IT- und Medienrecht

Abgasskandal und grobe Fahrlässigkeit

Aktenzeichen  44 O 399/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3483
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3, § 287
BGB § 31, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 249 Abs. 1, § 291, § 826
EU-VO 715/2007/EG Art. 5 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das Inverkehrbringen eines Motors mit einer unzulässigen Abschaltautomatik stellt eine konkludente Täuschung des Käufers durch den Hersteller dar. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verhalten ist sittenwidrig, weil es vor allem dazu dient, teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es kommt zu der Rückabwicklung eines Kaufvertrages, wenn ein Fahrzeugerwerber, der infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist. (Rn. 17 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Klagepartei bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt hat. (Rn. 42 – 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.984,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.03.2019 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges … … mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.20128.03.2019 zu bezahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 42/100 und der Beklagte 58/100 zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 22.01.2020 auf 18.990,00 € festgesetzt, ab 23.01.2020 auf 13.842,48 €.
Gründe
Die Klagepartei hat zunächst im Klageschriftsatz die anzurechnende Nutzungsentschädigung nicht beziffert, so dass der Kaufpreis gemäß § 3 ZPO als Streitwert anzusetzen war. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.01.2020 hat die Klagepartei die Nutzungsentschädigung jedoch auf 5.147,52 € beziffert, so dass sich der Streitwert um diesen Betrag minderte, vgl. OLG Bamberg, B. vom 03.07.2019 – 4 W 46/19).

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 12.984,85 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB. Weiter besteht ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Zahlung von Verzugsszinsen auf die Hauptforderung sowie auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
I.
Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung aus §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte hat der Klägerpartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
1. Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte dar (vgl. Auch OLG München 18 U 3363/19 m.w.N.). Mit dem Inverkehrbringen des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf. Obwohl die Hersteller teilweise bereits das Vorliegen eines Mangels bestreiten und die Abschaltvorrichtungen teilweise als „Motorenschutzmaßnahmen“ etc. beschönigen, ist an der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen spätestens seit dem am 15.10.2015 vom KBA gegenüber der … AG angeordneten Rückrufaktion (abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/VW/vw_inhalt.html?nn=1633522) der betroffenen Fahrzeuge mit EA 189-Motoren nicht mehr an der Unzulässigkeit der verbauten Einrichtungen zu zweifeln. Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren entgegen dem konkludenten Erklärungswert des Inverkehrbringens gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typengenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.
2. Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Es muss eine besondere Verwerflichkeit vorliegen, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH VI ZR 124/12 Rn. 8 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (siehe zum Ganzen statt vieler LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az. 3 O 139/16, VuR 2017, 111). Dabei ergibt sich hier die besondere Verwerflichkeit bereits aus dem Ausmaß der Täuschung, nämlich dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, so dass sich eine entsprechend hohe Zahl getäuschter Verkäufer ergibt (vgl. OLG München 18 U 3363/19). Aber auch die Art und Weise der Täuschung sowie die aus der Täuschung folgenden Konsequenzen geben der Täuschung durch die Beklagte das erforderliche sittenwidrige Gepräge: Durch die Täuschung der Typengenehmigungsbehörde hat sich die Beklagte das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Den Käufern droht zudem ein erheblicher Schaden in Form der Stilllegung ihres erworbenen Fahrzeugs. Das von der Beklagten angebotene Softwareupdate kann hieran nichts ändern, da es für die Schädigungshandlung und den Vorsatz auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ankommt.
3. Der Klagepartei ist nach Überzeugung der Kammer durch die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit ein kausaler Schaden entstanden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der streitgegenständliche Pkw durch die in dem Motor verbaute Umschaltlogik einen geringeren Marktwert hatte oder seine Nutzbarkeit eingeschränkt war. Entscheidend ist allein, dass der Geschädigte durch das deliktische Verhalten der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wurde, den er sonst nicht abgeschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH VI ZR 15/14, BGH NJW 2004, 2668).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen  Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klagepartei hier, infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht der Kammer waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Jedenfalls lässt sich nach Überzeugung der Kammer keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsbegründende Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat.
Die Kausalität wird im übrigen nicht dadurch unterbrochen, das die Klagepartei das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat. Denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die von der Beklagten verübte Täuschungshandlung wirkt fort, da die Angaben der Fahrzeughändler auf dem durch die Herstellerangaben lediglich weitergibt (vgl. OLG München 18 U 3363/19).
4. Die Beklagte handelte dabei auch mit Schädigungsvorsatz und Kenntnis aller Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben zunächst die unzulässige Software aufgespielt und in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehenden Täuschungshandlung sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin sowie Herstellerin des Motors die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klagepartei eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat.
Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über § 31 BGB. Dieser setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ ist dabei weit auszulegen. Dies sind auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist, oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt, da die juristische Person nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (sog. Repräsentantenhaftung, vgl. BGH VI ZR 536/15, BGH VII ZR 82/65). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich im Wesentlichen mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechts (vgl. Palandt-Ellenberger BGB § 31 Rn 6).
Es bedarf dabei nach der Überzeugung der Kammer keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
Die Klagepartei behauptet, die Beklagte habe mit Schädigungsvorsatz gehandelt und die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt. Sie führt insoweit aus, der Vorstand der Beklagten in den Jahren 2002-2007, Herr Dr. W., sei auch leitender Entwicklungschef bei der … AG gewesene und in dieser Position verantwortlich für die Entwicklung der „Betrugssoftware“. Der Motorenentwicklungschef bei der Beklagten, Herr H., sei gleichzeitig Chef der Motorenentwicklung bei der Firma … gewesen. Die Firma … GmbH sei im Jahr 2004 von Herrn Dr. W. beauftragt worden, das Motorsteuergerät … zu entwickeln, welches später unter Führung von Herrn Dr. W. zusammen mit der Firma … GmbH weiter entwickelt worden sei. Die Fahrzeuge der Beklagten und der Firma … AG würden in Plattform-Bauweise hergestellt, es gebe noch weitere Überkreuzregelungen in den Vorständen der beiden Firmen. Der von der Klagepartei benannte Zeuge S. W. sei an der Entwicklung von optimierten Verbrennungssystemen beteiligt gewesen, die über einen kurzen und gewissen Zeitraum die Stickstoffdioxidwerte herunterbrechen. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Heilbronn sei ein Gesprächsprotokoll zwischen dem Chef der Dieselmotorenentwicklung der Beklagten bis November 2015, Herrn U. W., und Herrn R. S. vorgelegt worden, aus dem hervorgehe, dass den Vorstandsmitgliedern der Beklagten schon Jahre vor Bekanntwerden des „Dieselskandals“ Hinweise auf Unstimmigkeiten bei den Abgaswerten von Dieselmotoren vorlagen. Der Vorstand habe jedoch nichts unternommen.
Die Beklagte wendet ein, die Klagepartei habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen wären, mit Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gehandelt hätten. Die Klagepartei habe nicht dargelegt, dass ein Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne der Beklagten im Kaufvertragszeitpunkt Kenntnis von der Software hatte und einen endkundenbezogenen Schädigungsvorsatz aufwies. Die Beklagte zieht sich darauf zurück, sie habe den in dem streitgegentsändlichen Fahrzeug verbauten Motor nicht entwickelt.
Der Vortrag des Klägers ist nach alledem als hinreichend substantiiert anzusehen, während die beklagte ihrer dadurch ausgelösten sekundären Darlegungslast nicht genügt hat. Die Klagepartei steht außerhalb des maßgeblichen Geschehnsablaufs und hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auch namentlich, vorgetragen. Hier genügt ein schlichtes Bestreiten der Beklagten nicht mehr. Die Beklagte hätte zumindest die Behauptungen der Klagepartei erschüttern müssen, indem sie z.B. andere Abläufe und Verantwortlichkeiten aufzeigte. Dies hat sie nicht getan.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.
Nach alledem gilt der Klägervortrag als zugestanden im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO.
5. Die Klagepartei hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Anrechnung von Gebrauchsvorteilen im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB.
6. Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klagepartei den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen, welche sie auch bereits selbst in ihrem zuletzt gestellten Klageantrag berücksichtigte. Allerdings hat sie den Nutzungsersatz im Termin nicht korrekt berechnet.
Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zug-um-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall auf 6.005,15 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt die Kammer dabei nach folgender Formel vor:
Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km) : Restleistung bei Vertragsschluss (km)
Da die Klagepartei das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 10 erworben hat, hat sie bei einem Kilometerstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 94.875 Nutzungsentschädigung für 94.865 gefahrene Kilometer zu leisten. Dies ergibt sich nach gerichtlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO.
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15).
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 18.990 € (Kaufpreis) x 94.865 (gefahrene km) : 299.990 (Restlaufzeit bei Kauf) = 6.005,15 €.
Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klagepartei in Höhe von 18.990,00 € – 6.005,15 € = 12.984,85 €.
7. Die Forderung war entgegen des Antrags der Klagepartei nicht bereits ab 21.12.2018 zu verzinsen, sondern gemäß § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit. Die Voraussetzungen des Verzugs nach §§ 286, 288 BGB lagen zum Zeitpunkt des 22.12.2018 nämlich noch nicht vor.
Gemäß § 286 Abs 1 BGB gerät der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach Fälligkeit erfolgt, in Verzug. Das außergerichtliche Schreiben vom 17.12.2018 (Anlage K10) konnte die Beklagte jedoch nicht wirksam in Verzug setzen. Da die Klagepartei weder eine Nutzungsentschädigung berechnet hat, die sie sich gegen Zahlung des Kaufpreises abziehen lassen wollte, noch die Grundlagen einer möglichen Berechnung durch die Beklagte (aktuellen Kilometerstand) mitteilte, konnte das Schreiben keine wirksame Mahnung darstellen. Die Forderung eines zu hohen Betrags ist nämlich nur dann eine wirksame Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Einzelfalls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist. Weitere Voraussetzung für den Verzug ist, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann (vgl. Pal § 286 BGB Rn 20 unter Verweis auf BGH NJW 06, 3271). Beides ist hier nicht der Fall.
8. Die Klagepartei konnte keine 4%ige Verzinsung der (zugesprochenen) Klageforderung verlangen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 849 BGB liegen nicht vor. Dieser billigt dem Geschädigten Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen Sache zu. Die Vorschrift enthält jedoch keinen allgemeinen Rechtssatz, dass deliktische Schadensersatzansprüche immer von ihrer Entstehung an zu verzinsen sind, sondern will den endgültig verbleibenden Verlust der Nutzbarkeit einer weggegebenen Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann, vgl. BGH NJW 1983, 1614. Dem Kläger ist jedoch durch die unerlaubte Handlung der Beklagten kein Verlust an Nutzbarkeit entstanden, der nicht anderweitig ausgeglichen werden könnte. Der Kläger hat im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug erhalten mit der Möglichkeit, den Pkw jederzeit nutzen zu können (vgl. OLG München 18 U 3363/19).
9. Der klägerische Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt die regelmäßige Drei-Jahres-Frist nach § 195 BGB. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Beklagte ist dabei für die maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Der streitgegenständliche Anspruch ist bereits mit Kaufvertragsschluss, spätestens jedoch mit Verjährung der kaufvertraglichen Mängelrechte entstanden. Allerdings hat die Klagepartei zur Überzeugung des Gerichts bis Ende des Jahres 2015 weder von allen anspruchsbegründenen Umständen Kenntnis erlangt, noch ist ihm insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen.
a) Die Klagepartei hatte von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Abgasskandal, im Jahr 2015 noch keine positive Kenntnis erlangt.
Nach der Rechtsprechung des BGH liegt die nach § 199 I Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).
Zunächst beruht die Behauptung der Beklagten, die Klagepartei habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, lediglich auf der Mutmaßung der Beklagten, dass durch öffentliche Bekanntmachungen, öffentliche Berichterstattung und die Schaffung einer eine Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte im Jahr 2015 der Abgasskandal allgemein bekannt gewesen sei und deshalb auch der Klagepartei nicht verborgen geblieben sein könne. Dieser Sachvortrag lässt jedoch jeden individuellen Bezug zur Klagepartei vermissen. Insbesondere hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer des klägerischen Fahrzeugs im Jahr 2015 in die Suchmaske der zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit vom Abgasskandal geschalteten Website eingetragen und eine Abfrage gestartet worden sei. Nicht einmal allgemein trägt die Beklagte vor, wie viel Prozent der betroffenen Fahrzeugidentifikationsnummern im Jahr 2015 überhaupt tatsächlich bereits auf der Homepage überprüft wurden, wie stark die Homepage also zu diesem frühen Zeitpunkt des Skandals von den getäuschten Fahrzeugeigentümern angenommen wurde. Eine andere Erkenntnismöglichkeit der Klagepartei von der individuellen Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2015 trägt die Beklagte auch nicht vor. Ihr Behauptung, der Kläger habe Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik gehabt, dürfte bereits vor diesem Hintergrund als Äußerung „ins Blaue hinein“ unbeachtlich sein.
Jedenfalls ist das Gericht aber aufgrund der informatorischen Anhörung der Klagepartei zu der Überzeugung gelangt, dass diese im Jahr 2015 keine positive Kenntnis davon hatte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Die Klagepartei hat – für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend – dargestellt, dass sie sich dunkel erinnere, dass in den Medien von verschiedenen betroffenen Fahrzeugtypen die Rede gewesen sei. Sie habe daraufhin sogar in den Fahrzeugschein gesehen, habe aber die dort verzeichneten Daten nicht deuten können. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom März 2017, dass ein Softwareupdate vorgenommen werden müsse, habe sie von der Betroffenheit ihres Pkw erfahren. Sie habe nicht gewusst, dass sie durch Eingabe ihrer FIN im Internet die Betroffenheit hätte ermitteln können.
Das Gericht hält es für nachvollziehbar, dass ein Fahrzeugeigentümer zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015, also innerhalb eines Zeitraums von gerade einmal 106 Tagen zum Jahresende hin, nicht so genau der allgemeinen Medienberichterstattung folgt.
b) Die Klagepartei musste von den anspruchsbegründenden Umständen auch im Jahr 2015 noch nicht ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen.
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die oben genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187). Der Gläubiger ist zwar nicht gehalten, umfängliche
Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen, aber es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint. Dabei sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten: Im Vertragsrecht können von einem Vertragspartner regelmäßig weitergehende Nachforschungen erwartet werden als von dem Geschädigten im Deliktsrecht, auch ist die Nachforschungsobliegenheit eines Unternehmers weitergehender als jene eines Verbrauchers. Eine generelle Obliegenheit des Gläubigers, Presseveröffentlichungen zu verfolgen, besteht dabei nicht (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 31 m.w.N.).
Vorliegend hätte die Klagepartei also, um noch im Jahr 2015 eine schlüssige Klage erheben zu können, zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015 die Presseberichterstattung so umfassend verfolgen müssen, dass sie zumindest die folgenden Punkte erfahren hätte: 1. Es gibt einen Abgasskandal. 2. Der streitgegenständliche Fahrzeughersteller ist betroffen. 3. Der streitgegenständliche Motortyp ist betroffen. 4. Die individuelle Betroffenheit kann (ausschließlich) über eine Homepage des Herstellers abgeprüft werden. 5. Laut Hersteller ist das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen. 6. Mitarbeiter des Herstellers haben die Software absichtlich programmiert. 7. Dies ist dem Hersteller zuzurechnen. 8. Zweck der Software war eine Kostensenkung zulasten eines erhöhten Schadstoffausstoßes (sittenwidriges Gepräge).
Dazu, dass auch die zuletzt genannten Punkte durch sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung bereits im Jahr 2015 für die Klagepartei erkennbar gewesen wären, hat die Beklagte schon nicht hinreichend substanziiert vorgetragen. Während mit Blick auf die Zurechnung nach § 31 mittlerweile eine Vielzahl von Anknüpfungstatsachen durch Parallelverfahren bekannt ist, war dies im Jahr 2015 noch nicht so, so dass damals für eine schlüssige Klage ein weiteregehender Sachvortrag zu fordern war, als dies heute der Fall ist. Dies wäre allenfalls durch Kombination verschiedenster Pressequellen im Jahr 2015 möglich gewesen. Ein derart sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung stellte aber jedenfalls keine Obliegenheit der Klagepartei dar. Die Klagepartei ist Verbraucher, die Beklagte vorsätzlich handelnder deliktischer Schädiger. Einem Verbraucher ist schlicht nicht zuzumuten, Skandale eines jeden Herstellers zu verfolgen, dessen Produkte er jemals erworben hat. Auch muss ein Verbraucher schlicht aufgrund des öffentlich bekannten Bestehens eines solchen Skandals noch nicht davon ausgehen, dass ihn der Hersteller absichtlich geschädigt hat, folglich muss er die Berichterstattung auch nicht mit Blick hierauf gezielt verfolgen. Diese Situation ist auch nicht vergleichbar mit Fällen, in denen das Fahrzeug erst in den Jahren nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben wurde, da man sich beim Neuerwerb eines Pkws üblicherweise deutlich umfassender informiert, als bei Skandalen zu Herstellern, deren Produkt man bereits erworben hat. Mit Blick auf den Fahrlässigkeitsvorwurf ist auch äußerst fraglich, ob von der Klagepartei überhaupt erwartetet werden konnte, die Homepage der Beklagten als Informationsquelle zu nutzten. Zu beachten ist dabei, dass hier nicht etwa eine Information von einem (selbst gewählten) Vertragspartner abzufragen war, sondern vielmehr dem Geschädigten zugemutet wurde, sich an den Hersteller, der sie getäuscht und vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, zu wenden und sich auf dessen Angeben zu verlassen. Eine dahingehende Obliegenheit scheint unbillig. Eine andere Quelle zur individuellen Betroffenheit gab es aber nicht, insbesondere hatte das Kraftfahrtbundesamt auf seiner Homepage im Jahr 2015 noch keinen Rückruf für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp veröffentlicht und die Fahrzeughalter auch noch nicht angeschrieben. Vor diesem Hintergrund erscheint es keinesfalls unverständlich, dass die Klagepartei im Jahr 2015 die Berichterstattung noch nicht hinreichend verfolgt hat, um alle anspruchsbegründenen Umstände zur Kenntnis zu nehmen, sofern dies im Jahr 2015 überhaupt schon möglich war.
Zur Überzeugung des Gerichts ist es nicht als grob fahrlässig anzusehen, dass vorliegend die Klagepartei zwar allgemein auf das Thema Abgasskandal aufmerksam wurde, jedoch nicht von sich aus weiter forschte, ob hiervon auch ihr Fahrzeug betroffen war bzw. dass eine diesbezügliche Abfragemöglichkeit auf der Website der Beklagten bestand. Die Presseberichterstattung ist voll von Skandalthemen wie beispielsweise Bad Banks, Umweltverschmutzung oder Lebensmittelskandalen, die oft negative Auswirkungen für den Einzelnen haben, aber meist zumindest nicht sofort dazu führen, dass der einzelne Verbraucher beginnt und auch nicht beginnen muss, sich über seine individuelle Betroffenheit aktiv zu informieren.
II.
Soweit die Klägerin die Feststellung des Annahmeverzugs begehrte, war die Klage abzuweisen.
Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die Leistung dem Schuldner so anbietet, wie sie zu bewirken ist, § 294 BGB. Es muss so vorgenommen werden, dass der Gläubiger nichts weiter zu tun braucht, als zuzugreifen und die Leistung anzunehmen (vgl. MüKo-Ernst BGB, 8.A. § 294 Rn 2 unter Verweis auf BGH NJW 1984, 1679).
Die Klägerin hat jedoch mit dem Schreiben ihrer Anwälte vom 17.12.2018 (Anlage K10) ihr Fahrzeug nicht in der oben beschriebenen Weise angeboten. Denn sie hat ihr Fahrzeug zwar gegen „Zahlung einer Nutzungsentschädigung“ angeboten. Diese war jedoch für die Beklagte in keiner Weise berechenbar, da die Klägerin in dem genannten Schreiben die bis dato gefahrenen Kilometer nicht benannte. Damit entsprach das Angebot der Klägerin nicht der tatsächlich geschuldeten Leistung. Zwar hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung den Antrag dahin gehend umgestellt, dass sie sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.147,52 € anrechnen lassen wollte. Dies kann jedoch nachträglich bereits dem Grunde nach keinen Verzug der Beklagten zum 17.12.2018 mehr begründen. Zudem war die klägerseits berechnete Nutzungsentschädigung auch im Termin zur mündlichen Verhandlung noch um 857,63 € und damit deutlich überhöht. Bei einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung tritt aber bezüglich der Gegenleistung Annahmeverzug nicht ein, wenn der Gläubiger eine deutlich zu hohe Leistung fordert (BGH VIII ZR 275/04). Es wäre unbillig, die unter Umständen weitreichenden Folgen des Annahmeverzugs dem Gläubiger aufzubürden, wenn der Schuldner seinerseits nicht bereit ist, die ihm selbst gegen Erhalt der ihm zustehenden Leistung nicht bereit erklärt.
III.
Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als 1,3 Geschäftsgebühren aus der ausgeurteilten Klagesumme geltend gemacht wurden. Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Allerdings war hier zu berücksichtigen, dass die Klagepartei ein erhebliches Zuviel an deliktischen Zinsen seit dem Kaufzeitpunkt gefordert hatte und insoweit unterlegen ist. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und verschiedener Obergerichte (vgl. z. B. BGH VIII ZR 222/59, BGH NJW 1988, 2173, BGH III ZR 143/12, OLG Koblenz 5 U 52/08 und KG 8 U 258/11), sowie einschlägiger Kommentierungen zu § 92 ZPO (z. B. Zöller ZPO, 32. Aufl. § 92 Rz. 11) war hier ein fiktiver Streitwert unter Hinzurechnung des geltend gemachten Zinsbetrags für den Zeitraum ab Kauf bis zum Eintritt des Verzugszinsanspruchs zu bilden, und die Kosten waren im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens auch in Ansehung der Zuvielforderung an Deliktszinsen zu verteilen.
Dies ergibt einen nur für die Kostenentscheidung zu berücksichtigenden fiktiven Streitwert von 22.421,37 EUR. Insoweit obsiegt die Klagepartei lediglich in Höhe von 12.984,85 EUR, denn sie verlor in Höhe der Nutzungsentschädigung und des deliktischen Zinsanspruchs. Die Beklagte hingegen gewann in Höhe der zuviel verlangen Deliktszinsen, der Nutzungsentschädigung, soweit sie 5.147,52 EUR überstieg, sowie auch in Höhe der Nutzungsentschädigung, welche sich die Klagepartei erst im letzten Antrag beziffert anrechnen lassen wollte, da insoweit eine konkludente Klagerücknahme der Klagepartei vorlag, die bis zur mündlichen Verhandlung die Nutzungsentschädigung nicht beziffert hat. Dies ergibt aus dem fiktiven Streitwert eine Kostenquote der Klagepartei in Höhe von 42 %, für die Beklagte ergibt sich eine Kostenquote von 58 %. 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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