Handels- und Gesellschaftsrecht

Sich Widersprechende AGB von Frachtführer und Auftraggeber bezüglich Skonto

Aktenzeichen  191 C 11891/20

Datum:
19.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35027
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 38
HGB § 407, § 420 Abs. 2
BGB § 133, § 154, § 155, § 157

 

Leitsatz

Hat der Frachtführer vor Ausführung des Transportauftrags deutlich gemacht, dass er die Skontoregelung in den AGB des Auftraggebers nicht akzeptiere, liegt im Beginn der Ausführung selbst dann kein Einverständnis, wenn der Auftraggeber zuvor noch einmal ausdrücklich auf den Fortbestand seiner Regelung hingewiesen hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2020 und weitere 70,20 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie weitere 4,50 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem jeweiligen Betrag seit 21.07.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das AG München ist örtlich und sachlich zuständig.
1. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Abladeort in M. liegt. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23, 71 GVG.
Eine anderslautende, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO zugunsten des Gerichtsstands Bochum (so die AGB der Beklagten) oder zugunsten des Gerichtsstands Ingolstadt (so die AGB der Klägerin) kam nicht zustande. Insoweit fehlt es an einer Einigung der Parteien über einen prorogierten Gerichtsstand. Dabei kann dahinstehen, ob bei sich widersprechenden AGB diejenigen gelten, deren Verwender sich zuletzt auf sie berufen hat (sog. Theorie des letzten Wortes) oder ob in diesem Fall nur die übereinstimmenden Teile gelten (sog. Theorie der Kongruenzgeltung; Nachweise jeweils bei Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 305 Rdnr. 54).
2. Da sich die AGB der Parteien bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts widerspre chen, können sie nach der zuletzt genannten Auffassung beide nicht zur Anwendung gelangen. Aber auch nach der zuerst genannten Lehre fehlt es an der erforderlichen Einigung. Dabei kann dahinstehen, welche Partei sich vor der tatsächlichen Vertragsausführung zuletzt auf ihre AGB berufen hatte. Dem Einbeziehungswunsch der Klägerin hat die Beklagte ausweislich ihrer handschriftlichen Notiz auf der Auftragsbestätigung der Klägerin (Anlage K 2) ausdrücklich widersprochen. Umgekehrt kann aus dem anschließenden Verhalten der Klägerin nicht geschlossen werden, dass sie den von der Beklagten gewollten Gerichtsstand (Bochum) zustimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Klägerin mit der Ausführung des Transports erst nach Zugang dieses Faxes der Beklagten begonnen haben sollte. Die Frage des Gerichtsstands wurde von keiner Seite ausdrücklich thematisiert, so dass aus dem äußeren Erklärungswert der Transportausführung kein Rückschluss zulässig ist, ob sich die Klägerin damit auf den Gerichtsstand Bochum einließ und damit eine Einigung (prozessualer Vertrag) zustande kam. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich damit aus dem Gesetz.
II.
Die Klage ist begründet.
1. Die Klägerin kann den noch offenen Transportlohn in Höhe von 11,78 € nebst Zinsen von der Beklagten verlangen (§§ 407, 420 Abs. 2 HGB).
Der Transportvertrag zwischen den Parteien kam mit einem Preis von 330,00 € (netto) zustande; er enthält keine Berechtigung des Auftragsgebers, ein Skonto vom vereinbarten Preis abzuziehen. Die so lautende Klausel in Ziffer 10. Satz 4 (im Folgenden: „Skontoregelung“) der Geschäftsbedingungen der Beklagten wurde nicht Vertragsbestandteil und ihr Fehlen steht einem wirksamen Transportvertrag im Übrigen nicht entgegen.
Auch wegen der Skontoregelung fehlt es an einem Konsens der Parteien. Die Klägerin hatte einer Skontovereinbarung in ihren AGB ausdrücklich widersprochen (Formular Anlage K 2). Von den beiden sich auch hier widersprechenden AGB wurde damit keine von beiden Vertragsbestandteil. Auch wurde die Skontoregelung der Beklagten nicht deswegen Vertragsbestandteil, weil die Klägerin dieser nicht nochmals widersprach und mit der Vertragsdurchführung begann. Auch hier spielt es keine Rolle, ob die Klägerin vor oder nach dem Zugang der handschriftlichen Fax-Erklärung der Beklagten begann, den Transportauftrag auszuführen. Auf jeden Fall war aufgrund der von der Klägerin erteilten Auftragsbestätigung für die Beklagte klar erkennbar, dass die Klägerin nicht bereit war, ein Skonto zu gewähren. Dies ging aus der kurzen und übersichtlichen Auftragsbestätigung der Klägerin (Anlage K 2) deutlich hervor. Diese Erklärung zum Skonto war in Fettdruck und mit zwei Ausrufungszeichen versehen und unmittelbar im Anschluss an die Fracht angefügt. Von daher kann auch die unmittelbar darauf erfolgte tatsächliche Ausführung des Frachtauftrages durch die Klägerin nach Treu und Glauben nicht dahin verstanden werden, dass die Klägerin von dieser Regelung Abstand nehmen wollte (§§ 133, 157 BGB). Es ist somit unerheblich, wann der Klägerin die handschriftliche Erklärung zuging und ob zu diesem Zeitpunkt der Vertrag schon in der Ausführungsphase war.
Der dargestellte Dissens der Parteien über die Berechtigung der Beklagten zum Skontoabzug führt auch nicht dazu, dass der Transportvertrag gar nicht geschlossen wurde (§§ 154, 155 BGB). Die Auslegung der Erklärungen ergibt vielmehr, dass der Vertrag ohne eine Skontoregelung geschlossen werden sollte.
Die Beklagte hat mit dem Zusenden ihrer handschriftlichen Notiz auf der Auftragsbestätigung nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Transportvertrag mit einer Einigung über das Skonto stehen und fallen sollte. Vielmehr ergibt sich aus den ausgetauschten Erklärungen, dass die Parteien den Vertrag wollten, obwohl ihnen ihr Dissens über die Geltung der jeweils eigenen AGB bewusst war.
Die Parteien hatten sich aber über die essentialia negotii des Transportvertrages geeinigt. Das Fehlen einer Einigung über die Reichweite der Geltung der jeweils eigenen AGB steht einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen. Die Beklagte hat in Satz 2 ihres handschriftlichen Zusatzes auf der Auftragsbestätigung (Anlage K 2) die Geltung der fremden AGB ausdrücklich abgewehrt. Soweit sie in Satz 1 dieser Erklärung auf die eigenen AGB verweist, wiederholt sie nur ihren vorangegangenen Antrag (Anlage K 1). Die Geltung eines Skontos war zu diesem Zeitpunkt von keiner Partei ausdrücklich angesprochen worden. Im Vordergrund stand vielmehr die unverzügliche Ausführung des Transports, wobei die Beklagte – ausweislich des handschriftlichen Zusatzes in ihrem Antrag (Anlage K 1) – vor allem Wert auf den zuverlässigen Palettentausch legte. Die Skontoregelung der Beklagten ist dagegen eher versteckt in den klein geschriebenen AGB unter Ziffer 10 enthalten, die in ihren ersten Sätzen aber die Behandlung von Transportunterlagen und Strafen bei einem Überschreiten von Fristen enthält. Es war damit das nach außen kundgegebene objektive Interesse der Beklagten, den Transport sofort und auf vertraglicher Grundlage durchzuführen, weil sie sonst keinen Anspruch auf die gewünschte Durchführung gehabt hätte. Hierauf hat sich die Klägerin eingelassen, indem sie den Transport in der Folge ausführte. Damit kann aber die Klägerin die vertraglich vereinbarte Fracht verlangen.
2. Die Nebenforderungen und der Zinsanspruch ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.
III.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Voll streckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
2. Die Berufung war nicht zuzulassen. Ein entsprechender Antrag wurde nicht gestellt. Es liegen auch keine Zulassungsgründe vor. Dieses Urteil legt individuelle Erklärungen aus, ohne dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtsgrundsätze aufzustellen.

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