Insolvenzrecht

Rückgewähranspruch infolge Insolvenzanfechtung

Aktenzeichen  13 O 485/14

Datum:
1.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130710
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 129 Abs. 1, § 130 Abs. 1 § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1

 

Leitsatz

Legt der Insolvenzverwalter im Rahmen des Anfechtungsverfahrens die Forderungsanmeldungen weiterer Gläubiger vor, können am Bestand der Forderungen keine hinreichenden Zweifel mehr bestehen, so dass das einfache Bestreiten des Beklagten nicht ausreicht, um den substantiierten Vortrag des Insolvenzverwalters zu erschüttern.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 210.785,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.04.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 210.785,62 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 130 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO auf Zahlung von 210.785,62 EUR. Nach ganz herrschender Meinung kann der Gläubiger einer GbR die GbR und die Gesellschafter persönlich, unbeschränkt, unmittelbar, primär und auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen. Für die Verbindlichkeiten einer BGB-Gesellschaft haften neben dem Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter analog § 128 HGB als Gesamtschuldner (BGH, Urteil vom 08. Februar 2011 – II ZR 243/09 -, Rn. 14, juris).
Die Zahlungen, welche die Beklagte zu 1) von der Schuldnerin im Zeitraum 01.11.2010 bis 18.01.2011 erhielt, sind gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist anfechtbar eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlungen die Gläubiger benachteiligte. Bezüglich der vier Voraussetzungen,
1.Rechtshandlung des Schuldners
2.Gläubigerbenachteiligung
3.Benachteiligungsvorsatz
4.Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz
13trägt grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
1.Bei den insgesamt 8 Zahlungen, die die Beklagte zu 1) von der Schuldnerin zwischen dem 01.11.2010 und dem 18.01.2011 erhalten hat, handelt es sich um Rechtshandlungen, welche die Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat.
Die Rechtshandlungen lagen auch binnen des Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung vom 18.02.2011, § 133 Abs. 1 InsO.
2. Diese Rechtshandlungen waren auch objektiv Gläubiger benachteiligend, da sie das Vermögen der Schuldnerin verminderten.
3. Die Schuldnerin handelte auch mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Hierfür genügt, wenn der Schuldner erkennt, dass durch die Zahlungen andere Gläubiger benachteiligt werden und er dies billigt. Davon ist auszugehen, wenn zum Zeitpunkt der Rechtshandlungen Zahlungsunfähigkeit vorlag oder drohte und sich der Schuldner dessen bewusst ist. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Rechtshandlungen zahlungsunfähig war. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO wird Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner einen erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten tatsächlich nicht bezahlt. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat insbesondere in der Replik vom 21.05.2015 (Blatt 73 ff d. A.) umfangreich und substantiiert dargelegt, dass zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Rechtshandlungen, also Anfang November 2010, die Schuldnerin Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang nicht mehr bedient hat. Bezüglich der …|bestand ein offener Betrag in Höhe von 171.726,64 EUR. Die …H hatte eine offene Forderung aus dem Monat Oktober in Höhe von 143.057,25 EUR, fällig am 07.11.2010, welche nicht mehr beglichen worden war.
Weitere Forderungen bestanden seitens der …|in Höhe von 93.503,08 EUR. Hinsichtlich der weiteren Forderungen wird auf die Darstellung im Schriftsatz vom 21.05.2015 Bezug genommen. Schließlich bestand im Oktober 2010 auch eine offene Forderung des dem Bruder bzw. Sohn der Beklagten zu 2) und 3) (hierzu siehe unten). Soweit die Beklagten die in der Replik genannten Forderungen anderer Gläubiger bestreitet, genügt dieses Bestreiten nicht den Anforderungen, um den substantiierten Sachvortrag zu erschüttern. Denn der Kläger hat hinsichtlich der von ihm behaupteten Forderungen jeweils auch die Forderungsanmeldung der übrigen Gläubiger im Insolvenzverfahren vorgelegt, so dass am Bestand der behaupteten Forderungen keine hinreichenden Zweifel mehr bestehen können.
4.
Die Beklagte zu 1) hatte auch Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung vorliegt (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Beklagte zu 1) kannte die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der Gläubiger wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht. Kannte er die Zahlungseinstellung, ist auch die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Der Beklagten zu 1) war zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Rechtshandlungen bekannt, dass sie gegenüber der Schuldnerin noch offene Forderungen in nicht unerheblichem Umfange hatte. Aus der unbestrittenen Abrede, dass der Schuldnerin die Juli Charterrate gestundet war, folgt bereits, dass der Beklagte Kenntnis von offenen Forderungen hatte. Der Beklagten zu 1) war auch bekannt, dass weitere Partikuliere für die Schuldnerin fuhren. Insofern muss ihr auch bekannt gewesen sein, dass auch diesen Forderungen gegenüber der Schuldnerin zustanden.
Dies gilt für die Beklagte zu 1) vor allem deshalb, weil dem Bruder bzw. Sohn der Beklagten zu 2) und 3), ebenfalls offene Forderungen gegenüber der Schuldnerin zustanden, was dem Gericht aus dem Parallelverfahren 13 O 484/14 bekannt ist.
Nach dem Vortrag des Klägers (Bl. 222 d.A.) hatte der Beklagte gegenüber der Schuldnerin zum 01.10.2010 bereits eine offene Forderung von 123.545,10 EUR. Diesen Vortrag hat der Beklagte nicht explizit bestritten, sondern mit nachgelassenem Schriftsatz zum Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich behauptet, dass im Januar 2011 sämtliche Forderungen der Beklagten zu 1) außer der teilweise offenen Novembercharter und der Dezembercharter ausgeglichen gewesen seien (Bl. 269 d.A.). Dieser Vortrag ist jedoch nicht nachvollziehbar und daher nicht glaubhaft. Denn die offenen Forderungen aus November und Dezember 2010 belaufen sich nach eigenem Vortrag des Beklagten auf 125.010,91 Euro, wobei die Dezemberrate erst zum 15.01.2011 fällig gewesen ist (Bl. 184 d.A.). Aus den streitgegenständlichen Zahlungen folgt jedoch, dass die Beklagte zu 1) zwischen dem 01.11.2010 und dem 12.01.2011 insgesamt 207.785,62 Euro erhalten hatte. Träfe der Vortrag der Beklagten zu, dass im Januar 2011 keine weiteren offenen Forderungen der Beklagten zu 1) außer der November- und Dezembercharter offen gewesen seien, hätte der Beklagte rund 80.000 Euro ohne Rechtsgrund erhalten. Daher ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Beklagten schon vor November 2010 offene Forderungen gegen die Schuldnerin zustanden, wie dies von den Beklagten im Schreiben vom 24.01.2011 ja selbst dargestellt worden ist, wo es heißt dass auch nach Juli 2010 nur verspätet und nicht vollständig gezahlt worden ist.
Dies gilt gleichermaßen für die Forderung des …H, welche dem Gericht aus dem Parallelverfahren 13 O 484/14 bekannt ist. Auch diese Forderung war auch der Beklagten zu 1) bekannt. Denn die Zeugin war für beide von der Familie betriebenen Schiffe tätig, so dass sich die Beklagte zu 1) dieses Wissen gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss. Angesichts der bis Oktober 2010 aufgelaufenen Beträge, der Abrede, wonach lediglich die Juli Charterrate gestundet werden sollte und dennoch weitere Außenstände bis Oktober 2010 aufgelaufen waren, musste der Beklagten zu 1) bei richtiger Bewertung der Sachlage klar sein, dass die Schuldnerin in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten steckte, ja ihre Zahlungen sogar bereits eingestellt hatte. Denn im Oktober 2010 waren sowohl bei der Beklagten zu 1) als auch beim Bruder bzw. Sohn der Beklagten zu 2) und 3) bereits Außenstände aufgelaufen, die Juli Rate war gestundet und die Beklagte zu 1) hatte ausweislich des Schreibens vom 24.01.2011 (Anlage K34) eine weitere Stundungsbitte der Schuldnerin zurückgewiesen.
Angesichts dieser Umstände kann die Aussage der Zeugin …H die Vermutung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht erschüttern. Auch wenn die Zeugin …|angab, dass sie sich über ausstehende Zahlungen keine Gedanken gemacht habe und davon ausgegangen sei, dass die Außenstände noch beglichen werden, so steht dies jedenfalls im Widerspruch zu der nachgewiesenen Verweigerung der Beklagten zu 1), der Schuldnerin weitere Stundungen zu gewähren. Die Tatsache, dass die Schuldnerin von der Beklagten zu 1) weitere Stundungen erbat und sich gleichzeitig die Außenstände der Beklagten erhöhten, musste der Beklagten zu 1) zwangsläufig die Erkenntnis vermitteln, dass bei der Schuldnerin nicht mehr sämtliche Verbindlichkeiten beglichen wurden.
Der Einwand des Beklagten, es handele sich um ein Bargeschäft, greift nicht durch. Bei den hier streitgegenständlichen Zahlungen handelt es sich sämtlich um Zahlungen, welche mit Außenständen des Beklagten verrechnet wurden. Ausweislich der Forderungsanmeldung (Anlage K2, Blatt 18 d. A.) hat der Beklagte die Charter ab November 2010 zur Insolvenztabelle angemeldet, so dass die Zahlungen im hier streitgegenständlichen Zeitraum, von November 2010 bis einschließlich Januar 2011 offensichtlich auf alte Forderungen verrechnet worden sind, so dass eine Bargeschäft nicht vorlag.
Schließlich greift auch der Einwand des Frachtführerpfandrechtes nicht. Schon die Geltendmachung binnen 3 Tagen nach Ablieferung des Pfandgutes ist nicht erfolgt, so dass es weiterer Erörterungen hierzu nicht bedarf.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Verzinsung. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB (HK-InsO/Kreft aaO § 143 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 143 Rn. 59; HambK-InsO/Rogge, § 143 Rn. 47), so dass der Anfechtungsgegner unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist. Er wird damit insoweit einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichgestellt. Mit dieser Anknüpfung ist der Herausgabeanspruch als rechtshängiger Anspruch zu behandeln, was auch zur Anwendung der Regeln über die Zahlung von Prozesszinsen führt. Danach ist bei einer fälligen Geldschuld gemäß § 291 Satz 1 BGB die Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend anzuwenden (BGH, Urteil vom 01. Februar 2007 – IX ZR 96/04 -, BGHZ 171, 38-45, Rn. 14), was ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt. Diese ist am 29.04.2011 erfolgt, so dass der Anspruch auf Verzinsung gem. § 187 Abs. 1 BGB ab dem 30.04.2011 besteht.
Die Klageabweisung im Übrigen bezieht sich daher lediglich auf den Antrag auf Verzinsung ab dem 29.04.2011. Im Übrigen waren die Beklagten antragsgemäß zu verurteilen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Der Streitwert entspricht der Klageforderung.

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