Insolvenzrecht

Rückzahlung eines erhaltenen Geldbetrags im Rahmen einer Insolvenzanfechtung

Aktenzeichen  5 U 3589/17

Datum:
22.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156806
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 135 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 97 Abs. 1, § 101, § 522 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10

 

Leitsatz

Verfahrensgang

6 O 5219/17 2017-09-22 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 22.09.2017, Aktenzeichen 6 O 5219/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der klagende Insolvenzverwalter verlangt vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung die Rückzahlung eines von der Schuldnerin erhaltenen Geldbetrags.
Der Kläger wurde mit Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 01.02.2014 auf den dort am 04.12.2013 eingegangenen Antrag zum Insolvenzverwalter der Fa. … GmbH bestellt. Der Beklagte, der Geschäftsführer der Schuldnerin, alleiniger Kommanditist von deren Muttergesellschaft Fa. . KG sowie alleiniger Gesellschafter von deren Komplementärin war, gewährte der Schuldnerin mit Vertrag vom 20.02.2013 ein an diesem Tag ausbezahltes Darlehen über 100.000 €. Die Schuldnerin zahlte den Betrag am 07.03.2013 zurück. Am gleichen Tag erbrachte der Beklagte eine Einlagezahlung von 100.000 € an die Fa. … KG und diese in gleicher Höhe eine Verlustausgleichszahlung von 100.000 € an die Schuldnerin.
Der Kläger war in erster Instanz der Meinung, dass die Rückzahlung der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr.2 InsO unterliege. Die mit ihr bei der gebotenen Einzelbetrachtung verbundene Benachteiligung der Masse begründe eine objektive Gläubigerbenachteiligung.
Der Kläger hat in erster Instanz unter Einschluss einer weiteren Forderung, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 105.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2014 zu bezahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er war der Ansicht, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung, da die Masse nicht geschmälert worden sei. Ohne die Darlehensrückzahlung hätte die Schuldnerin die Verlustausgleichszahlung nicht erhalten können.
Die vom Landgericht zugesprochene Widerklage ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 22.09.2017 die noch im Berufungsverfahren anhängige Klage abgewiesen, weil die Rückzahlung des Darlehens die Masse nicht benachteiligt habe. Erhalte der Schuldner für das, was er aus seinem Vermögen weggebe, eine vollwertige Gegenleistung, liege keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Darlehensrück- und Verlustausgleichszahlung seien am 07.03.2013 erfolgt. Insofern komme eine Gläubigerbenachteiligung nur in Betracht, wenn die Schuldnerin nicht nur das Darlehen, sondern auch die Verlustausgleichszahlung, insgesamt also 200.000 € hätte erhalten sollen. Dies sei nach den vom Kläger nicht widersprochenen Angaben des Beklagten jedoch nicht der Fall. Nach dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten sei vielmehr davon auszugehen, dass sämtliche Zahlungen vom 07.03.2013 von dessen einheitlichen Willen getragen gewesen seien, seine Firma zu retten und dieser 100.000 € zukommen zu lassen.
Der Kläger hat das am 28.09.2017 zugestellte Ersturteil am 26.10.2017 mit der Berufung angegriffen, die er nach Fristverlängerung bis zu diesem Tag am 28.12.2017 begründet hat. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits angebrachten Vorbringens fort. Nach dem Grundsatz der Einzelbetrachtung seien die Darlehensrück- und die Verlustausgleichszahlung gesondert zu betrachten. Es sei entgegen der Meinung des Erstgerichts nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte mit seinen Zahlungen lediglich aus steuerlichen Gründen den Rechtsgrund der Zahlung an die Schuldnerin von Darlehen auf Verlustausgleich geändert habe, zumal er dieser zu einem späteren Zeitpunkt erneut persönlich Geld zur Verfügung gestellt habe. Allein wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der Zahlungen könne nicht von einem einheitlichen Vorgang ausgegangen werden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass der erneuten Zahlung ein völlig anderer Schuldgrund zugrunde liege. Davon könne nur ausgegangen werden, wenn die Verlustausgleichszahlung der vorweggenommenen Befriedigung des nun geltend gemachten Anfechtungsanspruchs gegen den Beklagten gedient habe. Dies sei aber nicht der Fall. Mit dem OLG Naumburg (Urt. V. 22.06.2005, 5 U 39/05) sei davon auszugehen, dass irgendwelche Hinund Herzahlungen nicht ausreichend seien.
Der Kläger beantragt,
das Ersturteil aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 100.000 € nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Senat hat den Kläger mit Beschluss vom 08.01.2018 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Darlehensrückzahlung durch die Einlagezahlung des Beklagten sofort wieder ausgeglichen worden sei. Dazu habe der Beklagte in erster Instanz vorgetragen, dass die Zahlung der Muttergesellschaft nur habe erfolgen können, weil er zuvor die Darlehensrückzahlung erhalten habe. Ohne die Einlageleistung des Beklagten aufgrund der Darlehensrückzahlung wäre die Fa. . KG nicht in der Lage gewesen, der Schuldnerin 100.000 € zur Verfügung zu stellen. Dem habe der Kläger nur entgegengehalten, dass die Muttergesellschaft wegen ihrer entsprechenden Verpflichtung aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gezahlt habe. Abgesehen davon, dass letztere Behauptung unspezifiziert und ins Blaue hinein aufgestellt worden sei, habe der Kläger nicht bestritten, dass die Muttergesellschaft ohne die Darlehensrückzahlung an den Beklagten zu einer Zahlung an die Schuldnerin nicht in der Lage gewesen sei. Damit sei nichts dagegen zu erinnern, dass das Landgericht nicht von einer Gläubigerbenachteiligung ausgegangen sei.
Der Kläger ist nach wie vor der Meinung, dass die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Darlehensrückzahlung durch die Einlageleistung der Muttergesellschaft nicht wieder aufgehoben worden sei, da letztere Zahlung nicht der Befriedigung eines etwaigen Anfechtungsanspruchs gedient habe. Ob die Muttergesellschaft ohne die auf die Darlehensrückzahlung erfolgende Einlageleistung des Beklagten zur Zahlung in der Lage gewesen sei, sei anfechtungsrechtlich bedeutungslos.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, den zitierten Senatsbeschluss und die im Berufungsverfahren vorlegten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.09.2017, Aktenzeichen 6 O 5219/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Eine wie hier durch die Darlehensrückzahlung zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nachträglich dadurch wieder behoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Die Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln. Eine solche Rückführung kann etwa dann anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner rückabgetreten oder eine erhaltene Zahlung an ihn zurückgewährt wird. Soweit nach der Zweckbestimmung der Erstattungsleistung eine vorweggenommene Befriedigung des Rückgewähranspruchs verlangt wird, bedeutet dies nicht, dass dem Anfechtungsgegner die Anfechtbarkeit der an ihn bewirkten Zahlung bewusst gewesen sein muss. Vielmehr genügt es, wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Vermögenswerte zukommen lässt, welche bestimmungsgemäß die angefochtene Leistung vollständig ausgleichen und dem Gläubigerzugriff offenstehen. Denn die Kenntnis der Anfechtbarkeit wird bei dem Anfechtungsgegner vielfach ausscheiden, wenn es sich um eine an rein objektive Voraussetzungen geknüpfte Anfechtung einer inkongruenten Deckung in der kritischen Zeit (§ 131 Abs. 1 Nr.1, 2 InsO) handelt. Dieser Umstand schließt aber eine vorweggenommene Tilgung des Anfechtungsanspruchs durch den Anfechtungsgegner vor Verfahrenseröffnung nicht aus. Es ist kein tragfähiger Grund dafür ersichtlich, einen Anfechtungsgegner, der ohne Kenntnis der Anfechtbarkeit eine erhaltene Leistung dem Schuldner zurückgewährt, schlechter zu stellen als einen Anfechtungsgegner, der im Wissen um die Anfechtbarkeit das Empfangene dem Schuldner erstattet. Vielmehr ist allein ausschlaggebend, ob der Anfechtungsgegner die bei dem Schuldner vor Vollzug der anfechtbaren Handlung bestehende Vermögenslage tatsächlich wiederherstellt. Dies ist anzunehmen, wenn die von dem Anfechtungsgegner vorgenommene Leistung allein zur Vorwegbefriedigung des Anfechtungsanspruchs dienen kann, weil sonstige Forderungen des Schuldners, auf welche die Leistung angerechnet werden könnte, nicht bestehen. Letzteres kann vorliegend nicht bejaht werden, weil der Kläger – wenn auch substanzlos – auf eine Verlustübernahmeverpflichtung der Muttergesellschaft der Schuldnerin verweist. Allerdings wird eine eingetretene Gläubigerbenachteiligung auch dann ausgeglichen, wenn die Beteiligten die benachteiligende Rechtshandlung einverständlich wieder aufheben oder der Begünstigte unter Verzicht auf den ihm durch das Geschäft erwachsenen Vorteil das Empfangene in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Dadurch wird der alleinige Zweck der Anfechtung erfüllt, das von dem Schuldner aufgegebene Vermögensobjekt als noch zur Masse gehörig zu behandeln und an sie zurückzuführen. Eine Anfechtung und eine Rückgewährpflicht scheidet folglich auch dann aus, wenn der Anfechtungsgegner das Empfangene an den Schuldner zurückgegeben hat. Damit ist der benachteiligende Erfolg der angefochtenen Rechtshandlung wieder beseitigt. Aus dieser Erwägung entfällt im Falle der Erstattung eines Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag (§ 135 Abs. 1 Nr.2 InsO) an den Gesellschafter die damit verbundene objektive Gläubigerbenachteiligung, wenn der Gesellschafter die empfangenen Zahlungen noch vor Verfahrenseröffnung an die Gesellschaft zurückzahlt. Die mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage einhergehende Verhinderung der Entstehung eines Anspruchs ist anfechtungsrechtlich dessen Erfüllung gleichzustellen. Genau dies ist hier geschehen, weil es hingewiesenermaßen unter den Partien unstreitig ist, dass die Muttergesellschaft der Schuldnerin zu ihrer Verlustausgleichszahlung nur in der Lage war, weil die Schuldnerin das Gesellschafterdarlehen an den Beklagten zurückgezahlt hat und dieser die Muttergesellschaft mit seiner auf dieser Grundlage erfolgten Einlagezahlung in die Lage versetzt hat, der Schuldnerin genau diesen Geldbetrag als Verlustausgleich zur Verfügung zu stellen.
Vorstehende Ausführungen beruhen auf der mehr oder weniger wörtlichen Übernahme des Urteils des BGH vom 25.01.2018, IX ZR 299/16 Rn.10 – 15, so dass sich die Frage einer revisionszulassungspflichtigen Divergenz zum vom Kläger zitierten Urteil des OLG Naumburg vom 22.06.2005, 5 U 39/05 nicht stellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Der Senat hat dem Kläger die Kosten der Streithelferin im Berufungsverfahren nicht auferlegt, da sich deren Streitbeitritt ausweislich der Schriftsätze vom 19.05.2017 (Klägervertreter) und 09.08.2017 (Streithelfervertreter) nur auf die Widerklage bezogen hat, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war (vgl. dazu MüKo-ZPO/Sc/7t//z, 5. Aufl. 2016, Rn.14 zu § 101 ZPO).
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr.10 ZPO, 711.
Verfügung
1. Beschluss vom 22.02.2018 hinausgeben an: München, 22.02.2018

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