Insolvenzrecht

Vergütung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  1 IN 175/12

Datum:
24.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56273
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsVV § 3, § 1 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2, § 3, § 7, § 8 Abs. 3
InsO § 63, § 171

 

Leitsatz

Die Erhöhungstatbestände – wie zum Beispiel Arbeitnehmerangelegenheiten, Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten und Auslandsbezug – als sog. Vergütungszuschläge für eine Regelvergütung liegen bei einem größeren Insolvenzverfahren im Rahmen des Normalen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017 – IX ZB 28/14). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Vergütung …für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter wird wie folgt festgesetzt:
Gesamtbetrag Vergütung
346.840,23 EUR

Gründe

I.
Zunächst beantragt der Verwalter mit Antrag vom 21.1.2019 einen Betrag von EUR 490.268,18 als Vergütung. Aufgrund der Überprüfung der Schlussrechnungsunterlagen durch einen gerichtlich beauftragten Sachverständigen wurden sodann EUR 573.713,97 zur Festsetzung beantragt.
Im übrigen wird auf den Sachvortrag des Verwalters und auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen erfolgt nur zum Teil gemäß dem Antrag des Insolvenzverwalters.
Für Details der Berechnung wird auf beigefügtes Berechnungsblatt verwiesen, welches Bestandteil dieses Beschlusses ist.
1. Die Berechnungsmasse beträgt mit dem Verwalter und dem Gutachter zunächst EUR 4.297.553,92.
Sie erhöht sich um EUR 25.000,00 (Betrag gerichtlich geschätzt und gerundet) wegen der Vorsteuererstattung bezüglich von Forderungen sowie um EUR 54.952,50 (Vorsteuererstattung bezüglich des Vergütungsanspruches).
2. Nach § 3 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung ist die Regelvergütung zu erhöhen, wenn Besonderheiten der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters es erfordern. Dieser Fall ist hier gegeben.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Entscheidung v. 24.7.2003; NJW-RR 2003, 1558 = ZInsO 2003, 790 – 791) gilt für die Entscheidung über Erhöhungstatbestände folgendes:
Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (§ 63 I 3 InsO). § 3 InsVV konkretisiert diese gesetzliche Vorgabe durch die Benennung von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen. Die Bestimmung liefert damit Maßstäbe für die Festsetzung einer gerechten Vergütung im Einzelfall. Die einzelnen Zuschlags- und Abschlagstatbestände haben lediglich beispielhaften Charakter. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können (vgl. amtl. Begr. zu § 3 InsVV, abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, S. 50f., sowie die Tatbestandskataloge bei Nowak, in: MünchKomm-InsO, § 3 InsVV Rdnrn. 12 bis 22, 29 bis 31). Von bindenden Vorgaben für die Bemessung von Zu- und Abschlägen hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil für die Festsetzung der Vergütung die umfassende Berücksichtigung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Faktoren ganz im Vordergrund stehen soll. Daher ist der Insolvenzrichter nicht gezwungen, zunächst alle möglichen Zuschlags- und genommen eine Abweichung vom Regelsatz rechtfertigen. Da es allein auf eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung ankommt, darf er davon absehen, für einen an sich vorliegenden Erhöhungstatbestand einen bestimmten Zuschlag zu beziffern, wenn diesem mehrere Ermäßigungsfaktoren gegenüberstehen, die in ihrer Gesamtheit nicht geringer wiegen.
Der Insolvenzverwalter beantragt in diesem Verfahren Zuschläge in Höhe von 110 Prozentpunkten auf die Regelvergütung von 100 Prozent für folgende Tätigkeiten:
– Komplexe Forderungsprüfung/überdurchschnittliche Forderungsanzahl
– Besondere Sanierungsbemühungen/Umsetzung der übertragenden Sanierung
– Auslandsbezug
– Anzahl der Arbeitnehmer/Abwicklung der Arbeitsverhältnisse
– Aufwendige Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten
– Komplexe Rechtsfragen
Diese Zuschläge sind im Grundsatz auch zu gewähren. Für die endgültige Zuschlagshöhe im Rahmen der Gesamtbetrachtung vgl. unten.
3. Oben genannten Erschwernissen, die zu einem Zuschlag führen, stehen aber auch Erleichterungen gegenüber, die mit einem Abschlag zu berücksichtigen sind bzw. das Gewicht des Zuschlages relativieren.
a. Durch § 63 InsO und die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung soll dem Insolvenzverwalter und dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine angemessene Vergütung gewährleistet werden (BGHZ 116, 233, 238; 157, 282, 287). Jede Tätigkeit soll jedoch nur einmal vergütet werden. Demgemäß kann die Arbeit, die der vorläufige Insolvenzverwalter bereits geleistet hat und die ihm vergütet worden ist, dem endgültigen Insolvenzverwalter nicht erneut vergütet werden.
Die Erstellung einer, wenn auch möglicherweise noch nicht vollständigen, Vermögensübersicht und die Feststellung der Gläubiger und Schuldner vereinfachen in der Vorliegend war die Verwalter als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig. Hierbei hat er im wesentlichen alle Erkenntnisse über das Unternehmen als solcher gewonnen. Diese Tätigkeit hat die Arbeit der endgültigen Verwalter erheblich vereinfacht.
Für diese Tätigkeit hat er eine Vergütung von brutto EUR 199.319, 44 (Bl. 190) erhalten.
Als Erhöhungsfaktoren wurden vom Amtsgericht in seiner Vergütungsfestsetzungsentscheidung vom 31.1.2014 (bestätigt vom Landgericht … mit Beschluss vom 17.10.2019) unter anderen auch Personalangelegenheiten für über 100 Arbeitnehmer, Vorbereitung der übertragenden Sanierung, Auslandsbezug sowie Befassung mit Aus- und Absonderungsrechten zugrunde gelegt.
Hier wird offenkundig, dass es Überschneidungen zwischen den Zuschlagsfaktoren bei der Vergütung für den vorl. und bei den endgültigen Insolvenzverwalter gibt.
Dies ist wieder im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu würdigen.
b. Weitere Erleichterungen ergeben sich daraus, dass der Verwalter Dritte beauftragte.
Verlagert der Verwalter eigene Tätigkeitsbereiche auf andere, so ist das Insolvenzgericht berechtigt und verpflichtet zu überprüfen, ob die Beauftragung Externer gerechtfertigt war (BGH IX ZB 48/04 vom 11. 11. 2004). Vorliegend wurde die Arbeit des Insolvenzverwalters sowohl durch die Einholung externen (TaylorWessing) Rechtsrats bei forensischer Tätigkeit als auch durch die Tätigkeit der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft bei Veräußerung der Vermögensgegenstände erleichtert.
Nach Feststellungen des Sachverständigen erfolgte die Abrechnung der erbrachten Leistungen pauschal bzw. auf Stundenbasis. Dabei wurden z.B. folgende Sachverhalte zu Lasten der Masse berechnet:
– Besprechungstag in München pauschal EUR 2.500,00 plus EUR 430,60 Reisekosten;
– Honorar (18,5 Stunden a 230,00 EUR) z.B. für den Entwurf eines Briefes an den Insolvenzverwalter mit Darstellung der Rechtslage.
Insgesamt wurde eine erhebliche Anzahl von Stunden (a EUR 230,00 oder a EUR 350) für die Klärung der Angelegenheit aufgewandt.
Für den genauen Umfang der in Auftrag gegebenen Tätigkeiten wird auf die Ausführungen des des Sachverständigen ab Blatt 379 der Akte Bezug genommen.
Zusammen wurde für externen Rechtsrat EUR 105.344,60 ausgegeben, Bl. 338. In dieser Summe sind sowohl Beträge für die gerichtliche wie für die außergerichtliche Tätigkeit erhalten. Ein Teil der Beträge wurde von der Absonderungsgläubigerin erstattet.
Unabhängig von der Frage der Kostenerstattung hat jedoch der kostenintensive Rechtsrat die Arbeit des Verwalters erleichtert, da er selbst nicht entsprechende Rechtskenntnisse vorhalten musste.
4. Insgesamt handelt es sich vorliegend um ein deutlich überdurchschnittliches Verfahren, welches zumindest in der Phase der Betriebsfortführung den Verwalter stark forderte.
Die Gesamtwürdigung obiger Zu- und Abschlagstatbestände ergibt die Angemessenheit eines Zuschlages von 40% auf die Regelvergütung.
Hierbei sind ergänzend noch folgende Erwägungen maßgeblich.
a. In einem größeren Insolvenzverfahren wird der regelmäßig anfallende Mehraufwand des Verwalters im Grundsatz bereits dadurch abgegolten, dass die größere Vermögensmasse zu einer höheren Vergütung führt (vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl., § 11 Rn. 106 f).
Zuschläge für einen quantitativ höheren Aufwand setzen daher die Darlegung voraus, dass der tatsächlich erforderliche Aufwand in dem fraglichen Verfahrensabschnitt erheblich über dem bei vergleichbaren Massen Üblichen liegt (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 – IX ZB 28/14 -, Rn. 24, juris). Die Erhöhungstatbestände Arbeitnehmerangelegenheiten, Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten und Auslandsbezug liegen vorliegend durchaus im Rahmen des Normalen bei einem größeren Insolvenzverfahren. Es bedarf deswegen keiner starken Erhöhung der Regelvergütung.
b. Maßgeblich für den gefundenen Erhöhungsfaktor von 40% ist jedoch der Umstand, dass sich die Erhöhung auch auf die Feststellungskosten gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 1 S. 2 InsVV bezieht.
Nach BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 – IX ZB 249/04 -, Rn. 48, juris sind diese Feststellungskosten Bestandteil der Berechnungsgrundlage und damit der Regelvergütung, Fall ging es um Feststellungskosten von EUR 1.635,90. Vorliegend sollen 50% von EUR 323.708,91 mithin EUR 161.854,46 zusätzlich zur Staffelvergütung dem Verwalter als Sondervergütung zufließen. Hierbei handelt es sich um die Hälfte der Feststellungskosten, die zur Masse geflossen sind.
Dies gilt nach langjähriger Praxis des AG Memmingen auch für solche Beträge, die aus Grundstücksverwertungen ohne gesetzlichen Anspruch nach § 171 InsO zur Masse fließen, so auch Haarmeyer/Mock InsVV, 5. Aufl. 2014, § 1 Rn. 55 – 65, Förster ZInsO 202, 575. Der BGH hat diese Frage in mehreren Entscheidungen ausdrücklich offengelassen.
Eine Erhöhung von 100% würde nun bereits dazu führen, dass die gesamte Sondervergütung von EUR 323.708,91 an den Verwalter fließen würde. Bei Gewährung der beantragten 140% erhielte der Verwalter also mehr als durch seine Verwertungstätigkeit zur Masse geflossen ist. Die Masse würde somit durch die Verwertung des Grundbesitzes etc. geschmälert werden. Dies würde jeden Grundsatz des Vergütungsrechts widersprechen.
5. Die Auslagen können antragsgemäß berücksichtigen werden, § 8 Abs. 3 InsVV.
Zusätzlich zur Vergütung und Erstattung der Auslagen wurde die von dem Insolvenzverwalter zu zahlende Umsatzsteuer festgesetzt, § 7 InsVV.

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