Aktenzeichen Au 1 K 18.1329
VwGO § 42 Abs. 1
Leitsatz
1 Ein öffentliches Interesse an der Namenskontinuität ist dem Personenstandsrecht auch in Bezug auf den Vornamen zu entnehmen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine seelische Belastung kann nur dann als “wichtiger Grund” für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Änderung bzw. Streichung seiner Vornamen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Gegenstand der als Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO) zulässigen Klage ist die vom Kläger begehrte Änderung seines Vornamens „…“ in „…“.
2. Die Klage ist unbegründet.
Eine Namensänderung kommt nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 11 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG) i.V.m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Eine Vornamensänderung liegt nicht nur bei Auswechslung eines Vornamens, sondern auch bei Hinzufügung oder – wie hier – Streichung eines oder mehrerer Vornamen vor (BVerwG, B.v. 24.3.1981 – 7 B 44/81 – juris Rn. 3).
Der Begriff des „wichtigen Grundes“ ist im Gesetz nicht näher definiert. Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sodass die Entscheidung der Behörde, ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 3 Abs. 1 NamÄndG vorliegt, in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.5.2017 – W 6 K 17.4 – juris Rn. 26).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein wichtiger Grund gegeben, wenn im Rahmen einer Abwägung die schutzwürdigen Interessen des Namensträgers an der Namensänderung die gegenläufigen Interessen an der Beibehaltung des Namens, zu denen insbesondere die Ordnungsfunktion gehört, überwiegen. Daraus folgt, dass ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 3, 11 NamÄndG ein besonderes, die persönliche Situation des Namensträgers prägendes Interesse verlangt, das den allgemeinen gesetzlichen Wertungen des familienrechtlichen Namensrechts nicht zuwiderläuft (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 3.2.2017 – 6 B 50/16 – juris Rn. 6; vgl. auch Nrn. 28, 29ff., 62 NamÄndVwV).
Soll – wie hier – ein Vorname geändert werden, ist zwar im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der in weitergehendem Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient (BVerwG, U.v. 26.03.2003 – 6 C 26.02 – juris Rn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.7.2017 – OVG 5 N 19.15 – juris Rn. 10). Das öffentliche Interesse tritt noch weiter zurück, wenn die Änderung – unter Aufrechterhaltung des ersten Vornamens – lediglich die weiteren Vornamen betrifft (OVG NRW, U.v. 31.5.2016 – 16 A 754/14 – juris Rn. 50f. m.w.N.). Dennoch hat auch die Änderung des Vornamens Ausnahmecharakter. Ein öffentliches Interesse an der Namenskontinuität ist dem Personenstandsrecht auch in Bezug auf den Vornamen zu entnehmen. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 des Personenstandgesetzes (PStG) sind die Vornamen in das Geburtenbuch einzutragen. Mit der Eintragung ist der Vorname grundsätzlich unabänderlich geworden und kann nur nach Maßgabe des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrechts geändert werden (vgl. BVerwG, a.a.O. – juris Rn. 14). Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, keine freie Abänderung des Vornamens zuzulassen, wird bestätigt durch die im November 2018 in Kraft getretene Regelung des § 45a Abs. 1 PStG, wonach die Reihenfolge der Vornamen nunmehr durch Erklärung des Vornamenträgers gegenüber dem Standesamt neu bestimmt werden kann (Satz 1), eine Änderung der Schreibweise der Vornamen sowie das Hinzufügen oder Weglassen von Vornamen dabei jedoch ausdrücklich nicht zulässig ist (Satz 2).
Unter Berücksichtigung des – wenngleich als gering einzustufenden – öffentlichen Interesses an der Vornamenskontinuität sowie der gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Führung der Vornamen der freien Disposition zu entziehen, bedarf es somit letztendlich eines schutzwürdigen Interesses an der Namensänderung, welches so wesentlich ist, dass die in der Regel für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Belange der Allgemeinheit dahinter zurücktreten müssen (OVG NRW, U.v. 31.5.2016 – 16 A 754/14 – juris Rn. 52f. m.w.N.).
3. Ausgehend von diesen Maßstäben sind die vom Kläger vorgebrachten Gründe für die Vornamensänderung nicht als hinreichend gewichtig im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG anzusehen. Im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Vornamens und den Ausnahmecharakter der Namensänderung, ist ein überwiegendes persönliches Interesse des Klägers an der Namensänderung nicht feststellbar.
Das Vorbringen des Klägers zur begehrten Vornamensänderung lässt sich im Wesentlichen unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen. Zunächst beruft sich der Kläger auf den Umstand, dass er seinen zweiten und dritten Vornamen praktisch nie geführt habe und sich daher nicht mit diesen Namen identifizieren könne (dazu unter a). Weiter macht er eine seelische Belastung aufgrund der Nennung nach seinen beiden Großvätern, welche NSDAP-Mitglieder gewesen seien, geltend (dazu unter b). Schließlich bringt der Kläger verschiedene Beeinträchtigungen im Alltag vor, welche sich aus der Pflicht zur Angabe sämtlicher Vornamen ergeben (dazu unter c).
a) Zunächst vermag der Kläger mit seiner Argumentation, er habe die beiden Vornamen „…“ und „…“ nie verwendet, sodass ihm jegliche Identifikation mit diesen Namen fehle und durch die begehrte Änderung gerade dem Grundsatz der Namenskontinuität Rechnung getragen werde, nicht durchzudringen.
Es besteht nämlich kein öffentliches Interesse daran, den personenstandsrechtlich eingetragenen Namen der tatsächlichen Namensführung anzupassen, sondern es liegt vielmehr im Interesse der Öffentlichkeit, dass grundsätzlich nur der eingetragene und nicht ein unzulässiger Vorname geführt wird (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.7.2017 – OVG 5 N 19.15 – juris Rn. 11). Ansonsten hätte es der Betroffene gewissermaßen selbst in der Hand, durch jahrelange tatsächliche Namensführung einen Grund für die Namensänderung herbeizuführen. Hinzu kommt, dass das deutsche Namensrecht keine starre Namensführungspflicht kennt, sodass es dem Kläger unbenommen ist, im Alltag ebenso wie in weiten Bereichen des Rechtsverkehrs lediglich seinen ersten Vornamen als Rufnamen zu verwenden (BVerfG, U.v. 5.5.2009 – 1 BvR 1155/03 – juris Rn. 42; OVG NRW, U.v. 31.5.2016 – 16 A 754/14 – juris Rn. 54).
b) Weiter trägt der Kläger vor, er sei durch die Namensgebung als Gedenken an seine Großväter – beide ehemals Mitglieder der NSDAP – einer seelischen Belastung ausgesetzt.
Zwar kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG vorliegen, wenn die Namensänderung dazu beiträgt, den Betroffenen von einer seelischen Belastung zu befreien, die seiner Persönlichkeitsentwicklung hinderlich ist und der Betroffene bei objektiver Betrachtung Grund zu der Empfindung hat, der von ihm ungeliebte Name hafte ihm als Bürde an (vgl. VGH BW, U.v. 25.9.1986, NJW 1987, 1780). Eine seelische Belastung kann demnach aber nur dann als “wichtiger Grund” für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Das setzt zwar nicht voraus, dass die Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Die Namensänderung kann auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Namensträger vor solchen Folgen bewahrt werden soll. Ist die seelische Belastung aber nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt dagegen kein wichtiger Grund vor (VGH BW, B.v. 7.6.2018 – 1 S 583/18 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 12.4.2017 – 5 ZB 16.718 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65.10 u.a. – juris Rn. 5f.). Macht der Namensträger einen solchen Grund geltend, obliegt es ihm, konkret darzulegen, aufgrund welcher Umstände sein Name für ihn eine seelische Belastung begründet. Dies erfordert einen substantiierten Vortrag dazu, wie und in welchen Lebensbereichen sich die geltend gemachte seelische Belastung auswirkt (VGH BW, a.a.O – juris Rn. 16).
An einem solchen substantiierten Vortrag fehlt es vorliegend. Dem klägerischen Vorbringen sind keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine seelische Belastung im oben dargestellten Sinn zu entnehmen. Die Namensgebung als Andenken an Familienangehörige früherer Generationen ist nach wie vor verbreitet und nicht unüblich. Auch die Tatsache, dass deutsche Vorfahren zur Zeit des Nationalsozialismus Mitglieder der NSDAP waren, stellt keine Seltenheit dar und begründet für sich allein keinen wichtigen Grund im Sinne des Namensänderungsgesetzes. Anders wäre der Fall womöglich zu beurteilen, wenn der Name des Betroffenen auch für Dritte an bekannte Personen der NS-Zeit erinnert, sodass der Betroffene im Alltag ständig auf diese Verbindung angesprochen und somit immer wieder neu damit konfrontiert wird. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat hier nicht substantiiert vorgetragen, in welchen Lebensbereichen sich das vorgetragene Andenken an seine Großväter – über die geltend gemachten Unannehmlichkeiten hinaus – als seelische Belastung für ihn auswirkt. Hinzu kommt, dass es sich hier lediglich um den zweiten und dritten Vornamen des Klägers handelt, welchen er – nach eigenen Angaben – im Alltag nicht verwendet. Eine tägliche Konfrontation damit ist somit ausgeschlossen. Auch in der mündlichen Verhandlung entstand der Eindruck, dass dieser Grund für den Kläger eher von untergeordneter Bedeutung ist und für ihn die fehlende Identifikation mit den beiden Vornamen (siehe oben) im Vordergrund steht. Die bloße Behauptung einer persönlichen Belastung genügt für die Annahme eines wichtigen Grundes jedenfalls nicht. Daher wurde auch auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht verzichtet. Die Aufklärungspflicht des Gerichts findet ihre Grenze in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten, insbesondere, wenn es um Umstände geht, die in die eigene Sphäre des Betroffenen fallen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 86 Rn. 11f.). Vorliegend fehlt es an einem qualifizierten Vortrag einer seelischen Beeinträchtigung. Allein die Behauptung schwerwiegender Nachteile durch die Beibehaltung des bisherigen Namens reicht dagegen nicht aus, um eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zu veranlassen (vgl. auch BVerwG, B.v. 14.11.2002 – 6 B 73/02 – juris Rn. 4; VG Augsburg, B.v. 21.6.2010 – Au 1 K 10.726).
c) Schließlich greifen auch die weiteren vom Kläger geltend gemachten Gründe nicht durch. Die vorgetragenen Probleme und Schwierigkeiten im Alltag stellen ebenfalls keinen wichtigen Grund für die Namensänderung dar.
Der Kläger bringt in diesem Zusammenhang vor, in letzter Zeit sei er wiederholt dazu aufgefordert worden, sämtliche Vornamen anzugeben, so beispielsweise bei der Eröffnung eines Bankkontos oder der Buchung von Flug- oder Schiffsreisen. In der mündlichen Verhandlung legte er hierzu eine Reisebestätigung für eine Kreuzfahrt vor, auf der er mit allen drei Vornamen genannt ist.
Auch wenn dem deutschen Namensrecht eine starre Namensführungspflicht grundsätzlich fremd ist (vgl. oben), ist die Angabe aller Vornamen in bestimmten Bereichen aus Sicherheitsgründen notwendig und dem Kläger daher zumutbar. Zum Schutz vor Missbrauch von Personendaten, Identitätstäuschung oder internationalem Terrorismus fordern beispielsweise Banken, Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter die Angabe sämtlicher Vornamen. Dies ist vom Kläger – genauso wie von allen anderen Personen, die die entsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen – hinzunehmen. Dass er hierdurch im Vergleich zu Dritten außergewöhnlich stark belastet ist, ist nicht erkennbar. Soweit Sicherheitsinteressen nicht entgegenstehen, lässt sich in der Regel auf Anfrage bei den entsprechenden Stellen – wie der Kläger selbst vorträgt – die Verwendung allein des ersten Vornamens erreichen. Der dabei möglicherweise im Einzelfall auftretende erhöhte Aufwand führt nicht dazu, hierin einen wichtigen Grund für eine Namensänderung zu sehen (vgl. auch OVG Sachsen, U.v. 4.5.2017 – 3 A 122/16 – juris Rn. 32).
Auch die Nachverfolgung von Überweisungsvorgängen ist anhand anderer Merkmale, wie beispielsweise Mandatsnummern oder der Angabe eines Verwendungszwecks, weiterhin gewährleistet. Dass es hier für den Kläger zu nicht mehr hinnehmbaren Schwierigkeiten kommt, ist – auch aus den vorgelegten Bankunterlagen – nicht ersichtlich. Eine Verwechslungsgefahr von Vor- und Nachname besteht beim Kläger ebenfalls nicht. Maßstab für die Bestimmung einer Unterscheidbarkeit kann hier nur der deutsche Sprachraum sein. In Bezug auf eine etwaige Verwechslungsgefahr im internationalen Sprachraum unterscheidet sich die Situation des Klägers nicht von der zahlreicher anderer Personen, deren Vor- und Nachname im Ausland nicht eindeutig zuzuordnen ist. Vereinzelte Fehlbuchungen oder Missverständnisse sind zwar vorstellbar, sie stellen aber allenfalls Lästigkeiten dar, die auf individuelle Fehler Dritter zurückzuführen sind und denen eine Vielzahl von Menschen mit mehreren Vornamen ausgesetzt ist. Schließlich ergeben sich allein aus der Länge der Vornamen des Klägers keine grundlegenden Einschränkungen. Nach herrschender Ansicht ist sogar die Eintragung von vier bis fünf Vornamen erlaubt (OLG Düsseldorf, B.v. 3.4.1998 – 3 Wx 90/98 – juris Rn. 16). Eine Namensänderung rechtfertigen die vorgetragenen Beeinträchtigungen demnach nicht.
Zusammenfassend ist nicht erkennbar, dass der Kläger durch seinen zweiten und dritten Vornamen, welche er nur in seltenen Ausnahmefällen überhaupt angeben muss, derart belastet ist, dass die erforderliche Abwägung hier zu seinen Gunsten ausfallen müsste. Vielmehr ist hier dem Grundsatz der Vornamenskontinuität der Vorrang einzuräumen. Zwar mögen die Gründe des Klägers für die begehrte Namensänderung durchaus nachvollziehbar sein, ein bloß „vernünftiger” Grund für eine Namensänderung aus privatem Interesse vermag das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens jedoch nicht zu überwiegen (OVG Lüneburg, U.v. 18.1.1994 – FamRZ 1994, 1346).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.