Insolvenzrecht

Zwangsvollstreckung gegen Kreditinstitut als Drittschuldner auf Herausgabe von Kontoauszügen eines gepfändeten Kontos

Aktenzeichen  52 T 165/20

Datum:
30.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2622
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 569 Abs. 2 S. 2, § 836 Abs. 3, § 840 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Umstand, dass eine anwaltlich beratene und vertretene Partei sich nicht zur zutreffenden Bezeichnung eines Rechtsmittels (hier: einer sofortigen Beschwerde) in der Lage sieht, steht der Wirksamkeit des eingelegten Rechtsmittels als solcher nicht entgegen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem Ansprüche des Schuldners gegen ein kontoführendes Kreditinstitut gepfändet werden, kann der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung gegen das Kreditinstitut nicht die Herausgabe von Kontoauszügen erwirken. (Rn. 10 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts … vom 19.12.2019, Az. 22 M 1494/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts … – Vollstreckungsgericht – vom 19.12.2019 wurde über den Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich des Erlasses eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Zurückweisung eines Ausspruchs der Anordnung, wonach ein Drittschuldner zur Herausgabe von Kontoauszügen an den Gerichtsvollzieher verpflichtet werden sollte, entschieden.
Hiergegen erhob die Gläubigerin als Beschwerdeführerin unter dem 20.01.2020 ein unbenanntes Rechtsmittel und begehrte unter anderem die Anordnung der entsprechenden Herausgabe.
Das Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – hat mit Beschluss vom 27.01.2020 der sofortigen Beschwerde unter Begründung seiner Nichtabhilfe durch Bezugnahme auf die vorherige Entscheidung und Darlegung der sachlich nicht einschlägigen Rechtsprechung in der Beschwerdebegründung nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 793 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und sowohl form- als auch fristgerecht (§ 793 i.V.m. § 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) eingelegt.
Der Umstand, dass eine anwaltlich beratene und vertretene Gläubigerin sich nicht zur zutreffenden Bezeichnung eines Rechtsmittels, hier demjenigen einer sofortigen Beschwerde, in der Lage sieht, steht der Wirksamkeit des eingelegten Rechtsmittels als solcher nicht entgegen.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Ergänzend zu den uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts … – Vollstreckungsgericht – im Beschluss vom 19.12.2019 sowie im Nichtabhilfebeschluss vom 27.01.2020, auf die angesichts des Fehlens substantiierter Einwendungen hiergegen Bezug genommen werden kann, sind nur noch folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
Es entspricht ganz allgemeiner Meinung, dass die Anordnung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur gegenüber dem Schuldner und nicht auch gegenüber dem Drittschuldner in titelgleicher Wirkung ergehen kann (vgl. statt vieler etwa nur Becker, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 836 Rn. 9; Kemper, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 836 Rn. 10: Smid, in: MK-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 836 Rn. 17). § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO dient insoweit einzig der Vorbereitung der Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber einem Drittschuldner, indem der Schuldner alle bei ihm vorhandenen Unterlagen herauszugeben hat (vgl. Herget, in: Zöller, 33. Aufl. 2020, § 836 Rn. 11, 13). Nur diesem gegenüber kann erforderlichenfalls die in § 836 Abs. 3 Satz 5 ZPO vorgesehene Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss heraus erfolgen (vgl. Riedel, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK-ZPO, 35. Edition, § 836 Rn. 15 ).
Gegenüber einem nicht zur freiwilligen Herausgabe von in seinem Besitz befindlichen Urkunden bereiten Drittschuldner kann der Gläubiger seinerseits – lediglich – Klage auf Herausgabe erheben (vgl. Herget, in: Zöller, 33. Aufl. 2020, § 836 Rn. 18). Es entfällt lediglich die Notwendigkeit einer vorherigen Überweisung des im Zuge des originären Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bereits vom Schuldner auf den Gläubiger übergegangenen Herausgabeanspruchs (vgl. BGH, Beschl. v. 25.03.2010 – VII ZB 11/08 -, juris, Rn. 20; OLG Hamm, Beschl. v. 29.09.1994 – 14 W 97/94 -, JurBüro 1995, 163). Erst das so gegen den Drittschuldner erlangte Urteil stellt dann den für die Vollstreckung gegen diesen notwendigen Titel dar.
In Ansehung der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung des § 840 Abs. 1 ZPO, wonach der Drittschuldner sodann seinerseits wiederum – nur – zur Erteilung einer – einfachen – Auskunft verpflichtet ist und keine weitergehende Herausgabe von Unterlagen, namentlich Urkunden, schuldet (vgl. Kemper, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 840 Rn. 7), ergibt sich nichts anderes. Neben den hiernach vom Drittschuldner beanspruchbaren Auskünften ist ein weitergehendes Rechtsschutzbedürfnis eines Vollstreckungsgläubigers auf „sofortige“ Herausgabevollstreckung etwaiger Unterlagen allein aus dem gegen den Schuldner gerichteten Titel, selbst zur Vermeidung unnötiger Drittschuldnerprozesse, hier auf Herausgabeerzwingung, weder von Gesetzes wegen anzuerkennen noch im Wege richterlicher Rechtsfortbildung, was die Beschwerdeführerin letztlich mit der von ihr angeführten „analogen“ Anwendung entsprechender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage, ob und inwieweit der Schuldner über § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Herausgabe bei ihm befindlicher Kontoauszüge verpflichtet ist, zu verfolgen scheint, angezeigt.
III.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 793 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 ZPO ist nicht geboten. Die vorliegende Rechtsfrage ist aufgrund des eindeutigen und einhelligen Meinungsstandes in der Literatur sowie der klaren Rechtsprechung weder von grundsätzlicher Bedeutung noch bedarf es insoweit einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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