Insolvenzrecht

Identifizierung des Titelschuldners durch Auslegung

Aktenzeichen  1 T 1126/19

Datum:
30.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DGVZ – 2020, 30
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 170, § 766, § 788

 

Leitsatz

Kann der Schuldner durch Auslegung des Titels unter Berücksichtigung der im Vollstreckungsverfahren vorgelegten öffentlichen Urkunde, z.B. einer erweiterten Gewerberegisterauskunft, zweifelsfrei identifiziert werden, darf der Gerichtsvollzieher, die Vollstreckung nicht ablehnen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 12.06.2019 wird der Gerichtsvollzieher angewiesen, die Zwangsvollstreckung, wie am 27.02.2019 beantragt, durchzuführen.
2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert wird auf 8.900,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Unter dem 27.02.2019 beauftragte die Gläubigerin den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Vollstreckung einer Geldforderung unter Bezugnahme auf das Versäumnisurteil des Landgerichts Ansbach vom 12.11.2018; Aktenzeichen 2 O 1028/18 Das Versäumntsurteil richtet sich im Rubrum gegen die „Auto Ecke“ … Straße, vertreten durch den Geschäftsführer XY, …straße, … Stadt. Mit Schreiben vom 09.04.2019 teilte der zuständige Obergerichtsvollzieher dem Parteivertreter der Gläubigerin mit, dass die Schuldnerbezeichnung im Titel unzureichend sei und er daher die Vollstreckung nicht durchführen könne. Es sei nicht ersichtlich, ob es sich bei dem Schuldner/Schuldnerin um eine juristische Person oder eine natürliche Person handele. Handle es sich um eine juristische Person, fehle die Angabe der Geschäftsform. Nach weiterem Schriftwechsel überreichte der Parteivertreter der Gläubigerin dem Obergerichtsvollzieher mit Schreiben vom 09.05.2019 eine erweiterte Auskunft aus dem Gewerberegister der Stadt Weißenburg i. Bay. vom 30.04.2019 (Bl. 24 d.A.), als der hervorgeht, dass Herr XY ein Gewerbe mit dem Gewerbezusatz „Auto Ecke“ in der Betriebsstätte … straße, … Stadt, betreibt. Bei der angemeldeten Tätigkeit handelt es sich laut Auskunft um An- und Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen, Vermittlung, Vermietung, Kfz-Aufbereitung.
Nachdem der Gerichtsvollzieher sich weiterhin unter Berufung auf die Unbestimmtheit des Schuldners weigerte, die Zwangsvollstreckung durchzuführen, legte der Parteivertreter der Glaubigerin mit Schreiben vom 12.08.2019, eingegangen beim Amtsgericht Weißenburg i. Bay. am 13.06.2019, Erinnerung ein. Der Gerichtsvollzieher hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. wies die Erinnerung mit Beschluss vom 06.08.2019 zurück Hinsichtlich der Begründung wird auf Bl. 35-38 d.A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 09.08.2019 legte der Parteivertreter der Gläubigerin sofortige Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss ein, die er mit Schreiben vom 22.08.2019 (Bl. 53-55 d.A.) näher begründete.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Im Ansatz richtig führt das Amtsgericht aus, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung um ein streng formalisiertes Verfahren handelt, bei dem der Gerichtsvollzieher unter anderem zu prüfen hat, ob die Parteibezeichnung nach dem Titel entspricht (§ 170 Abs. 1 S. 1 ZPO). Vor der Vollstreckung muss sich das Vollstreckungsorgan von der Identität desjenigen, der die Vollstreckung betreiben will, mit dem Gläubiger und dessen, gegen den vollstreckt werden soll, mit dem Schuldner überzeugen, wobei der Titel – bzw. ein anders lautender Klauselinhalt – maßgeblich ist. Bei berechtigten Zweifeln muss die Vollstreckung abgelehnt werden Mängel der Bezeichnung wie Schreibfehler, Abkürzungen oder Fehlen eines Vornamens oder Ähnliches, spielen jedoch dann keine Rolle, wenn eine Identifizierung der Vollstreckungspartei zweifelsfrei möglich ist (Musielak/Voit, ZPO, 16, Aufl., § 750 Rn. 10 ff.). Eine Ausnahme gilt auch für den Fall, dass vom Vollstreckungsorgan anhand öffentlicher Urkunden leicht feststellbare Umstände eine zweifelsfreie Identifizierung der einzelnen Personen ermöglichen und gewährleistet ist, dass sich der Schuldner bis zum Beginn der Zwangsvollstreckung nicht verändert hat (BayObLG NJW-RR …594 f.; Musielak a.a.O. Rdnr. 7). Unter Zugrundelegung des Vorbenannten war es dem Gerichtsvollzieher ohne Weiteres möglich, die Identifizierung des Schuldners vorzunehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin hat einen aktuellen Auszug aus dem Gewerberegister der Stadt Weißenburg i. Bay. dem Gerichtsvollzieher im Vollstreckkungsverfahren zur Untermauerung des Vortrages bzw. der Bezeichnung des Schuldners vorgelegt. Aus dieser Auskunft geht zweifelsfrei hervor, dass der im gegenständlichen Titel benannte Schuldner existent ist und sich auch bei dem Schuldner nach dem Titel um diese Person handelt. Im Grundsatz führt den Amtsgericht zwar korrekt aus, dass gewisse Auslegungen der Schuldnerbezeichnung im vorbanannten Titel möglich sind, insbesondere weil XY als Geschäftsführer und nicht als Inhaber des Betriebes bezeichnet ist, jedoch muss die Auslegung unter Berücksichtigung der im Vollstreckungsverfahren vorgelegten öffentlichen Urkunde derart ausfallen, dass eine Identifizierung des Schuldners jedenfalls möglich ist und es sich bei dem Schuldner um XY handelt. Daher war auf die Erinnerung der Gerichtsvollzieher zur Durchführung der Zwangsvollstreckung anzuweisen.
III.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Gläubigerin. Da die Kosten auch bei Obsiegen der Gläubigerin weder der Staatskasse noch dem Schuldner – soweit er wie hier – am Erinnerungsverfahren nicht beteiligt worden ist, auferlegt werden können, eine Kostenentscheidung aber zwingend ergehen muss (Zöller, 32, Aufl., § 766 ZPO Rdnr. 34), können die Kosten nur der obliegenden Gläubigerin auferlegt werden. Die Gläubigerin kann diese Kosten wiederum unter den Voraussetzungen des § 788 ZPO beim Schuldner betreiben (Musielak/Voit, § 766 Rn. 31).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes orientiert sich am Wert der zu vollstreckenden Hauptsacheforderung.

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