Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatzanspruch wegen Transportschäden bei unklarem Auftraggeber

Aktenzeichen  1 HK O 242/15

Datum:
13.1.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150026
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 421 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Sind in den Transport von Ware aus China nach Deutschland mehrere Schwestergesellschaften eines konzernartig organisierten Transportunternehmens eingebunden, muss der Auftraggeber für die Geltendmachung von Transportschäden nachweisen, wer tatsächlich mit der Durchführung des Transportes beauftragt worden war. (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus dem Umstand, dass durch eine der Schwestergesellschaften an den Auftraggeber ein „Ratenblatt Air Import“ mit Luftfrachtraten ex Hongkong übermittelt wurde, kann nicht hergeleitet werden, dass diese Gesellschaft bei jedem nachfolgenden Transportauftrag, an dem sie in irgendeiner Weise beteiligt ist, auch die beauftragte Frachtführerin ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 19.324,36 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Transportgutes, da die Beklagte nicht passivlegitimiert ist.
1. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Versicherungsnehmerin die Beklagte mit dem Transport der Motoren von Hongkong zur Fa. I.G. GmbH beauftragt hat.
Ein ausdrücklicher schriftlicher Auftrag von der Versicherungsnehmerin an die Beklagte liegt nicht vor; ein Zeuge, der den Transportauftrag tatsächlich erteilt hat, wird nicht benannt. Ein Auftrag an die Beklagte wird auch nicht durch die einvernommenen Zeugen bestätigt und kann auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen hergeleitet werden.
a) Die einvernommenen Zeugen konnten nicht bestätigen, dass die Beklagte mit dem Transport beauftragt wurde. Die Zeugin H., Speditionskauffrau bei der Beklagten, hat angegeben, dass ihre Hauptzuständigkeit sich im Bereich der Importe befinde. Sie gab weiterhin an, dass sie bezüglich des Transportes die Frachtdokumente aus China von ihrer Schwestergesellschaft erhalten habe. Den Transport bis nach M habe das Haus in China gemacht. Von dort werde auch die Fracht berechnet. Sie konnte nicht sagen, wen die Versicherungsnehmerin beauftragte habe. Die Abrechnung mache sie anhand des Ratenblattes. Sie müsse bei der Abrechnung danach vorgehen. Die Schwestergesellschaft in China habe später mehr berechnet, so dass ein Minus gemacht wurde. Für den Transport sei die Luftfracht von Hongkong aus beauftragt.
Die Zeugin D., die bei der Versicherungsnehmerin beschäftigt ist, hat angegeben, dass sie den streitgegenständlichen Kaufvertrag disponiert habe. Mit der Beauftragung der Transportunternehmen habe sie unmittelbar nichts zu tun. Dies erfolge durch die Logistikabteilung der Versicherungsnehmerin. Sie entscheide nur, ob die Teile auf dem See- oder Luftweg transportiert werden sollen. Die Frachtpapiere habe sie von der Fa. I. in Deutschland bekommen.
Die Zeugin J. hat angegeben, dass die Fa. I.M. GmbH nichts mit der Beauftragung der Spediteure zu tun habe. Die Übergabe der Motoren erfolge durch die Firma in Hongkong. Die Informationen, wohin die Ware von der Gesellschaft in Hongkong geliefert werden solle, bekomme sie von der Fa. E. in Deutschland. Von dort bekomme sie auch die Mitteilung, welche Spediteur die Ware transportieren soll. Dies werde dann der Fa. I. in Hongkong mitgeteilt.
Der Zeuge F. konnte zu der Beauftragung keinerlei Angaben machen. Der Zeuge war zwar bis 2014 Niederlassungsleiter bei G. in N., hatte aber mit dem streitgegenständlichen Transport nichts zu tun. Er war lediglich bei der Beschau durch den Havariekommissar dabei. Diese war in B., und er wurde von einem Kollegen in M. gebeten dies zu tun, da er näher vor Ort war.
Aus diesen Angaben der Zeugen lässt sich nicht entnehmen, wer tatsächlich mit der Durchführung des Transportes beauftragt werden soll, d.h. die Beklagte oder ihre Schwestergesellschaft in Hongkong.
b) Aus dem Umstand, dass durch die Beklagte an die Klägerin ein „Ratenblatt Air Import“ mit Luftfrachtraten ex Hongkong nach S./ M./ D. übermittelt wurde, lässt sich ein Frachtauftrag im konkreten Fall nicht herleiten. In dem Ratenblatt werden zwar die Konditionen für Luftfracht wiedergegeben, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte bei jedem Transportauftrag, an dem sie in irgendeiner Weise beteiligt war, auch die beauftragte Frachtführerin ist. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall.
c) Auch der Umstand, dass die Rechnung durch die Beklagte gestellt wurde, führt nicht dazu, dass von einer tatsächlichen Beauftragung auszugehen wäre. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie die von der Schwestergesellschaft in Hongkong berechneten Frachten weiter belastet hat und sie in deren Auftrag die Rechnung gestellt hat. Dies ergibt sich auch aus der Einvernahme der Zeugin H., die für die Erstellung der Rechnung verantwortlich war. Auch der Umstand, dass die Beklagte hier wegen einer höheren Forderung der chinesischen Schwesterfirma möglicherweise einen Verlust erlitten hat, führt nicht zu einer Änderung der Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin. Welches Tochterunternehmen eines Konzerns bestimmte wirtschaftliche Risiken trägt hat keine Auswirkung auf die Frage, gegenüber welchem Tochterunternehmen vertraglichen Beziehungen bestehen.
2. Eine Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Schaden ergibt sich auch nicht aus
§ 421 Abs. 1 Satz 2 HGB. Eine Haftung nach § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Frachtführer als Unterfrachtführer aus dem Hauptfrachtvertrag tätig war. Die Beklagte war nicht Beauftragte des Hauptfrachtvertrages. Sie war, nach ihrem eigenen Sachvortrag, nur für die Organisation der Fahrt von S. zur Empfängerin beauftragt. Diese Fahrt wurde nicht durch die Beklagte durchgeführt, sondern durch einen anderen Frachtführer. Das Transportgut war daher niemals in der Obhut der Beklagten. Für den Transport vom Flughafen S. zur Empfängerin waren auch keine Fixkosten vereinbart.
3. Die Einvernahme der Zeugin M. war nicht erforderlich. Die Zeugin konnte, da von den Parteien keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt wurde, nicht zum Termin geladen werden. Die Beklagte, die frühere Arbeitgeberin der Zeugin, hat deren frühere Privatadresse nicht bekannt gegeben. Dies kann ggf. als eine Beweisvereitelung angesehen und im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Zeugin zu einem entscheidungserheblichen Punkt benannt wurde.
Von der Klagepartei angeboten wurde die Zeugin M. im Bezug auf die Beschädigung der Ware (Schriftsatz 10.04.2015) zu dem „Frachtangebot für Import per Luftfracht aus Hongkong“ (Schriftsatz 17.07.2015), zu den Flugzeiten (Schriftsatz 15.10.2015) sowie die Frage, über welche Niederlassung von G.W. Transporte abgewickelt werden und Berechnung der Frachten (Schriftsatz 11.11.2015). Diese Punkte waren jedoch für die entscheidende Frage, ob die Beklagte die von der Versicherungsnehmerin beauftragte Vertragspartnerin war, nicht von Bedeutung.
4. Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob und in welcher Höhe ein Schaden auf dem streitgegenständlichen Transport eingetreten ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob eine möglich Beschädigung auch bei dem Transport von der Empfängerin zur Fa. I.M. GmbH (B.) eingetreten sein könnte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel