Handels- und Gesellschaftsrecht

Verspätetes Vorbringen bei pauschalem Bestreiten

Aktenzeichen  9 U 2021/18 Bau

Datum:
30.10.2018
Fundstelle:
BauR – 2019, 1209
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 296 Abs. 2, § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Klage ist nicht nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, wenn der Sachvortrag zwar sehr unsubstantiiert, aber eine Identifizierung des Streitgegenstandes eindeutig vorgenommen und auch für den Gegner verständlich ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein umfangreicher Schriftsatz eingereicht wird, darf der Gegner in der mündlichen Verhandlung pauschal bestreiten und das Gericht aufgrund dieses Bestreitens den Vortrag als verspätet zurückweisen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 3910/17 2018-05-03 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.05.2018, Aktenzeichen 11 O 3910/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.809,25 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 03.05.2018 Bezug genommen, das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2018 ergangen ist.
Die Klägerin begehrt aus 6 Nachunternehmeraufträgen Restwerklohn. In der Klageschrift vom 31.12.2017 waren die 6 Bauvorhaben namhaft gemacht und jeweils das Rechnungsdatum und der offene Betrag angegeben sowie die daraus resultierende Klagesumme von 65.809,25 €. Weiteren Sachvortrag enthielt die Klageschrift nicht.
Durch Verfügung vom 12.01.2018 (Seite 2 Ziffer 3) wies das Landgericht auf den fehlenden Vortrag der „wesentlichen anspruchsbegründenden Tatsachen“ hin und setzte hierfür eine Frist bis 02.02.2018. In der Terminsbestimmungsverfügung vom 12.02.2018 (Seite 2 Ziffer 3) wiederholte das Landgericht den Hinweis ohne erneute Fristsetzung, aber mit dem Bemerken, der für 17.04.2018 bestimmte Termin sei nicht als „Durchlauftermin“ gedacht, sondern zur Erledigung des Rechtsstreits im ganzen. Im Erwiderungsschriftsatz vom 14.02.2018 beantragte die Beklagte die Klageabweisung, bestritt das Bestehen offener Forderungen der Klägerin und rügte den Sachvortrag der Klägerin als unsubstantiiert. Mit Schriftsatz vom 16.04.2018 beantragte die Klägerin Terminsverlegung, da eine „Erwiderung … wegen des Fehlens div. Unterlagen leider nicht rechtzeitig gefertigt werden“ konnte. Durch Beschluss vom 17.04.2018 wies das Landgericht den Antrag ab und übermittelte den Beschluss noch am selben Tag mehrere Stunden vor dem Verhandlungstermin per Fax an die Parteivertreter. Erst in der Verhandlung vom 17.04.2018 übergab der Klägervertreter einen weiteren Schriftsatz vom 16.04.2018 mit ergänzendem Sachvortrag, den die Beklagtenvertreterin bestritt, ohne „dazu momentan“ mehr sagen zu können.
Durch das angefochtene Urteil wies das Landgericht die Klage ab. Sie sei zulässig, aber unbegründet. Nachdem die Klageforderung bestritten sei, genügten die Angaben der Klageschrift nicht. Der in der Verhandlung übergebene Schriftsatz der Klägerin sei grob nachlässig verspätet und würde bei Berücksichtigung den Rechtsstreit verzögern (§ 296 Abs. 2 ZPO).
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin (Bl. 70 d.A.),
die Beklagte zur Zahlung von 65.809,25 € nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin rügt, das Landgericht habe keine ausreichende Prüfung vorgenommen, ob der Sachvortrag der Klagepartei tatsächlich zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.05.2018, Aktenzeichen 11 O 3910/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Vorsitzenden vom 07.09.2018 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 15.10.2018 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Die Klage ist nicht nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Der Sachvortrag in der Klageschrift ist zwar sehr unsubstantiiert, aber nicht so ungenügend, dass dies zur Unzulässigkeit der Klage führen würde. Die Identifizierung des Streitgegenstandes ist darin eindeutig vorgenommen (6 Aufträge, 6 Rechnungen) und auch für die Beklagte verständlich.
2. a) Es war in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2018 offensichtlich, dass sich die Beklagte nicht sofort zu dem umfangreichen, in der Verhandlung übergebenen Schriftsatz abschließend erklären konnte. Deshalb durfte die Beklagte – entgegen der Ansicht der Klägerin in der Gegenerklärung vom 15.10.2018 – in der mündlichen Verhandlung pauschal bestreiten. Hätte das Landgericht den übergebenen Schriftsatz berücksichtigen wollen, hätte es von Amts wegen der Beklagten eine Erwiderungsfrist einräumen müssen, vertagen müssen oder in das schriftliche Verfahren übergehen müssen (BGH NJW 2018, 2022). Der damit verbundene mehrwöchige Zeitaufwand stellt eine Verzögerung des Verfahrens dar, die unterblieben wäre, hätte die Klägerin rechtzeitig ihren Klageanspruch weiter begründet und die Beklagte noch vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich erwidern können.
Dass diese Verzögerung unerheblich sei, weil bei frühzeitiger Einreichung des Schriftsatzes ohnehin eine langwierige Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich gewesen wäre, behauptet die Klägerin nicht und ist auch nicht ersichtlich. Letzteres würde zunächst eine Klageerwiderung der Beklagten erfordern, die nicht vorliegt und nach derzeitiger Prozesslage inhaltlich auch nicht absehbar ist. Sollte der Schriftsatz lediglich Zeugenbeweis erfordern, wäre dieser vom Landgericht im Termin vom 17.04.2018 erhoben worden und Entscheidungsreife erreicht worden.
Mit den Hinweisen vom 12.01.2018 und 12.02.2018 hat das Landgericht die Klägerin ausreichend und rechtzeitig auf die Defizite ihrer Klagebegründung hingewiesen. Eine Entschuldigung für die späte Einreichung des Schriftsatzes hat die Klägerin bislang nicht vorgebracht und ist auch nicht dem Verlegungsantrag vom 16.04.2018 zu entnehmen.
Daher durfte das Landgericht den Sachvortrag im Schriftsatz vom 16.04.2018 als verspätet zurückweisen, woran das Berufungsgericht gebunden ist (§ 531 Abs. 1 ZPO).
b) Gemessen am durchgängig umfassenden Bestreiten der Beklagten wäre der Klagebegründungsschriftsatz nicht ausreichend substantiiert und könnte der Sachvortrag nun nicht in zweiter Instanz nachgeholt werden, etwa gemäß Ziffer 4 der Gegenerklärung vom 15.10.2018. Darauf wurde bereits in der Hinweisverfügung vom 07.09.2018 hingewiesen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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