Handels- und Gesellschaftsrecht

Zahlungsansprüche aus Vorauszahlungsbürgschaften

Aktenzeichen  35 O 1860/16

Datum:
13.12.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53416
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 164, § 249, § 280, § 323 Abs. 1, Abs. 4, § 346, § 631 Abs. 1, § 765, § 767 Abs. 1 S. 1, § 777
InsO § 21, § 103
ZPO § 282 Abs. 1, § 296 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die fristgerechte Anzeige des Gläubigers, er nehme den Bürgen aus der Vorauszahlungsbürgschaft in Anspruch, erhält dem Gläubiger die Rechte aus der Bürgschaft grundsätzlich nur, wenn die Fälligkeit der Hauptschuld innerhalb der vereinbarten Bürgschaftszeit eintritt (Anschluss an BGH BeckRS 9998, 101561). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht befugt, die Erfüllung von Verträgen ernsthaft und endgültig abzulehnen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der Gläubiger Zweifel an der Erfüllungsbereitschaft des Schuldners, kann er ihn unter Fristsetzung zu einer Erklärung über seine Vertragstreue aufzufordern. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten (Anschluss an BGH NJW 1977, 35). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Klagesumme.
A.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 1.250.000,00 € aus den streitgegenständlichen (befristeten) Vorauszahlungsbürgschaften gemäß §§ 765, 767 Abs. 1, 777 BGB. Die Klägerin hatte im Zeitraum bis zum 30.11.2016 keine fälligen Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin, weder solche aus vermeintlich wirksam erklärten Rücktritt gemäß §§ 631 Abs. 1, 323 Abs. 1, 346 ff. BGB, noch aus Schadensersatzrecht gemäß §§ 631 Abs. 1, 280 ff., 249 ff. BGB.
Dies aus folgenden Erwägungen:
1. Bei den streitgegenständlichen Bürgschaften handelt es sich um bis zum 30.11.2016 befristete Vorauszahlungsbürgschaften in Höhe von insgesamt 1.250.000,00 €.
Die im Streit stehenden Vorauszahlungsbürgschaften sichern grundsätzlich die von Seiten der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen „Vertragsaufsagung“. Eine Vorauszahlungsbürgschaft sichert dem Gläubiger, der in Vorleistung gegenüber dem Unternehmer geht, seinen bei gescheiterter Vertragserfüllung bestehenden Rückzahlungsanspruch. Dabei sichert die Vorauszahlungsbürgschaft insbesondere Ansprüche auf Rücktritt, Vertragsaufhebung oder Unwirksamkeit gründende Rückzahlungsansprüche des Auftraggebers. Der Rechtsgrund des Rückzahlungsanspruches ist unerheblich (vgl. MüKo/Habersack, 7. Auflage, 2017, § 765 Rn 128 f.).
Der vorgenannte Sicherungsumfang wird nicht durch die Regelung unter Ziffer 3 der jeweiligen Bürgschaftsurkunde eingeschränkt bzw. ausgeschlossen (vgl. Anlage K 6 bis K 9):
„Diese Bürgschaft umfasst nicht Ansprüche auf vertragsgemäße Erfüllung der dem Auftragnehmer übertragenen Lieferungen/Leistungen und auf die fristgerechte Erfüllung der dem Auftraggeber zustehenden Mängelansprüche.“
Der vorgenannte Ausschluss erfasst aufgrund seines Wortlautes – „Ansprüche auf vertragsgemäße Erfüllung“ – im Wesentlichen Mängelansprüche, die hier offensichtlich nicht streitgegenständlich sind. Überdies ließe sich ein Anspruch aufgrund Rücktritts bzw. auf Schadensersatz wegen Vertragsaufsagung schwerlich unter „vertragsgemäße Erfüllung“ subsumieren, da die streitgegenständlichen Ansprüche letztlich auf einer Verweigerung der Primärleistung gründen und eine Erfüllung bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung überhaupt nicht mehr in Betracht kommt.
2. Der Klägerin stehen jedoch keine über die Vorauszahlungsbürgschaft gesicherten Hauptverbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzschuldnerin im Sinne des § 767 Abs. 1 S. 1 BGB zu, für die die Beklagte nunmehr akzessorisch bürgen müsste. Die Beklagte ist mit Ablauf des 30.11.2016 frei im Sinne des § 777 BGB.
Die Klägerin hatte vor Ablauf der Bürgschaftszeit keine fällige Hauptschuld gegenüber der Insolvenzschuldnerin, allein das Schreiben der Klägerin vom 28.11.2016, dass sie die Beklagte in Anspruch nehme ist nicht ausreichend und begründet bei etwaiger nach Ablauf der Zeitbürgschaft eintretender Fälligkeit keinen Anspruch gegen die Beklagte (vgl. Anlage K 13). Die fristgerechte Anzeige des Gläubigers, er nehme den Bürgen in Anspruch, erhält dem Gläubiger die Rechte aus der Bürgschaft grundsätzlich nur, wenn die Fälligkeit der Hauptschuld innerhalb der Bürgschaftszeit eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1984 – IX ZR 83/83). Dies ist nicht der Fall.
Die Insolvenzschuldnerin hat gegenüber der Klägerin bis zum 30.11.2016 die Primärleistung vor Fälligkeit nicht ernsthaft und endgültig verweigert, eine Vertragsaufsagung liegt nicht vor (hierzu unter a). Weiterhin konnte die Klägerin das Gericht nicht im Sinne des § 286 ZPO davon überzeugen, dass der Rücktritt vom Vertrag am 25.11.2016 telefonisch durch den Zeugen … gegenüber dem Zeugen … erklärt wurde; überdies hätte die Klägerin ihre vermeintliche Rücktrittserklärung auch nicht auf den Umstand stützen können, dass sich die Insolvenzschuldnerin aufgrund der E-Mail vom 21.11.2016 (vgl. Anlage K 11) nicht zur Vertragstreue erklärt hat (hierzu unter b).
a) Die Insolvenzschuldnerin hat die Erfüllung des streitgegenständlichen Werkvertrages nicht ernsthaft und endgültig verweigert.
Unstreitig ist die Primärleistung der Insolvenzschuldnerin bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Vorauszahlungsbürgschaften nicht fällig gewesen, sodass bei einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung/Vertragsaufsagung vor Fälligkeit im Rahmen des Rücktritts § 323 Abs. 4 BGB greift.
Im Rahmen des Schadensersatzrechtes kommt eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 4 BGB sowie die Anwendung des § 282 BGB in Betracht, einer Entscheidung bedarf es aufgrund der rein dogmatischen Einordnung nicht, da die Anforderungen an eine derartige Erfüllungsverweigerung des dogmatischen Weges gleich hoch sind (vgl. BeckOK, Bamberger/Roth, 44. Edition, § 281 Rn 22).
aa) Im Hinblick auf die klägerseits behaupteten Telefonate vom 25.11. und 28.11.2016 der Klägerin mit dem Rechtsanwalt … als Angestellter des damaligen vorläufigen Insolvenzverwalter lassen diese einen solchen Schluss nicht zu. Das Schreiben des RA … vom 29.11.2016 kann auch nicht also solche ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gesehen werden, da er als Angestellter des schwachen Insolvenzverwalters … tätig wurde. Dieser ist aus seiner insolvenzrechtlichen Stellung heraus nämlich nicht befugt, im Namen der Insolvenzschuldnerin Verpflichtungen einzugehen bzw. die Erfüllung von Verträgen abzulehnen (vgl. MüKo/Haarmeyer, InsO, 3. Auflage § 22 Rn. 28 ff.) Hierzu ist selbst der vorläufige „starke“ Insolvenzverwalter nicht berechtigt (vgl. BGH, Urteil vom 8.11.2007 – IX ZR 53/04 in Uhlenbruck/Vallender, InsO, 15. Auflage 2019, § 22 Rn. 54). Die Entscheidungsbefugnis bleibt in solchen Fällen immer noch bei dem Insolvenzschuldner. Dies war auch dem Zeugen … klar, der in seiner Vernehmung vom 22.11.2018 angab, dass der Geschäftsführer rechtsverbindliche Erklärungen abgibt und der Insolvenzverwalter seine Zustimmung erteilt.
Der Zeuge … gab hierzu im Rahmen seiner Vernehmung an, dass zwar Äußerungen zu einer Auftragserfüllung auch bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren gemacht werden und vorliegend – wie in der Email von Rechtsanwalt … vom 29.11.2016 – gemacht wurden, dass diese Äußerungen jedoch rein informatorischen Charakter haben. Verbindlich werden derartige Äußerungen erst im Rahmen des ordentlichen Insolvenzverfahrens und nur dann, wenn sie dort wiederholt werden. So lag es im vorliegenden Fall. Am 18.01.2017 teilte der Zeuge … dem Kläger letztlich verbindlich im Sinne des § 103 InsO mit, dass der Auftrag nicht mehr erfüllt werde. Bestätigt wurde die fehlende Rechtsbindung seiner Aussagen bzw. seines Schreibens vom 29.11.2018 auch durch die Angaben des Zeugen …. Dieser gab zwar an, gegenüber Herrn … mitgeteilt zu haben, dass sie derzeit nicht in der Lage seien, Bestellungen zur Durchführung des Auftrags vorzunehmen und den Auftrag daher nicht erfüllen können. Der Zeuge gab jedoch weiter an, dass es sich bei dieser Mitteilung lediglich um die Schilderung der Tatsachenlagen handelte, und keinesfalls um Willenserklärungen oder gar Verfügungen.
Auch wenn es womöglich aus Sicht der Klägerin keinen Unterschied macht, ob Erklärungen zur Erfüllung von Aufträgen durch den Geschäftsführer oder den Insolvenzverwalter gemacht werden, muss in diesem Punkt in rechtlicher Hinsicht doch klar unterschieden werden. Würde man dieser Auffassung nämlich aus Praktikabilitätsgründen folgen, hätte dies unumkehrbar zur Folge, dass die Rolle des sog. „schwachen“ Insolvenzverwalter de facto ausgehebelt wäre und eine Unterscheidung zwischen „starkem“ und „schwachen“ Insolvenzverwalter obsolet wäre. Dies widerspricht jedoch eindeutig dem Sinn und Zweck des § 21 InsO, der die Entscheidung, welche Befugnisse der Insolvenzverwalter erhält und welche Befugnisse beim Insolvenzschuldner bleiben, jedem Einzelfall vorbehält, um den jeweiligen Gegebenheiten ausreichend aber auch flexibel Rechnung tragen zu können.
bb) Der Zeuge … war seitens der Schuldnerin auch nicht im Sinne der §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt, derartige Äußerungen nach außen hin zu tätigen. Der Zeuge …, vormals Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, schilderte glaubhaft, dass er davon ausging, dass das operative Geschäft bei ihnen bleibe und nicht auf den Insolvenzverwalter übergehe. Hierzu gehört aber auch das Abschließen oder Aufsagen von Verträgen. Der Zeuge gab weiter an, er sei überrascht gewesen, dass der Zeuge … sich auch in das Auftragsverhältnis mit der Klägerin einmischte. Er habe den Auftrag gegenüber der Klägerin auch nicht gekündigt. Ihm sei zwar klar gewesen, dass die finanzielle Situation nicht einfach sei, auf Grund des Verhaltens des Zeugen …, der ihn damit beauftragte, mit der Firma … eine Lösung für die Finanzierung zu finden und eine Aufstellung inklusive Personalplanung für das Projekt zu erstellen, sei er aber davon ausgegangen, dass eine Lösung hinsichtlich der Finanzierung gefunden sei. Er habe dem Zeugen … am 08.12.2016 seine Aufstellung mitgegeben. Eine Bevollmächtigung des Zeugen … zur Abgabe von Erklärungen habe es nicht gegeben.
Zur Überzeugung des Gerichts ergibt sich eine solche Vollmacht auch nicht aus den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht. Der Mitarbeiter des Insolvenzverwalters wurde nicht als Vertreter der Insolvenzschuldnerin bzw. deren Geschäftsführer … tätig, sondern in seiner Tätigkeit als „schwacher“ Insolvenzverwalter. Der Klägerin gelang hier nicht der Nachweis, dass der Zeuge … den Willen hatte, in fremdem Namen zu handeln (sog. Vertretungswille). Dieser Vertretungswille muss beim Vertreter auch dann vorliegen, wenn keine offenkundige Vertretung vorliegt oder es an einer Vertretungsvollmacht fehlt und daher die Grundzüge der Duldungs- und Anscheinsvollmacht greifen. Der Zeuge … gab im Rahmen seiner Vernehmung an, der Geschäftsführer habe rechtsverbindliche Erklärungen nach wie vor selbst abgegeben, ihm habe als zuständiger Sachbearbeiter des Insolvenzverwalters die Zustimmung obliegen. Aus der gesamten Vernehmung ergibt sich, dass der Zeuge … im Rahmen seiner Tätigkeit als schwacher Insolvenzverwalter tätig wurde, ein Wille, die Insolvenzschuldnerin in rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten zu vertreten, ist nicht erkennbar und seitens der Klägerin nicht nachgewiesen. Im Gegenteil, aus der Aussage des Zeugen, dass es sich bei seinen Aussagen gegenüber der Klägerin um die bloße Schilderung der Tatsachenlage und eben keine Willenserklärungen handelte, ist klar erkennbar, dass dem Zeugen … seine Befugnisse bekannt waren und er auch nur in deren Rahmen handeln wollte.
cc) Eine solche Berechtigung zur Erfüllungsverweigerung durch den Zeugen … ergibt sich auch nicht aus dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, da diese Vorschrift erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anwendung findet und nicht – auch nicht analog – für einen nur vorläufig bestellten schwachen Insolvenzverwalter. Dies wurde sowohl durch den Insolvenzverwalter …, als auch den Zeugen … bestätigt und findet sich auch in der Tatsache wieder, dass die verbindliche Erklärung nach § 103 InsO schließlich am 18.01.2017 abgegeben wurde (vgl. Anlage K 20).
b) Die Klägerin hat auch keine Ansprüche auf Grund erklärten Rücktritts.
aa) Der Klägerin gelingt vorliegend schon nicht der Nachweis, dass vor Ablauf der Bürgschaften ein wirksamer Rücktritt vom Vertrag erklärt wurde. Für das Vorliegen einer Rücktrittserklärung ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Beweispflicht konnte die Klägerin vorliegend nicht nachkommen. Eine schriftliche Rücktrittserklärung wurde nicht vorgetragen, lediglich, dass der Auftrag am 25.11.2016 telefonisch von … gegenüber … erklärt wurde. Dies bestätigte der Zeuge … auch im Rahmen seiner Vernehmung vom 12.07.2018. Der Zeuge … sagte jedoch in seiner Vernehmung am 22.11.2018 glaubhaft aus, dass ihm gegenüber am Telefon kein Rücktritt erklärt wurde. Das Gericht glaubt hier dem Zeugen …, der seine Angaben ohne Belastungseifer nach seiner freien Erinnerung tätigte. Besonders glaubhaft wirkte hier für das Gericht, dass der Zeuge … sich an zwei bis drei Telefonate erinnerte und deren Inhalt auch schlüssig wiedergeben konnte, dass er sich an das genaue Datum der Telefonate in diesem Zeitraum aber nicht mehr im Detail erinnerte, was dem Gericht nach über 2 Jahren auch nachvollziehbar erscheint. Das Bestreiten des mündlich erklärten Rücktritts vom Vertrag am 25.11.2018 passt aber auch in das Gesamtbild. Der Zeuge … konnte sich nur an eine Kündigung vom 14.12.2016 erinnern und auch der Zeuge … gab an, dass in den Gesprächen vom 30.11.2016 und 01.12.2016 von einer Kündigung oder einem Rücktritt vom Vertrag nicht die Rede war. Wäre das Vertragsverhältnis zu diesem Zeitpunkt aber bereits beendet gewesen, so machen die Verhandlungen zwischen den Parteien am 30.11.2016 und 01.12.2016 über die weitere Finanzierung des Auftrags aber nach Auffassung des Gerichts keinen Sinn.
Dieser Sinn kann auch nicht durch die Behauptungen der Klägerin erzeugt werden, bei diesen Gesprächen habe es sich nicht mehr um den bisherigen Auftrag, sondern bereits um einen neuen Auftrag gehandelt. Es mag sein, dass – wie sich aus dem Protokoll vom 01.12.2016 ergeben mag – auch von einem neuen Auftragsverhältnis gesprochen wurde (vgl. Anlage K 20). Dass ein solches aber bereits feststand und damit als Nachweis für die Beendigung des „alten“ Auftragsverhältnisses dient, davon ist das Gericht nicht ansatzweise überzeugt. Der Zeuge … erinnerte sich zwar daran, dass man über die Kündigung des Auftrags und einen neuen Vertrag gesprochen habe. Diesen Gedanken habe man aber wieder verworfen. Auch der Zeuge … gab an, dass man über die Entscheidung, ob der alte Vertrag gekündigt werde und ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, nicht gesprochen habe. Zudem fanden die von beiden Zeugen geschilderten Überlegungen im Rahmen der Gespräche am 30.11. und 01.12.2016 statt, bei welchen nach der Einlassung der Klägerin der Vertrag ja bereits auf Grund des Rücktritts beendet gewesen wäre. Weitere Überlegungen hierzu hätten sich somit erübrigt. An der Überzeugung des Gerichts ändert auch die Mitschrift von Frau Carmen Schneider über die Gespräche am 01.12.2016 nichts, auch wenn diese dort die Formulierung „neues Auftragsverhältnis“ benutzte (vgl. Anlage K 28). Denn dass über die Möglichkeit eines neuen Auftragsverhältnisses bei gleichzeitiger Kündigung des alten Auftragsverhältnisses gesprochen wurde, wurde ja auch von den Zeugen … und … geschildert. Das Gericht ist auf Grund der Zeugenaussagen jedoch nicht davon überzeugt, dass es dann auch zu einem neuen Auftragsverhältnis kam und das bisherige Auftragsverhältnis beendet wurde. Das bloße Besprechen von weiteren Handlungsmöglichkeiten entfaltet noch keine rechtliche Wirkung.
bb) Die Klägerin hätte aber auch nicht wirksam zurücktreten können mit dem Grund, dass sich die Beklagte aufgrund der E-Mail vom 21.11.2016 bis zum 25.11.2016 nicht zur Vertragstreue geäußert hat (vgl. Anlage K 11). Der Gläubiger ist befugt, den Schuldner, wenn dieser Zweifel an seiner Erfüllungsbereitschaft geweckt hat, ohne dass schon eine ernsthafte und endgültige Verweigerung ausgesprochen wäre, unter Fristsetzung zu einer Erklärung über seine Vertragstreue aufzufordern. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, kann der Gläubiger ebenfalls vom Vertrag zurücktreten (vgl. BGH, Urteil vom 6.10.1976 – VIII ZR 66/75). Die Klägerin konnte jedoch nicht den im Rahmen des § 286 ZPO notwendigen Nachweis führen, dass sie die Insolvenzschuldnerin zur Leistung aufgefordert hat. Ausweislich der E-Mail vom 21.11.2016 war diese nicht an die E-Mail-Adresse der Insolvenzschuldnerin bzw. nicht an den Geschäftsführer, …, gerichtet (vgl. Anlage K 11). Dieser gab im Rahmen seiner Vernehmung auch an, dass ihm gegenüber keine Frist zur Erklärung über die Vertragstreue gesetzt wurde. Eine etwaige Vertretung der Insolvenzschuldnerin durch die in der Adresszeile aufgeführten Personen hat die Klägerin im Rahmen dieser E-Mail nicht behauptet.
Und auch die Äußerungen des Mitarbeiters des Insolvenzverwalters, des Zeugen …, berechtigte die Klägerin nicht zum Rücktritt. Hierzu darf auf die oben genannten Ausführungen unter Ziff. 2. a) verwiesen werden.
c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen liegen auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB bzw. § 281 Abs. 2 BGB vor, die einen Schadensersatzanspruch bzw. Rücktrittsgrund begründen würden. Hiernach bestünde ein Wertungswiderspruch, wenn trotz der vorgenannten Erwägungen nunmehr besondere Umstände angenommen würden, die einen Rücktrittsgrund bzw. Schadensersatzansprüche begründen würden.
d) Einer Einvernahme weiterer Zeugen, insbesondere der Zeugin … war nicht mehr veranlasst. Soweit die Zeugin … zur Tatsache, dass am 01.12.2016 über ein neues Auftragsverhältnis gesprochen wurde, benannt wurde, war eine Vernehmung nicht erforderlich, da dies bereits durch die Zeugen … und … feststeht.
Soweit die Klägerin die Zeugin … im Termin vom 22.11.2018 zum Beweis der Tatsache nachbenannte, dass der Zeuge … im Vorfeld des Schreibens vom 29.11.2018 über die darin enthaltene Erklärung informiert wurde, wurde dieses Beweisangebot im Sinne der §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO verspätet vorgebracht und wird zurückgewiesen. Eine Vernehmung der Zeugin … war an diesem Termin nicht beabsichtigt, die Zeugin … war auch nicht geladen. Es hätte damit eines weiteren Termins bedurft.
Nachdem die Klägerin keine Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin hatte und ihr damit auch keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, war die Klage in der Hauptsache abzuweisen.
II. Mangels Anspruch in der Hauptsache sind auch die Nebenforderungen unbegründet.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
C.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Verkündet am 13.12.2018

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