Aktenzeichen 5 O 483/18
HGB § 160, § 171, § 172 Abs. 4
Leitsatz
1. Vereinbaren Käufer und Verkäufer eines Kommanditanteils, dass “der Verkäufer auch zukünftig für die Beträge einsteht, welche durch die Beteiligungsgesellschaft an ihn in seiner Eigenschaft als Kommanditist geleistet wurden, und dem so genannten „Wiederaufleben der Haftung“ nach § 172 Abs. 4 HGB unterliegen”, ist von der sofortigen – die Verjährungsfrist in Lauf setzenden – Fälligkeit des Befreiungsanspruchs des Käufers auszugehen. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Regelung des § 160 HGB kann die Intention des Gesetzgebers entnommen werden, einen aus der KG ausscheidenden Gesellschafter nicht „ewig“ haften lassen zu wollen, was – als Rechtsgedanke – auch auf das Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer eines Kommanditanteils übertragen werden kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 28.03.2018 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren bedingten Kosten, welche der Beklagte zu tragen hat.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 18.400,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Er hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Freistellungsanspruch noch einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
I.
Der Anspruch der Klägerin wäre auf jeden Fall verjährt, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob ein Anspruch besteht.
1. Die dreijährige Regelverjährungsfrist begann Ende 2006 und ist Ende 2009 – damit vor Klageeinreichung – abgelaufen (§§ 195, 199 BGB).
Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hat, da kein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres 2006 begonnen, in dem der Anspruch entstanden ist; die Klägerin als Gläubigerin hatte in diesem Zeitpunkt von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen.
1.1 Der von der Klägerin geltend gemachte vertragliche Freistellungsanspruch aus Ziffer 8 des Kaufvertrages vom 11./20.08.2006 ist 2006 entstanden.
Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung ist grundsätzlich gemäß § 271 BGB die Fälligkeit des Anspruchs (BGH, Urt. v. 12.11.2009, – III ZR 113/09, NJW-RR 2010, 333, 334 f.).
Der Befreiungsanspruch nach § 257 Satz 1 BGB wird nach einhelliger Auffassung sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, fällig, unabhängig davon, ob diese ihrerseits bereits fällig ist (§ 257 Satz 2 BGB). Nach allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen wäre der Zeitpunkt, zu dem ein Befreiungsanspruch entsteht und fällig wird, auch gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB maßgeblich dafür, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist dieses Anspruchs beginnt mit der Folge, dass es hierfür auf den Eintritt der Fälligkeit der Drittforderung, von der Freistellung begehrt wird, nicht ankäme (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, DNotZ 2018, 424, 428).
Dies würde allerdings bei unbesehener und strikter Anwendung, insbesondere auf langfristig angelegte Verbindlichkeiten, Unzuträglichkeiten nach sich ziehen, die den Interessen beider Parteien eines Vertrages und dem Zweck des § 257 Satz 1 BGB zuwiderliefen. Wäre für den Lauf der Verjährungsfrist allein auf die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs abzustellen, könnte unter Umständen die Befreiungsgläubigerin zur Vermeidung der Verjährung bereits zu einem Zeitpunkt zur Geltendmachung ihres Freistellungsanspruchs gegenüber dem Befreiungsschuldner gezwungen sein, in dem weder die Fälligkeit der Drittforderung absehbar ist noch feststeht, ob für deren Erfüllung überhaupt auf Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss; eine solche Geltendmachung ohne jede wirtschaftliche Notwendigkeit wäre indes verfrüht und weder sach- noch interessengerecht (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, DNotZ 2018, 424, 428). Um diese nicht sinnvollen und unbefriedigenden Folgen zu vermeiden, beginnt nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch nach § 257 Satz 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (BGH, Urt. v. 19.10.2017 – III ZR 495/16, DNotZ 2018, 424, 428).
Die Regelung des § 257 Abs. 2 BGB, aus dem sich die sofortige Fälligkeit des gesetzlichen Befreiungsanspruchs i.S.v. § 257 Abs. 1 BGB ergibt, kann indes nach der Rechtsprechung des BGH auf vertragliche Befreiungsansprüche nicht ohne weiteres übertragen werden. Vielmehr muss die den jeweiligen Umständen angemessene Regelung der Fälligkeitsfrage, soweit diese sich auf künftige oder ungewisse, aber noch nicht fällige Forderungen bezieht, der Disposition der Vertragsparteien überlassen bleiben. Die Fälligkeit richtet sich deshalb vorrangig nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien. Diese Auslegung kann ergeben, dass sie bereits mit Entstehung fällig werden (BGH, Urt. v. 12.11.2009, – III ZR 113/09, NJW-RR 2010, 333, 334). Erst wenn eine entsprechende Parteivereinbarung nicht feststellbar ist und auch den Umständen des Falles ausnahmsweise keine Regelung zur Fälligkeit zu entnehmen ist, kann nach § 271 Abs. 1 BGB von der sofortigen Fälligkeit des Befreiungsanspruchs ausgegangen werden (BGH, Urt. v. 12.11.2009, – III ZR 113/09, NJW-RR 2010, 333, 334 f.).
Gemessen daran ist hier von der sofortigen Fälligkeit eines Befreiungsanspruchs der Klägerin auszugehen. Da eine entsprechende Parteivereinbarung zur Fälligkeit des Befreiungsanspruchs dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag nicht zu entnehmen ist, ist nach § 271 Abs. 1 BGB von der sofortigen Fälligkeit eines unter Umständen bestehenden Befreiungsanspruchs der Klägerin auszugehen.
1.2 Die Klägerin als Gläubigerin hatte in diesem Zeitpunkt von den einen Befreiungsanspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. hätte diese jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB). Dies folgt daraus, dass eine Kenntnis aller Einzelheiten insoweit nicht erforderlich ist, sondern es genügt, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche Klage (wenn auch nur als Feststellungsklage) erheben kann.
Gemessen daran waren hier für die Klägerin bereits im Jahre 2006 alle anspruchsbegründenden Umstände bekannt bzw. zumindest erkennbar, da das Unterlassen einer Prüfung der „Umstände, die die Kommanditistenhaftung nach §§ 171 ff. HGB begründen“, insbesondere in Bezug auf den hier in Rede stehenden § 172 Abs. 4 HGB, für eine gewerbliche Aufkäuferin von Schiffsbeteiligungen auf dem Zweitmarkt als schlicht unverständlich und damit als grob fahrlässig erscheint (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 2.2.2018 – 22 U 33/17, BeckRS 2018, 1178, beck-online).
Die damit einhergehende Konsequenz, dass der Klägerin (als Käuferin bzw. Neukommanditistin) bereits zu einem Zeitpunkt die verjährungsunterbrechende Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs gegenüber dem Beklagten (als Verkäufer bzw. Altkommanditisten) oblag, in dem die spätere wirtschaftliche Krise bzw. ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG noch nicht absehbar war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Denn andernfalls würde der Klägerin – trotz ihrer überlegenen Kenntnisse und Erfahrungen als im Bereich des Zweitmarkts von Schiffsbeteiligungen – eine – im Ergebnis – (entgegen § 202 Abs. 2 BGB) zeitlich letztlich unbegrenzte Regressmöglichkeit durch Geltendmachung von Befreiungsansprüchen gegen den jeweiligen Verkäufer (Altkommanditisten) auch bei einer Krise bzw. einem wirtschaftlichen Niedergang der Schiffsgesellschaft erst nach mehreren Jahren oder gar (ggf. mehreren) Jahrzehnten zustehen.
Dies würde – auch wenn § 160 HGB die Begrenzung der Nachhaftung im Außenverhältnis zwischen Altkommanditist und Gesellschaftsgläubiger auf fünf Jahre betrifft – jedenfalls mit der daraus zu ersehenden Intention des Gesetzgebers in Widerspruch stehen, einen aus der KG ausscheidenden Gesellschafter nicht „ewig“ haften lassen zu wollen. Im Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer eines Kommanditanteils kann – im Rahmen der Prüfung des Verjährungsbeginns eines vertraglichen Befreiungsanspruchs – nichts anderes gelten.
2. Im übrigen wären die Ansprüche der Klägerin auch gemäß § 199 Abs. 4 BGB verjährt, da nach ihrer Entstehung und Fälligkeit im April 2006 (s.o. 1.1) bereits 10 Jahre bis zur Klageerhebung vergangen waren.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.