Aktenzeichen 2 BvR 1762/10
§ 32 Abs 1 BVerfGG
§ 66 StGB
Verfahrensgang
vorgehend OLG Nürnberg, 7. Juli 2010, Az: 1 Ws 342/10, Beschlussvorgehend LG Regensburg, 4. Juni 2010, Az: StVK 209/1994, Beschlussnachgehend BVerfG, 17. April 2012, Az: 2 BvR 1762/10, Stattgebender Kammerbeschluss
Gründe
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1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig
regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten
ist. Auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. BVerfGE
66, 39 ; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen
werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein
als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht
hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber
Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der
Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 87, 334 ; 89, 109 ; stRspr).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Die aufgeworfenen Rechtsfragen
werden im Hauptsacheverfahren zu klären sein.
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3. Die danach gebotene Folgenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Erginge die
einstweilige Anordnung nicht, hätte aber die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, so entstünde dem Beschwerdeführer in der
Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher
Freiheit. Wenn die einstweilige Anordnung erginge und der Verfassungsbeschwerde später der Erfolg zu versagen wäre, entstünden
ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat auf der Grundlage eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens
nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (Vergewaltigungen) habe und deshalb
im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch
oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse
der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.