Insolvenzrecht

Insolvenzanfechtung: Eintritt der rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung; Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei mittelbarer Zuwendung; Tilgung der Steuerschuld einer GmbH durch Zahlung vom Privatkonto ihres Geschäftsführers

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Aktenzeichen  IX ZR 64/20

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:280121UIXZR64.20.0
Normen:
§ 133 Abs 1 InsO
§ 140 Abs 1 InsO
§ 69 AO
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1. Die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung treten ein, wenn eine Rechtsposition begründet wird, die ohne Anfechtung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste; auf den Eintritt einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kommt es nicht an.
2. Wird eine mittelbare Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger angefochten, die in der Weise bewirkt worden ist, dass ein Geldbetrag auf das Konto einer Zwischenperson überwiesen wurde und diese den Betrag an den Leistungsempfänger durch Überweisung weitergeleitet hat, ist die Wertstellung auf dem Konto des Leistungsempfängers der für die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung maßgebliche Zeitpunkt.
3. Werden Steuerverbindlichkeiten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Zahlungen vom Privatkonto ihres Geschäftsführers beglichen, steht es der Kenntnis des Finanzamts von einer nach den objektiven Umständen anzunehmenden, die Gesamtheit ihrer Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung der GmbH nicht ohne weiteres entgegen, dass der Geschäftsführer infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung für die Verbindlichkeiten haftet.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 4. März 2020, Az: 2 U 37/19vorgehend LG Köln, 15. Oktober 2019, Az: 16 O 233/18

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. März 2020 aufgehoben und das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. Oktober 2019 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2018 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 35 vom Hundert und der Beklagte 65 vom Hundert. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. April 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H.                   GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Verfahrenseröffnung waren ein Fremdantrag des beklagten Landes vom 13. Dezember 2014 und ein Eigenantrag vom 19. Januar 2015 vorausgegangen. Unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung verlangt der Kläger zuletzt noch Rückgewähr dreier Steuerzahlungen, die über das private Girokonto des Geschäftsführers der Schuldnerin an das zuständige Finanzamt des Beklagten geflossen sind.
2
Die am 30. September 2013 gegründete Schuldnerin befand sich seit Ende 2013 in finanziellen Schwierigkeiten. Rücklastschriften und Vollstreckungsmaßnahmen waren die Folge. Insbesondere Sozialversicherungsbeiträge leistete die Schuldnerin nicht mehr ordnungsgemäß. Wegen rückständiger Lohnsteuer für den Monat November 2013 und rückständiger Umsatzsteuer für die Monate Oktober und November 2013 erließ das Finanzamt am 25. März 2014 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 17.029,42 €. Die beabsichtigte Pfändung des dem Finanzamt bekannten Kontos der Schuldnerin ging ins Leere, weil das Konto bereits vor Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gekündigt worden war. Am 27. Mai 2014 versuchte das Finanzamt in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin zu vollstrecken. Der Vollstreckungsversuch verlief fruchtlos.
3
Die erste noch streitgegenständliche Zahlung von 5.000 € erhielt das Finanzamt am 28. Mai 2014 durch Überweisung vom Privatkonto des Geschäftsführers der Schuldnerin unter Angabe von deren Steuernummer. Dem war vorausgegangen die Überweisung eines Betrags in nämlicher Höhe vom Geschäftskonto der Schuldnerin auf das Privatkonto ihres Geschäftsführers. Die Wertstellung auf dem Privatkonto erfolgte am 23. Mai 2014. Im Verwendungszweck der Überweisung der Schuldnerin an ihren Geschäftsführer waren das Finanzamt und die Steuernummer der Schuldnerin aufgeführt. Die zweite und dritte Zahlung erfolgten in entsprechender Weise. Am 29. Mai 2014 erhielt das Finanzamt durch Überweisung vom Privatkonto des Geschäftsführers 2.500 €, am 5. Juni 2014 weitere 2.000 €. Beträge in entsprechender Höhe waren am 27. Mai und 2. Juni 2014 von der Schuldnerin auf das Privatkonto ihres Geschäftsführers überwiesen worden. Auch diese Überweisungen erfolgten unter Benennung des Finanzamts und der Steuernummer der Schuldnerin; im Verwendungszweck der Überweisungen des Geschäftsführers an das Finanzamt war die Steuernummer der Schuldnerin angegeben.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter.

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