Handels- und Gesellschaftsrecht

Verjährungsbeginn eines Anspruchs gegen einen Anwalt auf Auskehr zurückgezahlter Gerichtskosten

Aktenzeichen  239 C 7429/16

Datum:
20.4.2017
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Verjährung des Anspruchs gegen einen Anwalt auf Rückerstattung zurückerhaltener Gerichtskosten beginnt, wenn es dem Mandanten bewusst wird bzw. sich hätte aufdrängen müssen, dass der Anwalt entgegen anwaltlicher Gepflogenheit die zurückbezahlten Gerichtskosten für sich behält. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 210,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2016 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu bezahlen.
II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 210,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.
1. Der Beklagte ist aufgrund des vertraglichen „Beziehungsgeflechts“ dazu verpflichtet, die an ihn zurückerstatteten Gerichtsgebühren an die Klägerin auszukehren. Er schuldet der Klägerin daher die geltend gemachten 210,00 €.
a) Das Gericht stützt diesen Anspruch allerdings nicht auf das Bereicherungsrecht. Es kann dahinstehen, in welcher Weise eine Lösung auch hierüber erfolgen könnte. Das Gericht meint nämlich, dass die eigentlich selbstverständliche und aufgrund anwaltlicher Gepflogenheiten übliche Vorgehensweise über das Vertragsrecht und anwaltliche Pflichten gelöst werden kann.
Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass ein redlicher Anwalt nicht diesen peinlichen „Zirkus“ aufgeführt hätte, den der Beklagte hier darbietet.
Der Beklagte war anwaltlicher Vertreter des damaligen Klägers, die Klägerin war die damalige Beklagte, die im Rahmen des Schreibens vom 29.11.2012 dem Beklagten aufzeigte, wie sie sich die Erfüllung der zwischen den damaligen Parteien getroffenen Vereinbarung zur Beendigung des damaligen Rechtsstreits vorstellt.
Die Klägerin bot an, zunächst die vollständige Summe inklusive der drei Gerichtsgebühren auf das Kanzleikonto zu zahlen. Dies geschah offensichtlich deshalb, um den damaligen Kläger frühzeitig und schnell zu befriedigen. Die Klägerin hat den damaligen Kläger unbürokratisch zum Zwecke seiner schnellen Befriedigung die gesamten Gerichtskosten zurückgezahlt, sie muss natürlich am Ende des Tages wiederum die nicht verbrauchten Gerichtskosten zurückerhalten.
Die Klägerin und damalige Beklagte machte in dem Schreiben daher auch deutlich, dass der Beklagte und damalige Klägervertreter nach der vereinbarten Klagerücknahme die nicht verbrauchten Gerichtsgebühren an die Klägerin überweisen möge.
Der Beklagte nahm für seinen Mandanten, aber auch für sich selbst und in Ansehung seiner eigenen anwaltlichen Pflichten, dieses „Angebot“ der Klägerin auf Abwicklung der Erfüllung der zwischen den damaligen Parteien geschlossenen Vereinbarung konkludent an. Er nahm die Zahlung der Klägerin entgegen, leitete diese an seinen Mandanten weiter (davon ist mangels weiterer Ausführungen auszugehen, dies ist zumindest zu hoffen!) und nahm die Klage zurück.
Dies ist gleichsam als ein Erfüllungsvertrag anzusehen, an dem auch der Beklagte selbst beteiligt war, wenn man so will, als „Zahlstelle“ seines Mandanten.
In diesem Zusammenhang verletzte der Beklagte in der Folgezeit seine weitergehende Pflichten, er erhielt zwar am 14.01.2013 die nicht verbrauchten Gerichtsgebühren, leitete diese aber nicht an die Klägerin weiter. Dazu ist der Beklagte allerdings kraft des zwischen den Beteiligten bestehenden Erfüllungsvertrags verpflichtet.
Er muss daher die 210,00 EUR an die Klägerin zahlen.
b) Die Forderung ist nicht verjährt.
Die Klägerin machte den Anspruch zwar relativ spät, erst über drei Jahre nach Klagerücknahme geltend. Allerdings beginnt die Verjährung aufgrund § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit Kenntniserlangung bzw. bei grobfahrlässiger Unkenntnis.
Hier ist nicht der Zeitpunkt Ende November 2012 entscheidend, sondern der Zeitpunkt, in dem der Klägerin bewusst wurde bzw. in dem es sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass der Beklagte entgegen anwaltlicher Gepflogenheit einfach die zurückerhaltenen Gerichtskosten für sich behält. Es liegt auf der Hand, dass es gewisse Zeit dauert, bis die Klage zurückgenommen wird, bis die Gerichtskosten zurückerstattet sind und bis aus Sicht der Klägerin erwartet werden kann, dass der Zahlungseingang erfolgen müsste.
Hier wurde die Angelegenheit erst Ende November 2012 angestoßen, die Gerichtsgebühren wurden tatsächlich erst Anfang 2013 zurückerstattet, somit hätte es sich der Klägerin frühestens im Laufe des Jahres 2013 aufdrängen müssen, dass der Beklagte möglicherweise die Gerichtskosten für sich behält oder die Angelegenheit möglicherweise übersehen oder vergessen hat. Eine erste Nachfrage war klägerseits etwa Mitte 2013 veranlasst. Somit könnte die Verjährung erst am 31.12.2016 eintreten.
Mithin hemmte die Zustellung des Mahnbescheids im Oktober 2016 die Verjährung rechtzeitig.
2. Verzugszinsen schuldet der Beklagte ab dem 05.05.2016, an diesem Tag verweigerte er ernsthaft und endgültig die Zahlung, vgl. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB. Soweit Zinsen ab dem 02.05.2016 beantragt wurden, also wegen weniger Tage war die Klage abzuweisen.
3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten schuldet der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens.
Der Beklagte war aufgrund des Schreibens vom 05.05.2016 in Verzug. Dass danach und vor Beantragung des Mahnbescheids ein nochmaliges, anwaltliches Herantreten an den Beklagten völlig aussichtslos gewesen wäre, ist nicht ersichtlich und wurde beklagtenseits auch nicht näher dargelegt. Daher sind auch diese Kosten, die aus dem geringen Streitwert richtig berechnet wurden, erstattungsfähig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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