Insolvenzrecht

Insolvenzverwalter als Deponiebetreiber

Aktenzeichen  Au 8 K 18.633

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 2755
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
DepV § 2, § 11
InsO § 55 Abs. 1, § 80, § 148

 

Leitsatz

1. Unter Anwendung des dafür allein maßgeblichen Ordnungsrechts ist darüber zu entscheiden, ob den Insolvenzverwalter die Ordnungspflicht für eine Störung trifft, die von einem Massegegenstand ausgeht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der Insolvenzeröffnung ist der Insolvenzverwalter aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft über die Insolvenzmasse aus § 148 InsO zustandsverantwortlich für Gefahren, die von Massegegenständen ausgehen, gleichgültig, wann diese Gefahren entstanden sind. Verhaltensverantwortlich wird der Insolvenzverwalter dagegen nur hinsichtlich solcher Gefahren, die er selber nach Insolvenzeröffnung verursacht hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Derjenige, der eine Deponie in der Stilllegungsphase, die zur Betriebsphase gehört, übernimmt, indem er zum Insolvenzverwalter bestellt und ihm damit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80, § 148 InsO übertragen wird, wird zum Betreiber der Deponie. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zur Erfüllung der aus dem Deponiebetrieb resultierenden öffentlich-rechtlichen Pflichten ist die Inanspruchnahme der Insolvenzmasse gerechtfertigt. Derartige Pflichten sind vom Insolvenzverwalter als Massenverbindlichkeit zu erfüllen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Zutreffend hat das Landratsamt unter Ziff. 1 des streitbefangenen Bescheids festgestellt, dass die Nachsorgepflichten wie Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind. Dieser Verwaltungsakt ist nicht konstitutiv, die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Da sich in den Vorgesprächen zwischen dem Kläger und der Behörde keine Übereinkunft erzielen ließ, war die verbindliche Klärung durch Verwaltungsakt geboten.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten u.a. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Demnach können Masseverbindlichkeiten grundsätzlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (vgl. Blum, Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit in der Insolvenz, April 2001, S. 178 f.; VG Bayreuth, U.v. 16.11.2006 – B 2 K 06.209 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 23.9.2004 -7 C 22.03 – juris Rn. 12; B.v. 5.6.2007 – 7 B 25.07 – juris Rn. 3) ist unter Anwendung des dafür allein maßgeblichen Ordnungsrechts darüber zu entscheiden, ob den Insolvenzverwalter die Ordnungspflicht für eine Störung trifft, die von einem Massegegenstand ausgeht. Allein das Ordnungsrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt, wie dieser Störung zu begegnen ist und wer dafür in Anspruch genommen werden kann. Knüpft die Ordnungspflicht allein an die Sachherrschaft an, ist es für die persönliche Verantwortlichkeit des Besitzers ohne Belang, ob eine von der Sache ausgehende Gefahr bereits vor seiner Inbesitznahme bestanden hat. Soweit sich die Ordnungspflicht nicht aus der Verantwortlichkeit für den aktuellen Zustand von Massegegenständen ergibt, sondern an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Gemeinschuldners anknüpft, hat die Sachherrschaft des Insolvenzverwalters keinen Bezug zu den ordnungsrechtlichen Voraussetzungen der Störereigenschaft, so dass eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters und damit eine als Masseverbindlichkeit zu erfüllende Pflicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) von vornherein nicht in Betracht kommt.
Nach der Insolvenzeröffnung ist der Insolvenzverwalter aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft über die Insolvenzmasse aus § 148 InsO zustandsverantwortlich für Gefahren, die von Massegegenständen ausgehen, gleichgültig wann diese Gefahren entstanden sind. Verhaltensverantwortlich wird der Insolvenzverwalter dagegen nur hinsichtlich solcher Gefahren, die er selber nach Insolvenzeröffnung verursacht hat. Er tritt nicht kraft Rechtsnachfolge in eine bestehende Verhaltensverantwortlichkeit des Schuldners ein. Der Schuldner bleibt vielmehr für die von ihm verursachten Gefahren auch nach der Insolvenzeröffnung selber verhaltensverantwortlich. An diesen ordnungsrechtlichen Befund schließt das Insolvenzrecht an, indem es bestimmt, wie die Ordnungspflichten im Insolvenzverfahren einzuordnen sind. Trifft die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit den Insolvenzverwalter, handelt es sich um eine persönliche Pflicht, die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeit zu erfüllen ist (vgl. auch BVerwG, B.v. 5.10.2005 – 7 B 65.05 – juris Rn. 7; U.v. 22.10.1998 – 7 C 38.97 – juris Rn. 11, jeweils zu § 5 BImSchG). Trifft die Ordnungspflicht demgegenüber als Verhaltensverantwortlichkeit den Gemeinschuldner, kann sie nur eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO begründen; insoweit kann der Insolvenzverwalter nur nach Maßgabe des Insolvenzrechts in eine vom Gemeinschuldner abgeleitete Rechtsstellung einrücken.
Die Nachsorgepflicht des Deponiebetreibers knüpft an seine Betriebsführung an und stellt sich infolgedessen aus ordnungsrechtlicher Sicht als Verhaltenshaftung dar (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2006 – 7 C 3.06 – juris Rn. 13), denn Adressat der hier streitgegenständlichen Nachsorgepflichten aus § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist der Betreiber der Deponie. § 40 KrWG regelt die grundlegenden materiell- und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Stilllegung von Deponien (Stilllegungsphase, § 2 Nr. 32 DepV in der Fassung vom 27. April 2009, BGBl I S. 900, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 27. September 2017, BGBl I S. 3465 – n.F.) und an die sich daran anschließende Nachsorgephase (§ 2 Nr. 27 DepV n.F.).
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz enthält indes keine Legaldefinition, wer Betreiber einer Deponie ist. Insoweit kann jedoch auf die Verordnung über Deponien und Landzeitlager – Deponieverordnung – in der Fassung vom 27. April 2009 (BGBl I S. 900), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 27. September 2017 (BGBl I S. 3465) zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 31.8.2006 – 7 C 3.06 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.3.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 5; B.v. 7.10.2010 – 20 B 10.396 – juris Rn. 33). § 2 Nr. 12 DepV (n.F.) definiert den Deponiebetreiber als natürliche oder juristische Person, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Deponie innehat. Die ursprüngliche Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 12 DepV (a.F.) in der bis zum 30. November 2011 gültigen Fassung, stellte alternativ zur rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsgewalt, die den Deponiebetreiber ausmacht, auf das Merkmal der Betriebsführung ab („oder die die Betriebsführung wahrnimmt“). Nach der Begründung der seinerzeit gültigen Verordnung (BT-Drs. 16/10330, S. 54) „folgt die Definition des Deponiebetreibers der einschlägigen Rechtsprechung, indem auf die rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt abgestellt wird. Danach ist verantwortlicher Betreiber einer Deponie die Person, die die Verfügungsgewalt über die Deponie innehat und die die Betriebsführung wahrnimmt oder wahrgenommen hat (Urteil des BVerwG vom 31. August 2006 – 7 C 3.06). Dem Deponiebetreiber werden öffentlich rechtliche Pflichten zugerechnet, die sich nach den Vorgaben der vorliegenden Verordnung für die Errichtung, die Betriebs-, Stilllegungssowie Nachsorgephase ergeben.“ Mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Deponieverordnung vom 20. Juli 2011, gültig ab 1. Dezember 2011, wurde das Merkmal der Wahrnehmung der Betriebsführung gestrichen. Der Bundesrat sah in Fallkonstellationen, in denen die Betriebsführung durch eine Person wahrgenommen wird, die damit im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages durch den Deponiebetreiber beauftragt wird, die Betreibereigenschaft nicht eindeutig geregelt. Der Begründung der Änderungsverordnung zufolge kann Deponiebetreiber nur diejenige Person sein, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die Deponie innehat (BT-Drs. 17/6641, S. 17; vgl. Weyer in Recht der Abfallbeseitigung, 2. Aufl. 2015, § 2 DepV Rn. 12).
Demnach ist nach dem Gesetzeszweck derjenige als Deponieinhaber anzusehen, der für die Deponie rechtlich und tatsächlich verantwortlich ist. An ihn richten sich die zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs bestimmten gesetzlichen Pflichten. Verantwortlich für die Deponie ist deren Betreiber, weil nur er tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den Betrieb der Deponie entsprechend den gesetzlichen Anforderungen zu führen. Er ist Inhaber der Verfügungsgewalt über die Abfallentsorgungsanlage, nimmt die Betriebsführung wahr und trägt damit die Verantwortung dafür, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht gefährdet wird. Unter Betriebsführung, die in Anknüpfung an die Nachsorgepflicht sich aus ordnungsrechtlicher Sicht als Verhaltenshaftung des Betreibers darstellt, ist in aller Regel ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu verstehen. Ungeachtet dessen ist die Frage, wer im Einzelfall Betreiber ist, unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände zu beurteilen (BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 7 B 12.10 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 7.10.2010 – 20 B 10.396 – juris Rn. 33; ThürOVG, U.v. 10.7.2015 – 3 KO 702/11 – juris Rn. 51).
Ausgehend hiervon gelangte die Rechtsprechung auf Grundlage der vormals gültigen Rechtslage zu dem Ergebnis, dass derjenige, der in der Betriebsphase eine Deponie übernimmt, zu deren Betreiber wird (BVerwG, U.v. 31.8.2006 – 7 C 3.06 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 30.2.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 6; VG Bayreuth, U.v. 16.11.2006 – B 2 K 06.209 – juris Rn. 22) und stützte sich insofern auf die Vorschrift des § 2 Nr. 5 Satz 2 DepV in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 2002, BGBl I S. 2809 (a.F.), mit der der Verordnungsgeber ausdrücklich bestimmt hat, dass die Betriebsphase die Ablagerungs- und die Stilllegungsphase umfasst. Gehört die Stilllegungsphase zur Betriebsphase, dann muss auch derjenige, der eine Deponie in dieser Phase übernimmt, in dem er zum Insolvenzverwalter bestellt und ihm damit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80, § 148 InsO übertragen wird, Betreiber der Deponie werden. Somit wird die Deponie auch nach der Beendigung bis zum Zeitpunkt der endgültigen Stilllegung betrieben (BayVGH, B.v. 30.2.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 5; BVerwG, U.v. 31.8.2006 – 7 C 3.06 – juris Rn. 13).
In der hier maßgeblichen Deponieverordnung in der Fassung vom 27. April 2009 (BGBl I S. 900), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 27. September 2017 (BGBl I S. 3465)(n.F.), ist der Begriff der „Betriebsphase“ des § 2 Nr. 5 Satz 2 DepV (a.F.) nicht übernommen worden, da er – so der Verordnungsgeber – aus rechtssystematischen Gründen nicht mehr erforderlich ist (BT Drs. 16/10330, S. 53). Weitgehend übernommen wurden hingegen die entsprechenden Begriffsbestimmungen, die die Lebensphasen einer Deponie bestimmen und voneinander abgrenzen. Danach wird als Ablagerungsphase der Zeitraum von der Abnahme der für den Betrieb einer Deponie oder eines Deponieabschnittes erforderlichen Einrichtungen durch die zuständige Behörde bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Ablagerung von Abfällen beendet wird, bestimmt (§ 2 Nr. 2 DepV n.F.). Hieran schließen sich die Stilllegungsphase, die mit der endgültigen Stilllegung endet (§ 2 Nr. 35 DepV n.F.), und die Nachsorgephase (§ 2 Nr. 30 DepV n.F.) an. Die Nachsorgephase umfasst den Zeitraum nach der endgültigen Stilllegung einer Deponie oder eines Deponieabschnittes bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde nach § 40 Abs. 5 KrWG den Abschluss der Nachsorge der Deponie feststellt.
Nachdem der Verordnungsgeber alle drei vorgenannten Phasen unterschiedslos als „Lebensphasen“ einer Deponie betrachtet (BT-Drs. 16/10330, S. 53) und ferner zugrunde legt, dass dem Deponiebetreiber öffentlich-rechtliche Pflichten zugerechnet werden, die sich nach den Vorgaben der DepV für die „Errichtung, die Betriebs-, Stilllegungssowie Nachsorgephase“ ergeben (BT-Drs. 16/10330, S. 54), ist davon auszugehen, dass auch in der Nachsorgephase eine Deponie betrieben wird. Die Begriffe des Deponiebetreibers bzw. Deponiebetriebs haben somit in Folge der oben skizzierten Rechtsänderungen eine zeitliche Ausdehnung erfahren. Nach der hier maßgebenden Rechtslage ist nicht entscheidend, ob der Insolvenzverwalter die Deponie in dem Sinne betrieben hat, dass er Ablagerungen und dergleichen vorgenommen hat. Denn in der Nachsorgephase einer – wie hier (faktisch) – stillgelegten Deponie kommt ein derartiges Tätigwerden nicht in Betracht. Demnach genügt für ein Betreiben schon die Nichterfüllung der dem Deponiebetreiber zuzurechnenden öffentlich-rechtlichen Pflichten in der Nachsorgephase (vgl. zur Stilllegungsphase: VG Bayreuth, U.v. 16.11.2006 – B 2 K 06.209 – juris Rn. 22; BayVGH, 30.3.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 7). So hat der Deponiebetreiber nach § 11 Abs. 1 DepV in der Nachsorgephase alle Maßnahmen durchzuführen, die zur Abwehr von Gefahren und zur Verhinderung von Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich sind. Erst wenn keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, kann auf Antrag des Deponiebetreibers der Abschluss der Nachsorgephase festgestellt werden (§ 11 Abs. 2 DepV).
In diesem Sinne hat die Gemeinschuldnerin in der Nachsorgephase die Deponie betrieben. Nach den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung wurde die Gemeinschuldnerin seit 1992 fortlaufend zur Erfüllung der ihr obliegenden Nachsorgepflichten angehalten. Für die Grundwassersanierung beantragte und erhielt die Gemeinschuldnerin vom Beklagten eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis (Bescheid vom 10.4.2013, Behördenakte Bl. 6). Die Sanierungsmaßnahmen wurden schließlich mit Bescheid vom 17. November 2014 gegenüber der Gemeinschuldnerin angeordnet (Behördenakte Bl. 13 ff.). Ferner wurde sie mit Bescheid vom 5. November 2015 zur Leistung einer Sicherheit zur Absicherung der ihr als öffentlich-rechtliche Verpflichtungen obliegenden Nachsorgemaßnahmen verpflichtet (Bescheid vom 5.11.2015, Behördenakte Bl. 18 ff.). Nach dem insofern unwidersprochenen Sachvortrag des Beklagten war die Grundwassersanierungsanlage im Zeitraum von Ende August 2015 bis Ende 2016 in Betrieb. Einen ersten Zwischenbericht nach einmonatigem Anlagenbetrieb hat die Gemeinschuldnerin durch das von ihr beauftragte Ingenieurbüro Ende November 2015 vorgelegt (Behördenakte zu Au 6 K 17.251, Bl. 94 ff.).
Dies zugrunde gelegt hat der Kläger in einer Phase, in der die Deponie noch betrieben wurde, diese übernommen und über sie durch die Bestellung zum Insolvenzverwalter die Sachherrschaft sowie Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erlangt. Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Er hat die Deponie auch betrieben, indem er die dem Deponiebetreiber zuzurechnenden öffentlich-rechtlichen Pflichten in der Nachsorgephase nicht erfüllt hat (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 7). Das Gericht geht insofern mit der Klagepartei davon aus, dass die Deponiegrundstücke nicht Teil der Insolvenzmasse geworden sind. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil maßgeblich auf die Zugehörigkeit des Deponiebetriebs zum Betriebsvermögen und die sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen abzustellen ist, mit der Folge, dass zur Erfüllung der aus dem Deponiebetrieb resultierenden öffentlich-rechtlichen Pflichten, hier insbesondere die Durchführung der Grundwassersanierung als Teil der Nachsorgemaßnahmen, die Inanspruchnahme der Insolvenzmasse gerechtfertigt ist. Ungeachtet dessen spricht auch der Kläger als Insolvenzverwalter für den Berichtszeitraum ab Juni 2017, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, im Sachstandsbericht vom 17. November 2017 (Az. …) an das Amtsgericht, Insolvenzgericht, von einer „Betriebsfortführung“ (siehe Gerichtsakte Bl. 120). Die Verpflichtung zur Durchführung von Nachsorgemaßnahmen knüpft an den aktuellen Zustand des zur Masse gehörenden Deponiebetriebs in der Nachsorgephase an (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2007 – 23 ZB 07.80 – juris Rn. 8). Die an seine Stellung als Betreiber einer Anlage anknüpfenden Pflichten treffen den Kläger als Insolvenzverwalter, sind also als Massenverbindlichkeit zu erfüllen (vgl. BVerwG, B.v. 5.10.2005 – 7 B 65.05 – juris Rn. 4). Dies gilt sowohl allgemein hinsichtlich der gesetzlich normierten Nachsorgepflichten aus § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG i.V.m. § 11 DepV (n.F.) als auch (erst recht) für die bereits gegenüber der Gemeinschuldnerin mit Bescheid vom 17. November 2014 konkret auferlegten Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen während der Nachsorgephase.
2. Soweit sich die Klage gegen die in Ziffern 2 bis 5 des Bescheids vom 20. März 2018 enthaltenen (erneuten) Zwangsgeldandrohungen richtet, ist sie ebenfalls unbegründet.
Da es sich um eine isolierte, nicht mit dem zugrunde liegenden Grundverwaltungsakt verbundene (erneute) Androhung eines Zwangsgeldes handelt, ist die Anfechtbarkeit gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG eingeschränkt. Die Zwangsgeldandrohung kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind damit ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, B.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 53). Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen.
Die erneute Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. VwzVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt vom 17. November 2014 war zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG aufgrund der eingetretenen Bestandskraft vollstreckbar. Die Pflicht u.a. zur Grundwassersanierung und zur Vorlage von Ergebnisberichten stellt sich als eine Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einem Unterlassen i.S.v. Art. 31 Abs. 1 VwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gem. Art. 31 Abs. 1 VwZVG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstellt.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Unstreitig unter den Beteiligten ist, dass die mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17. November 2014 aufgegebenen Pflichten mit Ausnahme der Vorlage einer Auftragsbestätigung und (wohl) eines Kurzberichts nach einmonatigem Anlagenbetrieb (s. Behördenakte zu Au 6 K 17.251, Bl. 94 ff.) bislang nicht bzw. nicht vollständig erfüllt worden sind. Die Maßnahmen zur Sanierung der schädlichen Bodenveränderung und der Grundwasserverunreinigung wurden Ende 2016 abgebrochen. Ergebnisberichte wurden noch gar nicht vorgelegt. Damit war eine erneute Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG zulässig. Die in Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG geforderte Erfolglosigkeit der ersten Zwangsgeldandrohung setzt nicht voraus, dass vor erneuter Androhung das zuvor angedrohte Zwangsgeld erfolgreich beigetrieben werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 23.6.2015 – 7 B 351/15 – juris Rn. 9 ff.).
Für das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Auswahl der Zwangsmittel und deren Höhe im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Höhe des Zwangsgeldes ist nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von der Vollstreckungsbehörde zu bemessen (Art. 29 Abs. 3 i.V.m. Art. 31 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwZVG). Dabei ist das wirtschaftliche Interesse von Bedeutung, aber auch das Ausmaß des Ungehorsams und die Dauer und Intensität der Pflichtverletzung. Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Nichteinhaltung der Untersagungsverfügung hat, erreichen. Der Pflichtige darf keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen (BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris Rn. 23). Da dem Beklagten konkrete Angaben des Klägers zum wirtschaftlichen Interesse fehlten, war das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen (Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG). Eine Orientierung an den mit dem Grundverwaltungsakt verbundenen Zwangsgeldern erscheint insofern ermessensgerecht. Zudem darf sich in der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht nur das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Nichtdurchführung der Nachsorgepflichten niederschlagen, sondern auch die Tatsache, dass er sich durch das bisher angedrohte Zwangsgeld nicht zur Umsetzung der auferlegten Pflichten hat bewegen lassen. Insoweit bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn – wie vorliegend – der Beklagte hinsichtlich der Berichtsvorlagepflichten das nunmehr angedrohte Zwangsgeld von bisher 5.000,- EUR auf 6.000,- EUR graduell erhöht und im Hinblick auf die im Raum stehenden Kosten für den mehrjährigen Betrieb der Grundwassersanierungsanlage den gesetzlich zulässigen Rahmen nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG (erneut) ausschöpft, zumal der Beklagte auch bei der Absicherung der Nachsorgemaßnahmen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR mit Bescheid vom 5. November 2015 von entsprechend hohen Nachsorgekosten ausgeht (Behördenakte Bl. 18 ff.). Schließlich erweist sich die Zwangsgeldandrohung auch im Hinblick auf die konkret gewählte Formulierung der „nicht“, „nicht richtig“ oder „nicht vollständigen“ Erfüllung der jeweiligen Pflichten als ermessensgerecht und verhältnismäßig. Eine weitere Differenzierung der angedrohten Zahlungsforderungen nach dem Grad der Nichterfüllung ist jedenfalls nicht angezeigt. Für den Adressaten ist hinreichend klar erkennbar, dass er die jeweiligen Handlungsaufforderungen in vollem Umfang zu erfüllen hat.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

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