Aktenzeichen 5 U 4634/16
Leitsatz
Eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung kann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein (vgl. ergänzend BGH BeckRS 2017, 114660 und BeckRS 2017, 114743). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
6 O 274/16 2016-10-28 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.10.2016, Aktenzeichen 6 O 274/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.890,41 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.10.2016, Aktenzeichen 6 O 274/16, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
I.
Die Parteien streiten über Anfechtungsansprüche nach der Insolvenzordnung. Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin in dem auf Antrag vom 01.03.2013 (Anl. K 2) am 29.07.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des . . (im Folgenden: Schuldner) (vgl. Anl. K 1).
Im Zeitraum vom 11.05.2011 bis 23.11.2011 leistete der Schuldner, der seinerzeit als Gastronom tätig war, an den Vollziehungsbeamten des Finanzamts Wolfratshausen Barzahlungen in Höhe von insgesamt 40.890,41 € auf Steuerforderungen, die Gegenstand der Klage sind. Im einzelnen handelt es sich um folgende Zahlungen:
Datum
Betrag (€)
11.05.2011
5.000,00
09.06.2011
1.449.85
04.08.2011
4.000,00
12.08.2011
2.500,00
05.10.2011
5.044,06
21.10.2011
4.500,00
21.10.2011
396,50
23.11.2011
18.000,00
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der Schuldner habe die Barmittel eigens zur Zahlung an den Vollziehungsbeamten zu mit diesem vorher abgestimmten Terminen beschafft. Der Schuldner sei dabei bereits zahlungsunfähig gewesen, was der Beklagte auch gewusst habe.
Sie hat erstinstanzlich beantragt,
1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des … einen Betrag in Höhe von 40.890,41 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.07.2013 zu bezahlen.
2.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des . . vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.706,94 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.07.2013 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt, dass die Zahlungen auf die Lohnsteuer bereits nicht aus dem Vermögen des Schuldners erfolgt seien. Das Finanzamt habe keine Kenntnis von Umständen gehabt, die auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder einen etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hätten schließen lassen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen auf die außergerichtlichen Kosten der Klägerin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den streitgegenständlichen Barzahlungen handele es sich um Rechtshandlungen des Schuldners, denn in den Terminsabsprachen liege eine selbstbestimmte willensgeleitete Handlung, so dass diese außerdem ein einvernehmliches Vorgehen des Schuldners und des Vollziehungsbeamten belegten. Die Zahlungen, die wegen der damit verbundenen Verkürzung der Aktivmasse eine gläubigerbenachteiligende Wirkung hätten, habe der Schuldner auch in dem Vorsatz vorgenommen, seine Gläubiger zu benachteiligen. Er habe gewusst, dass er infolge Zahlungseinstellung zahlungsunfähig geworden sei. Seit 15.05.2011 sei nämlich der Beitrag zur Berufsgenossenschaft für 2010 in Höhe von 3.037,09 € und seit 30.06.2011 die Gewerbesteuer 2010 und 2011 in Höhe von 3.101,02 € bzw. 1.938,00 € fällig gewesen. Auch habe eine Kontopfändung eines Dritten verhindert, dass der Schuldner seine Steuerschulden durch Überweisung hätte bezahlen können. Zudem habe er die Forderungen des Beklagten nur schleppend bedienen können; es sei auch – wegen Abwesenheit des Schuldners – zu erfolglosen Vollstreckungsversuchen gekommen. Der Beklagte habe von diesen Umständen Kenntnis gehabt, da gerade eine Zahlungseinstellung im Verhältnis zu ihm vorgelegen habe. Da der Schuldner gewerblich tätig gewesen sei, habe der Beklagte damit rechnen müssen, dass auch weitere Gläubiger vorhanden sind.
Gegen dieses am 07.11.2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, die am 30.11.2016 eingelegt und am 14.12.2016 begründet wurde, und mit der der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag unverändert weiterverfolgt. Er rügt unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts und führt aus, es fehle grundsätzlich an einer Schuldnerhandlung, wenn der Gläubiger Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlange. Der vorliegende Fall sei auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der BGH in seinem vom Landgericht angeführten Urteil (vom 03.02.2011, XI ZR 213/09) zu entscheiden hatte. Der Schuldner habe hier gerade nicht – wie in der BGH-Entscheidung – Geld von seinem Konto abgehoben und in bar in die Kasse gelegt, damit es anschließend gepfändet werden könne. Die bloßen Terminsabsprachen, noch dazu unter Druck, seien damit nicht zu vergleichen, denn der Vollziehungsbeamte hätte auch zwangsweise auf die Gelder zugreifen können. Wegen der bereits vorliegenden Vollstreckungsaufträge des Finanzamts habe der Schuldner nicht mehr frei entscheiden können, die angeforderte Leistung zu erbringen oder nicht. Das Landgericht sei ferner zu Unrecht von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen, da die hierfür angeführten Indizien nicht ausreichend seien. Aus dem Umstand, dass das Insolvenzverfahren auf einen Fremdantrag hin erst anderthalb Jahre nach den Zahlungen eröffnet worden sei, sei zu schließen, dass dem Schuldner noch keine Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Das Landgericht hätte daher weiteren Beweis erheben müssen. Da es an einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit fehle, komme auch eine Absicht des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nicht in Betracht. Für das Finanzamt Wolfratshausen seien überdies keine Umstände erkennbar gewesen, aus denen auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit zu schließen gewesen wäre. Hinsichtlich der angefochtenen Lohnsteuerzahlungen liege bereits keine Vermögensleistung des Schuldners vor, da diese aus dem Vermögen der Arbeitnehmer stammten, für deren Rechnung der Schuldner sie einbehalten und abgeführt habe. Mangels Hauptforderung bestehe auch kein Anspruch auf die zugesprochenen Nebenleistungen.
Er beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I (AZ: 6 O 274/16) vom 28.10.2016 die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.02.2017 (Bl. 110b/114) die Parteien darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 08.03.2017 (Bl. 115/119) geäußert und ausgeführt, es lägen keine Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung vor, die die vom Vollstreckungsbeamten erlangten Beträge zu anfechtbaren Zahlungen werden ließen. Vielmehr sei nach der Rechtsprechung des BGH eine Rechtshandlung des Schuldners nur anzunehmen, wenn über den Vollstreckungszugriff hinaus durch Bereitstellung von Mitteln, die mit dem Vollstreckungszugriff nicht zu erlangen wären, eine Benachteiligung anderer Gläubiger stattfinde. Allein die Vereinbarung eines Termins, zu dem der Geschäftsführer anzutreffen sei, erfülle diese Voraussetzungen nicht. Mit der Terminsvereinbarung sei keineswegs verbunden, dass der Schuldner entsprechende Mittel beschaffe. Er dürfe unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckungsvereitelung vorhandenes Geld nicht mehr beiseiteschaffen. Rechtshandlungen des Schuldners lägen allenfalls dann vor, wenn Vereinbarungen über regelmäßige Zahlungen in etwa gleicher Höhe getroffen oder gezielt Geld hierfür beschafft worden wäre, das sonst nicht für den Zugriff des Vollstreckungsbeamten vorhanden gewesen wäre. Nur wenn der Schuldner Geld beschaffe, das er nicht habe und nicht im gewöhnlichen Geschäftsgang einnehme, läge eine Rechtshandlung vor, weil dann von einem selbstbestimmten, willensgetragenen Handeln des Schuldners im Sinne eines kollusiven Zusammenwirkens mit dem Gläubiger auszugehen sei. Entsprechendes habe aber die Klägerin nicht vorgetragen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das landgerichtliche Urteil, den Beschluss vom 16.02.2017 sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zurückzuweisen, weil das Landgericht zu Recht den Beklagten zur Rückgewähr der streitgegenständlichen Zahlungen an die Insolvenzverwalterin verurteilt hat, denn diese unterliegen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO (in der bis 04.04.2017 geltenden Fassung, Art. 103j Abs. 1 EGinsO).
1. Zutreffend hat das Landgericht willensgeleitete Rechtshandlungen des Schuldners im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Zahlungen bejaht. Zwar erfüllen Zahlungen eines Schuldners an einen anwesenden vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten regelmäßig nicht die Voraussetzungen einer eigenen Rechtshandlung des Schuldners, weil dann jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist. Anfechtbar ist hingegen eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2011, IX ZR 213/09, Rn. 5, juris; s. auch BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 134/10, Rn. 22, juris). Nach diesen Kriterien kann sogar ein schlichtes Unterlassen ausreichend sein, beispielsweise die Hinnahme einer Durchsuchung der Wohn- oder Geschäftsräume, ohne auf einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu bestehen (BGH, a.a.O. Rn. 9). Allein eine Zahlung unter dem Druck der drohenden Zwangsvollstreckung rechtfertigt keine Gleichsetzung dieser Leistungen des Schuldners mit Vermögenszugriffen, die durch Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen (BGH, Urteil vom 27.05.2003, IX ZR 169/02, Rn. 11, juris). Vorliegend hat der Schuldner durch eigenes Tun zur erfolgreichen Beitreibung der Steuerrückstände beigetragen, und nicht etwa nur durch stilles Dulden von Vollstreckungsmaßnahmen. Der Schuldner hat, wie er in seiner Vernehmung vor dem Landgericht angab, mit dem Vollziehungsbeamten Termine vereinbart, an denen er „wieder etwas zahlen könne“ (vgl. Sitzungsniederschrift v. 07.10.2016, S. 2 = Bl. 60). Für die Termine hat er dann Gelder aus den laufenden Bareinnahmen bereitgestellt, teilweise sogar in exakter Höhe von zuvor festgesetzten Steuern (ebd.). Die Terminsvereinbarungen sollten entgegen dem Vortrag des Beklagten (Schriftsatz 08.03.2017, S. 3 = Bl. 117) also nicht nur schlicht sicherstellen, dass der Schuldner oder eine Person mit Zugriff auf die Kasse anzutreffen sei, sondern dienten vielmehr dazu, dass der Vollziehungsbeamte neben dem Schuldner auch Bargeld in der Betriebsstätte vorfand. Der Schuldner hat damit aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten gefördert, so dass die Vollstreckung im einvernehmlichen kollusiven Zusammenwirken des Schuldners mit dem Gläubiger erfolgte (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2011, IX ZR 213/09, Rn. 12, juris).
2. Sämtliche Zahlungen haben die Gesamtheit übrigen Gläubiger objektiv benachteiligt im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO, da sie jeweils die Aktivmasse des Schuldners verkürzten (s. Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl. 2015, § 129 Rn. 172). Dies gilt insbesondere auch für die Leistung der von den Arbeitnehmern geschuldeten Lohnsteuer, die das Landgericht zutreffend als Leistung des Schuldners eingeordnet hat. Denn die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolgt aus dem Vermögen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des ihm rechtlich zustehenden Arbeitslohns sowie auf Abführung des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils an das Finanzamt (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004, IX ZR 39/03, Rn. 33, juris; kürzlich bestätigt durch Beschluss vom 22.10.2015, IX ZR 74/15, juris). Auch aus der von der Berufung angeführten Entscheidung des BFH ergibt sich nichts anderes, denn diese befasst sich allein mit einer Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO und der Frage, ob es sich bei der Abführung der geschuldeten Lohnsteuer um ein Bargeschäft i.S. von § 142 InsO handelt. Die hier interessierende Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) schließt der BFH ausdrücklich nicht aus (BFH, Beschluss vom 11. August 2005 – VII B 244/04 -, BFHE 210, 410, BStBl II 2006, 201, Rn. 14, juris). Aus diesem Grund sah der BFH keine Veranlassung, eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats herbeizuführen (a.a.O. Rn. 16). Eine solche ist auch heute nicht erforderlich.
3. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen war der Schuldner auch zahlungsunfähig. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (BGH, Urteil vom 21.01.2016, IX ZR 32/14, Rn. 11 f., juris). Das Landgericht hat zutreffend die Indizien einer Zahlungseinstellung herausgearbeitet:
a) Zum einen bestanden im fraglichen Zeitraum erhebliche Verbindlichkeiten bei der Berufsgenossenschaft (Anl. K 14) und der Gemeinde Eurasburg aus Gewerbesteuern (Anl. K 16), die bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichen wurden: Bereits dieser Umstand begründet regelmäßig ein Indiz für eine Zahlungseinstellung (BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 134/10, Rn. 15, juris Urteil vom 21.01.2016, IX ZR 32/14, Rn. 14, juris).
b) Zum anderen wurden insbesondere auch die Steuerverbindlichkeiten des Schuldners beim Beklagten nur schleppend und mit erzwungenen Zahlungen bedient. Auch daraus ist ein zusätzliches Indiz für eine Zahlungseinstellung herzuleiten. Der Schuldner hat infolge der ständigen verspäteten Begleichung auch seiner sonstigen Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte (s. dazu BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 134/10, Rn. 16, juris m.w.N.).
c) Schließlich war das Geschäftskonto des Schuldners durch dritte Gläubiger gepfändet, so dass dieser auch nur Barzahlungen an den Vollziehungsbeamten leisten konnte. Auch dieser Umstand zeigt, dass weitere Gläubiger vorhanden waren, deren Forderungen ohne Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr bedient wurden.
d) Diese Beweisanzeichen werden auch nicht dadurch entkräftet, dass erst knappe zwei Jahre nach den streitgegenständlichen Zahlungen gegen den Schuldner Fremdinsolvenzantrag gestellt wurde. Zum einen bestand für ihn als natürliche Person keine Verpflichtung, einen (Eigen-) Insolvenzantrag zu stellen (vgl. § 15a InsO), zum anderen zeigen die angemeldeten Forderungen der Gläubiger auch, dass nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung gegeben war.
e) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus diesen Indizien den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gezogen hat, ohne eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen. Eine solche wäre allenfalls auf Antrag des Beklagten gegenbeweislich anzufertigen gewesen (BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 134/10, Rn. 20, juris m.w.N; bestätigt in BGH, Beschluss vom 26.03.2015, IX ZR 134/13, Rn. 6, juris). Vorliegend hat jedoch der Beklagte keinen Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, sondern nur auf das entsprechende Beweisangebot der Klägerin hingewiesen (Klageerwiderung vom 03.05.2016, S. 7 = Bl. 27). In der Berufungsbegründung wird ebenfalls nur die Beweiswürdigung durch das Landgericht angegriffen, das nach Meinung des Beklagten aufgrund der erschütterten Indizien für eine Zahlungseinstellung ein Gutachten hätte erholen müssen (a.a.O S. 14 = Bl. 97). Da nur ein Beweisangebot der Klägerin vorlag, musste das Landgericht diesem nicht nachgehen, weil es die zu beweisende Tatsache (Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) bereits für erwiesen erachtete. Das konnte der Beklagte dem Hinweis des Landgerichts im Termin vom 03.06.2016 entnehmen, dass allein die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung fraglich seien und die Frage zu klären sei, ob Rechtshandlungen des Schuldners vorlägen (vgl. Sitzungsniederschrift vom 03.06.2016, S. 2 = Bl. 39). Entsprechendes gilt für den Hinweis auf die Entscheidungsreife im Termin vom 07.10.2016 (Sitzungsniederschrift v. 07.10.2016, S. 4 = Bl. 62).
4. Der Schuldner, dem seine finanziellen Verhältnisse bekannt waren, wusste, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen konnte, und handelte daher mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Einwand der Berufung, der Schuldner hätte, um der Vermutung nach der BGH-Rechtsprechung zu entgehen, sein Geld verstecken anstatt es in die Kasse einlegen sollen, geht fehl. Maßgebliche Rechtshandlung des Schuldners, war, wie o. herausgestellt, nicht etwa ein schlichtes Dulden der Zwangsvollstreckung, sondern die aktive Mitwirkung daran in Gestalt von Terminsabsprachen und rechtzeitiger Mittelbeschaffung.
5.
Der Beklagte hatte auch Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Kennen müssen (auch im Sinne grober Fahrlässigkeit) genügt hierfür nicht (BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 155/08, Rn. 21, juris; Uhlenbruck/Hirte/Ede, a.a.O., § 133 Rn. 51 m.w.N.), vielmehr ist positive Kenntnis von der vorsätzlichen Benachteiligung durch den Schuldner erforderlich. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (BGH, Urteil vom 13.08.2009, IX ZR 159/06, Rn. 8, juris, s. auch Uhlenbruck/Ede/Hirte, a.a.O., § 133 Rn. 60 f.). Der Beklagte wusste um die schleppende und nur erzwungene Bezahlung seiner Steuerforderungen. Ebenso wusste er, dass der gewerblich tätige Schuldner Zahlungen nur noch in bar erbringen konnte, also auf ein (Giro-) Konto nicht mehr zugreifen konnte. Da der Schuldner gewerblich tätig war, musste der Beklagte überdies davon ausgehen, dass noch weitere Gläubiger vorhanden waren, die nicht im gleichen Maße Vollstreckungsdruck aufbauen können und daher leer ausgehen müssen.
6. Der Beklagte war daher wie vom Landgericht ausgesprochen gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zur Rückgewähr der erhaltenen Zahlungen sowie gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 143 Abs. 1 S. 2 InsO zu deren Verzinsung zu verurteilen. Da die Forderung vor dem 05.04.2017 rechtshängig wurde, kommt es auf die Überleitungsvorschrift des Art. 103j Abs. 2 EGInsO nicht an.
Außerdem hat der Beklagte nach §§ 280 Abs. 2, 286 288 Abs. 1 BGB die außergerichtlichen Kosten der Klägerin nebst Zinsen zu tragen.
7.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert war nach §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO in Höhe der angegriffenen Verurteilung in der Hauptsache festzusetzen.
Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Der Rechtsstreit wurde anhand der bestehenden und gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden.