Aktenzeichen 10 U 3487/17
SGB X § 116, § 119 Abs. 1
Leitsatz
Hat ein Rentenversicherungsträger, dem Schadensersatzansprüche gem. § 116 SGB X und Beitragsansprüche gem. § 119 SGB X zustehen, nur die Beitragsansprüche gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend gemacht, so kann sich der Versicherer auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche berufen. Das setzt voraus, dass sich die Anmeldung von Ansprüchen gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer (vor Eintritt der Verjährung) ausnahmsweise klar und eindeutig auf den Beitragsregress beschränkte und dass auf der Grundlage des Empfängerhorizontes auch ein entsprechender Beschränkungswille anzunehmen war. (Rn. 18 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
12 O 4343/15 2017-09-14 Endurteil LGMUENCHENII LG München II
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten vom 17.10.2017 wird das Endurteil des LG München II vom 14.09.2017 (Az. 12 O 4343/15) in Nr. I., II. und III. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 4.419,39 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 3.797,96 seit 01.08.2015 sowie aus € 621,61 seit 24.01.2016 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 100% aller auf sie nach § 119 SGB X übergangenen oder übergehenden Forderungen zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall des Herrn M. R., geb. am 31.08.1987 vom 06.03.2009 im Gemeindegebiet A. resultieren.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) und des Berufungsverfahrens.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts ist begründet, da den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen aus übergegangenem Recht nach § 116 SGB X die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (Klageerwiderung, Bl. 20 d.A.) entgegensteht (§ 214 I BGB). Die gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche sind gemäß §§ 115 I S. 1, S. 2, 1. HS VVG, 14 StVG, 195, 199 I BGB spätestens mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann gemäß § 115 I 2, 1. HS VVG i.V.m. § 199 I BGB spätestens mit dem Schluss des Jahres 2010.
1. Die Klägerin übersandte der Beklagten ein Schreiben vom 15.06.2010 (Anlage K 15). Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt (soweit es für die Entscheidung relevant ist):
„…Unser(e) Versicherte(r): … Ihr(e) Versicherungsnehmer(in): … Beitragsregress gemäß § 119 SGB X … D. oben genannte Versicherte hat durch das Schadensereignis vom 06.03.2009, an dem Ihr(e) Versicherungsnehmer(in) beteiligt war, einen Beitragsschaden in der gesetzlichen Rentenversicherung erlitten. Der Anspruch d. Sozialversicherten auf Ersatz von Beiträgen ist gemäß § 119 SGB X auf den Rentenversicherungsträger übergegangen.
Unseren Erstattungsanspruch rechnen wir wie folgt ab:
Beitragsregress vom 17.04.2009 bis 30.11.2009 (By 06)
… Beitragsregress vom 20.03.2010 bis 01.04.2010 (By 06)
… Deutsche Rentenversicherung B.S.
– Regress – Im Auftrag (Unterschrift)“
2. Für die Frage der Verjährung von Regressansprüchen eines Sozialversicherungsträgers (wie hier) kommt es auf die Kenntnis der Bediensteten der Regressabteilung an (vgl. BGH VersR 2000, 1277). Zum Zeitpunkt der Zusendung des Schreibens vom 15.06.2010 hatte der Bedienstete der Regressabteilung (vgl. Schreiben vom 15.10.2010: „Regress“) Kenntnis auch von gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Ansprüchen. Dies behauptete die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.2016 (vgl. dort S. 2 = Bl. 96 d.A.), ohne dass dies trotz der expliziten Aufforderung des Erstgerichts, zu dem Beklagtenschriftsatz Stellung zu nehmen (vgl. die Verfügung vom 30.12.2016 = Bl. 98 d.A.), von der Klägerin bestritten worden wäre (vgl. hierzu insb. den klägerischen Schriftsatz vom 11.01.2017 = Bl. 99/101 d.A.), so dass die o.g. Tatsache gemäß § 138 III ZPO als zugestanden gilt.
3. Bei dem Schreiben vom 15.06.2010 handelt es sich um eine Anmeldung i.S.d. § 115 VVG, weil hierzu eine außergerichtliche formlose Geltendmachung eines Schadens reicht (vgl. BGH VersR 1979, 915). Die Klägerin ist als Sozialversicherungsträger Dritter i.S.d. § 115 I 1 Nr. 1 VVG (vgl. hierzu auch Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Aufl. 2018, § 115 VVG Rd. 4), der aus übergegangenem Recht (SGB X) Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall in Geld geltend machen will. Dies ergibt sich aus dem Verweis auf das Schadensereignis. Grundsätzlich erfasst die Anmeldung (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., Rd. 29) alle in Betracht kommenden Ansprüche, die voraussehbar sind, ohne Rücksicht auf deren Grundlage (BGH VersR 1977, 282; 1982, 651; 2002, 474; OLG München r + s 1997, 49; VersR 2001, 230; OLG Frankfurt NJW-RR 2011, 1173), es sei denn, dass die Anmeldung eindeutig auf bestimmte Ansprüche beschränkt ist (BGH VersR 1982, 674; 1985, 1141, 1987, 937; OLG München r + s 1997, 49; OLG Köln r + s 2015, 371). Das Schreiben der Klägerin vom 15.06.2010 enthält nach seinem klaren und eindeutigen Wortlaut eine Beschränkung auf nach § 119 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche.
Es ist zwar anzunehmen, dass die Beklagte damals davon ausgehen konnte, dass auch gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangene Ansprüche im Raum stehen angesichts des auch der Beklagten bekannten Verletzungsbilds. Wie sich aus Anlage K 3 ergibt, hatte die Beklagte bei der Städtische Klinikum M. GmbH, die Klinik in welcher der Geschädigte R. erstbehandelt wurde, ein Gutachten angefordert. Ferner hat die Beklagte bei der S.-Klinik, in welcher sich der Geschädigte einer Anschlussheilbehandlung unterziehen musste, ein Gutachten angefordert. In diesem Gutachten vom 08.06.2009 wurden unter Buchstabe 4b die Verletzungen geschildert und unter Buchstabe 6b ausgeführt, dass eine Anschlussheilbehandlung von der Klinik beantragt worden sei und mit Direktverlegung ab dem 21.04.2009 in deren Hause auch begonnen hätte. Damit hatte die Beklagte spätestens mit Zugang dieses Gutachtens Kenntnis von den Verletzungen sowie Verletzungsfolgen. Dennoch durfte die Beklagte angesichts der unzweifelhaften Beschränkung auf den Beitragsregress (§ 119 SGB X) davon ausgehen, dass die Klägerin damit nicht auch Ansprüche gemäß § 116 SGB X geltend machen wollte.
a) Bei der Anmeldung von Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung durch den Geschädigten gilt die Regel, dass ein Geschädigter die Anmeldung nicht auf einzelne Ansprüche beschränken will, außer wenn sich ein Beschränkungswille eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung ergibt (vgl. BGH VersR 1982, 674 [Rd. 15 bei juris]).
b) Das Schreiben der Klägerin vom 15.06.2010 beschränkt die Anmeldung unzweifelhaft (und damit eindeutig) auf den Beitragsregress gemäß § 119 SGB X. Dies ergibt sich bereits aus der fettgedruckten Überschrift, der Formulierung im Text, dass der Versicherte einen Beitragsschaden erlitten habe, den Hinweis, dass der Anspruch (nicht die Ansprüche!) des Sozialversicherten gemäß § 119 SGB X auf den Rentenversicherungsträger übergegangen sei sowie die zweifache Benennung des Erstattungsanspruchs als „Beitragsregress“. Der Inhalt der Anmeldung ist als solcher nicht auslegungsfähig. Es finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass „die“ oder „alle“ Ansprüche aus dem Schadensereignis verlangt würden. Ein auch nur andeutungsweiser Hinweise auf weitere übergegangene Ansprüche fehlt.
c) Bei der Frage, ob sich aus diesem eindeutigen Inhalt der Anmeldung auch ein Beschränkungswille des Erklärenden entnehmen lässt, ist Folgendes zu beachten:
(1) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin erfordert die Annahme eines Beschränkungswillens nicht die ausdrückliche Erklärung, dass über die eindeutig beschränkten Ansprüche hinaus (hier Beitragsregress) keine weiteren Ansprüche geltend gemacht werden. Jedenfalls bei dem hier unstreitig gegebenen Verletzungsbild des geschädigten Versicherten ist weit vor Ablauf der Verjährung eine einem Verzicht entsprechenden Erklärung weder zu erwarten, noch sachgerecht.
(2) Selbst die Klägerin musste bei der Besprechung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einräumen, dass der damalige Sachbearbeiter fehlerhaft nur den Beitragsregress angemeldet hat, obwohl bereits im Juni 2010 wesentlich umfangreichere nach § 116 SGB X fällige Ansprüche bestanden (vgl. hierzu die im Schreiben vom 10.06.2015 enthaltene Reha-Maßnahme vom 21.04.2009 – 12.05.2009 über 3.226,06 €). Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des BGH muss bei der Frage, ob bei einer eindeutig inhaltlich auf einem bestimmten Anspruch beschränkten Anmeldung ein Beschränkungswille angenommen werden kann, der Empfängerhorizont der Haftpflichtversicherung zur Beurteilung herangezogen werden („…Immerhin sah die beklagte Versicherung schon aus der Begründung dieser Klage…“, vgl. BGH a.a.O.).
(3) Die Eindeutigkeit der Erklärung rechtfertigt hier den von der Beklagten vorgetragenen und angenommenen Schluss auf den Beschränkungswillen der Klägerin, also dass nur der Beitragsregress, sonst aber keine weiteren Ansprüche geltend gemacht werden sollten. Die oben zitierte BGH-Rechtsprechung und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte betraf ausnahmslos Fälle, in denen der Geschädigte selbst die Ansprüche geltend gemacht hat. Selbst wenn die Anmeldung seitens eines Anwalts erfolgte, ist bei einer Anmeldung seitens eines Sachbearbeiters der Regressabteilung eines Sozialversicherungsträgers davon auszugehen, dass dieser als absoluter Fachmann auf diesem Gebiet weiß, welche Ansprüche seinem Arbeitgeber in Fällen wie dem Vorliegenden zustehen. Davon durfte auch die Beklagte ausgehen. Hier stehen sich die ausführenden Organe der Parteien „auf gleicher Augenhöhe“ gegenüber. Es gibt deshalb keine Veranlassung, bei „Fehlern“ des Sozialversicherungsträgers diesen gegenüber der Haftpflichtversicherung zu privilegieren. Dass die Klägerin offensichtlich grundsätzlich die Ansprüche einzeln, also bezogen auf die jeweilige Anspruchslage geltend macht, zeigt das Schreiben vom 10.06.2015 (Anlage K 13), in welchem ebenfalls in Fettdruck „Schadensersatzanspruch gemäß § 116 SGB X“ hervorgehoben wurde. Soweit die Klägerin meint, dass diese Formulierungen den „Standardschreiben“ der Klägerin entsprächen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Falls die Klägerin bei ihren Anmeldungen nicht, wie es sachgerecht wäre, alle Ansprüche aus dem Schadensereignis anmeldet, sondern die Anmeldung auf einzelne übergegangene Ansprüche beschränkt, bedürfte es lediglich einer sorgfältigen Fristenkontrolle oder einer pauschalen Anmeldung der weiteren Ansprüche dem Grunde nach (wie dies S. 3 der Anlage K 13 aufweist). Die Rechtsauffassung der Klägerin, die beklagte Haftpflichtversicherung müsse trotz der eindeutigen Erklärungen der Klägerin deren Organisationsmängel auffangen, kann nur erneut eine Absage erteilt werden.
Der nach außen getretene Beschränkungswille der Klägerin bestätigt sich weiter aus dem Wortlaut des Schreibens K 13. Es findet sich in diesem Schreiben mit keinem Wort eine Bezugnahme auf die Schadenmeldung vom 15.06.2010. Selbst noch im Schreiben der Klägerin vom 21.07.2015 (Anlage K 14), ein Antwortschreiben auf die erhobene Verjährungseinrede, räumte die Klägerin ein, mit dem Schreiben vom 15.06.2010 „unsere Beitragsregressforderungen bei Ihnen angemeldet“ zu haben. Lediglich aus rechtlichen Gründen meinte die Klägerin, dass wegen des Grundsatzes der Schadenseinheit auch eine Leistungsregressforderung enthalten sei.
(4) Bei Beachtung des Empfängerhorizonts der Beklagten kommt es ausschließlich darauf an, wie der Inhalt der Erklärung der Klägerin vom 15.06.2010 aus der Sicht des Sachbearbeiters der Beklagten verstanden werden durfte. Die Auffassung der Klägerin, der Sachbearbeiter der Beklagten hätte doch erkennen müssen, dass im vorliegenden Fall auch übergegangene Ansprüche nach § 116 SGB X in Betracht kommen, ist nicht zielführend. Nur dann, wenn ein Erklärungsempfänger aus der Erklärung selbst oder aus sonstigen Umständen den sicheren Schluss ziehen muss, dass die Erklärung ernstlich so nicht gewollt sein kann (offensichtlicher Irrtum, Schreib- oder Rechenfehler, etc.), wäre es gerechtfertigt, dass sich die Klägerin an ihrer Erklärung (Beschränkung) nicht festhalten lassen müsste. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, erfolgte das Schreiben vom 15.06.2010 nicht versehentlich. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass der damalige Sachbearbeiter tatsächlich auch die Ansprüche aus § 116 SGB X oder alle übergegangenen Ansprüche aus dem Schadensereignis anmelden wollte (wogegen bereits die Kontierungsübersicht spricht). Sie meint lediglich, auch eine durch einen Sozialversicherungsträger klar beschränkte Anmeldung würde automatisch alle übergegangenen Ansprüche aus dem Schadensereignis erfassen. Der Sachbearbeiter der Beklagten durfte daher wegen des klaren Wortlauts von einem Beschränkungswillen der Klägerin ausgehen. Die Beschränkung war schon deshalb nicht evident unrichtig, weil es der Klägerin am 15.06.2010 noch längere Zeit unproblematisch möglich gewesen wäre, weitere Ansprüche nachzumelden, weswegen die Würdigung des Senats zu einem der damaligen Interessen beider Parteien nicht widerstreitenden vernünftigen und widerspruchsfreien Ergebnis führt. Die Auffassung der Klägerin würde zu dem Ergebnis führen, dass selbst bei durch Organisationsmängel in der Regressabteilung der Klägerin die Beklagte die daraus entstehenden Lasten zu tragen hätte, dass die Beklagte zur Feststellung des ihr günstigen Verjährungseintritts bei beschränkten Schadensmeldungen durch Sozialversicherungsträger rechtzeitig vor Verjährungseintritt nachfragen müsste, ob nicht vielleicht noch weitere, über die angemeldeten hinaus objektiv in Betracht kommenden Regressansprüche geltend gemacht werden sollen. Dies ist jedoch abzulehnen.
(5) Für die Beurteilung eines Beschränkungswillens der Klägerin am 15.06.2010 kommt es nicht darauf an, ob ein Mitarbeiter der Beklagten am 27.08.2017 auf das Schreiben vom 10.06.2015 handschriftlich vermerkt: „Stammrecht nicht verjährt“ (vgl. Anlage BLD 2). Dieser interne Vermerk der Beklagten erbringt weder den Nachweis dafür, dass die Beklagte bei Erhalt des Schreibens vom 15.06. 2010 (!) nicht von einer beschränkten Anmeldung ausgehen durfte oder davon ausgegangen wäre, noch führt es dazu, dass die Beklagte darin gehindert wäre (etwa aus § 242 BGB), sich im vorliegenden Verfahren auf die Einrede der Verjährung zu berufen.
d) Selbst wenn es auf rein subjektive Vorstellungen der Klägerin bei Abfassung des Schreibens vom 15.06.2010 rechtlich entscheidend ankommen sollte, ist durch die der Beklagten nicht übermittelten (vgl. Protokoll S. 2, weswegen die insoweit angebotenen Zeugen nicht vernommen werden mussten) Kontierungsübersicht (Anlage K 15 S. 3) bewiesen, dass der Sachbearbeiter der Klägerin die Anmeldung schon deshalb – offensichtlich bewusst – auf die Ansprüche aus § 119 SGB X beschränkt hat, weil alle sonstigen Ansprüche, ausdrücklich auch die hier streitgegenständlich übergegangenen Ansprüche aus Reha-Leistung in der Übersicht (ebenfalls vom 15.06.2010), die Grundlage seiner Entscheidung war, auf „0,00“ gestellt wurden (im Übrigen wie auch alle sonstigen Ansprüche), obwohl der Versicherte – wie oben ausgeführt – in der Zeit vom 21.04.2009 – 12.05.2009, also weit vor dem 15.06.2010, eine Reha-Maßnahme durchgeführt hat und die insoweit entstandenen Kosten der Klägerin bekannt waren oder dem Sachbearbeiter jedenfalls nur grob fahrlässig unbekannt waren. Aus der Entscheidung des BGH in VersR 2000, 1277 ergibt sich nicht, dass ein Sozialversicherungsträger den zuständigen Mitarbeitern der Regressabteilung schadlos unzutreffende Kontierungsübersichten zur Verfügung stellen kann mit der Folge der Minimierung deren subjektiver Kenntnis, um dadurch verlängerte Verjährungsfristen zu erreichen. Aber selbst trotz der unzutreffenden Kontierungsübersicht war der Sachbearbeiter der Klägerin nicht gezwungen, die Schadensanmeldung auf den Anspruch aus § 119 SGB X zu beschränken, wenn doch jedem Fachmann so evident klar gewesen sein musste, dass hier auch ein Beitragsregress nach § 116 SGB X in Frage kommt (eine Evidenz, die die Klägerin offensichtlich lediglich für den Sachbearbeiter der Beklagten, nicht aber für den eigenen Regressabteilungsmitarbeiter in Anspruch nehmen will).
e) Nach Meinung des Senats handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einheitliche Ansprüche. Dies zeigt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, welcher die Legalzessionen in zwei verschiedenen Normen, nämlich § 116 und § 119 SGB X geregelt hat. Wäre vom Gesetzgeber der Übergang von Beitragsansprüchen gemäß dem heutigen § 119 SGB X nur als ein Teil von nach § 116 SGB X übergehenden Schadenersatzansprüchen angesehen worden, hätte der Norminhalt von dem heutigen § 119 SGB X in einem weiteren Absatz von § 116 SGB X geregelt bzw. „näher“ an § 116 SGB X, etwa als Folgeregelung in § 117 SGB X platziert werden können. Schon nach dem Wortlaut zeigt sich ein Unterschied, denn gemäß § 116 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadenersatz beziehen. Schließlich ist nicht zwingend, dass beide regressregelnden Normen bei Schadensfällen immer gleichzeitig zur Anwendung kommen müssen.
4. Die (beschränkte) Anmeldung der Ansprüche am 15.06.2010 konnte daher die nach § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche nicht hemmen (§ 115 II 3 VVG), so dass diese der Klägerin bekannten Ansprüche spätestens mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt waren, weshalb die erst im Jahr 2015 erhobene Klage insoweit als unbegründet abzuweisen ist. Ansprüche aus § 116 SGB X wurden von der Klägerin erstmals mit dem Schreiben vom 10.06.2015 angemeldet. Dazwischen sind verjährungshemmende oder –unterbrechende Maßnahmen der Klägerin weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich für das Berufungsverfahren aus § 91 I ZPO und für den erstinstanzlichen Rechtsstreit aus § 92 II Nr. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung soll dabei nur eine „Abweichung im Rechtssatz“ verhindern, d.h. allein der Entscheidung einer Rechtsfrage dienen, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann (vgl. MüKo-ZPO/Lipp, 4. Aufl., § 574 Rz. 9 i.V.m. § 543 Rz. 14, BL/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 574 Rz. 8 m. w. N.).