Aktenzeichen 5 U 3172/16
Leitsatz
1. Eine Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 Abs. 1 S. 2 InsO ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Anders als bei einem Unternehmer, der einen kostenträchtigen Geschäftsbetrieb unterhält, kann bei einem Architekten, der im Wesentlichen als Dorfplaner tätig ist, nicht zwingend auf das Vorhandensein von weiteren Gläubigern geschlossen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
6 O 6316/15 2016-07-13 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2016, Az. 6 O 6316/15, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … € festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen … Ansprüche gegen die Beklagte nach Insolvenzanfechtung geltend,
Auf die tatsächlichen Feststellungen und Anträge im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs.1 ZPO. Etwaige Änderungen bzw. Ergänzungen zugunsten der berufungsführenden Partei sind aus prozessualen Gründen nicht erforderlich.
Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 13.07.2016 unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger| |€ nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2012 zu zahlen.
Dagegen wendet sich die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit ihrer Berufung. Insbesondere bestreitet sie den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und ihre Kenntnis hiervon. Sie ist der Ansicht, dass sie davon ausgehen konnte, dass ihre Beiträge erst dann beglichen werden, wenn alle anderen gegen den Schuldner bestehenden Forderungen beglichen seien. Der Schuldner hätte durch die Streichung aus der Architektenrolle auch die Rückstände beseitigen können (bei Verlust der diesbezüglichen Rentenanwartschaft). Nachdem es sich bei dem Beklagten um einen Einzelarchitekten gehandelt habe, der keinen kostenträchtigen Geschäftsbetrieb unterhalten habe, hätte nicht mit weiteren Gläubigern gerechnet werden müssen.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 13.07.2016, Az: 6 O 6316/15, wird aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Der Kläger beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Er vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und ist insbesondere der Ansicht, dass die Beklagte aufgrund der Zahlungseinstellung ihr gegenüber von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis gehabt habe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.07.2016, die vom Senat erteilten Hinweise und die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20.12.2016 Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Kläger kann keinen Rückzahlungsanspruch gem. §§ 143 Abs. 1,129 Abs. 1,133 Abs. 1 InsO geltend machen, da zumindest eine Kenntnis der Beklagten von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht dargelegt und nachgewiesen ist.
1. Von zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit ab der ersten angefochtenen Zahlung kann ausgegangen werden, da der Schuldner die fälligen Raten bei der Beklagten nicht bezahlt hat und einen immer größer werdenden Forderungsbestand vor sich hergeschoben hat. Der Schuldner war erkennbar nicht in der Lage die Forderungen der Beklagten bei Fälligkeit zu begleichen. Dies war der Beklagten auch bekannt, Diese kannte den Zahlungsrück- stand in Höhe von … € (siehe Vollstreckungsauftrag vom 04.08.2008, Anlage B 2). In der Zeit zwischen Vollstreckungsanordnung vom 21.02,2008, die dem Schuldner zugestellt wurde (Anlage K 7) und Vollstreckungsauftrag (also knapp 6 Monate) erfolgte von Seiten des Schuldners keine Zahlung und dies im Hinblick auf die unmittelbare Drohung der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Dem vorangegangen war bereits eine Ratenzahlungsvereinbarung vom 29.01.2007, die nicht eingehalten wurde (Anlage 2 zum SS des Klägervertreters vom 15.03.2016, hinter Bl. 98/100) und eine Mahnung vom 15.11.2007 für Zahlungsrückstände in Höhe von … € mit Zahlungsfrist bis 07.12.2007 (Anlage 1 zum SS des Klägervertreters vom 15.03.2016, hinter Bl. 98/100). Die streitgegenständlichen Zahlungen erfolgten nur aufgrund des Vollstreckungsdrucks nach Einschaltung des Gerichtsvollziehers.
2. Es liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO vor, da durch die Zahlungen die Akti. V. m.asse geschmälert wurde. Da die Zahlungen durch den Schuldner „freiwillig“ erfolgten liegen auch Rechtshandlungen i. S. d. § 129 InsO vor (siehe BGH, Urteil vom 10.12.2009-IX ZR 128/08).
3. Es kann dahingestellt bleiben, ab wann der Schuldner mit einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat, da eine Kenntnis der Beklagten von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht angenommen werden kann. Außer der unter 1. dargestellten Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 InsO) gegenüber der Beklagten, hat der Kläger keine einzige Forderung eines anderen Gläubigers vorgetragen, die in der Zeit zwischen dem 19.09.2008 und dem 20.08.2010 nicht bezahlt wurde und bis zur Insolvenzantragstellung noch offen war. Die von dem Kläger dargelegten rückständigen Forderungen gegenüber der Finanzverwaltung,… (Anlage K 2) wurden erst ab dem 19.10.2011 fällig. Es kann dem Kläger zugestanden werden, dass es außer der Beklagten auch andere Gläubiger gab. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Gläubiger nicht befriedigt wurden. Es ist zwar zutreffend, dass eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung ausreichend ist (BGH, Beschluss vom 26.04.2012 – IX ZR 73/11, Rn. 3), um eine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen.
4. Weitere Voraussetzung einer Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist jedoch, dass die Beklagte Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn die Beklagte wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Hierbei ist gem. §§ 133 Abs. 1,140 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung abzustellen. Da der Anfechtungsgegner im Allgemeinen in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners keinen Einblick hat, muss – soweit es um seine Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht -darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für den Anfechtungsgegner ersichtlichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der Forderung, der Person des Schuldners und dem Zuschnitt seines Geschäftsbetriebs, als ausreichendes Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit dargestellt hat (BGH, Urteil vom 01, Juli 2010 – IX ZR 70/08 Rn. 10, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urteil vom 13. August 2009 IX ZR 159/06 -, Rn. 10, juris). Das Zahlverhalten gegenüber der Beklagten spricht für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Hinzukommen muss jedoch, dass der Beklagten aus den Umständen bewusst gewesen sein muss, dass außer ihr noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen vorhanden sind. Anders als bei einem Unternehmer, der einen kostenträchtigen Geschäftsbetrieb unterhält, kann bei einem Architekten, der im Wesentlichen als Dorfplaner tätig ist, nicht zwingend auf das Vorhandensein von weiteren Gläubigern geschlossen werden. Es gibt im hier streitgegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte davon Kenntnis hatte, dass der Schuldner Angestellte hatte. Der Kläger gibt hierzu lediglich an, es habe sich um ein kleines Einzelunternehmen mit wenigen Angestellten (unter 5 Leuten) gehandelt (Schriftsatz vom 26.10.2016, Seite 7, Bl. 174). Außerdem ergeben sich aus dem Sachvortrag keine Anhaltpunkte dafür, dass die Beklagte Kenntnis von schleppenden Steuerzahlungen hatte. Die Forderungen des Finanzamtes … die mit der Antragstellung (Anlage K 2) geltend gemacht wurden, wurden erst am 19.10.2011 fällig. Nachdem der Schuldner durch seine Streichung aus der Architektenrolle die Beitragsrückstände hätte beseitigen können, konnte die Beklagte im hier streitgegenständlichen Einzelfall davon ausgehen, dass der Schuldner diese Beiträge als letztes beglich, wenn alle anderen gegen ihn bestehenden Forderungen beglichen waren. Auch war ihr seit der Vollstreckung aus dem Schuldtitel vom 21.2.2008 bekannt, dass der Schuldner als Dorfplaner nicht unerhebliche Einkünfte erzielen werde, die ihn in die Lage versetzen würden, die Vollstreckungsanordnung vom 21.02.2008 mit Ratenzahlungen In Höhe von 3.000,00 € wegzufertigen (vgl. dazu die Angaben des Zeugen … (vor dem Landgericht im Termin vom 11.5.2016, Sitzungsniederschrift S.3). Dies hatte der Gerichtsvollzieher der Beklagten nach ihrer Behauptung mitgeteilt. Insofern ist es unerheblich, dass es dem Kläger nicht verständlich ist, inwiefern die Beklagte gewusst habe, dass der Kläger als Dorfplaner erhebliche Einkünfte erzielen werde (Schriftsatz Klägervertreter v. 26.10.2016, S.3). Die Behauptung, dass die Beklagte sich kein Urteil über die finanzielle Lage des Schuldners habe bilden können, ist daher nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger die plausible Behauptung der Kenntnisse der Beklagten von den Äußerungen des Schuldners gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht hinreichend bestritten hat (§ 138 Abs.3 ZPO). Ebenso wenig überzeugend ist der Hinweis des Klägers darauf, dass die der Beklagten aufgrund des „Lebenssachverhalts bekannten Tatsachen“ nur zu dem Schluss der positiven Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit führen könnten (a. a. O.). Tatsächlich konnten sich Hinweise auf weitere Gläubiger, die nicht befriedigt worden waren, für die Beklagte erst ab der Zahlung vom 18.06.2010 ergeben, als der Gerichtsvollzieher auf der Quittung „Bayr.Arch./…“ angegeben hat, weil dies auf einen weiteren Gläubiger namens …“ schließen ließ. Daraus hätte abgeleitet werden können, dass noch weitere Gläubiger mit unbefriedigten Ansprüchen vorhanden seien. Der Kläger hat jedoch den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.10.2016, S.2 (Bl. 181), dass sie von dem Gerichtsvollzieher keine Quittungen erhalten habe, nicht bestritten. Der hierfür benannte Zeuge … war daher nicht zu vernehmen. Es gibt auch bei einer Gesamtwürdigung der vorgetragenen Tatsachen keine relevanten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten bekannt war, dass neben ihr auch noch ein anderer Gläubiger vollstreckte. Aus den Gesamtumständen ist daher eine Kenntnis der Beklagten von dem behaupteten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht herzuleiten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.