Aktenzeichen 32 O 208/18
StGB § 263
ZPO § 138 Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz
1. Derjenige, der die Existenz eines ihn in sittenwidriger Weise schädigenden Handelns behauptet und deshalb einen Schadensersatzanspruch auf deliktischer Anspruchsgrundlage geltend macht, trägt grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern (sekundäre Darlegungslast). (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Kläger keine genauere Kenntnis der Organisationsabläufe und Organisationsstrukturen und keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten, kann grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast der Beklagtenseite entstehen, allerdings erst dann, wenn der Kläger ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass die von ihm behaupteten Verhaltensweisen von Vorstandsmitgliedern oder Organen der Betroffenen vorgelegen haben. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ganz pauschale Vermutungen unter Bezugnahme auf nicht näher erörterte Presseartikel genügen nicht, um von ausreichenden Anhaltspunkten für das behauptete arglistige Verhalten oder eine bestimmte Kenntnis von Vorstandsmitgliedern oder Organen der gegnerischen Partei auszugehen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 27.085,60 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Klage unbegründet.
Der Kläger kann die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB bzw. aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB in Verbindung mit § 263 StGB nicht nachweisen.
Der Kläger, der die Existenz eines ihn in sittenwidriger Weise schädigenden Handelns der Beklagten behauptet und deshalb einen Schadensersatzanspruch auf deliktischer Anspruchsgrundlage geltend macht, trägt grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, aus denen sich sein Anspruch herleitet (vgl. etwa BGH, NJW 2000, 2669, 2672). Stützt er sich auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er prinzipiell alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (Senat, BGHZ 100, 190 = NJW 1987, 2008 m.w.N.; NJW-RR 2011, 1661 = VersR 2011, 1276 Rn. 13; NJW 2002, 1123 = NZG 2002, 289 = VersR 2002, 321; NJW 1999, 714 = VersR 1999, 774). In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Absatz 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substanziiert zu äußern.
Die Annahme einer solchen sekundären Darlegungslast setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus; dass eine nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGHZ 100, 190 = NJW 1987, 2008; BGHZ 140, 156 = NJW 1999, 579; BGHZ 144, 343 = NJW 2000, 2669; BGH, DStRE 2013, 702 Rn. 16; NJW-RR 2013, 536 Rn. 13). Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast, ist es wiederum Sache des Anspruchstellers, die für seine Behauptung sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers dagegen nach § 138 III ZPO als zugestanden (stRspr; vgl. nur BGH, NJW 2014 3033 = GRUR 2014, 578 = WRP 2014, 697 Rn. 14; BGH, GRUR 2016, 836 = NJOZ 2016, 1798 = WRP 2016, 985 Rn. 111). In diesem Fall muss der Anspruchsteller seine Behauptung nicht beweisen (BGH, NJW 2018, 2412).
Bei Zugrundelegung dieser Kriterien genügt der Sachvortrag des Klägers nicht, um eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten auszulösen. Die Haftung einer juristischen Person nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2, 31 DGB, 263 StGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15). Es obliegt nach dem Vorstehenden zunächst dem Kläger, die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnormen darzulegen und zu beweisen. Der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers ist pauschal gehalten und beschränkt sich im Wesentlichen auf Vermutungen. Es wird allgemein vorgetragen, dass der frühere Vorstandsvorsitzende … 13 Kenntnis gehabt haben müsste bzw. der Vorstand insgesamt. Der damalige Leiter der Aggregatentwicklung der Marke … sei bereits im Jahr 2011 eingeweiht worden (was bezüglich des vom Kläger im Jahr 2010 abgeschlossenen Kaufvertrages irrelevant wäre), der Ex-Entwicklungschef … als ehemaliges Vorstandsmitglied der Beklagten sei in die Manipulation seit 2006 eingeweiht gewesen, ohne dass näher behauptet wird, worauf diese Kenntnis beruhen oder wie weitreichend sie gewesen sein soll. Als Beweismittel werden nur einige Zeitungsberichte angeführt.
Dieser Sachvortrag ist nicht hinreichend substantiiert, um eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Zwar weist der Kläger zurecht darauf hin, dass er keine genauere Kenntnis der Organisationsabläufe und Organisationsstrukturen und keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten haben kann und insoweit auf Veröffentlichungen in Medien und Rückschlüsse sowie Vermutungen angewiesen ist. Ebenfalls zutreffend führt er aus, dass in einer derartigen Situation grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast der Beklagtenseite entstehen kann. Allerdings entsteht diese sekundäre Darlegungslast der Beklagtenseite erst dann, wenn der Kläger ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass die von ihm behaupteten Verhaltensweisen von Vorstandsmitgliedern oder Organen der Betroffenen vorgelegen haben. Ganz pauschale Vermutungen unter Bezugnahme auf nicht näher erörterte Presseartikel genügen jedoch nicht, um von ausreichenden Anhaltspunkten für das behauptete argliste Verhalten oder eine bestimmte Kenntnis von Vorstandsmitgliedern oder Organen der Beklagten auszugehen.
Die Beklagtenseite hat den Sachvortrag des Klägers substantiiert bestritten. Abgesehen von einigen Presseartikeln hat der Kläger keine Beweise für seine Behauptungen angeboten bzw. anbieten können. Da bloße Presseberichte nicht eine Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der klägerischen Behauptungen zu begründen vermögen, war die Inaugenscheinnahme dieser Bericht entbehrlich.
Insgesamt bleibt der Kläger für seine Behauptungen beweisfällig. Die Klage war daher abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3 ZPO, 39, 40 GKG.
Verkündet am 07.01.2019