Aktenzeichen IK 242/14
Leitsatz
Bei der zuständigen Behörde registrierte Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen, sind im Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung zur Vertretung des Gläubigers befugt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 21.12.2015 hin wird der Versagungsbeschluss des Amtsgerichts Coburg vom 11.12.2015 aufgehoben und der Versagungsantrag der Gläubigerin vom 19.11.2015 zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit Antrag vom 19.11.2015 hat die … für die Gläubigerin … beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 Insolvenzordnung zu versagen (vgl. Bl. 155 ff d. A.). Das vorliegende Insolvenzverfahren war bei Eingang dieses Antrags am 19.11.2015 nicht aufgehoben worden.
Mit ausführlicher Begründung und entsprechender Glaubhaftmachung hat die Gläubigerin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Schuldner nicht näher dargelegt habe, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite. Vielmehr habe er lediglich mitgeteilt, dass er arbeitsunfähig sei und weder Krankengeld erhalte, noch sonstige Einkünfte beziehe (vgl. Bl. 158 ff d. Akte).
Auch nach Aufforderung seitens des Amtsgerichts Insolvenzgericht Coburg vom 29.10.2015, Bl. 144 d. Akte, habe der Schuldner die ihm gesetzte Erklärungsfrist bis 10.11.2015 reaktionslos verstreichen lassen, wobei er über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen und Belege hierzu vorzulegen gehabt hätte, die die Erfüllung seiner Pflicht zur Ausübung angemessener Erwerbstätigkeit betrafen.
Mit Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.11.2015 hatte der Schuldner unter der Rubrik E hinsichtlich der Einnahmen lediglich mitgeteilt, dass er und seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt mit der Rente seiner Frau bestreiten würden.
Auf Grundlage des Vorstehenden hat das Amtsgericht Insolvenzgericht Coburg sodann am 11.12.2015 dem Antrag der Insolvenzgläubigerin … auf Versagung der Restschuldbefreiung entsprochen (Bl. 169-171 d. Akte). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Schuldner am 15.12.2015 zugestellt.
Zeitgleich mit dem Erlass des Beschlusses vom 11.12.2015 hat Frau Rechtsanwältin … mit Schreiben gleichen Datums in Vertretung des Schuldners Antwort auf das gerichtliche Schreiben gemäß Verfügung vom 29.10.2015 (als vom 24.11.2015 datierend bezeichnet) gegeben.
Hierin führte sie nochmals das Bestreiten des Lebensunterhalts der Eheleute …, auch betragsmäßig, von der Erwerbsunfähigkeitsrente von Frau … aus.
Zur Erwerbsobliegenheit führt sie sodann die Arbeitsunfähigkeit des Schuldners an, wobei sie sich auf eine Bestätigung der … hinsichtlich der Nichtzahlung von Krankengeld an den Schuldner bezieht, weiter jedoch darauf, dass ein langandauernder Krankenzustand des Schuldners bei ärztlicher Behandlung, ab Oktober 2014 bei Herrn Dr. med. … vorliege, der unverändert andauere, wobei Dr. … Bestätigungen über die Arbeitsunfähigkeit des Schuldners ausgestellt hätte, die in Kopie vorgelegt wurden (vgl. Bl. 176, 177, 185, 186 ff d. Akte).
Danach ist dem Attest von Herrn Dr. … vom 10.12.2015, Bl. 185 d. Akte, zu entnehmen, dass der Schuldner ihm aus früheren Jahren bekannt ist und er sich im Oktober 2014 erneut in dessen Arztpraxis vorgestellt habe, wobei ärztlicherseits eine erhebliche Depression festgestellt wurde, die Arbeitsunfähigkeit bedingte. Deshalb wäre der Schuldner von ihm bei der ersten Vorstellung im Oktober 2014 arbeitsunfähig geschrieben worden.
Weiter führt Dr. … hierzu aus, dass nach der Schwere der vorliegenden Symptomatik auch bereits in der zuvor liegenden Zeit Arbeitsunfähigkeit des Schuldners bestanden hätte. Die Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit für die zurückliegende Zeit sei ihm jedoch nicht möglich, jedoch sollte eine solche anerkannt werden, da die Arbeitsunfähigkeit nicht mit Erstvorstellung des Schuldners bei Dr. … im Oktober 2014 korrelierte.
Auf die weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Bl. 188 ff d. Akte wird verwiesen.
II.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hin, die form- und fristgerecht eingelegt worden war, war der angefochtene Beschluss vom 11.12.2015 aufzuheben und der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung der Gläubigerin zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen zur Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 + 7 Insolvenzordnung nicht vorliegen.
Diese Regelung greift vorliegend ein, weil bis dato die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht erfolgt ist.
Entgegen den Ausführung des Beschwerdeführers ist es nicht so, dass die … nicht als Gläubigervertreterin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung hätte stellen dürfen. Dieser Antrag ist in zulässiger Weise gestellt worden.
Vielmehr verhält es sich so, dass nach der Neufassung des § 305 Abs. 4 Insolvenzordnung mit Wirkung vom 01.07.2014 allgemein, also für die Vertretung des Gläubigers, § 174 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung entsprechend gilt (§ 305 Abs. 4 Satz 2 Insolvenzordnung).
Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung sind zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes).
Ausweislich des Schreibens der … vom 19.11.2015, Bl. 155 d. Akte, ist sie als Inkassodienstleister registriert. Diesem Umstand ist der Schuldner nicht entgegen getreten.
Eine Vertretung ist mithin eröffnet. Vertretungsvollmacht vom 08.01.2010 liegt dem Gericht vor (vgl. Bl. 219 d. A.)
Wollte man, weil streitig, dieser Auffassung der Zulässigkeit der Vertretung nicht folgen, so gelten gem. § 4 Insolvenzordnung für das Insolvenzverfahren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend, wobei hier § 79 ZPO einschlägig ist.
Danach regelt § 79 Abs. 2 ZPO, durch wen sich Parteien vertreten lassen können, wobei § 79 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO grundsätzlich registrierte Inkassodienstleister als Vertreter befugt erfasst, ohne jedoch das Insolvenzverfahren als solches zu benennen.
Jedoch hat das Gericht Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind durch unanfechtbaren Beschluss zurück zu weisen (§ 79 Abs. 3 ZPO).
Hierbei gilt, dass Prozesshandlungen eines solchen nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zu einem entsprechenden unanfechtbaren zurückweisenden Gerichtsbeschluss wirksam sind (§ 79 Abs. 3 S. 2 ZPO).
Ein solcher zurückweisender Gerichtsbeschluss liegt hier nicht vor, so dass die Wirksamkeit der Antragstellung auf Versagung der Restschuldbefreiung grundsätzlich gegeben ist bzw. unter entsprechendem gerichtlichen Hinweis, bis zu einem solchen Beschlusserlass, der Gläubigerin Gelegenheit zu eigener Antragstellung zu geben gewesen wäre.
Danach liegt eine Unzulässigkeit des Versagungsantrages nicht, vor.
Jedoch hat dieser Antrag in der Sache keinen Erfolg, weil die Versagungsgründe gem. § 290 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 + 7 Insolvenzordnung nicht gegeben sind.
Maßgeblich hierfür ist aus Sicht des Amtsgerichts Insolvenzgericht Coburg der nach Erlass des angefochtenen Beschlusses schuldnerseits dargelegte Umstand des Vorliegens einer erheblichen Depression bei dem Schuldner, die Arbeitsunfähigkeit bedingte, wie dies der behandelnde Arzt Dr. …, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 10.12.2015 ausdrücklich ausführt und wie sich dies weiter aus den weiteren vorbenannten ärztlichen Bescheinigungen hierzu ergibt.
Insbesondere führt Dr. … hierzu aus, dass die Arbeitsunfähigkeit des Schuldners nicht erst seit der Vorstellung in seiner Praxis im Oktober 2014 vorliege, sondern diese, aufgrund der erheblichen Depression weit zeitlich vorzuverlagern wäre, die Arbeitsunfähigkeit wegen erheblicher Depression eben nicht mit der Erstvorstellung korrelierte.
Im Verbund mit dieser erheblichen Depression ist es gemäß der Bewertung des Gerichts, durchaus gut nachvollziehbar, dass der erheblich depressive Schuldner meinte, seinen entsprechenden Obliegenheiten und Mitwirkungsverpflichtungen dadurch entsprochen zu haben, dass er mitteilte arbeitslos und arbeitsunfähig zu sein und dass von den Renteneinkünften der Ehefrau gelebt würde. Gleiches gilt für die Frage der Bemühung um Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit, als der Schuldner von der ihm ärztlich attestierten, depressiv bedingten Arbeitsunfähigkeit ausging, die Dr. … auch für die vorherige Zeit vor und seit Oktober 2014 unter dem 10.12.2015 attestierte (Bl. 185 d. A.).
Nunmehr sind diese Umstände durch die benannten ärztlichen Bescheinigungen zur Überzeugung des Gerichts auch belegt.
In Folge der erheblichen depressiven Erkrankung ist nicht anzunehmen, dass der objektiv unzureichende Auskünfte erteilende Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig im Sinne des § 290 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO gehandelt hat.
Gleiches gilt hinsichtlich der Ziffer 7 dieser Vorschrift bezüglich der Verletzung der Erwerbsobliegenheiten des Schuldners nach § 287 b Insolvenzordnung, als das Gericht insoweit ebenfalls schuldhaftes Verhalten des Schuldners verneint, weil davon auszugehen ist, dass dieser wegen seiner erheblichen Depression und der Darstellung bestehender Arbeitsunfähigkeit davon ausging, insoweit nicht weiter belegend tätig sein zu müssen.
Nach alledem fehlt es an dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung für die Versagung der Restschuldbefreiung, so dass der angefochtene Beschluss vom 11.12.2015 aufzuheben und der diesem zugrunde liegende Versagungsantrag vom 19.11.2015 zurückzuweisen war.