Insolvenzrecht

Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens wegen Unterhaltsansprüchen

Aktenzeichen  16 T 10592/18

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32077
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 850d Abs. 1, § 850c, § 829, § 840, § 850a Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4

 

Leitsatz

1. Da der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf Antrag des Gläubigers und somit nach dessen Anhörung erging, ist er gegenüber dem Gläubiger keine bloße Zwangsvollstreckungsmaßnahme, für die die Erinnerung gem. § 766 ZPO der statthafte Rechtsbehelf wäre, sondern eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, gegen die die sofortige Beschwerde nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben ist.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemäß § 850d Abs. 1 ZPO sind wegen Unterhaltsansprüchen das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 ZPO genannten Bezüge ohne die in § 850c ZPO bezeichneten Beschränkungen pfändbar.  (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Schuldner gleichstehenden Berechtigten bedarf.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1539 M 40955/18 2018-05-10 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 10.05.2018, Az. 1539 M 40955/18, abgeändert durch Beschluss des Amtsgerichts München vom 23.08.2018, Az. 1539 M 40955/18, erneut dahingehend abgeändert, dass dem Schuldner von dem bei den Drittschuldnern K. GmbH und Deutsche Rentenversicherung gepfändeten Arbeitseinkommen für seinen eigenen notwendigen Unterhalt € 1.050,00 monatlich zu belassen sind; von den darüber hinausgehenden Beträgen sind ihm 1/2, höchstens jedoch ein Betrag von € 923,00 zu belassen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerseite, eingelegt mit Schreiben vom 26.07.2016 beim Landgericht München I, gegen den Pfändungs- und Überweisungsanspruch des Amtsgerichts München vom 10.05.2018 ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zulässig. Denn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde auf Antrag des Gläubigers, somit nach dessen Anhörung dar, ist daher gegenüber dem Gläubiger keine bloße Zwangsvollstreckungsmaßnahme, für die die Erinnerung gem. § 766 ZPO der statthafte Rechtsbehelf wäre, sondern eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, gegen die die sofortige Beschwerde nach §§ 793, 567 I Nr. 2 ZPO gegeben ist (vgl. Herget in Zöller, 32. Aufl., Rn 2 zu § 766 ZPO und Rn 28 zu § 829 ZPO). Die sofortige Beschwerde wurde auch form- und fristgerecht eingelegt. Ausweislich der Akte wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom Amtsgericht München dem Gläubiger nicht zugestellt, sondern mit Verfügung vom 11.05.2018 lediglich an die zuständige Gerichtsvollzieherverteilerstelle zur Zustellung gem. § 840 ZPO gesandt. Wie von Gläubigerseite in der Beschwerdebegründung ausgeführt wurde, erhielt diese den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von der Gerichtsvollzieherin erst am 25.07.2018. Die sofortige Beschwerde, die beim Landgericht am 30.07.2018 eingegangen ist, wurde damit fristgerecht eingelegt.
In der Sache ist die Beschwerde, mit der die Gläubigerseite eine Abänderung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insoweit begehrt, dass dem Gläubiger von dem gepfändeten Arbeitseinkommen über den für seinen eigenen notwendigen Unterhalt erforderlichen Betrag von € 1.050,00 hinaus höchstens ein weiterer Betrag von € 923,00 verbleibt, auch begründet.
Gem. § 850 d I ZPO sind wegen Unterhaltsansprüchen, wie sie hier inmitten stehen, das Arbeitseinkommen und die in § 850 a Nr. 1, 2 und 4 ZPO genannten Bezüge ohne die in § 850 c ZPO bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Schuldner gleichstehenden Berechtigten bedarf. Der dem Schuldner für seinen eigenen notwendigen Unterhalt zu belassende Betrag wurde vom Amtsgericht auf € 1.050,00 festgesetzt. Vollstreckt werden vorliegend von Gläubigerseite auf den Gläubiger übergegangene rückständige Unterhaltsansprüche. Wie von Gläubigerseite selbst angegeben wird, hat der Schuldner insgesamt drei unterhaltsberechtigte Kinder. Der Schuldner erbringt jedoch für eines der unterhaltspflichtigen Kinder derzeit keinerlei Unterhaltsleistungen, wie von Gläubigerseite durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Kindsmutter belegt und vom Schuldner nicht bestritten wurde. Daher konnte dieses Kind bei der Festsetzung des dem Schuldner zu belassenden Betrages nicht berücksichtigt werden. Auf Antrag des Gläubigers wurde deshalb der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gem. § 850 g ZPO bereits mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 23.08.2018 dahingehend abgeändert wurde, dass von dem über den Betrag von € 1.050,00 hinausgehenden Betrag lediglich 1/2 pfändbar ist. Dies dürfte zwar fehlerhaft gewesen sein, weil tatsächlich die zur gleichmäßigen Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche von zwei weiteren Kindern hätten berücksichtigt werden müssen. Da hier lediglich rückständige Unterhaltsansprüche und nicht auch laufende vollstreckt werden hätten die zur Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche dieser beiden Kinder benötigten Beträge dem Schuldner dabei in voller Höhe verbleiben müssen, so dass die Beschränkung der Pfändung des weitergehenden Betrages auf die Hälfte so nicht richtig sein kann. Da aber der Beschluss des Amtsgerichts München vom 23.08.2018 nicht angegriffen wurde und auch in der Zwangsvollstreckung der Antragsgrundsatz und das Verschlechterungsverbot gelten (vgl. § 528 ZPO; Heßler in Zöller, 32. Aufl., Rn 39 zu § 572 ZPO), war das Beschwerdegericht nicht befugt, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit abzuändern. Da dem Schuldner gem. § 850 d I ZPO jedoch neben dem für seinen eigenen notwendigen Unterhalt benötigten Betrag lediglich so viel zu belassen ist, als er zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Schuldner gleichstehenden Berechtigten bedarf und die laufenden gesetzlichen Unterhaltsansprüche der drei unterhaltsberechtigten Kinder des Schuldners, wie von Gläubigerseite dargelegt wurde, zusammen € 923,00 betragen, war der dem Schuldner über den Betrag von € 1.050,00 zu belassende Betrag auf diesen Betrag, wie von Gläubigerseite beantragt, zu begrenzen. Zu einer darüber hinaus gehenden Begrenzung im Hinblick darauf, dass der Schuldner gegenüber dem Kind … wie von Gläubigerseite vorgetragen, tatsächlich keinen laufenden Unterhalt leistet, war das Beschwerdegericht, wie dargelegt, wegen des geltenden Antragsprinzips und des Verschlechterungsverbots nicht befugt.
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 971 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 I Satz 1 Nr. 2, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist. Es ging um eine reine Einzelfallentscheidung.

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