufleistung laut Tachostand stellt als Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit (Tachostand 19.500 km, Anlage K1) einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
Der von der Klägerseite deswegen erklärte Rücktritt ist allerdings unwirksam. Dabei kann grundsätzlich offenbleiben, ob die von der Beklagten verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in Ziff. 6 der ersten Vertragsseite „Angaben zum Fahrzeug, insbesondere zur Laufleistung, als „keine Beschaffenheitsvereinbarungen“ definieren wollen, wirksam einbezogen und wirksam sind.
Außerdem kann offenbleiben, ob die höhere als vereinbarte Laufleistung einen unerheblichen Mangel im Sinne von § 323 Abs. 5 BGB darstellt. Jedenfalls liegt im hier vorliegenden Fall kein unbehebbarer Mangel vor. Denn nachdem unstrittig das Fahrzeug nicht besichtigt worden ist und es lediglich um den Erwerb eines bestimmten Typus (Mercedes-Benz G 350 BT Edition 35 AMG) ging, der eine möglichst geringe Laufleistung aufweisen sollte, wäre eine Nacherfüllung durch ein anderes Fahrzeug tatsächlich grundsätzlich möglich gewesen- hier liegt der übliche Fall des Stückkaufes im Gebrauchtfahrzeughandel nicht vor. Die Klägerin hätte dementsprechend vor ihrem Rücktritt eine Frist setzen müssen, dies ist nicht geschehen. Der Rücktritt vom 01.07.2016 (Anlage K 6) ist somit unwirksam.
Auch die Anfechtungserklärung greift mangels Anfechtungsgrundes nicht durch: eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II BGB ist im Bereich der Sachmängelgewährleistung bekanntlich nicht möglich (Vorrang der Sachmängelgewährleistung, vgl. Palandt/Ellenberger, Rn. 28 zu § 119).
Der hier allein in Betracht kommende Anfechtungsgrund des § 123 BGB, arglistige Täuschung hinsichtlich des Tachostandes, ist nicht hinreichend nachgewiesen. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 123 BGB trägt die Klägerseite. Den Beweis für Arglist hat sie allerdings nicht geführt. Arglist erfordert wissentliches Handeln. Dabei kommt es gem. § 166 I BGB auf den Wissensstand der Geschäftsführer Ki./W. an. Dass diese in Kenntnis des höheren Tachostandes, der sich ja ohne weiteres – wie hier auch tatsächlich geschehen- mit einem Blick ins Fahrzeug erkennen ließ, einen niedrigeren km-Stand im Kaufvertrag eintrugen, ist schon schwer vorstellbar. Es liegt hier nämlich gerade kein Fall von „Tachostandmanipulation“ vor. Nach ihren übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung sind die Geschäftsführer der Beklagten von einem Tachostand von 19.500 km ausgegangen, den sie nicht mehr anhand des konkreten Fahrzeuges überprüft haben. Auch die Aussage des faktischen Geschäftsführers der Klägerin hat nichts anderes ergeben: danach sind alle Beteiligten zunächst von einem Versehen ausgegangen. Im Übrigen ist auch nicht nachgewiesen, dass die Geschäftsführer der Beklagten die Vorstellung gehabt hätten, bei einem Tachostand von 22.500 km würde der Vertrag nicht Zustandekommen.
Die Beklagte ist demnach am 05.07.2016 wirksam gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtabnahme des verkauften Fahrzeuges zurückgetreten. Die Rücktrittserklärung ergibt sich aus Anlage K 9. Eine Fristsetzung ist erfolgt, war im Übrigen aber entbehrlich gemäß § 323 Abs. 2 Nr. BGB. Die Klägerin hat ernsthaft und endgültig die Abnahme des Fahrzeuges verweigert. Die Abnahmeverpflichtung steht hier im Gegenseitigkeitsverhältnis. Dies ergibt sich insbesondere auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die wirksam einbezogen sind (hier Ziffer IV.1.).
Damit wandelte sich das Schuldverhältnis in ein gesetzliches Abwicklungsverhältnis um. Nach § 346 I S. 1 steht der Klägerin somit die Rückzahlung des von ihr gezahlten Kaufpreises zu. Hiervon hat die Beklagtenseite insgesamt 80.550 zurückgezahlt, § 362 BGB.
Der Anspruch auf die restliche Summe (Klageforderung) besteht, und ist nicht durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen:
Die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch auf Schadensersatz ist erklärt worden, § 388 BGB. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs ist durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen, § 325 BGB.
Allerdings steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu:
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen, in deren Ziff. IV 1 im Falle der Nichtabnahme auf die gesetzlichen Rechte verwiesen wird. Auch die Rechnungsstellung vom 5.7.2016 (K9) führt als solche nicht zu einem Ersatzanspruch, sie dokumentiert lediglich die Auffassung der Beklagtenseite, man habe einen Anspruch.
Allein in Frage kommt als Anspruchsgrundlage somit § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB:
-Die Klägerin hat ihre Pflicht aus dem Kaufvertrag, das Fahrzeug abzunehmen, nicht erfüllt.
-Der Beklagten müsste kausal durch diese Pflichtverletzung ein Schaden entstanden sein. Die Beklagtenseite hat einen Schaden allerdings weder hinreichend vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Denn auf den entsprechenden Hinweis vom 5.12.2016 (Bl. 47 f d.A.) ist nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgetragen worden. Es ist also offen geblieben, ob der im Schriftsatz vom 16.11.2016, Bl. 34 d.A. genannte Kaufpreis von 78.900 € beim Weiterverkauf ein Brutto-oder Nettopreis war. Sollte es sich um den Nettopreis (ohne MwSt) handeln, hat die Beklagte durch die Nichtabnahme des Fahrzeuges von Seiten der Klägerin keinen Schaden erlitten.
Über die Hilfsaufrechnung war daher nicht mehr zu entscheiden.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Zahlungsverzug, der spätestens am 25.7.2016 eingetreten ist, (Fristsetzung Anlage K 11), damit ist die Zinszahlung ab dem folgenden Tag geschuldet, vgl. Palandt/Grüneberg, Rn. 35 zu § 286 BGB. Die Klage war insoweit (hinsichtlich der ab dem 8.7.16 geforderten Zinszahlungen) abzuweisen. Auch der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 I, II, 286 BGB, die entsprechenden Kosten der Klägerseite sind von der Beklagtenseite weder dem Grunde noch der Höhe nach angegriffen worden, so dass das Gericht hier davon ausgeht, dass auch nach dem den Verzug begründenden Schreiben vom 11.7.2016 (Anl. K 11) weitere außergerichtliche Anwaltstätigkeit erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 II Nr. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 S. 1, S. 2.