Insolvenzrecht

Ein Masseschaden i.S.v. § 92 InsO oder ein Individualschaden

Aktenzeichen  5 U 1835/18

Datum:
16.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54800
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AnfG § 16, § 17
InsO § 50 f.,§ 92, § 133 Abs. 1 S. 1, § 143 Abs. 1 S.1
StGB § 73c,§ 261, § 288
VVG § 110
ZPO § 3, § 538 Abs. 2 S.1 Nr. 7

 

Leitsatz

Verfahrensgang

6 O 19574/15 2018-04-26 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.04.2018, Az: 6 O 19574/14 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht München I zurückverwiesen.
2. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren bleibt dem Landgericht München I vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.700.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen verlangen von dem Beklagten die Auskehr von durch zwei Überweisungen erhaltenen 8,5 Mio €, die nach ihrer Darstellung aus einem kriminellen Komplott zu ihren Lasten stammen.
Die Klägerin zu 1) betreibt Seniorenwohnstifte und ist eine hundertprozentige Tochter der Klägerin zu 2). Der Beklagte und Berufungskläger zu 1) ist ein eingetragener Verein von Arbeitgebern, die zur NK-Unternehmensgruppe gehören. Sein Zweck ist die Gewährung freiwilliger Versorgungsleistungen für Mitarbeiter oder ehemaliger Mitarbeiter ihrer Trägerunternehmen.
Zwischen den Klägerinnen, weiteren Rechtsträgern und diversen zur NK-Gruppe gehörenden Objektgesellschaften wurden auf der Basis einer Grundlagenvereinbarung vom 16.09.2010, die in den Jahren 2011 – 2013 schrittweise umgesetzt wurde, diverse Saleand-Rent-Back-Transaktionen getätigt, durch die letztere das Eigentum an 14 Seniorenwohnheimen erwarben. Zur Finanzierung der Kaufpreise und der Erwerbsnebenkosten erhielten die NK-Objektgesellschaften Darlehen der Klägerinnen über insgesamt 660.950.000 €. Nach den jeweils abgeschlossenen sogen. „Triple-Net-Mietverträgen“ hatten die Klägerinnen als Mieterinnen der Objektgesellschaften für die Dauer von 30 Jahren neben der Miete auch die Steuern, Abgaben, Versicherungs-, Betriebs-, Instandhaltungs- und Gesamtinvestitionskosten der Wohnstifte zu tragen.
Nachdem im Zusammenhang mit den genannten Geschäften ein Strafverfahren eingeleitet worden war, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft München I ab 01.08.2014 die an die Objektgesellschaften übertragenen Grundstücke. Unter dem 21.08.2014 schlossen die frühere Beklagte zu 1), die I. GmbH (künftig auch: Schuldnerin), über deren Vermögen am 01.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und deren Insolvenzverwalter der Berufungskläger zu 2) ist, und u.a. die NK-Objektgesellschaften einen Dienstleistungsvertrag. Nach dessen Präambel sollte die Schuldnerin im Zusammenhang mit den rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Klägerinnen alle mit diesen zusammenhängenden Dienstleistungen erbringen, soweit diese nicht nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz Rechtsanwälten vorbehalten seien. Dafür sollte sie eine monatliche Vergütung von 50.000 € zzgl. Mehrwertsteuer und Auslagen erhalten, auf die die NK-Gesellschaften Vorschüsse leisten sollten. Zur Besicherung der Ansprüche der Schuldnerin sollten im Nachrang nach den Klägerinnen Grundschulden auf den Grundstücken der Objektgesellschaften eingetragen werden, was in der Folgezeit geschah. Betreffend diesen Dienstleistungsvertrag wurde am 06.10.2015 ein Aufhebungs- und Rückabwicklungsvertrag geschlossen.
Am 21./22.08. und 26.09.2014 überwies der Vorsitzende des Beklagten von den Konten der NK-Objektgesellschaften und deren Mehrfachkomplementärin NK-N. K. aus den Mietzahlungen der Klägerinnen für die Monate Juni bis August 2014 stammende Guthaben von 9.945.241,48 € an die Schuldnerin. Im November 2014 überwies er von dem Konto der Schuldnerin mindestens 3.500.000 an die NK 14 Liquiditätspool GbR, die wiederum am 27.11.2014 3.500.000 € auf das Konto des Beklagten überwies. Am 26.03.2015 überwies er von einem Konto der Schuldnerin 5.000.000 € auf das Konto der Beklagten. Der Vorsitzende des Beklagten hatte in den genannten Gesellschaften der NK-Gruppe leitende Funktionen inne. Mittlerweile wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen sämtlicher NK-Objektgesellschaften eröffnet.
Die Klägerinnen haben vor dem Landgericht behauptet, der Vorstand des Beklagten und der Zeuge M.-G. sowie deren Berater B. hätten als Vertreter der NK-Gruppe den mittlerweile verstorbenen Aufsichtsrat und Rechtsberater der Klägerinnen M. und ihren früheren kaufmännischen Geschäftsführer W. in bewussten und gewollten Zusammenwirken als Bandenmitglieder bestochen, damit sie den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Klägerinnen und deren Aufsichtsrat dazu bewegten, den für die Klägerinnen wirtschaftlich äußerst nachteiligen Geschäften mit der NK-Gruppe zuzustimmen. Ihr Vorsitzender der Geschäftsführung habe die Verträge im Vertrauen auf die kaufmännische und rechtliche Prüfung durch die Herren M. und W. ohne eigene Prüfung mitunterzeichnet. Die NK-Gruppe habe besonders davon profitiert, dass die Grundstücke deutlich unter Wert verkauft worden seien – wie die im Strafverfahren erholten Gutachten zeigten -, worüber ihre Entscheidungsträger getäuscht worden seien.
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, dass ihnen gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche auf Rückzahlung der an diesen verschobenen Gelder unter dem Gesichtspunkt der Schuldnerbegünstigung und der Geldwäsche sowie der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zustünden. Spätestens bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung zu der den Geschäften zugrundeliegenden Grundlagenvereinbarung hätten die Beteiligten die Absicht gehabt, die Klägerinnen durch Betrug und – soweit es sich um Mitarbeiter der Klägerinnen gehandelt habe – durch Untreue zu den für sie nachteiligen Verkäufen der Wohnstiftimmobilien zu bewegen, um durch deren Weiterverkauf maximalen Gewinn zu erzielen. Ihr Vermögensschaden ergebe sich aus der Wertlosigkeit ihrer
Darlehensrückzahlungsansprüche. Daneben bestehe auch ein Anspruch unter dem Gerichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung.
Sie haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen 8.500.000 € zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.000.000 € seit dem 28.03.2015 und aus 3.500.000 € seit dem 28.11.2014.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, dass zur Geltendmachung der Klageansprüche allein der Berufungskläger zu 2) als Insolvenzverwalter der I. GmbH befugt sei. Vermögensstraftaten zu Lasten der Klägerinnen seien nicht begangen worden. Die Klägerinnen hätten schließlich erklärtermaßen mit den streitgegenständlichen Geschäften keinen Liquiditätszuwachs erzielen wollen. Der Abschluss von Triple-Net-Mietverträgen sei geschäftsüblich. Die Ausreichung der Kaufpreise als Darlehen habe die Klägerin in ihrer Immobilienstrategie selbst als Vorteil gesehen. Es bestehe die Möglichkeit, dass es ohne dolose Absichten zum Abschluss der Geschäfte gekommen wäre. Es fehle an einer Geldwäschehandlung des Beklagten und einer Katalogtat der Geldwäsche. Da den Klägerinnen bei Leistung der Mietzahlungen von Juni bis August der konkrete Verdacht von Straftaten zu ihren Lasten bekannt gewesen sei, fehle es bereits an einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung. Abgesehen davon treffe sie ein überwiegendes Mitverschulden. Die behaupteten Schadensersatzansprüche könnten ohnehin nur auf Rückzahlung an die NK-Objektgesellschaften bzw. die Schuldnerin gerichtet sein.
Das Landgericht hat der Klage nach Einvernahme der Zeugen W., Ma. und M.-G. mit Endurteil vom 26.04.2018 bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. §§ 16, 17 AnfG stünden der Prozessführungsbefugnis der Klägerinnen nicht entgegen, da kein vollstreckbarer Titel vorliege. Anderes ergebe sich auch nicht aus § 92 InsO, da mit der Klage kein durch Masseminderung entstandener Schaden geltend gemacht würde. Die streitgegenständlichen Geschäfte seien nur mit den Klägerinnen geschlossen worden, so dass sich die dem Beklagten zur Last gelegte unerlaubte Handlung auch nur gegen diese gerichtet habe. Der Zahlungsanspruch der Klägerinnen ergebe sich aus den gegen die Klägerinnen gerichteten Geldwäschehandlungen des Beklagten im Hinblick auf die ihm über Zwischenschaltung der Schuldnerin zugeflossenen 8,5 Mio €. Diese hätten jedenfalls aus Betrugs- oder Untreuetaten zu Lasten der Klägerinnen gestammt, abhängig von der Kenntnis des damaligen Geschäftsführers der Klägerin sei entweder der Straftat des bandenmäßigen Betrugs oder der bandenmäßigen Untreue erfüllt. Die Kammer sei davon überzeugt, dass sich auf Seiten der NK-Gruppe der Vorstand der Beklagten, der Zeuge M.-G. und der Berater B. sowie auf Seiten der Klägerinnen die Herren M. und W. zusammengeschlossen hätten, um die Klägerinnen mittels der Kickback-Zahlungen an letztere Herren zum Abschluss des für die Klägerinnen extrem nachteiligen Vertragswerks zu veranlassen. Da für den Vermögenstransfer an die Schuldnerin und von dieser an den Beklagten kein sachlicher Grund bestanden habe, lasse sich hieraus der Schluss ziehen, dass es letztlich darum gegangen sei, die inkriminierten Gelder als Tatbeute dem Zugriff der ermittelnden Staatsanwaltschaft und der Vollstreckung der Klägerinnen zu entziehen und jedenfalls vorläufig in Sicherheit zu bringen.
Gegen das ihm am 02.05.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte und Berufungskläger zu 1) am Montag, den 04.06.2018 Berufung eingelegt, die er am 02.07.2018 begründet hat.
Der Berufungskläger zu 2) hat am 31.05.2018 Berufung eingelegt. Er ist der Meinung, ihm stehe als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I. GmbH das Recht zu, geltend zu machen, dass das Ersturteil ergangen sei, obwohl das Verfahren wegen Beteiligung der von ihm vertretenen Insolvenzmasse gem. §§ 92 InsO, 17 AnfG alg. unterbrochen gewesen sei. Das Landgericht habe verkannt, dass die Klägerinnen einen Masseschaden i.S.v. § 92 InsO geltend machten. Soweit die Klägerinnen nun mit einem Treuhandverhältnis argumentierten, sei dieses Vorbringen neu und damit im Berufungsverfahren unbeachtlich. Jedenfalls habe die Schuldnerin bei Entgegennahme der Gelder nicht als Treuhänderin fungiert. Diese hätten ihr allein in Form eines Auszahlungsanspruchs gegen die Bank zugestanden. Eine vertragliche Treuhand behaupteten die Klägerinnen schon nicht, die allenfalls einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch hätten. Gerade in einem solchen Fall solle § 92 S.1 InsO die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sichern. Das stelle die Klägerinnen nicht rechtlos, die am Verteilungsverfahren innerhalb der Insolvenz der Schuldnerin teilnähmen. Die Masse werde durch den Einzug des Gesamtschadens durch den Berufungskläger zu 2) gemehrt werden. Neben der Klägerin hätten auch die Insolvenzverwalter der NK-Gesellschaften B.-S., H. und M.-N. Ansprüche zur Tabelle angemeldet. Der Berufungsbeklagte habe bisher von der Anmeldung der Ansprüche weiterer NK-Objektgesellschaften abgesehen, weil dafür jeweils ein Sonderverwalter bestellt werden müsse. Die Anmeldung wäre vor dem Einzug entsprechender Ansprüche zur Masse wegen der damit verbundenen Kosten insolvenzzweckwidrig. Hier werde ein Gesamtschaden i.S.v. § 92 S.1 InsO geltend gemacht. Es sei insoweit nicht erforderlich, dass sich alle Gläubiger auf dieselbe Anspruchsgrundlage stützten. Entscheidend sei, dass die Schädigung jeweils durch die Verschiebung des Schuldnervermögens erfolgt sei. Natürlich werde er seine Ansprüche gegen den Beklagten und Berufungskläger zu 1) auch durchsetzen. Dieser habe allerdings seine Anspruchsberechtigung auch nie bestritten und in erster Instanz dem gerichtlichen Vorschlag, eine Zahlung in Höhe von 8,5 Mio € an ihn zu leisten, sogleich zugestimmt. Dies hätten die Klägerinnen abgelehnt. Dem Berufungskläger stehe auch wegen der über die NK 14 Liquiditätspool GbR an den Beklagten geleisteten 3,5 Mio € ein Direktanspruch gegen den Beklagten zu, weil dieser sich das Verhalten seines Vorstandes zurechnen lassen müsse. Außerdem sei er zur Anfechtung nach § 133 Abs. 1 S.1 InsO berechtigt, das gelte auch für die vorhergehende Zahlung der Schuldnerin an die NK 14 Liquiditätspool GbR. Auch die Trihotelentscheidung (BGH, Urt. v. 16.07.2007, II ZR 3/04) in der eine Durchgriffshaftung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Gesellschaftern verneint worden sei, sei vorliegend nicht einschlägig. Wenn der Senat seine Berechtigung zur Einziehung der streitbefangenen Gelder feststelle, werde die Staatsanwaltschaft die arrestierten Gelder zu seinen Gunsten freigeben.
Der Beklagte hat sich in der Hauptsache der Argumentation des Berufungsklägers zu 2) angeschlossen und macht hilfsweise geltend, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gekommen sei, dass hier der Tatbestand der Geldwäsche erfüllt sei. Keinesfalls hätte das Landgericht zugunsten der Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen urteilen dürfen.
Der Beklagte und der Berufungskläger zu 2) beantragen,
das Ersturteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt hilfsweise,
das Ersturteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung des Berufungsklägers zu 2) zu verwerfen, jedenfalls aber die Berufungen zurückzuweisen.
Sie meinen die Berufung des Berufungsklägers sei unzulässig, weil kein Gesamtschaden vorliege. Die Schuldnerin sei nach den Feststellungen der Kriminalpolizei bis August 2014 nicht operativ tätig gewesen. Der Vorstand der Beklagten und Alleingesellschafter der Schuldnerin habe diese benutzt, um seine Tatbeute aus den Betrugs-/Untreuestraftaten dem Zugriff der Klägerinnen zu entziehen. Von den Konten der Schuldnerin habe er die Kosten der Rechtsverfolgung der NK-Gesellschaften und seiner persönlichen Strafverteidigung bezahlt. Es werde bestritten, dass die Schuldnerin – abgesehen von den Klägerinnen – noch andere Gläubiger mit berechtigten Forderungen habe. Damit habe den Klägerinnen jedenfalls ein aussonderungsähnliches Recht an den geltend gemachten 8,5 Mio € zugestanden, zumal ihr Schaden bereits durch den Abschluss der Immobilientransaktionen mit der NK-Gruppe verursacht worden sei und nicht erst durch die Vermögensverschiebungshandlungen des Beklagten. Die Schuldnerin habe lediglich als Sammelstelle für die Tatbeute aus den zuvor begangenen Straftaten bzw. als Treuhänderin für diese agiert. Mithin seien die inkriminierten Gelder nie aus dem Vermögen der Klägerinnen ausgeschieden. Die Mieten seien direkt an die NK-Gruppe, zu der auch die Schuldnerin zu zählen sei, ausbezahlt worden, diese habe sämtliche Gelder aus diesen Mieten erhalten und auch keine anderen Einnahmequellen gehabt, so dass keine Vermischung mit anderen Geldern gedroht habe. Außerdem seien die Instrumente der Insolvenzordnung nicht für Situationen gedacht, in der bewusst zum Nachteil eines Gläubigers Straftaten verübt würden. Dafür spreche auch der Schutzzweck des § 261 StGB, der schmutziges Geld dem Wirtschaftskreislauf zugunsten der durch die Vortaten Geschädigten entziehen wolle. Geldwäschetaugliche Vortaten zu Lasten anderer Gläubiger der Schuldnerin seien nicht ersichtlich. Der Freistaat Bayern habe das Geld folgerichtig gepfändet, würde es nun über die Insolvenzverfahren an die „Gläubiger“ der NK-Gesellschaften verteilt, werde der Zweck des Straftatbestandes der Geldwäsche vereitelt. Verneine man ein Aussonderungsoder ein entsprechendes Recht der Klägerinnen, sei die Schuldnerin jedenfalls als Treuhänderin des Vorstands der Beklagten bzw. der NK-Gruppe anzusehen. Der Vorstand der Beklagten stehe hinter den NK-Gesellschaften und versuche sich selbst u.a. durch den Einsatz der verdeckten Treuhandkonten der Schuldnerin zu bereichern, er sei bei allen relevanten Vermögensverschiebungen auf beiden Seiten tätig gewesen. Das Vertragswerk mit der NK-Gruppe sei nach den Feststellungen des Landgerichts nur erstellt worden, um dem Vermögenstransfer den Anschein der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Fest stehe jedenfalls, dass die fraglichen Gelder wirtschaftlich und haftungsrechtlich nie dem Vermögen der Schuldnerin zugeordnet gewesen seien. Das ergebe sich auch aus dem Umstand, dass kein außenstehender Gläubiger Zugriff auf die Gelder gehabt habe bzw. hätte haben können, da die Schuldnerin nie eine Tätigkeit nach außen entfaltet habe. Es fehle auch daran, dass eine Mehrzahl von Gläubigern der Schuldnerin als weitere neben den Klägerinnen existiert habe, die ihre Ansprüche hätten zwangsweise durchsetzen wollen. Etwaige weitere Gläubiger seien nicht durch § 288 StGB geschützt. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass bereits die NK-Gesellschaften in anfechtbarer Weise an die Schuldnerin geleistet hätten, so dass die Gelder jedenfalls nicht zu deren Insolvenzmasse gehörten. Die vom Senat hingewiesene Entscheidung des BGH, NJW 2000, 1259 betreffe nur die Frage, ob im Falle der Gläubigeranfechtung der Gläubiger seinen Anspruch weiterhin geltend machen könne, wenn er diesen auf konkurrierende Anspruchsgrundlagen stütze, was der BGH verneint habe. Die Klägerinnen hätten sich jedoch nur auf individuelle Schadensersatzansprüche, aber nie auf Gläubigeranfechtung gestützt und seien unabhängig von einer Gläubigerstellung gegenüber der Schuldnerin anspruchsberechtigt. Es liege auch keine vergleichbare Lage vor, weil die Gläubigeranfechtung die Befriedigung eines Gläubigers des Schuldners im Auge habe, während sich hier der Anspruch der Klägerin völlig unabhängig von der Stellung als Gläubigerin der Schuldnerin ergebe. Der Lebenssachverhalt, auf den die Klägerinnen ihre Ansprüche stützten, sei ein anderer als der, auf den sich ein potentieller Anspruch des Insolvenzverwalters der Schuldnerin stützen könne. Ziel des Handelns der Schuldnerin sei nicht die Benachteiligung ihrer etwaigen Gläubiger, sondern die Sicherung der zu Lasten der Klägerinnen erbeuteten Tatvorteile gewesen. Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall habe der Schuldnerin das verschobene Geld nie zugestanden. Selbst wenn auch zum Nachteil anderer Gläubiger die Zwangsvollstreckung vereitelt worden sei, fehle es wie in dem OLG Bamberg mit Beschluss vom 28.07.2017, 3 W 28/17, entschiedenen Fall an einem Gesamtschaden aller Gläubiger, da sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen eines deliktischen Anspruchs für jeden Gläubiger einzeln zu prüfen seien. Insoweit fehle es schon daran, dass alle Gläubiger der Schuldnerin wegen einer gemeinschaftlichen Forderung die Zwangsvollstreckung angedroht hätten. Andere Gläubiger der Schuldnerin könnten allenfalls andere Gesellschaften der NK-Gruppe sein, die durch den Vorstand des Beklagten kontrolliert würden, ein Anspruch dieser Gesellschaften auf die Tatbeute sei unbillig. Im Übrigen gelte der Rechtsgedanke des § 110 VVG, nach der der Geschädigte im Haftpflichtfall einen absonderbaren Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung habe, deren Leistungen den übrigen Gläubigern nicht zu Gute kommen sollten. Die – zufällig – auch gegebene Gläubigerstellung weiterer Personen gegenüber der Schuldnerin sei nicht zugunsten dieser Personen anspruchsbegründend. Dass mit der Verschiebung der Gelder – jedenfalls theoretisch – auch eine Vermögensminderung der Schuldnerin verbunden gewesen sei, ändere nichts, denn ein Gesamtschaden sei nur der Schaden, den alle Gläubiger aufgrund ihrer Gläubigerschaft erlitten hätten, aber nicht der, den die Klägerinnen schon vor Weiterüberweisung der Gelder durch die Schuldnerin erlitten hätten.
Das vom Berufungskläger angezogene Urteil des BGH vom 08.05.2003, IX ZR 334/01 sei im Übrigen durch die neuere Rechtsprechung des BGH überholt. Damals sei man noch davon ausgegangen, dass es bei einem existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen einer Gesellschaft einen Durchgriffsanspruch der einzelnen Gläubiger gegen die Gesellschafter gebe. Vor diesem Hintergrund sei es nur konsequent, wenn der BGH 2003 noch von einem Gesamtschaden i.S.v. § 92 InsO aller Gesellschaftsgläubiger ausgegangen sei. Seit dem Urteil vom 16.07.2007, II ZR 3/04, könne aber kein Durchgriffsanspruch der einzelnen Gesellschaftsgläubiger geltend gemacht werden, ohne solche Direktansprüche könne es aber auch keinen Gesamtschaden geben. Bei Entziehung von Vermögenswerten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter scheide heutzutage ein Gesamtschaden aus. Vorliegend gelte nichts anderes, weil Adressat eines Existenzvernichtungshaftungsanspruchs neben dem Gesellschafter auch ein Dritter, wie hier der Beklagte sei, wenn die Voraussetzungen eines doppelten Gehilfenvorsatzes vorlägen.
Die Berufung auf § 92 InsO sei rechtmissbräuchlich. Die Pfändung der Forderungen durch den Freistaat Bayern stünde einem Vermögenszugriff des Berufungsklägers zu 2) entgegen. Denn die Pfändung diene dazu, die Einziehung nach § 73c StGB zu ermöglichen und die Klägerinnen als Tatopfer zu entschädigen. Außerdem ließen die vom Berufungskläger zu 2) in den von ihm als Insolvenzverwalter gegen die NK-Gesellschaften angestrengten Zivilverfahren eingenommenen Positionen nicht erwarten, dass er die streitgegenständlichen deliktischen Ansprüche gegen den Beklagten geltend machen werde. Er habe sich dort die Schutzbehauptungen u.a. des strafrechtlich verfolgten Vorstands des Beklagten zu eigen gemacht. Die Überweisung über die NK 14 Liquiditätspool GbR an den Beklagten von 3,5 Mio. € könne keine Masseminderung zu Lasten der Schuldnerin verursacht haben, da sich das Geld schon vor dieser letzten Überweisung nicht mehr in deren Vermögen befunden habe.
Der Senat hat mit der Ladungsverfügung vom 31.07.2018 auf seine Absicht hingewiesen, das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen, weil dieses schon vor dessen Erlass unterbrochen gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.04.2018, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 16.10.2018 Bezug genommen.
II.
Die Berufungen haben Erfolg, weil das Landgericht sein Endurteil erlassen hat, obwohl das Verfahren betreffend beide Zahlungen vom Konto der Schuldnerin an den Beklagten nach § 17 AnfG alg. unterbrochen ist.
1. Insbesondere die Berufung des Berufungsklägers zu 2) ist zulässig. Denn er will das seiner Meinung nach gegen § 17 Abs. 1 S.1 AnfG verstoßende Ersturteil aus der Welt schaffen. Dieses kann er anfechten, ohne die Unterbrechung durch Aufnahme des Verfahrens zu beenden. Die Einlegung seines Rechtsmittels setzt die Beendigung der Unterbrechung – durch Aufnahme des Verfahrens – nicht voraus, weil insoweit der unterbrochene Rechtsstreit sachlich nicht weiterbetrieben wird (BGH, Urt. v. 16.01.1997, IX ZR 220/96, Rn.10 juris). Es steht dem Berufungskläger zu 2) frei, das Verfahren erster Instanz wieder aufzunehmen und Zahlung an die Masse zu verlangen (Uhlenbruck/Hirte, 14. Aufl. 2015, Rn.27 zu § 92 InsO mwN).
2. Die den Konten des Beklagten gutgeschriebenen Forderungen gegen seine Bank auf Auskehrung der aufgrund der Überweisungen der Schuldnerin erhaltenen Gutschriften würden im Falle von dessen Insolvenz zu seiner Insolvenzmasse gehören, ohne dass eine Aussonderung durch die Klägerinnen in Betracht käme. Allerdings ist hier kein Insolvenzverfahren gegen den Beklagten eröffnet. Der Aussonderung nach § 47 InsO unterliegen im Insolvenzverfahren Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören. Ebenso wenig unterliegen etwa gegebene Ansprüche der Schuldnerin auf Rückgewähr des an den Beklagten überwiesenen Guthabens der Aussonderung. Mit Eingang der Überweisung hat der Beklagte ein entsprechendes Guthaben bei seiner Bank erworben. Diese Forderung hat niemals den Klägerinnen „gehört“. Unter diesen Umständen entfällt die Möglichkeit einer Aussonderung. Auch die Grundsätze, die die Rechtsprechung über das Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders aufgestellt hat (vgl. u.a. RGZ 133, 84 ), können in einem solchen Fall nicht zur Anwendung kommen (BGH, Urteil vom 14.02.1957, VII ZR 250/56 Rn.49 juris). Eine Aussonderung ist nur möglich, wenn das Konto der Schuldnerin offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt war. Nur in diesem Fall erstreckt sich das Treuhandverhältnis auch auf von dritter Seite eingegangene Zahlungen, sofern die ihnen zu Grunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sind. Dagegen können Guthaben auf Konten, die auch für eigene Zwecke des – angeblichen – Treuhänders genutzt werden, in dessen Insolvenz nicht ausgesondert werden. Nutzt der Treuhänder das Guthaben auf einem Konto (auch) für eigene Zwecke, entfällt das Aussonderungsrecht regelmäßig auch hinsichtlich des verbliebenen, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhandenen Bestandes (BGH, Urt. v. 10.02.2011, IX ZR 49/10 Rn.13-15).
3. Streitentscheidend ist damit die Frage, ob der von den Klägerinnen geltend gemachte Anspruch ein Masseschaden i.S.v. § 92 InsO oder ein Individualschaden ist, der diese nur allein trifft und demgemäß auch nur von ihnen geltend gemacht werden kann.
3) Nach dem auch vom Landgericht herangezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2003, IX ZR 334/01, Rn.25 juris, findet § 92 InsO Anwendung, wenn das Verhalten, aus dem der Beklagte in Anspruch genommen wird, die Insolvenzmasse verkürzt hat. Ein solcher Anspruch kann sich nicht nur gegen Gesellschafter oder Organe der insolventen Schuldnerin richten, sondern grundsätzlich gegen jeden Dritten, wie hier den Beklagten. Denn ein Gesamtschaden tritt auch durch die deliktische Verschiebung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens ein. Dagegen handelt es sich um vom Gesamtschaden nicht umfasste Individualschäden, wenn nur einzelne Insolvenzgläubiger Nachteile aus nur gegen sie gerichteten unerlaubten Handlungen erlitten haben. Ausgehend von der Auffassung des Landgerichts, dass sich der Beklagte an Geldwäschehandlungen zu Lasten der Klägerinnen im Hinblick auf die nach deren Auffassung begangenen Betrugs- bzw. Untreuestraftaten beteiligt hat, kommt es also darauf an, wie sich der Umstand auswirkt, dass der Beklagte nach den unwidersprochenen Feststellungen des Landgerichts die Überweisungen von den Konten der NK 14 Liquiditätspool GbR und der Schuldnerin ohne erkennbaren Grund erhalten hat. Aufgrund der Personenidentität ihres Vorstandes mit der Geschäftsführung der NK-Objektgesellschaften und der Schuldnerin muss davon ausgegangen werden, dass dies geschah, um die überwiesenen Geldbeträge dem Zugriff von deren Gläubigern zu entziehen. Selbst wenn damit insbesondere die Klägerinnen benachteiligt werden sollten, ändert dies nichts daran, dass sich der dem Beklagten von den Klägerinnen zur Last gelegte Hauptakt seines Handelns auf alle Gläubiger der Schuldnerin bezog.
An der Annahme eines Gesamtschadens hindert auch nicht der von den Klägerinnen zitierte Beschluss des OLG Bamberg vom 28.07.2017, 3 W 28/17. Denn dieser ist in einem Arrestverfahren ergangen und stützt sich entscheidend darauf, dass die §§ 92, 93 InsO einer vorläufigen Sicherung durch einzelne Gläubiger nicht entgegenstehen (aaO, juris Rn.26, 46). Im Übrigen ist dort das Fehlen eines Gesamtschadens damit begründet, dass durch die ratenweise Einzahlung der Anleger im dortigen Verfahren jeweils deren Vermögen geschädigt worden sei (aaO, Rn.53). Ihre Rechtsstellung habe sich wegen der massiven Ausplünderungen des Fondsvermögens so grundlegend verändert, dass ihre Situation bei wertender Betrachtung jeweils der eines sog. Neugläubigers angenähert gewesen sei. Das ebenfalls von den Klägerinnen zitierte OLG Köln befasst sich im Beschluss vom 01.06.2006, 2 U 50/06 mit der Frage eines vom Gesamtschaden zu trennenden Individualschadens von sogen. „Neugläubigern“ bei
Insolvenzverschleppung. Es betont, dass im Fall der Insolvenzverschleppung die „Altgläubiger“, also die bei Eintritt der Insolvenzantragspflicht bereits existierenden Gläubiger, durch die Verschleppung des Insolvenzantrags allenfalls einen Quotenschaden erlitten, der sich aus der Verringerung der Masse ab dem Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bis tatsächlichem Insolvenzantrag ergebe. Dagegen könnten „Neugläubiger“ geltend machen, dass sie bei rechtzeitigem Insolvenzantrag überhaupt nicht kontrahiert hätten und ihren gesamten durch den Vertragsschluss entstandene Aufwand geltend machen, mithin habe der dort klagende „Neugläubiger“ keinen Gesamtschaden erlitten und könne den Anspruch auf Ersatz seines individuell erlittenen Schadens ggf. Zug um Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen die Masse geltend machen (aaO, juris Rn.6 ff; ebenso der BGH im ebenfalls von den Klägerinnen zitierten Urteil vom 28.04.2008, II ZR 264/06 Rn.29 zum Kontrahierungsschaden der über die Unterkapitalisierung einer GmbH getäuschten Arbeitnehmer; s.a. OLG Nürnberg, Beschluss v. 22.03.2011, 14 W 508/11 Rn.27 zum „Kontrahierungschaden“ von bereits bei Zeichnung getäuschter Anleger).
Hier haben jedoch alle im Zeitpunkt der Weiterüberweisungen existierenden Gläubiger der Schuldnerin durch den Entzug der Masse einen Schaden erlitten. Das Urteil des OLG Karlsruhe vom 20.6.2002, 19 U 150/01 befasst sich ebenfalls mit dem individuellen Schaden von Neugläubigern bei Insolvenzverschleppung (aaO, juris Rn.18) und kann daher zur Lösung des vorliegenden Falls nichts beitragen.
Nach dem Beschluss des BGH vom 14.07.2011, IX ZR 210/10 Rn.9 bezieht sich ein Gesamtschaden auf einen solchen Schaden, den der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger erlitten hat. Die Verkürzung der Masse muss also die Gesamtheit der Gläubiger treffen. Dagegen handelt es sich um einen nicht von § 92 InsO erfassten Einzelschaden, wenn der Gläubiger nicht als Teil der Gläubigergesamtheit, sondern individuell geschädigt wird. Ein Individualschaden verwirklicht sich z.B. bei der Verletzung eines Aussonderungsrechts i.S.v. § 47 InsO, weil der betroffene Gegenstand nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Auch wenn ein Absonderungsrecht (§§ 50 ff InsO) beeinträchtigt wird, kann neben den Individualschaden des Absonderungsberechtigten insoweit ein Gesamtschaden treten, als ein in die Insolvenzmasse fallender Übererlös sowie Kostenpauschalen (§§ 170, 171 InsO) verloren gehen. Ein Einzelschaden ist dagegen gegeben, wenn unpfändbare Vermögensbestandteile des Schuldners beeinträchtigt werden. Hier mag das Vermögen der Klägerinnen bereits deutlich vor dem Zeitpunkt, in dem infolge der Überweisungen Gutschriften auf die Konten der Beklagten erfolgten, durch Straftaten des Vorstands der Beklagten geschädigt worden sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die von den Klägerinnen behauptete Schädigung durch die Schuldnerin erst mit deren Weiterüberweisungen und dem Verlust der aus den zunächst erfolgten Gutschrift resultierenden Ansprüchen gegen die kontoführende Bank verwirklicht hat. Dadurch wurde sämtlichen zu diesem Zeitpunkt existierenden Gläubigern der Schuldnerin die Haftungsmasse entzogen.
Das Urteil des BGH vom 20.07.2017, IX ZR 310/14 betrifft einen vom Geschäftsführer und Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemachten Schaden wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit einem gegen ihn geführten Prozess. Diesen Schaden hatte der dortige Kläger nicht als Teil der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger erlitten, sondern aufgrund des Umstandes, dass ihm seine Kosten in dem von der Masse gegen ihn geführten Prozess nicht erstattet worden sind. Es wäre allenfalls eine Frage der Begründetheit der Klage gewesen, ob er mit seinem gegen die Masse gerichteten Zahlungsanspruch ausgefallen wäre.
3) Denn maßgebliche Voraussetzung des Einziehungsrechts nach § 92 S.1 InsO ist die Verminderung der Insolvenzmasse, die sich – wie hier – in einer Verringerung der Aktiva manifestieren kann. Der Gesamtschaden bezieht sich auf einen solchen Schaden, den der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger erlitten hat. Die Verkürzung der Masse muss also die Gesamtheit der Gläubiger treffen. Das gilt auch, wenn eine Sondermasse zu bilden ist, die der Verwalter nicht für alle, sondern nur für eine bestimmte Gruppe von Gläubigern verwaltet. Denn einen Gesamtschaden erleiden nur die Gesellschaftsgläubiger, die bei Eintritt der Insolvenzreife Forderungen gegen die Gesellschaft haben und aufgrund des Beseiteschaffens von Massebestandteilen jedenfalls einen Quotenschaden erleiden. Gläubiger, die erst später vertragliche Ansprüche gegen die Gesellschaft erlangen, können ebenfalls einen Quotenschaden erleiden, falls ab Vertragsschluss ihre Befriedigungsaussichten weiter verschlechtert werden. Hierbei handelt es sich aber um einen Individualschaden, der nicht unter § 92 InsO fällt. § 92 InsO greift damit auch dann ein, wenn es nur einen geschädigten Gläubiger gibt oder wenn das Vermögen des Ersatzpflichtigen ausreicht, um die Schäden aller Gläubiger zu ersetzen, also durch deren Wettlauf niemand benachteiligt wird. Denn beides kann sich nachträglich als falsch erweisen (MüKoInsO/Brandes/Gehrlein, 3.Aufl. 2013, Rn.11 zu § 92 InsO mwN). Diesen Schaden können die geschädigten Gläubiger während des Insolvenzverfahrens nicht selbst, sondern gemäß § 92 S.1 InsO ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geltend machen (OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2011, 13 W 98/11, Rn.8 juris).
4. Der Umstand, dass die Klägerinnen ihre Ansprüche nicht nur auf das Beseiteschaffen des Vermögens der Insolvenzschuldnerinnen stützen, sondern auch auf die anderen dem Beklagten zu Last gelegten Straftaten, berechtigt sie zur Fortführung des Verfahrens unter letzterem Aspekt nicht.
4) Zwar hat das Reichsgericht in RGZ 143, 267 angenommen, dass ein Rechtsstreit, der Anfechtungsansprüche und andere Ansprüche zum Gegenstand habe, nur in Bezug auf die Anfechtungsansprüche unterbrochen werde. Allerdings bezog sich dessen Entscheidung auf einen Fall, in dem die geltend gemachten Ansprüche zwei unterschiedliche Streitgegenstände im prozessualen Sinne bildeten. Für den Fall, das zwar mehrere Anspruchsgrundlagen, aber nur ein Anspruch im prozessualen Sinne, also nur ein Streitgegenstand existiert, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden, dass sowohl der Klageanspruch als auch das Prozessrechtsverhältnis untrennbar sind. Daher kann nur ein Kläger den Prozess fortführen. Dieser eine Kläger muss den Anspruch so, wie er vor der Insolvenzeröffnung bestand – also unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten – geltend machen können. Dies kann nur der Insolvenzverwalter sein. Denn die Klägerinnen können nicht die Interessen der Masse wahrnehmen. Dagegen können die Interessen der Klägerinnen, die durch die Verwirklichung der weiteren deliktischen Tatbestände berührt sein mögen, durch den Berufungskläger zu 2) wahrgenommen werden. Diese Berechtigung ist in § 92 S.1 InsO ausdrücklich vorgesehen (BGH, Urt. v. 09.12.1999, IX ZR 102/97 Rn.15 juris).
4) Im vorliegenden Fall bilden die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche nur einen Streitgegenstand. Dieser wird durch den Klageantrag, in dem sich die von den Klägerinnen in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klägerinnen die begehrte Rechtsfolge herleiten. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, der zur Stützung des Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorgetragen wird. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt auch dann vor, wenn die in Anspruch genommenen materiellrechtlichen Regelungen die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestalten. Daher genügt die hier gegebene Einheitlichkeit des Klageziels nicht, um einen einheitlichen Streitgegenstand anzunehmen. Kann die Klagesumme nur einmal beansprucht werden, liegt bei einer Mehrheit von Streitgegenständen vielmehr eine alternative Klagehäufung i.S.d. § 260 ZPO vor. Nach diesen Grundsätzen ist das auf Verkürzung der Masse gestützte Begehren mit dem Schadensersatzanspruch wegen Geldwäsche identisch. Denn mag auch der die Geldwäsche umschreibende Lebenssachverhalt deutlich umfassender sein, als der des Beiseiteschaffens der Gelder der Insolvenzschuldnerinnen, kulminieren beide doch in den von dem Vorstand des Beklagten vorgenommenen Überweisungen, die schließlich zum Geldeingang bei diesem geführt haben. Die Rechtsfolgenseite beider Ansprüche ist wie übrigens auch bei dem von den Klägerinnen geltend gemachten Bereicherungsanspruch gleich: Auskehrung der vereinnahmten Gelder und ggf. Ersatz weiterer Schäden, wie etwa Zinsnachteilen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 05.07.2016, XI ZR 254/15 mwN). Gleiches gilt für die auch von den Klägerinnen geltend gemachte Schuldnerbegünstigung.
5. Die Masse der Schuldnerin ist auch durch die Überweisung von 3.500.000 € von ihrem Konto auf das der NK 14 Liquiditätspool GbR und der Weiterüberweisung von dort am 27.11.2014 auf das Konto der Beklagten verringert worden. Zur Rückgewähr verpflichtet ist nach § 143 Abs. 1 S.1 InsO derjenige, der als Empfänger die anfechtbare Leistung des Schuldners erlangt hat, bei dem also die durch die insolvenzrechtliche Anfechtung zu beseitigenden Rechtswirkungen eingetreten sind. Im Falle einer Drittzahlung richtet sich die Anfechtung auch gegen den Zahlungsempfänger. Die Schuldnerin hat hier nach dem Vorbringen der Klägerinnen die NK 14 Liquiditätspool GbR eingeschaltet, die für sie im Wege der einheitlich durch den Vorstand der Beklagten vorgenommenen Überweisungen die Zuwendung der von ihr erhaltenen Gelder aus den Zahlungen der Klägerinnen an den Beklagten bewirkt und damit zugleich das ihren Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat. Die einschränkende Voraussetzung, dass es sich für den Dritten, also den Beklagten, erkennbar um eine Leistung der Schuldnerin handeln müsse, liegt hier aufgrund der Identität der handelnden und verantwortlichen Person auf der Hand. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch bezweckt, dass ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung zur Masse gehören würde, ihr zum Zwecke der Verwertung wieder zugeführt werden muss. Hierbei sind mittelbare Zuwendungen im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der endgültige Zahlungsempfänger unmittelbar vom Schuldner erworben (BGH, Urt. v. 29.11.2007, IX ZR 121/06 Rn.24 mwN). Das ändert aber nichts daran, dass auch gegenüber Angewiesenen, wie hier der Schuldnerin, die Anfechtung erklärt werden kann, in diesem Fall haften Angewiesener und Zahlungsempfänger gesamtschuldnerisch (BGH, aaO, Rn.24 f.).
6. Wenn und soweit die Klägerinnen jetzt oder künftig das Verhalten des Berufungsklägers als Insolvenzverwalter beanstanden bzw. dessen Pflichtverletzungen befürchten, steht es ihnen frei, in den diversen Insolvenzverfahren ihre Gläubigerrechte zu verfolgen. Spekulationen über das Verhalten des Berufungsklägers zu 2) im Hinblick auf die hier streitigen Forderungen verleihen ihnen jedenfalls keine Prozessführungsbefugnis im vorliegenden Verfahren.
7. Infolge des Übergangs der Prozessführungsbefugnis auf den Berufungskläger zu 2) war der Rechtsstreit spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 01.12.2015 entsprechend § 17 Abs. 1 S.1 AnfG während der Dauer der Insolvenzverfahren unterbrochen. Die Unterbrechung des Rechtsstreits tritt kraft Gesetzes ein, unabhängig davon, ob dies den Parteien oder dem Gericht bekannt oder bewusst war und dauert bis zur Aufnahme des Verfahrens an (so BGH, Urt. v. 17.12.2015, IX ZR 143/13 Rn.14 zu § 93 InsO).
8. Der Erlass eines Urteils während einer vor der letzten mündlichen Verhandlung (hier am 08.03.2018) eingetretenen Verfahrensunterbrechung ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, weil er den (potenziellen) Parteien das rechtliche Gehör abschneidet. Dieser Mangel ist in seiner Schwere vergleichbar dem des § 538 Abs. 2 S.1 Nr.7 ZPO. Daher war das Ersturteil in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 S.1 Nr.7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. dazu MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, Rn.49 zu § 538 ZPO mwN; s.a. OLG Oldenburg, Urt. v.22.02.2005, 2 U 97/04 Rn.10 juris).
Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht für das Berufungsverfahren wird das Landgericht je nach Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu treffen haben. Das gilt auch für die Kosten des Berufungsklägers zu 2). Denn diese fallen nur dann dem Beklagten – ggf. teilweise – zur Last, wenn der Berufungskläger zu 2) das Verfahren aufnimmt und die Klage nicht abgewiesen wird (§ 91 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 708 Nr.10 ZPO.
Der Senat hat den Streitwert für das Berufungsverfahren mit 1/5 des Hauptsachestreitwerts bemessen, weil er nur über die Frage zu entscheiden hatte, ob das Verfahren unterbrochen ist und nicht darüber, ob der Beklagte zu Recht zur Zahlung verurteilt worden ist (§ 3 ZPO, s. etwa MüKoZPO/Wöstmann, 5. Aufl. 2016, Rn.39 zu § 3 ZPO).

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