Aktenzeichen 32 U 14/16
Leitsatz
1. Allein der Sachvortrag zu einer Vereinbarung nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB in einem Prozess, in dem der Dritte in Anspruch genommen wird und in dem dieser sich auf die fehlende Passivlegitimation beruft, stellt keine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. (Rn. 20)
2. Eine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass sie in einer Weise gegenüber dem Gläubiger abgegeben wird, dass dieser davon ausgehen kann, es hinge nur noch von seiner Genehmigung ab, ob die Schuldübernahme durch den Dritten wirksam wird. (Rn. 22)
Verfahrensgang
34 O 28664/13 2015-11-27 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.11.2015, Aktenzeichen 34 O 28664/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 913.527,14 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht Zinsen aus einem Schadensersatzanspruch wegen nicht fristgerechter Räumung eines Mietobjektes.
Im Verfahren 32 U 2486/09 wurde durch den Senat rechtskräftig festgestellt, dass die dortige Beklagte, die V AG, der dortigen Klägerin, der B GmbH, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der den „Zedenten (Dres. W)“ infolge der nicht fristgerechten Räumung der im Anwesen M.str in München im Untergeschoss und Erdgeschoss gelegenen Mietflächen durch die Beklagte entstanden ist oder noch entstehen wird, vgl. das als K 3 vorgelegte Endurteil des Senates vom 21.01.2010.
Am 16.08.2010 wurde der Beklagten der Entwurf einer Klage der Klägerin gegen die V AG übersandt, mit der die Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von € 3.854.054,65 und € 20.438,01 verlangt werden sollte. Darin heißt es auf Seite 3: „Die Klägerin hat sich die Ansprüche der damaligen Klägerin mit Vereinbarung vom 10.07.2010 rück abtreten lassen und macht diese mit der hiesigen Klage geltend.“, vgl. Anlagen K4 und K5.
Im Dezember 2010 wurde der Beklagten ein Entwurf einer Urkundenklage der „O GmbH“ gegen sie über einen Betrag von € 6.483.550,00 übersandt. Dort hieß es aus Seite 2: „Im Vorprozess waren die Ansprüche der Zedenten (im folgenden auch „Ehegatten W“) an den Generalunternehmer B GmbH (nachstehend „Generalunternehmer“) abgetreten. Mit Vereinbarung vom 15.11.2010 wurden die nunmehr streitgegenständlichen Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Beweis: Abtretungsvereinbarung – Anlage K3 –“, vgl. Anlage B 1.
Anfang Januar 2011 wurde der Beklagten ein Mahnbescheid über eine Hauptforderung von € 4.000.000,00 bzgl. „mittelbare und unmittelbare Räumungsschäden bzgl. BV M.straße, München vom 01.07.2005 bis 31.12.2010“ zugestellt. Antragsteller waren die Ehegatten Dres. W GbR I, deren Gesellschafter und die B GmbH.
Das Landgericht hat mit Verfügung vom 14.08.2014 der Beklagten auferlegt, den Einbringungsvertrag vom 02.04.2009 vorzulegen. Im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22.09.2014 wurden daraufhin die §§ 1 und 4 des Vertrages auszugsweise zitiert, Bl. 50 d.A.
Das Landgericht München I hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin fehle es an der Aktivlegitimation und der Beklagten fehle es an der Passivlegitimation.
Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz, des Verfahrensgangs und des Urteilsinhalts wird im übrigen Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin zur Aktivlegitimation und zur Passivlegitimation und die damit zusammenhängenden Beweisangebote der Klägerin übergangen und zudem die Hinweispflicht verletzt. Das Urteil sei überraschend für die Klägerin gewesen. Die Ansprüche seien der Klägerin mit Vereinbarung vom 05.01.2011, vorgelegt als K 13, abgetreten worden. Die Schuldübernahme durch die Beklagte sei ihr jedenfalls mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 22.09.2014 angezeigt und sodann von ihr genehmigt worden.
Zuletzt beantragt die Klägerin:
l. Unter Abänderung des am 27.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts München l, Az. 34 0 28664/13, die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Berufungsklägerin EUR 113.527,14 zu bezahlen.
II.
Unter Abänderung des am 27.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts München l, Az. 34 0 28664/13, festzustellen, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Berufungsklägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr und Herrn Dr. W dadurch entstehen bzw. entstanden sind, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Zahlung von EUR 3.874.492,66 seit 23.08.2010 in Verzug befindet.
III.
Hilfsweise, das am 27.11.2015 verkündeten Urteil des Landgerichts München l, Az. 34 0 28664/13, aufzuheben und unter Beachtung der Rechtsansicht des erkennenden Gerichts zurückzuverweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Vortrags der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen; auf die richterlichen Hinweise im Senatsbeschluss vom 16.03.2016 wird Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.11.2015, Aktenzeichen 34 O 28664/13, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
1. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 16.03.2016 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 27.04.2016 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
a) Die Klägerin führt darin aus, dass jedenfalls mit dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22.09.2014 eine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgt sei. Der Schriftsatz habe alles enthalten, was für eine Mitteilung erforderlich sei. Die Mitteilung könne auch konkludent und formfrei in einem laufenden Klageverfahren erfolgen. Es sei ohne Belang, dass die Beklagte die rechtliche Verpflichtung bestreite, da es sich bei der Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine Wissenserklärung und nicht um eine Willenserklärung handele.
b) Der Senat hält an seiner im Hinweis vom 16.03.2016 geäußerten Rechtsauffassung fest. Die Beklagte ist nicht passiv legitimiert. Mangels Mitteilung durch die Beklagte oder die Streitverkündete konnte die Klägerin die in dem Vertrag vom 02.04.2009 zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten vereinbarte Schuldübernahme durch die Beklagte nicht genehmigen.
aa) Die Beklagte und die Streitverkündete haben in dem Vertrag vom 02.04.2009 eine Schuldübernahme durch die Beklagte vereinbart. Inhalt eines Vertrages nach § 415 BGB ist die Entlassung des bisherigen Schuldners aus seinen Verbindlichkeiten, indem nunmehr der Übernehmer an dessen Stelle tritt (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 – IX ZR 79/90, NJW-RR 1991, 817). Gegen diese Auslegung durch den Senat wendet sich die Klägerin nicht.
bb) Die Wirksamkeit einer Schuldübernahme hängt nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Genehmigung des Gläubigers ab, wenn die Schuldübernahme von dem Dritten mit dem Schuldner vereinbart wird. Nach § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB kann die Genehmigung erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte die Schuldübernahme dem Gläubiger mitgeteilt haben.
Allein der Sachvortrag zu einer Vereinbarung nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB in einem Prozess, in dem der Dritte in Anspruch genommen wird und in dem dieser sich auf die fehlende Passivlegitimation beruft, stellt keine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB dar.
Die Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine geschäftsähnliche empfangsbedürftige Erklärung (MüKoBGB/Bydlinski, 7. Aufl., § 415 BGB Rn. 10). Sie löst gesetzliche und nicht gewillkürte Rechtsfolgen aus und macht die Schuldübernahme für den Gläubiger genehmigungsfähig (Staudinger/Volker Rieble, 2012, § 415 BGB, Rn. 48). Der Zweck des Mitteilungserfordernisses ergibt sich aus dem Zusammenhang mit § 415 Abs. 1 Satz 3 BGB (MüKoBGB/Bydlinski, 7. Aufl., § 415 BGB Rn. 10). Danach können der Dritte und der Schuldner ihren Vertrag bis zur Genehmigung ändern oder aufheben. Das Gesetz gibt es damit den Vertragsparteien in die Hand, ab wann der Gläubiger die Möglichkeit erhalten soll, den Dritten in Anspruch zu nehmen. Ab dem Zeitpunkt der Mitteilung steht es dem Gläubiger frei, die Genehmigung zu versagen und sich an den bisherigen Schuldner zu halten oder die Schuldübernahme durch den Dritten zu genehmigen und den Dritten in Anspruch zu nehmen.
Eine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass sie in einer Weise gegenüber dem Gläubiger abgegeben wird, dass dieser davon ausgehen kann, es hinge nur noch von seiner Genehmigung ab, ob die Schuldübernahme durch den Dritten wirksam wird. Denn die Mitteilung muss erkennbar vom Schuldner oder vom Übernehmer ausgehen (Staudinger/Volker Rieble, 2012, § 415 BGB, Rn. 52). Eine lediglich zufällige Kenntniserlangung durch den Gläubiger ist nicht ausreichend. Die Mitteilung kann auch bis zur Erteilung der Genehmigung von dem Schuldner oder von dem Dritten zurückgenommen werden (Staudinger/Volker Rieble, 2012, § 415 BGB, Rn. 49).
Aus diesen Grundsätzen lässt sich folgern, dass es der Mitteilende in der Hand haben muss, ob seine Erklärung die gesetzlichen Folgen des § 415 Abs. 1 BGB auslösen soll. Wenn aus Sicht des Gläubigers die Erklärung des Schuldners oder Dritten diese Rechtsfolgen nicht auslösen soll, liegt auch keine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB vor.
cc) Im vorliegenden Fall war es für die Klägerin erkennbar, dass die Beklagte keine Mitteilung in diesem Sinne machen wollte. In demselben Schriftsatz, mit dem die Beklagte auf die Aufforderung des Gerichtes im Hinweis vom 14.08.2014 reagiert und den „Einbringungsvertrag“ durch abschnittsweises Zitieren vorgetragen hat, bestritt sie weiterhin ihre Passivlegitimation. Damit war für die Klägerin erkennbar, dass die Beklagte die gesetzlichen Folgen des § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht herbeiführen wollte. Damit erfolgte in dem Sachvortrag in dem Schriftsatz vom 22.09.2014 auch keine Mitteilung im Sinne von § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB.
2. a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
b) Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
c) Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 42 GKG bestimmt. Den Wert des Feststellungsantrages hat der Senat zurückhaltend mit € 800.000,00 bemessen. Allein die Zinsen aus dem behaupteten Schadensersatzanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB, vorausgesetzt die Klägerin handelte als Verbraucherin, betragen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 03.03.2016, dem Zeitpunkt der Antragstellung im Berufungsverfahren gemäß § 42 GKG, € 942.174,95. Die Klägerin hat darüber hinaus noch weitere Schäden behauptet, so dass mit dem für einen positiven Feststellungsantrag vorzunehmenden Abschlag ein Betrag von € 800.000,00 angemessen erschien.
Ruderisch
Dr. W.
Emmerich
Vorsitzender Richter
„ am Oberlandesgericht
Richterin
„ am Oberlandesgericht
Richter
„ am Amtsgericht