Handels- und Gesellschaftsrecht

Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens bei Verdacht einer Straftat

Aktenzeichen  4 U 103/16

Datum:
11.8.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 123968
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 149 Abs. 1

 

Leitsatz

Sind entscheidungserhebliche Erkenntnisse durch das Ermittlungsverfahren nicht zu erwarten, ist eine Aussetzung des Verfahrens nach § 149 Abs. 1 ZPO nicht geboten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 746/15 Hei 2016-05-10 Endurteil LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10.05.2016, Aktenzeichen 11 O 746/15 Hei, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung
1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10.05.2016 Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass die Klägerin in erster Instanz einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 25.000,00 € – 30.000,00 € für angemessen erachtet hat.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
1. Das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 10.05.2016 wird aufgehoben und die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.12.2014 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte stationäre Behandlung ab dem 01.03.2012 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3. Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.564,26 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 30.06.2016 darauf hingewiesen, dass die Berufung nach seiner Auffassung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Klägerin hat hierauf mit Schriftsatz vom 03.08.2016 mitgeteilt, dass gegen den Beklagten zu 2) Strafanzeige erstattet worden ist. Dem beigefügten Schreiben lässt sich entnehmen, dass eine Anzeige wegen Prozessbetrugs aufgrund falscher Angaben des Beklagten zu 2) zu einem Aufklärungsgespräch am Vorabend der Operation, das tatsächlich nicht stattgefunden habe, erstattet worden ist. Die Klägerin hat angeregt, das Berufungsverfahren gemäß § 149 ZPO bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens auszusetzen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10.05.2016, Aktenzeichen 11 O 746/15 Hei, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Eine Aussetzung des Verfahrens ist nicht geboten.
Gemäß § 149 Abs. 1 ZPO kann das Gericht bei Verdacht einer Straftat das Verfahren aussetzen. Zweck des § 149 ZPO ist es, dem Zivilrichter die Möglichkeit zu geben, sich die besseren Erkenntnismöglichkeiten eines Strafverfahrens zu Nutze zu machen, wenn sich eine schwierige Beweislage im Zivilrechtsstreit voraussichtlich nicht oder nicht so gut wie im Ermittlungsverfahren wird klären lassen (OLG Frankfurt, NJW-RR 2001, 1649; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 149 Rn. 1). Dabei liegt die Aussetzung im Ermessen des Gerichts.
Im vorliegenden Fall sind entscheidungserhebliche Erkenntnisse durch das Ermittlungsverfahren nicht zu erwarten. Zunächst fehlt es bereits an Angaben der Klägerin darüber, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder gemäß § 152 StPO von der Aufnahme von Ermittlungen abgesehen hat. Selbst bei Durchführung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens ist eine Aussetzung nicht geboten. Denn unabhängig von der Frage, ob am Vorabend der Operation ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 2) stattgefunden hat, führte die von der Klägerin beanstandeten Vorgehensweise des Beklagten zu 2) zu keiner erheblichen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. insbesondere Ziffer II. 4. c) bb) (1) der Gründe des Hinweisbeschlusses vom 30.06.2016). Im Übrigen sind aus der Durchführung des Ermittlungsverfahrens keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten, nachdem die Patientenakte zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist und alle am relevanten Geschehen Beteiligten in erster Instanz persönlich angehört worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.

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