Handels- und Gesellschaftsrecht

Vergütungsansprüche wegen Kündigung von Werkverträgen

Aktenzeichen  23 U 874/17

Datum:
30.11.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133758
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 301, § 318, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2
BGB § 649 S. 2

 

Leitsatz

Ein Grund- und Teilurteil ist als Teilurteil unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr widersprechender Entscheidungen verbunden ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 25/15 2017-02-10 Teil- und Grundurteil LGDEGGENDORF LG Deggendorf

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil – Grundurteil des Landgerichts Deggendorf vom 10.02.2017, Az. 1 HK O 25/15, aufgehoben.
II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Deggendorf zurückverwiesen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Vergütungsansprüche wegen Kündigung von Werkverträgen geltend.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt unter Ziff. I die Zahlung in Höhe von € 752.322,46 nebst Zinsen beantragt. Ferner hat er unter Ziff. II die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, sollten die Finanzbehörden auf den unter Ziff. I geltend gemachten Betrag Mehrwertsteuer erheben, diesen Betrag dem Kläger zu ersetzen.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat unter der Bezeichnung Teil – Grundurteil ausgesprochen, dass der Klageanspruch in Ziff. I dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt werde. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus § 649 Satz 2 BGB dem Grunde nach begründet seien.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,
unter Abänderung des Teil- und Grundurteils des Landgerichts Deggendorf, Az. 1 HK O 25/15, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2017 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Aufhebung des Teil – Grundurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.
Das Teil – Grundurteil vom 10.02.2017 stellt ein nach § 301 ZPO unzulässiges Teilurteil dar. Ein Verstoß gegen § 301 ZPO ist als wesentlicher Verfahrensmangel von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.2000 – VIII ZR 109/99 –, Rn. 14, juris). Eines Antrages auf Zurückverweisung bedarf es nicht, § 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil lediglich über den Zahlungsantrag gemäß Ziff. I dem Grunde nach entschieden, über den Feststellungsantrag jedoch keine Entscheidung getroffen.
Der Ansicht des Klägers, das Landgericht habe über den Anspruch dem Grunde nach insgesamt entschieden (Schriftsatz vom 13.09.2017, S. 3 f, Bl. 267 f d.A.), kann nicht gefolgt werden. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 187/13 –, Rn. 17, juris). Jedoch ist zunächst für den Inhalt der Entscheidung grundsätzlich der Wortlaut der Entscheidungsformel maßgeblich (BGH, Beschluss vom 19.09.2017 – XI ZB 17/15 –, Rn. 37, juris). In dem Tenor hat das Landgericht ausgesprochen, der Klageanspruch werde in Ziff. I dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Ferner hat das Landgericht das Urteil als Teil – Grundurteil bezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht entgegen dem Ausspruch im Tenor über den Grund des Anspruches abschließend entschieden hat, sind entgegen der Auffassung des Klägers (S. 3 des Schriftsatzes vom 13.09.2017, Bl. 268 d.A.) nicht ersichtlich. Der Verweis des Klägers auf Seite 6, 2. Absatz der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geht fehl. Der Kläger zitiert die Ausführungen des Landgerichts, wonach die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte dem Grunde nach begründet seien sowie der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus § 649 S. 2 BGB habe. Hierbei übersieht der Kläger jedoch, dass das Landgericht gleichsam als Obersatz auf Seite 6 der Entscheidungsgründe im ersten Absatz sich ausdrücklich nur auf Ziff. I des Klageantrags bezieht. Ferner führt das Landgericht am Ende seiner Entscheidung aus, dass der Anspruch des Klägers nach Ziff. I des Klageantrags dem Grunde nach bestehe. Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung anfallender Mehrwertsteuer bleibe dem Schlussurteil vorbehalten.
Somit hat das Landgericht keine Entscheidung über den Feststellungsantrag in Ziff. II getroffen.
Entscheidet ein Gericht in dieser Konstellation nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil. Dieses ist als Teilurteil dann unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06 –, BGHZ 182, 116-140, Rn. 10 m.w.Nw.)Eine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (vgl. BGH, Urteile vom 11.05.2011 – VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 und vom 12.04.2016 – XI ZR 305/14 –, Rn. 29, juris, jeweils m.w.Nw.).Vorliegend ist die Frage, ob dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß § 649 Satz 2 BGB dem Grunde nach zusteht, sowohl im Rahmen des Zahlungsantrages als auch im Rahmen des Feststellungsantrages entscheidungserheblich. Über die Voraussetzungen des Zahlungsanspruches, der Gegenstand des landgerichtlichen Teil – Grundurteils ist, wird bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag nochmals zu entscheiden sein. Eine materiell-rechtliche Verzahnung, die die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mit sich bringt und dem Erlass eines Teilurteils entgegensteht, liegt damit vor. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht, möglicherweise auch das Rechtsmittelgericht, bei der späteren Entscheidung über den Feststellungsantrag zu einer anderen Erkenntnis gelangt. Aus diesem Grunde darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsbegehren, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen Anspruch oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden werden (BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06 –, BGHZ 182, 116-140, Rn. 11).
2. Ergänzend weist der Senat für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:
2.1. Die Ausführungen des Landgerichts dahingehend, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen H. mit den als Anlage K1 bis K6 vorgelegten Montageaufträgen der Austausch aller in den genannten Objekten vorhandenen Jalousieantriebe vereinbart worden sei, gebieten entgegen der Auffassung der Beklagten und Berufungsführerin keine erneute Feststellung. Die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts sind unbegründet. Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen, § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen könnten und deshalb eine neue Feststellung erforderlich machen würden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht widersprüchlich. Sie verstößt nicht gegen Denk -oder Erfahrungssätze. Die leitenden Gründe und wesentlichen Gesichtspunkte für die Überzeugungsbildung sind nachvollziehbar dargestellt.
2.2. Jedoch hat das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen zu der Vertretungsmacht des Zeugen H., insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht, getroffen. Der Kläger trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des objektiven Rechtsscheintatbestands, für seine Kenntnis davon und für die Kausalität des Rechtsscheins (vgl. Schubert in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl., § 167 Rn. 121), insbesondere dahingehend, dass der Zeuge H. vor Abschluss der jeweiligen streitgegenständlichen Aufträge zum Gesamtaustausch der Jalousieantriebe Aufträge in vergleichbarem Umfang an den Kläger namens der Beklagten erteilt hatte.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Nach geheimer Beratung des Gerichts verkündet der Vorsitzende folgenden
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 752.322,46 festgesetzt.

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