Handels- und Gesellschaftsrecht

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand: Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei Übersendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax

Aktenzeichen  17 U 737/17

Datum:
1.6.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140384
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 85 Abs. 2, § 233 S. 1, § 234 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 236 Abs. 1, § 520 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Im Rahmen der Ausgangskontrolle bei Übersendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax darf sich die Überprüfung des Sendeberichts grundsätzlich nicht auf einen Abgleich mit der zuvor notierten Telefaxnummer beschränken. Entweder vor Durchführung des Übersendevorgangs oder zumindest hinter demselben ist durch eine zweite Kontrolle die Richtigkeit der gewählten Telefaxnummer als die Telefaxnummer des Gerichts, für das die Sendung bestimmt ist, erneut zu überprüfen (ebenso BGH BeckRS 2017, 140383). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 O 22/15 2017-01-31 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten zu 1), ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ihrer Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 31.01.2017, Aktenzeichen: 1 O 22/15, zu gewähren, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 31.01.2017, Aktenzeichen 1 O 22/15, wird verworfen.
3. Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 5.563,34 festgesetzt.

Gründe

A
Die Parteien streiten um Ansprüche aus Schadensersatz bzw. ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund einer Fehlüberweisung der Klägerin auf das Konto der Beklagten zu 1) bei der Klägerin aufgrund nicht veranlasster Autorisierung der Überweisung von einem anderen Konto. Nach Rückbuchung verlangt die Klägerin mit ihrer Klage die Erstattung des Überweisungsbetrags durch die Beklagte zu 1).
Das Landgericht Traunstein hat im hier interessierenden Umfang die Beklagte zu 1) mit Endurteil vom 31.01.2017 zur Zahlung von € 5.563,34 nebst Zinsen sowie weiterer Kosten einschließlich der Kosten des Rechtsstreits (mit Ausnahme der Säumnis des Beklagten zu 2)) verurteilt. Diesbezüglich wird auf die Urteilsurkunde des Landgerichts Traunstein (Bl. 165/175 d. A.) verwiesen.
Dieses Endurteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 02.02.2017 zugestellt.
Mit Telefax vom 02.03.2017, beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, legte die Beklagte zu 1) gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 31.01.2017 Berufung ein. Diesbezüglich wird auf das Telefax (Bl. 188/189 d. A.) verwiesen.
Mit an das Oberlandesgericht München adressiertem Telefax vom 03.04.2017, beim Amtsgericht, Registergericht, unter der Telefax-Endnummer -3560 eingegangen am gleichen Tag (einem Montag), begründete die Beklagte zu 1) ihre Berufung und beantragt,
das Urteil des Landgerichts Traunstein in Ziffer III. vollständig und in Ziffern I. und IV. insoweit aufzuheben, als die Beklagte zu 1) zu einer gesamtschuldnerischen Haftung neben dem bisher geführten Beklagten zu 2) (M L H verurteilt worden sei und insoweit die Klage gegen die Berufungsführerin zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Inhaltes der Berufungsbegründung wird auf das Telefax (Bl. 197/202 d. A.) verwiesen. Beim Oberlandesgericht München ging dieses Telefax am 04.04.2017 ein.
Mit Verfügung vom 10.04.2017, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) zugestellt am 13.04.2017, wurde dieser darauf hingewiesen, dass das Endurteil des Landgerichts Traunstein erst am 04.04.2017 beim Oberlandesgericht München eingegangen sei. Es sei daher beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz vom 13.04.2017, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 18.04.2017, beantragte die Beklagte zu 1), wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu erkennen,
dass der Berufungsklägerin im Hinblick auf die versäumte Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werde.
Die Berufungsbegründungsschrift sei am 3. April 2017 fertiggestellt und vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) unterzeichnet worden. Ferner sei die Anweisung erteilt worden, diese Berufungsbegründungsschrift wegen der ablaufenden Berufungsbegründungsfrist per Telefax beim Berufungsgericht einzureichen. Hierzu sei von der ansonsten äußerst zuverlässigen und gewissenhaften Anwaltsgehilfin S H auf Seite 1 der Ausfertigung der Berufungsbegründungsschrift, die per Telefax übersandt werden sollte, aufgetragen worden: „Zur Fristwahrung vorab per Telefax: … (2747).“
Beim Übertrag bzw. beim Aufbringen dieser Bemerkung sei ein Fehler aufgetreten. Die Anwaltsgehilfin habe sich verlesen bzw. es sei ein Tippfehler aufgetragen worden. Die tatsächliche Telefaxnummer laute nämlich in der Endziffernfolge nicht -3560 sondern -3570. Anhand der versehentlich aufgetragenen falschen Telefaxnummer sei die Berufungsbegründungsschrift an die Telefaxnummer 089/5597-3560 übersandt worden. Auf telefonische Nachfrage von hier aus habe sich herausgestellt, dass es sich hier um den Telefaxanschluss des Amtsgerichts München, Registergericht, I. Straße 5, München, handele. An diese Gerichtsstelle sei die Berufungsbegründung am 3. April 2017 um 17.07 Uhr mit einer Übertragungszeit von 1 Minute und 12 Sekunden übersandt worden. Alle 6 Seiten der Berufungsbegründung seien übermittelt worden. Der Sendebericht, der daraufhin hier ausgedruckt worden sei, berichte Sendung ok und später Ergebnis ok. Auf dem Sendebericht sei auch die vermeintlich richtige, tatsächlich aber falsche Telefaxnummer 00498955973560 vermerkt. Da bei der Übertragung auch sonst nichts auffällig gewesen sei, weil auch die Tonfolge bei der Anwahl der Telefaxnummer eine Telefaxstelle als Empfang bestätigt habe, sei Frau H deshalb letztendlich irrtümlich davon ausgegangen, dass zur Fristwahrung die Berufungsbegründung rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Oberlandesgericht München gelangt sei.
Glaubhaft gemacht wurde dieser Sachverhalt durch Übersendung der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten, der eidesstattlichen Versicherung der Frau H jeweils vom 13. April 2017, sowie des Sendeberichts vom 3. April 2017, 17.07 Uhr mit Seite 1 der Berufungsbegründungsschrift. Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) vom 13.04.2017 (Bl. 205/213 d. A.) verwiesen.
Nachfolgend hat sich die Klägerin hierzu geäußert und beantragt,
den Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen und die Berufung der Beklagten zu 1) als unzulässig zu verwerfen.
B
Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 Satz 1, § 234 Abs. 1 Satz 2, § 234 Abs. 2, § 236 Abs. 1, § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist nicht begründet:
I.
Die Beklagte zu 1) hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt:
Die Zustellung des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 31.01.2017 erfolgte ausweislich des der Urteilsurkunde beigefügten Empfangsbekenntnisses an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 02.02.2017. Damit lief die Berufungsbegründungsfrist von 2 Monaten (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) am 03.02.2017 an (§ 222 Abs. 1 ZPO; § 187 Abs. 1 BGB) und am Montag, den 03.04.2017 ab (§ 222 Abs. 1, § 222 Abs. 2 ZPO; § 188 Abs. 2 BGB). Da die Berufungsbegründung erst am 04.04.2017 beim Oberlandesgericht München einging, war die 2-monatige Berufungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht eingehalten.
II.
Die Fristversäumung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) erfolgte schuldhaft (§ 233 Satz 1 ZPO):
1. Welche organisatorischen Vorkehrungen ein Anwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Fax treffen muss, wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einheitlich beurteilt (BGH, Beschluss vom 24.10.2013, V ZB 154/12, WM 2014, 427, 427, Randziffer 7). Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten Nummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten Verzeichnisses vorgenommen werden, um auch Fehler bei der Ermittlung aufdecken zu können (BGH, Beschluss vom 24.10.2013, V ZB 154/12, WM 2014, 427, 427f., Randziffer 8; s.a. Beschluss vom 27.08.2014, XII ZB 255/14, FamRZ 2014, 1915, 1916, Randziffer 7; Beschluss vom 01.06.2016, XII ZB 382/15, FamRZ 2016, 1355, 1357, Randziffer 19; Beschluss vom 12.05.2016, V ZB 135/15, NJW 2016, 3789, 3791, Randziffer 28).
2. Im Wiedereinsetzungsantrag im Schriftsatz vom 13.04.2017 (Bl. 205/213 d. A.) findet sich nichts dazu, dass die Bürokraft des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) von diesem allgemein bzw. im speziellen Fall dazu angewiesen worden wäre, nicht nur die auf dem Berufungsbegründungsschriftsatz aufgeschriebene Telefaxnummer mit der auf dem Sendebericht ausgedruckten Faxnummer zu vergleichen, sondern entweder vor Durchführung des Übersendevorgangs oder zumindest hinter demselben durch zweite Kontrolle die Richtigkeit der gewählten Telefaxnummer als richtige Telefaxnummer des Berufungsgerichts erneut zu überprüfen. Damit bleibt offen, ob es eine diesbezügliche Anweisung an die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigen der Beklagten zu 1) gab oder nicht, so dass der Prozessbevollmächtigte ein eigenes Verschulden aufgrund unzureichender Büroorganisation nicht ausgeräumt hat. Auch findet sich im Wiedereinsetzungsantrag nichts dazu, dass Frau H. eine entsprechende Überprüfung auch ohne Anweisung vorgenommen hätte. Dadurch wäre jedoch aufgefallen, dass die benutzte Telefaxdurchwahlnummer falsch war.
III.
Eines gesonderten Hinweises an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) bedurfte es im Hinblick auf die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 01.06.2016, XII ZB 382/15, FamRZ 2016,1355,1357, Randziffer 20).
IV.
Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ist dieser zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
C
Aufgrund der verspätet eingegangenen Berufungsbegründung war die Berufung der Beklagten zu 1) als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
D
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW2015, 77, 78, Randziffer 16).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 63 Abs. 2 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 4 Abs. 1 ZPO bestimmt.

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