Aktenzeichen 31 O 5/18
Leitsatz
1. Der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern unterliegt unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs – Befreiungs- oder (zuletzt) Zahlungsanspruch einer einheitlichen selbstständigen Verjährung.Die Verjährung des Gläubigersanspruchs berührt diesen nicht. (vgl. hierzu und im Weiteren BGH, Teilurteil vom 25.11.2009 – VI ZR 70/05 und Versäumnisurteil vom 18.06.2009 – VII ZR 167/08 m.w.N.). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Ausgleichsanspruch entsteht in dem mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten ersatzpflichtig sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob ein Anspruch dem Grunde nach und wenn ja in welcher Höhe besteht, da möglich Ansprüche gegenüber beiden Beklagten verjährt sind.
I.
1. Das Landgericht ist sachlich aufgrund des 5.000,00 Euro übersteigenden Streitwerts zuständig.
2. Der Sitz der Beklagten führt nicht zur örtlichen Zuständigkeit für beide Beklagte, da lediglich die Beklagte zu 1) ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts hat. Es erscheint zumindest äußerst fraglich, ob aufgrund der Lage des Bauvorhabens im Landgerichtsbezirk von der örtlichen Zuständigkeit auszugehen ist. Bei gegenseitigen Verträgen gibt es grundsätzlich keinen notwendigen einheitlichen Leistungsort. Jedoch wird beim Bauvertrag und beim Architektenvertrag der Ort des Bauwerks als gemeinsamer Erfüllungsort anerkannt. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch zwischen den Parteien keinen Bauvertrag. Vielmehr wurden die Parteien jeweils von der Firma … beauftragt. Damit kann es auch keinen gemeinsamen Erfüllungsort für (nicht bestehende gegenseitige) vertragliche Verpflichtungen geben.
Da es aber keinen Gerichtsstand des Bauwerks sondern nur den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts, § 29 ZPO, gibt, ist das Landgericht Memmingen weder unter diesem Gesichtspunkt zuständig, noch liegt ein anderer Gerichtsstand, der die Zuständigkeit begründen würde, vor. Insbesondere ergibt sich auch kein Gerichtsstand aufgrund des geltend gemachten Ausgleichsanspruchs. Die Beziehung zwischen den Gesamtschuldnern begründet zwar ein gesetzliches Schuldverhältnis, jedoch keinen Gerichtsstand.
Gemäß § 39 S. 1 ZPO wird die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszugs jedoch ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt, was vorliegend der Fall. Gemäß S. 2 gilt dies zwar nicht, wenn die Belehrung nach § 504 ZPO unterblieben ist, diese obliegt jedoch gemäß § 504 ZPO nur dem Amtsgericht.
II.
1. Die vorliegende Konstellation eröffnet, für den Fall, dass die Beklagten eine mangelhafte Werkleistung erbracht haben und dies von ihnen zu vertreten ist, grundsätzlich den Anwendungsbereich des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB und zwar unabhängig davon, dass mögliche Gewährleistungsansprüche im Verhältnis zwischen der Firma … und den Beklagten bereits verjährt sind. Der Kläger wird in zulässiger Weise, aufgrund des Umfangs der Beauftragung und der daraus resultierenden Verpflichtungen, von der Firma … auf den Gesamtschaden in Anspruch genommen. Im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses besteht jedoch eine Ausgleichspflicht auf Basis der jeweiligen Verursachungsbeiträge, wobei sich der Kläger für Bauüberwachungsfehler des von ihm beauftragten Bauleiters …, die er sich zurechnen lassen muss, eine Haftungsquote von 20 % anrechnen lässt.
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, in welchem Umfang Schäden am Bauwerk vorhanden sind, ob und in welchem Umfang diese von den Beklagten möglicherweise zu vertreten sind, welche Maßnahmen erforderlich sind um mögliche Schäden zu beseitigen, welche Kosten hierfür erforderlich sind und wie diese zwischen den Beteiligten aufzuteilen sind, da Ausgleichsansprüche verjährt sind, worauf sich die Beklagten berufen haben und somit gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt sind, die Leistung zu verweigern.
2. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Ausführungsfehler der Beklagten, die neben und mit den Fehlern im Rahmen der Bauüberwachung zum Eintritt des Schadens geführt hätten. Gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
Die Ausgleichspflicht setzt damit ein Gesamtschuldverhältnis gemäß § 421 BGB voraus. Eine derartige Gesamtschuld kann nur aufgrund gleichstufiger Verpflichtungen entstehen und wird dadurch gekennzeichnet, dass durch die Erfüllung einer Schuld auch die andere erlischt. Geht es um den Ausgleich von Schäden haften grundsätzlich alle für den Schaden Verantwortlichen gleichstufig, egal auf welchem Rechtsgrund die Haftung beruht. Dies gilt auch wenn die Schädiger aufgrund verschiedener Verträge für denselben schadenersatzpflichtig sind, wie im vorliegenden Fall der seine Überwachungspflichten vernachlässigende Bauleiter und die (eine mangelhafte Leistung erbringenden) ausführenden Firmen (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, 77. Auflage, § 421 Rdnr. 7, 10 und 11).
3. Der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern unterliegt unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs – Befreiungs- oder (zuletzt) Zahlungsanspruch einer einheitlichen selbstständigen Verjährung und ist mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden. Er wird nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen verjährt ist (vgl. hierzu und im Weiteren BGH, Teilurteil vom 25.11.2009 – VI ZR 70/05 und Versäumnisurteil vom 18.06.2009 – VII ZR 167/08 m.w.N.).
Der Ausgleichsanspruch entsteht damit in dem Augenblick, in dem mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten ersatzpflichtig sind, also mit der Begründung der Gesamtschuld, auch wenn er zunächst nur als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch besteht und sich erst nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch wandelt. Ein Anspruch ist im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB entstanden, wenn er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Die Möglichkeit der Bezifferung ist hierbei nicht notwendig; ausreichend ist die Möglichkeit einer Feststellungsklage.
Dieser Zeitpunkt ist spätestens der, der Abnahme der Bauleistung der Beklagten, also der 27.02.2007. Für die Beklagte zu 2) ergibt sich der Abnahmezeitpunkt aus ihrem unstreitigen Vortrag und dem Abnahmeprotokoll (Anlage B 2/1). Die Beklagte zu 1) hat in ihrem Schriftsatz vom 12.04.2018 (Blatt 33 der Akten) zwar ihre unzutreffenden Angaben auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 28.02.2018 (Blatt 23 der Akten) korrigiert, jedoch nur vorgetragen, dass ihre Werkleistungen am 22.01.2007 fertiggestellt und dann von der Auftraggeberin abgenommen wurden. Aus der von ihr vorgelegten Anlage B 2 vergibt sich jedoch derselbe Abnahmetermin, da die Firma … darin feststellt, dass die (5-jährige) Gewährleistungsfrist am 27.02.2012 endet.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch der Firma … gegenüber den Beklagten und dem Kläger, die für die Versäumnisse im Rahmen der Bauüberwachung durch den von ihr beauftragten Dipl.-Ing. … einzustehen und diese zu vertreten hat, in einen Gewährleistungsanspruch umgewandelt. In diesem Moment wird das Gesamtschuldverhältnis zwischen den Parteien begründet, da sie gemeinschaftlich dem Geschädigten gegenüber ersatzpflichtig werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Tätigkeit des Klägers im Rahmen seiner Beauftragung durch die Firma … zu diesem Zeitpunkt noch nicht insgesamt abgeschlossen war. Die von der Klägerseite vorgetragenen eigenen bzw. ihr zurechenbaren Fehler im Rahmen der Bauüberwachung haben sich spätestens im Zeitpunkt der Abnahme der abgeschlossenen Leistungen der Beklagten, ohne einen entsprechenden Mängelvorbehalt, so manifestiert, dass sie zu einem (Schadensersatz-) Anspruch geführt haben, der ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden konnte. Die von der Klägerseite behaupteten Mängel der Leistung der Beklagten lagen zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich ebenfalls, zumindest in der Anlage, vor, da dies Voraussetzung für einen Gewährleistungsanspruch ist. Für den Befreiungs- und Ausgleichsanspruch gilt dann einheitlich die Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.
Gemäß § 199 BGB beginnt die 3-jährige regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Wann Letzteres der Fall war kann jedoch dahingestellt bleiben, da zumindest die in § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB normierte 10-jährige Verjährungshöchstfrist abgelaufen ist. Danach verjähren sonstige Schadensersatzansprüche (also diejenigen die nicht unter Absatz 2 fallen und die hier nicht betroffen sind) ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 10 Jahren von ihrer Entstehung an.
Entgegen Absatz 1, Halbsatz 1 beginnt diese Frist nicht mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist, sondern taggenau und ist gemäß §§ 187 ff. BGB zu berechnen (Ellenberger in Palandt, 77. Auflage, § 199 Rdnr. 42).
Verjährung ist damit mit Ablauf des 27.02.2017 eingetreten.
Die erst am 02.01.2018 beim Landgericht Memmingen eingegangene Klage war deswegen,
nachdem die Verjährungseinrede von beiden Beklagten erhoben wurde, ohne dass die weiteren Voraussetzungen für die Begründetheit, oder die Frage ob (auch) die dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen ist, zu prüfen waren, abzuweisen.
III.
Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in den Schriftsätzen der Parteivertreter, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 13.06.2018 bei Gericht eingegangen sind (Schriftsatz des Beklagtenvertreters zu 2) vom 27.06.2018, Bl. 38/39 der Akten und vom 24.08.2018, Bl. 58 der Akten; Schriftsatz des Beklagtenvertreters zu 1) vom 09.07.2018, Bl. 40/41 der Akten und vom 04.09.2018, Bl. 59/64 der Akten; Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.08.2018, Bl. 44/57 der Akten) waren gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, da nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht.
Eine Schriftsatzfrist war nicht eingeräumt worden.
Die Möglichkeit bzw. Erforderlichkeit weiteren Vorbringens ist in der Hauptverhandlung am 13.06.2018 ausdrücklich erörtert worden. Die Parteivertreter haben mitgeteilt, dass sie weitere Rechtsausführungen zur Frage der Verjährung machen möchten. Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hat, dass zu Rechtsfragen jederzeit vorgetragen werden kann und durch das Gericht selbstverständlich auch zu prüfen ist, ob die Rechtsauffassung für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung sind, haben die Parteivertreter ausdrücklich erklärt, dass sie keine Schriftsatzfrist beantragen, sondern ein möglicher Verkündungstermin entsprechend spät angesetzt werden soll, damit noch zu Rechtsfragen vorgetragen werden kann.
Soweit der Klägervertreter im Schriftsatz vom 17.08.2018 auf Seite 3 (Bl. 46 der Akten) neue Sachanträge gestellt hat, fallen diese nicht unter den Anwendungsbereich des § 296a ZPO, sind aber gleichwohl unzulässig, da sie, wie aus §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO folgt, spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen waren (Greger in Zöller ZPO, 32. Auflage, § 296a Rdnr. 2a).
Aus dem Umstand, dass der Schriftsatz vom 17.08.2018 zugestellt wurde, ergibt sich nichts anderes. Die Zustellung erfolgte ohne entsprechende Anordnung des Richters, entgegen der Rechtslage durch die Serviceeinheit.
Da weder Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO vorgetragen, noch ersichtlich sind, begründet die Zustellung des Schriftsatzes keine Rechtshängigkeit (Greger a.a.O.)
IV.
1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 709 ZPO.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Verkündet am 21.12.2018