Aktenzeichen II ZR 241/11
§ 516 Abs 1 BGB
§ 295 AktG
Verfahrensgang
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 2. November 2011, Az: 9 U 60/10, Urteilvorgehend LG Kiel, 15. Oktober 2010, Az: 14 O 57/10
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 2. November 2011 aufgehoben und das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel vom 15. Oktober 2010 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin, die Sparkasse Holstein, beteiligte sich durch Vertrag vom 3./11. November 1997 (Anlage K 1) als stille Gesellschafterin mit einer Vermögenseinlage von 3,4 Mio. DM am Handelsgewerbe der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale, einer Anstalt des öffentlichen Rechts.
2
Der Vertrag vom 3./11. November 1997 enthält zur Gewinn- und Verlustbeteiligung folgende Regelungen:
§ 2 Vergütung
(1) Die Sparkasse erhält für jedes Geschäftsjahr der Bank eine Vergütung für die in § 1 Absatz 1 Satz 1 genannte Einlage in Höhe von 7,12 von Hundert des Einlagenennbetrages.
(…)
(5) Der Anspruch auf die Vergütung für das laufende Geschäftsjahr entfällt, wenn und soweit durch sie ein Bilanzverlust entstehen oder erhöht würde oder die Einlage der Sparkasse nach einer Herabsetzung gem. § 3 Abs. 1 noch nicht wieder auf den Nennbetrag aufgefüllt und/oder die für die vorausgegangenen Geschäftsjahre ausgefallenen Vergütungen noch nicht nachgeholt worden sind.
(…)
§ 3 Verlustteilnahme
(1) Ergibt sich bei der Aufstellung der Bilanz, dass ein Bilanzverlust entstehen würde, ist dieser, soweit bisher noch nicht geschehen, von den gesamten stillen Einlagen im Verhältnis ihres Buchwertes zum gesamten in der Bilanz ausgewiesenen haftenden Eigenkapital der Bank, das am Verlust teilnimmt, abzusetzen. Dies bedeutet, dass alle stillen Gesellschafter, alle Inhaber von Genussrechten und die Kapitaleigner der Bank am Bilanzverlust mit dem gleichen Prozentsatz des Buchwertes ihrer Einlagen, Rückzahlungsansprüche oder des sonstigen ausgewiesenen Eigenkapitals teilnehmen.
Nachrangiges Haftkapital nimmt am Bilanzverlust nicht teil.
(…)
3
Die Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale ist durch Staatsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg vom 4. Februar 2003 mit der Hamburgischen Landesbank – Girozentrale, Anstalt des öffentlichen Rechts, unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Neugründung durch Übertragung der Vermögen beider Anstalten auf die dadurch neu gegründete Beklagte, die HSH Nordbank AG, verschmolzen worden. Nach § 1 Abs. 6 des Staatsvertrags sind die Vermögen der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale und der Hamburgischen Landesbank – Girozentrale in dem bei Wirksamwerden der Verschmelzung vorhandenen Umfang mit allen Gegenständen des Aktiv- und Passivvermögens und mit den Arbeitsverhältnissen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die HSH Nordbank AG übergegangen.
4
Neben dem Vertrag über die stille Beteiligung der Klägerin, nach dessen § 5 Abs. 2 die Einlage der Sparkasse von einer Veränderung der Rechtsform oder einer Verschmelzung der Bank unberührt bleibt, bestanden zum 8. August 2008 weitere 123 stille Gesellschaftsverträge; alle Verträge sind als Teilgewinnabführungsverträge im Handelsregister eingetragen worden.
5
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19. Dezember 2008 erklärte der Versammlungsleiter, dass die Beklagte im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2008 vermutlich einen Jahresfehlbetrag ausweisen werde und daher nicht verpflichtet sei, eine Gewinnbeteiligung auf insgesamt 119 der Teilgewinnabführungsverträge zu zahlen; er sehe bei einem Ausfall der Bedienung der stillen Gesellschafter jedoch die Gefahr eines erheblichen Reputationsverlustes für die Beklagte, der angesichts der Finanzmarktkrise unmittelbar existenzbedrohende Bedeutung erlangen könne. Auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat ermächtigte die Hauptversammlung daraufhin den Vorstand durch einstimmigen Beschluss, einen Betrag von bis zu 64 Mio. € zur Leistung freiwilliger, auf die nach dem jeweiligen Vertrag geschuldete Vergütung begrenzter Sonderzahlungen an die stillen Gesellschafter zu verwenden und mit diesen entsprechend einem dem Beschluss beigefügten Mustervertrag zu vereinbaren, dass die in den stillen Gesellschaftsverträgen vorgesehenen Verlustzuweisungen unterbleiben.
6
Die Beklagte bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2008 (Anlage K 5), dass sie „trotz des derzeit zweifelsohne schwierigen Marktumfeldes“ die Vergütung für die stille Einlage für das Geschäftsjahr 2008 in voller Höhe auszahlen und eine Verlustzuweisung nicht vornehmen werde. Die Vergütung werde der Klägerin im Wege einer Sonderzahlung am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag zufließen, sofern die Beklagte für das Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag ausweise und eine Vergütungszahlung aus diesem Grunde entsprechend den vertraglichen Vergütungsregelungen ganz oder teilweise entfiele. Weiterhin sicherte die Beklagte zu, dass die stille Einlage an einem etwaigen Jahresfehlbetrag für das Geschäftsjahr 2008 nicht teilnehme, und bat darum, das dem Schreiben beigefügte, für die Beklagte bereits unterzeichnete Exemplar des Änderungsvertrags unterschrieben zurückzusenden.
7
Der von der Klägerin mit Datum vom 23. Dezember 2008 unterzeichnete und an die Beklagte zurückgesandte „Änderungsvertrag zu einem Teilgewinnabführungsvertrag (Stiller Gesellschaftsvertrag)“ sieht in § 1 Abs. 1 und 2 vor, dass die Regelungen in dem Vertrag vom 3./11. November 1997 über die Verlustbeteiligung für das Geschäftsjahr 2008 einmalig keine Anwendung finden, die Beklagte vielmehr ausdrücklich einmalig für das Geschäftsjahr 2008 auf die anteilige Anrechnung eines etwaigen Jahresfehlbetrags auf die stille Einlage verzichtet. § 1 Abs. 3 des Änderungsvertrags bestimmt, dass das Entfallen des Anspruchs auf Vergütung für das Geschäftsjahr 2008 aus dem stillen Gesellschaftsvertrag, sollte nach dessen Regelungen im Geschäftsjahr ein Jahresfehlbetrag entstehen oder erhöht werden, hiervon nicht berührt werde. Die im Schreiben vom 21. Dezember 2008 bestätigte Sonderzahlung wird im Änderungsvertrag nicht erwähnt.
8
Die Hauptversammlung der Beklagten stimmte dem Änderungsvertrag mit Beschluss vom 2. Februar 2009 zu. Die Vertragsänderung wurde am 18. Februar 2009 im Handelsregister eingetragen.
9
Der im Frühjahr 2009 aufgestellte Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2008 wies einen Jahresfehlbetrag in Höhe von über 3 Mrd. € aus. Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sehe sich nicht mehr in der Lage, die angekündigte Sonderzahlung zu erbringen. Zur Begründung führte sie die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission an, die die Rekapitalisierung der Beklagten samt der hierzu erforderlichen Risikoabschirmung als Beihilfe ansehe, die nach den Vorgaben des europäischen Beihilferechts zu genehmigen sei; die Kommission habe zum Ausdruck gebracht, dass die geplante freiwillige Bedienung der stillen Gesellschafter eine schwere Belastung für das anstehende Beihilfeverfahren darstellen würde.
10
Die Klägerin hat mit ihrer im Urkundsprozess erhobenen Klage unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 21. Dezember 2008 für das Geschäftsjahr 2008 die Zahlung der Vergütung für ihre stille Einlage verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 123.773, 54 € nebst Zinsen verurteilt und ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt.