Aktenzeichen 44 T 1054/18
GVGA § 141 Abs. 1 S. 4, § 141 Abs. 4 S. 1
Leitsatz
Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Drittauskünfte muss der Gläubiger gemäß § 802 l Abs. 1 S. 1 ZPO entweder darlegen, dass der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist oder dass bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
14 M 2326/18 2018-07-30 AGNEUULM AG Neu-Ulm
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 08.08.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neu-Ulm – Abteilung für Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen – vom 30.07.2018 (Az. 14 M 2326/18) wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 216,08 € festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aufgrund eines Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.09.2003, Geschäftszeichen 03-0278059-0-2, über Hauptforderungen in Höhe von 180,49 € und 35,59 €. Mit Zinsen und Kosten beläuft sich der offenstehende Betrag auf 758,47 € (Stand 09.04.2018). Auf dieser Grundlage beantragte der Gläubiger unter dem 09.04.2018 die Einholung von Drittauskünften bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Bundeszentralamt für Steuern. Zur Begründung verwies der Gläubiger auf § 141 GVGA, wonach der Gerichtsvollzieher zur Prüfung der Zulässigkeit des Antrages das bei dem zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegte Vermögensverzeichnis einzusehen habe. Der zuständige Obergerichtsvollzieher lehnte den Antrag auf Einholung der Drittauskünfte unter dem 19.06.2018 ab und nahm zur Begründung Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 09.04.2018 (Az. 14 M 835/18). In diesem Beschluss hatte das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass für einen Antrag auf Drittauskünfte darzulegen sei, dass der Schuldner entweder seiner Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen sei oder dass nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses eine Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten sei. Daran ändere sich auch durch § 141 GVGA nichts.
Mit Schriftsatz vom 28.06.2018, beim Amtsgericht Neu-Ulm eingegangen am 03.07.2018, legte der Gläubiger Erinnerung ein und führte aus, dass die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Neu-Ulm nicht der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass durch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis der Umstand der Nichtabgabe oder Unergiebigkeit der Vermögensauskunft verlautbart werde. Die Einholung von Drittauskünften könne daneben selbstständig beantragt werden. Dem Gerichtsvollzieher stehe kein Ermessensspielraum zu. Daher sei zur Begründung des Antrags die Vorlage von Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis ausreichend. Sofern der Schuldner bereits für einen anderen Gläubiger die Vermögensauskunft abgegeben haben sollte, müsse der Gerichtsvollzieher das Vermögensverzeichnis einsehen und prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erholung der Auskünfte vorliegen würden. Dem Schriftsatz lag ein Ausdruck aus dem Vollstreckungsportal vom 09.04.2018 bei, wonach im Schuldnerverzeichnis für den Schuldner vier Eintragungen aus den Jahren 2016 und 2017 aufscheinen.
Das Amtsgericht Neu-Ulm entschied mit Beschluss vom 30.07.2018, die Erinnerung des Gläubigers zurückzuweisen und führte zur Begründung aus, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Einholung von Drittauskünften nicht glaubhaft gemacht seien. Der Verweis auf vier Eintragungen im Vollstreckungsportal reiche nicht aus, sondern es müsse dargelegt werden, dass der Schuldner entweder seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen wäre oder bei Vollstreckung in die in einer Vermögensauskunft offengelegten Vermögenswerte eine Befriedigung nicht zu erwarten wäre. Dies sei nicht erfolgt. § 141 Abs. 1 S. 4 GVGA befreie den Gläubiger nicht von seiner Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast. Gegen diesen Beschluss, der dem Gläubiger ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 01.08.2018 zugestellt worden war, legte der Gläubiger mit Schriftsatz vom 08.08.2018, beim Landgericht Memmingen eingegangen am 10.08.2018, sofortige Beschwerde ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Entscheidung des Amtsgerichts gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.10.2017 verstoße und § 141 GVGA nicht hinreichend berücksichtigte. Wenn der Schuldner die Vermögensauskunft innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben habe, könne der Gläubiger keinen neuen Antrag stellen. Die Bezugnahme auf Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis sei daher ausreichend.
Das Amtsgericht Neu-Ulm entschied mit Beschluss vom 21.08.2018, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen und die Akte dem Landgericht Memmingen zur Entscheidung vorzulegen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, auf die der Gläubiger verweise, tatbestandlich nicht einschlägig sei. Das Beschwerdegericht ließ den Beteiligten mit Verfügung vom 27.08.2018 nach, zu dem Nichtabhilfebeschluss Stellung zu nehmen. Dem Schuldner wurde zugleich nachgelassen, auch zu der Beschwerdeschrift Stellung zu nehmen. Der Gläubiger führte unter dem 07.09.2018 aus, dass der Gerichtsvollzieher seine Amtspflicht verletze, wenn er die Einholung der Drittauskünfte ablehne. Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis könnten nur dann erfolgen, wenn der Schuldner der Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkomme, die Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses nicht geeignet wäre, zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers zu führen oder der Schuldner dem Gerichtsvollzieher nicht binnen eines Monats nach Abgabe der Vermögensauskunft die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachweise, auf dessen Antrag die Auskunft abgegeben worden sei. Eine Stellungnahme des Schuldners ging nicht ein.
II.
Die statthafte (§ 793 ZPO) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zur Begründung wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden und durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Erwägungen des Amtsgerichts Neu-Ulm aus dem angegriffenen Beschluss vom 30.07.2018 sowie aus der zugehörigen Nichtabhilfeentscheidung vom 21.08.2018, die sich die Beschwerdekammer nach Prüfung jeweils vollumfänglich zu Eigen macht.
Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
Die Kammer hält an der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Memmingen fest (vgl. Beschluss vom 16.05.2017, Az. 44 T 68/17), wonach der Gläubiger in dem Antrag auf Drittauskünfte gemäß § 802 l Abs. 1 S. 1 ZPO entweder darlegen müsste, dass der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen wäre oder dass bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten wäre. Für die erste Variante müsste demnach vorgetragen werden, dass der Schuldner trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft erschienen wäre bzw. die Abgabe dieser Auskunft grundlos verweigert hätte. Hierzu trägt der Gläubiger nichts vor. Insbesondere wird nicht vorgetragen, dass überhaupt Antrag auf Abnahme einer Vermögensauskunft gestellt worden wäre. Bereits deshalb lässt sich nicht erkennen, dass eine solche möglicherweise zu Unrecht nicht abgegeben worden wäre. Soweit sich der Gläubiger auf Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis beruft, wurde nicht vorgetragen, warum diese Eintragungen jeweils erfolgt sind. Es lässt sich demnach nicht erkennen, ob diesen Eintragungen die Verweigerung einer Vermögensauskunft zugrunde liegt oder nicht.
Auch für die zweite Variante des § 8021 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nichts vorgetragen. Um darzulegen, dass eine Vollstreckung in die in einer Vermögensauskunft genannten Vermögenswerte voraussichtlich nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen würde, müsste zunächst eine Vermögensauskunft vorgelegt werden. Eine solche wurde jedoch vom Gläubiger nicht vorgelegt.
Zwar hat der Gläubiger dargelegt, dass für den Schuldner vier Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis bestehen und auch zutreffend dargestellt, wann solche Eintragungen vorgenommen werden dürfen. Der bloße Verweis auf vier Eintragungen lässt allerdings nicht erkennen, welcher Eintragungsgrund des § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO diesen Eintragungen jeweils zugrunde liegt. Somit steht durch die Bezugnahme weder fest, dass der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen wäre noch dass nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses eine Befriedigung des hiesigen, die Drittauskünfte begehrenden Gläubigers mit seiner konkreten Forderung nicht zu erwarten wäre (vgl. Voit, in: Musielak/ders., ZPO, 15. Aufl. 2018, § 802 l Rn. 3 m.w.N.). Beispielsweise könnte der Inhalt des Vermögensverzeichnisses dergestalt sein, dass die Befriedigung eines anderen Gläubigers mit einer möglicherweise sehr hohen Forderung nicht zu erwarten war. Dies hätte allerdings keine Aussagekraft zu der Frage, ob eine Befriedigung des hiesigen Gläubigers mit einer vergleichsweise überschaubaren Forderung im dreistelligen Bereich zu erwarten ist oder nicht. Zudem könnte die Eintragung auch nur darauf beruhen, dass ein anderer Gläubiger nicht innerhalb eines Monats nach Abgabe der Vermögensauskunft befriedigt worden war, obwohl der Schuldner hierzu möglicherweise zwar in der Lage, aber nicht willens gewesen war. Diese Überlegungen zeigen aus Sicht der Kammer, dass sich der antragstellende Gläubiger bei dem Begehren nach Drittauskünften nicht auf die Bezugnahme auf Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis beschränken darf, sondern konkret vortragen muss, nach welcher der oben dargestellten Alternativen die Berechtigung zur Erholung von Drittauskünften bestehen soll. Soweit der Gläubiger darauf verweist, dass er innerhalb einer Sperrfrist von zwei Jahren keine neue Vermögensauskunft beantragen kann, steht dies der oben geschilderten rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Der Gläubiger kann die Abnahme der Vermögensauskunft in jedem Fall beantragen. Sollte eine solche Auskunft bereits vorliegen und diese jünger als zwei Jahre sein, erhält der Gläubiger eine Abschrift der bereits existierenden Auskunft (§ 802d Abs. 1 S. 2 ZPO) und kann dann anhand dieser Auskunft konkret darlegen, warum eine Befriedigung seiner konkreten Forderung nicht zu erwarten sein soll.
Diesem Ergebnis steht auch § 141 Abs. 4 S. 1 GVGA nicht entgegen. Dort ist lediglich normiert, dass der Gerichtsvollzieher zur Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf Drittauskünfte ein bereits einliegendes Vermögensverzeichnis einsieht. Dies befreit den Gläubiger allerdings nicht von der Darlegung, warum ggf. eine Befriedigung nicht zu erwarten sein soll. Bereits nach dem Wortlaut von § 141 Abs. 1 S. 4 GVGA dient diese Einsichtnahme lediglich der Prüfung der Zulässigkeit und führt nicht etwa dazu, dass es Aufgabe des Gerichtsvollziehers wäre, die für die Zulässigkeit des Antrags erforderlichen Angaben des Gläubigers zu ermitteln.
Soweit der Gläubiger auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.01.2015 (Az. I ZB 77/14) abstellt, betrifft dieser eine andere Sachverhaltskonstellation. In dem dortigen Verfahren hatte der Schuldner die Vermögensauskunft auf Antrag des Gläubigers abgegeben und erklärt, vermögenslos zu sein. Der Gerichtsvollzieher hatte den Antrag auf Drittauskünfte mit der Begründung abgelehnt, dass die Drittauskünfte nur dann erforderlich wären, wenn Anhaltspunkte für unvollständige Angaben vorliegen würden. Dies hat der Bundesgerichtshof beanstandet. Die hier entscheidende Frage, was der Gläubiger, für den die Vermögensauskunft nicht abgegeben wurde, in dem Antrag auf isolierte Drittauskünfte darlegen muss, stand dort nicht zur Entscheidung. Vielmehr war die Vermögensauskunft in dem dortigen Verfahren für den antragstellenden Gläubiger abgegeben worden und hatte einen Inhalt, der eine Befriedigung nicht erwarten ließ. Auch die gläubigerseits in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.10.2017 (Beschluss, Az. I ZB 78/16) betrifft eine andere Rechtsfrage. Dort war die Erholung von Drittauskünften ausdrücklich für den Fall beantragt worden, dass der Schuldner der Pflicht zur Abgabe der gleichzeitig beauftragten Vermögensauskunft nicht nachkommen sollte. Im Übrigen ging es um rechtliche Probleme des Zusammenspiels zwischen baden-württembergischen Verwaltungsvollstreckungsrecht und den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
Der sofortigen Beschwerde war nach alledem der Erfolg zu versagen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung war gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Frage der Vortrags- und Glaubhaftmachungslast des Gläubigers bei Beantragung isolierter Drittauskünfte im Lichte von § 141 Abs. 1 S. 4 GVGA bislang – soweit ersichtlich – höchstrichterlich nicht entschieden ist und diese Frage für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren erfolgt entsprechend § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG auf den Betrag der der Vollstreckung zugrundliegenden Hauptforderungen.