Aktenzeichen 3 O 3420/15
GmbHG § 30, § 33, § 43 Abs. 2, § 64
StGB § 266
Leitsatz
1. Wenn der alleinige Gesellschafter einer GmbH zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt, bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses; die Befolgung einer solchen “Weisung” kann nicht zu einer Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens führen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften oder gegen § 64 GmbHG verstößt oder wenn er Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der Bereicherungsschuldner (im Sinne einer nach den Umständen ggf. gesteigerten sekundären Behauptungslast) die Umstände dargelegt, aus denen er ableitet, das Erlangte (hier: Geschäftsführergehalt) behalten zu dürfen, muss der Gläubiger nachweisen, dass die vom Schuldner vorgebrachten Rechtsgründe nicht bestehen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 272.659,02 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Dem Kläger stehen gegen den Beklagten keine Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung und darüber hinaus auch keine Bereicherungsansprüche gemäß § 812 ff. BGB zu.
1.
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags (hier: Treuhandvertrag) mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier zugunsten der C. GmbH und der O. GmbH) scheidet aus.
Voraussetzung für das Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist Leistungsnähe zwischen dem Dritten und dem Schuldner, das Vorliegen eines Einbeziehungsinteresses, die Erkennbarkeit der Drittbezogenheit sowie die Schutzbedürftigkeit des Dritten (vgl. Grüneberg in Palandt, a. a. O., § 328, Rn. 13 ff.). Vorliegend fehlt es nach Auffassung des Gerichts insbesondere am Einbeziehungsinteresse sowie an der Schutzbedürftigkeit. Ersteres setzt voraus, dass der Gläubiger für das „Wohl und „Wehe“ des Dritten mitverantwortlich ist und ihm Schutz und Fürsorge schuldet. Dies ist der Fall, wenn zwischen dem Dritten und dem Gläubiger eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag besteht, wie etwa in familienrechtlichen, mietvertraglichen oder arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen. Daran fehlt es jedoch. Der Kläger ist im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Gesellschafter der beiden GmbHs gewesen (vgl. dazu unter Ziffer 2), so dass eine Rechtsbeziehung, geschweige denn mit personenrechtlichem Einschlag, nicht besteht. Aber auch eine Schutzbedürftigkeit der beiden GmbHs ist zu verneinen. Diese haben nämlich ausreichende eigene Ansprüche gegen den Beklagten. Es kommen insoweit sowohl vertragliche Ansprüche aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Beklagten als auch gesetzliche Ansprüche gemäß § 43 GmbHG und §§ 823 ff. BGB in Betracht.
2.
Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Beklagten besteht nicht.
Eine Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG sowie auch eine Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB setzt ein pflichtwidriges Geschäftsführerverhalten voraus (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, §43, Rn. 17). Dieses liegt jedoch nicht vor.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. gemäß § 280 Abs. 1 BGB scheidet schon deshalb aus, weil der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Alleingesellschafter der beiden GmbHs war. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte 99% der Gesellschaftsanteile jeweils nur treuhänderisch gehalten hat. Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten ist nur der Treuhänder. Seine Beziehungen zum Treugeber sind rein schuldrechtlicher Natur (vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, a. a. O., § 1, Rn. 42).
An einer Pflichtverletzung i. S. d. § 43 Abs. 2 GmbHG fehlt es grundsätzlich dann, wenn die Gesellschaftsversammlung den Geschäftsführer zu dem – später beanstandeten – Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten – etwa aus §§ 30,64 GmbHG – verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens. Diese Grundätze gelten erst recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat (vgl. BGH NJW 2010, 64 -65) und auch dann, wenn der Geschäftsführer bewusst für Gesellschaftsvermögen nachteilige Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift (vgl. Zöllner, Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, § 43, Rn. 33; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Auflage 2015, § 43, Rn. 134 sowie BGH NJW 2010, 64 – 65). Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Ein-Personen-Gesellschaft bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt (h.M., vgl. nur BGH NJW 1993,193 – 194).
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 33 GmbHG oder gegen § 64 GmbHG verstößt. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt (vgl. Zöllner/Noack, a. a. O., § 43, Rn. 34 m. w. N.).
Dazu wurde jedoch vom Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts am … (vgl. 160 d. A.) nicht ausreichend vorgetragen. Der Kläger hat lediglich behauptet, dass vom Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum eine massive Insolvenzverschleppung perpetuiert worden sei. Die Gesellschaft sei seit Jahren überschuldet gewesen. Dies genügt den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag zu einem Verstoß gegen Kapitalerhaltungsgrundsätze sowie zu einem Verstoß gegen § 64 GmbHG nicht.
Die o.g. Grundsätze gelten im Übrigen auch für den Zeitraum, in welchem nicht mehr der Beklagte formaler Geschäftsführer der CCC GmbH und der OHV GmbH war, sondern seine Ehefrau sowie A. Soweit man die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt, dass der Beklagte als faktischer Geschäftsführer gehandelt habe, kann die Beurteilung nicht anders ausfallen als für den formalen Geschäftsführer. Soweit man davon ausgeht, dass der Beklagte nicht mehr Geschäftsführer war, scheidet eine Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG ohnehin aus.
Auch die Tatsache, dass es sich bei der C. GmbH um eine hundertprozentige Beteiligungsgesellschaft der O. GmbH handelt, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Denn der Beklagte war bei beiden GmbHs Alleingesellschafter, so dass sein Wille dem Willen beider Gesellschaften entsprach und somit eine Pflichtwidrigkeit ausscheidet.
3.
Aus den oben genannten Gründen scheidet auch ein Anspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB sowie gemäß § 826 BGB aus. Nach der Rechtsprechung des BGH schulden die Gesellschafter einer GmbH dieser grundsätzlich weder wegen Treupflichtverletzung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung Schadensersatz, wenn sie hier einvernehmlich handelnd Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird; unter diesen Voraussetzungen haftet auch der Geschäftsführer, der eine Weisung der Gesellschafter befolgt oder selbst alleiniger Gesellschafter ist, nicht gemäß § 823 BGB (vgl. BGHZ 142, 92-96).
4.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB vorliegend aus.
Soweit es um die vom Kläger behaupteten Zahlungen an die P. GmbH geht, hat der Beklagte bereits nichts erlangt im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Soweit es um die vom Kläger behaupteten rechtsgrundlosen Gehaltszahlungen an den Beklagten geht, ergibt sich ein Rechtsgrund prima facie jedenfalls aus dem vom Beklagten vorgelegten Geschäftsführervertrag (vgl. Anlage B 5). Dort ist in § 3 geregelt, dass der Geschäftsführer für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von … € sowie eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 8% des sich aus der jeweiligen Jahresbilanz der Firma ergebenden Gewinns erhält. Hat der Bereicherungsschuldner im Sinne einer nach den Umständen ggf. gesteigerten sekundären Behauptungslast die Umstände dargelegt, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen, muss der Gläubiger nachweisen, dass die vom Schuldner vorgebrachten Rechtsgründe nicht bestehen (vgl. Sprau in Palandt, 76. Aufl. 2017, § 812, Rn. 76). Weiterer Vortrag ist dazu vom Kläger jedoch nicht erfolgt.
Im Hinblick auf die vom Kläger behaupteten privat veranlassten Kostenübernahmen, hat der Beklagte, wenn man das Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt, zwar etwas erlangt, nämlich die Befreiung von einer Verbindlichkeit. Auch bezüglich der vom Kläger behaupteten Lastschriften und Barabhebungen dürfte der Beklagte bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers etwas erlangt haben im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB scheidet jedoch insoweit aufgrund der Vorschrift des § 814 BGB aus. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken des „venire contra factum proprium“. Hinsichtlich der Kenntnis ist vorliegend auf die Kenntnis des zuständigen Vertretungsorgans abzustellen (vgl. Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 814, Rn. 14), vorliegend mithin auf die Kenntnis des Beklagten, der nach der Argumentation des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum entweder als rechtlicher oder faktischer Geschäftsführer für die C. GmbH und die O. GmbH tätig war. Da dieser, unterstellt, die geleisteten Zahlungen erfolgten tatsächlich ohne Rechtsgrund, von der Rechtsgrundlosigkeit gewusst hat, scheidet ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB somit aus.
Auf die Frage, ob die vom Kläger behauptete Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche an ihn wirksam erfolgt ist und ob diese Ansprüche bereits verjährt sind, kam es für die Entscheidung aus den vorstehenden Gründen nicht mehr an.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.