Aktenzeichen 52 T 1823/19
Leitsatz
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des … vom 28.08.2019, Az. 22 M 967/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Mit sofortiger Beschwerde vom 24.09.2019 (Bl. 37), begründet mit Schriftsatz vom 09.10.2019 (Bl. 38 ff.), wendet sich der Gläubiger gegen den angegriffenen Beschluss des Erstgerichts, Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – vom 28.08.2019 (Bl. 11 ff.), welcher dem Gläubiger am 11.09.2019 zugestellt worden ist (Bl. 36 a).
Mit der angegriffenen Entscheidung wies das Erstgericht zunächst einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über einen in der Insolvenztabelle des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.10.2015 im dortigen Verfahren IK 425/10 titulierten Anspruch zurück (Ziff. 1), weil die dafür erforderliche Form einer vollstreckbaren Ausfertigung i.S.d. des § 725 ZPO nicht vorhanden sei; die vorgelegte vollstreckbare Ausfertigung habe nur ein drucktechnisches erzeugtes Dienstsiegel und kein vom Urkundsbeamten eigenhändig angebrachtes Dienstsiegel (vgl. EB S. 3 ).
Weitergehend wies das Erstgericht sodann einen Antrag auf herabsetzende Festsetzung des unpfändbaren Betrags des Schuldners auf 874,00 € zurück (Ziff. 2), weil es dafür am notwendigen Nachweis am Vorliegen einer wegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Handlung entstandenen Forderung durch einen vollstreckbaren Titel fehle (vgl. EB S. 4 ).
Schließlich wies das Erstgericht den Antrag auf Pfändung und Überweisung zur Einziehung von geltend gemachten Anwaltskosten bis auf einen Betrag in Höhe von 18,00 € zurück (Ziff. 3), weil sich der insoweit relevante Gegenstandswert aus der ihrerseits herabgesetzten Höhe der letztlich zu vollstreckenden Forderung ergebe und diese durch die partielle Zurückweisung der zur Vollstreckung angemeldeten Beträge reduziert worden sei (vgl. EB S. 4 ).
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers, mit der dieser, nach wohlwollender Auslegung zu Gunsten des Beschwerdeführers, die Abänderung des angegriffenen Beschlusses unter vollständiger Stattgabe auf seine Anträge hin zu begehren scheint.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 793 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und sowohl formals auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) eingelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Erstgericht hat die gestellten Anträge des Gläubigers in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verbeschieden. Das Beschwerdegericht nimmt insoweit zunächst auf die ausführliche Entscheidungsbegründung im Beschluss vom 28.08.2019 (Bl. 11 ff.) und sodann im Nichtabhilfebeschluss vom 21.10.2019 (Bl. 60 f.) Bezug und macht sich die jeweilige Begründung zu Eigen.
In Ansehung der unterbliebenen Auseinandersetzung mit der Begründung der angegriffenen Entscheidung seitens des Beschwerdeführers sieht sich das Beschwerdegericht sodann nur zu folgenden ergänzenden Anmerkungen veranlasst:
a) Der gläubigerseitig vorgelegte Vollstreckungstitel, eine formal unzulänglich beurkundete vollstreckbare Ausfertigung eines Auszugs einer Insolvenztabelle, trägt die Vollstreckungsanträge nicht.
Das Erstgericht hat, in Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – V ZB 88/16 -, juris, Rn. 12 ff.), einen Formmangel in Gestalt des Fehlens eines i.S.d. § 725 ZPO vom Urkundsbeamten aufgebrachten Dienstsiegels uneingeschränkt zutreffend angenommen.
Mit diesem Umstand setzt sich die überwiegend nur aus einer Collage verschiedener Entscheidungsbegründungen bestehende Beschwerdebegründung – leider – überhaupt nicht auseinander.
Das Beschwerdegericht kann insoweit dahingestellt bleiben lassen, ob dies – allein – dem Umstand geschuldet ist, dass die maßgeblich herangezogenen Entscheidungen des AG Bonn wie auch des LG Bonn jeweils aus dem Jahre 2013 stammen (vgl. Bl. 48) und die nachfolgende einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs naturgemäß nicht berücksichtigen konnten, oder darauf zurückzuführen ist, dass der Beschwerdeführer selbst den Ausführungen des Erstgerichts insoweit keinerlei Beachtung beigemessen hat.
In jedem Fall sieht sich – auch – das Beschwerdegericht gehindert, in der vorgelegten vollstreckbaren Ausfertigung des Amtsgerichts … vom 05.10.2015 (Bl. 18), die bis zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens auch nicht nachgebessert worden ist (insb. nicht durch Bl. 50 ff.), in Ermangelung einer der Vorgabe des § 725 ZPO entsprechenden Beifügung eines Dienstsiegels eine den höchstrichterlichen Anforderungen an einen wirksam erteilten Vollstreckungstitel gerecht werdenden Titel zur notwendigen Grundlage der beabsichtigten Zwangsvollstreckung zu erblicken (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – V ZB 88/16 -, juris, Rn. 20 ff., m.w.N.).
b) Infolge des vorstehend ausgeführten Mangels in Bezug auf den grundsätzlich als Vollstreckungstitel geeigneten Auszug aus einer Insolvenztabelle (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 04.09.2019 – VII ZB 91/17 -, juris, Rn. 9 ff.) kann sodann, wie das Erstgericht, insoweit allerdings nur im Ergebnis zutreffend und mit Anführung anderslautender, aber überholter, Literaturstellen ausgeführt hat, mit diesem auch nicht dem Erfordernis des § 850 f Abs. 2 ZPO genügt werden.
Unterstellt, der vorliegende Tabellenauszug in vollstreckbarer Ausfertigung wäre, was er nicht ist (vgl. II.2.a) auch aus sich heraus formwirksam und nicht, wie vorliegend, mangelbehaftet, so wäre der Nachweis seitens des Gläubigers für das Vorliegen einer titulierten Forderung, die ihrerseits aus einer vorsätzlichen rechtswidrigen Handlung hervorgegangen ist, zu erbringen gewesen (vgl. BGH, Beschl. v. 04.09.2019 – VII ZB 91/17 -, juris, Rn. 12 ff.).
Das Beschwerdegericht sieht sich aufgrund der inhaltlich zutreffend wiedergegebenen Fundstellen anderslautender Literaturstimmen seitens des Erstgerichts veranlasst, darauf hinzuweisen, dass etwa die dort jeweils zitierte Entscheidung des LG Koblenz. (LG Koblenz, Beschl. v. 06.11.2017 – 2 T 723/17 -, juris; veröffentlicht unter anderem in NZI 2018, 569 f., sowie VE 2018, 2), der beispielsweise in die Kommentierung zu § 850 f Abs. 2 ZPO Eingang gefunden hat (etwa bei Riedel, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK-ZPO, 34. Edition, § 850 f Rn. 37 – dort zitiert in VE 2018, 2 – und Becker, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 850 f Rn. 10 Fn. 92 – dort zitiert als NZI 2018, 569 f. -) gerade durch den hier angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs im Zuge der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde aufgehoben und die vom Landgericht Koblenz – und anderen – vertretene Rechtsauffassung verworfen worden ist.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH kann – auch – eine in einer Insolvenztabelle titulierte und zuvor vom Schuldner nicht bestrittene Forderung, die aus einer rechtswidrigen deliktischen Handlung hervorgehend festgestellt worden ist, über einen vollstreckbaren Tabellenauszug Grundlage für die Feststellung nach § 850 f Abs. 2 ZPO sein (vgl. BGH, Beschl. v. 04.09.2019 – VII ZB 91/17 -, juris, Rn. 16 ff.).
c) Die sofortige Beschwerde hätte folglich zumindest dann allein durch fortschreitende Rechtsentwicklung überwiegend Erfolg haben können, wenn sich der Gläubiger zum einen mit der Begründung der angegriffenen Entscheidung genauer auseinandergesetzt hätte und, überdies, auch dem schon nach der auch vom Erstgericht aufgezeigten Rechtsprechung seit Ende 2016 (BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – V ZB 88/16 -, juris) vorliegenden Mangel durch schlichte erneute Beantragung und Beibringung einer – dann wirksam beurkundeten – vollstreckbaren Ausfertigung abgeholfen hätte.
Dies verwundert umso mehr, als das Erstgericht in einer überobligatorischen Befassung mit dem Beschwerdeführer vor dem Erlass der angegriffenen Entscheidung unter anderem mit Verfügung vom 31.07.2019 expressis verbis auf den Beurkundungsmangel unter Anführung der einschlägigen BGH-Rechtsprechung hingewiesen hat, ohne dass es dem Beschwerdeführer in Ansehung seiner hierauf erfolgenden Antwort im Schreiben vom 12.08.2019 offenbar möglich gewesen war, zu erkennen, dass der BGH seinerseits – ausdrücklich – einen Gleichlauf der Anforderungen von § 29 Abs. 3 GBO und § 725 ZPO angenommen hatte (vgl. etwa nur BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – V ZB 88/16 -, juris, Rn. 20-23).
d) Zuletzt entspricht es unverändert der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass durch einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle, aus dem nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 InsO die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkte Titel „aufgezehrt“ werden (vgl. BGH, Urt. v. 01.06.2017 – VII ZR 277/15 -, juris, Rn. 33; BGH, Urt. v. 18.05.2006 – IX ZR 187/04 -, juris, Rn. 9).
Eine derartige „Aufzehrung“ eines früheren, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkten Titels findet allerdings nur insoweit statt, als sich die im gerichtlichen Verfahren titulierten Forderungen mit den mit Rechtskraftwirkung zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen decken.
Für eine mangelnde Deckung des – einzig – zur Akte gelangten Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts … vom 16.07.2009, Az. 09-7780701-0-0, ist nichts ersichtlich; nichts anderes gilt letztlich für den vom Erstgericht ersichtlich fehlerbehaftet wiederholt angeführten Vollstreckungsbescheid vom 04.05.2018, Az. 18-7299546-0-5, der indessen Zinsen bereits ab dem 01.03.2011 tituliert haben und seinerseits nur insoweit nicht in der Insolvenztabelle „aufgegangen“ sein soll; das Beschwerdegericht geht insoweit von einer, wenn auch wiederholt auftretenden, nur verfehlten Datumsangabe aus, woraus weder ein Verfahrensmangel noch eine sonstige Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung folgt.
Aus der auch insoweit substanzlos bleibenden Beschwerdebegründung, die ihrerseits diesem Umstand keine Bedeutung beizumessen scheint, kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, zumal wiederum im Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der erstgenannte Vollstreckungsbescheid des AG … datierend auf den 16.07.2009, Az. 09-7780701-0-0, angeführt ist (vgl. Bl. 2 u).
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO ist nicht geboten. Die vorliegenden Rechtsfragen sind aufgrund der, wenn auch partiell erst während des Beschwerdeverfahrens ergangenen, höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig geklärt. Neue Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung weist das Verfahren nicht auf, ebenso bedarf es keiner Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.