IT- und Medienrecht

Änderung des Vornamens eines Kindes

Aktenzeichen  B 1 K 17.31

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149792
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3, § 11

 

Leitsatz

1. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens besteht darin, den Namensträger zu kennzeichnen und sein Verhalten auch in Zukunft ohne weitere Nachforschung zurechnen zu können. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein wichtiger Grund für die Änderung des von den Eltern gewählten Vornamens eines Kindes kann grundsätzlich nicht aus Umständen abgeleitet werden, denen bereits bei der ursprünglichen Namenswahl hätte Rechnung getragen werden können. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Das Einverständnis aller Beteiligten ist – anders als im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO – nicht Voraussetzung für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid.
2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts … vom 15. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die privaten Interessen des Klägers überwiegen nicht das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisher geführten Vornamens. Eine hinreichend psychische Belastung des Klägers durch die derzeitige Namensführung oder sonstige gewichtigen Gründe für die Namensänderung sind nicht erkennbar.
Grundsätzlich hat der Einzelne den ihm zuerkannten Namen zu führen, so dass eine Änderung eine Ausnahme zu bilden hat. Die Namensänderung nach dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen dient dazu, die durch die ursprüngliche Namensgebung sich ergebenden Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Sie hat Ausnahmecharakter. Nach § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Vorname daher nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Der Begriff des „wichtigen Grundes“ ist im Gesetz nicht näher erläutert. Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Entscheidung der Behörde, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist vom Verwaltungsgericht in vollem Umfang zu überprüfen. Ein für die Änderung des Namens wichtiger Grund liegt dann vor, wenn das Interesse des Namensträgers an der Namensänderung nach allgemeiner Rechtsauffassung schutzwürdig ist, d.h. wenn seine Gründe, anstelle seines bisherigen Namens künftig einen anderen zu führen, so wesentlich sind, dass die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens (Identifizierung und Individualisierung des Namensträgers) und im sicherheitsrechtlichen Interesse an der Führung des überkommenen Namens augenscheinlich werden, dem gegenüber zurücktreten müssen. Dies gilt für die Änderung eines Vornamens ebenso wie für die Änderung eines Familiennamens. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens ist zwar etwas geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient. Es ist jedoch auch in Bezug auf Vornamen zu sehen und besteht darin, den Namensträger zu kennzeichnen und sein Verhalten auch in Zukunft ohne weitere Nachforschung zurechnen zu können (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 26. März 2003 – 6 C 26/02 -, Urt. v. 08.12. 2014 – 6 C 16.14 -; BayVGH, B. v. 26.02.2014 – 5 B 12.2541). Trotz der bei einem Vornamen geringeren Unterscheidungs- und Zuordnungsfunktion genügen daher auch hier im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der öffentlich-rechtlichen Namensänderung bloß vernünftige oder/und nachvollziehbare Gründe nicht. Der Wunsch, sein Leben auf neue Beine zu stellen und durch die Namensänderung eine Verbesserung der eigenen Lebenssituation zu erreichen, genügt dabei ebenso wenig wie z.B. ein Ereignis, das für den Betreffenden lediglich Belastungen mit sich bringt bzw. gebracht hat, weil dadurch nahezu jedermann ein wichtiger Grund für eine Namensänderung zur Seite stünde und damit dem Ausnahmecharakter einer Namensänderung nicht mehr Rechnung getragen werden könnte (BayVGH, B.v. 21.01.2009 – 5 C 08.3193 –).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landratsamt das Begehren des Klägers auf Änderung seines Vornamens zu Recht abgelehnt. Ein wichtiger Grund entsprechend einer in Nr. 62 i.V.m. Nrn. 28 bis 32 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) genannten typischen Fallgestaltungen (vgl. Nrn. 34 bis 50 NamÄndVwV) für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung ist vorliegend nicht gegeben. Die vom Kläger genannten Gründe greifen nicht durch. Weder kann in der schulischen Situation noch wegen des familiären Bezugs zur Türkei bzw. zur türkischen Sprache und den türkischen Verwandten ein wichtiger Grund gesehen werden.
Ein wichtiger Grund ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht aus der schulischen Situation und den angegebenen Schwierigkeiten mit einem Teil seiner Mitschüler. Soweit die Eltern des Klägers vortragen, dieser würde in der Schule wegen seines Vornamens gehänselt, ist darin für sich gesehen kein derart schwerwiegender Grund für eine Namensänderung zu sehen, der die öffentlichen Interessen überwiegen würde. Zwar kann als wichtiger Grund für eine Namensänderung eine seelische Belastung angesehen werden, allerdings nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Ist die seelische Belastung hingegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor (BVerwG, B.v. 11.01.2011 – 6 B 65/10 –, juris). Weder ergibt sich aus der eingeholten psychologischen Stellungnahme, dass die vom Kläger als belastend empfundenen Situationen zu schwerwiegenden Störungen geführt hätten noch dass dies tatsächlich ursächlich auf den ursprünglich gewählten Namen zurückzuführen sei. Der Psychologe K. sieht beim Kläger ein nur gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Hierbei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es während der Grundschulzeit offensichtlich zu keinen derartigen H. gekommen ist und es sich wohl eher um – zeitlich eingrenzbare – vorpubertäre bzw. pubertäre Verhaltensweisen einiger Mitschüler handelt. Insoweit erscheint die Schlussfolgerung des Psychologen, die Probleme des Klägers lägen auf anderem Gebiet, nachvollziehbar. Auch dass der Kläger und seine Eltern den Namen „…“ für sich offensichtlich bereits als maßgeblich ansehen, sich darauf festgelegt haben und dagegen waren, die Probleme mit den Mitschülern zunächst im Klassenverband anzusprechen und eine Lösung zu suchen, spricht im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Regelung gegen einen Anspruch auf Änderung des Vornamens. Eine solche Änderung kann erst dann ins Auge gefasst werden, wenn vernünftige und zumutbare Maßnahmen zur Beseitigung der Schwierigkeiten tatsächlich ergriffen worden sind und zu keiner Besserung der Situation geführt haben. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Wahl des Vornamens gewissen Modeerscheinungen unterliegen kann. Gerade weil im Kindesalter wegen der noch fehlenden Einsichtsfähigkeit und Reife mancher Klassenkameraden oder Freunde H. nicht ausgeschlossen werden können, denen jedoch durch andere Maßnahmen entgegengewirkt werden kann, soll eine Änderung des Vornamens eines Kindes nur aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes durchgeführt werden (vgl. hierzu Nr. 62 NamÄndVwV).
Die im Klageverfahren vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen sind außerdem völlig unsubstantiiert und durch nichts belegt. Nur ergänzend bleibt anzumerken, dass sich derartige Belastungen gerade durch den Vornamen selbst ergeben müssten, so wenn z.B. der Name anstößig oder lächerlich klingt oder Anlass bietet zu frivolen oder unangemessenen Wortspielen (vgl. hierzu Nr. 35 NamÄndVwV). Nicht ausreichend ist es aber, wenn die Änderung deshalb begehrt wird, weil der bei der Geburt ausgesuchte Name nicht (mehr) gefällt oder einem derzeitigen Trend nicht mehr entspricht.
Soweit die Eltern des Klägers auf die Bedeutung des Namens … in der türkischen Sprache hinweisen, trifft dies zum einen nur teilweise zu, zum anderen müsste zumindest dem Vater des Klägers bereits bei der Namenswahl bewusst gewesen sein, welche Assoziationen man in der türkischen Sprache mit diesem Namen verbinden könnte. Es kann demzufolge nicht nachvollzogen werden, dass die Eltern erst jetzt auf diese Bedeutung gekommen sein wollen.
Wenngleich die vom Landratsamt im Bescheid angegebene Bedeutung des Namens … „…“ nicht der türkischen Sprache zu entnehmen ist (vgl. hierzu: http://www.vorname.com/name, …html), hat der türkische Vorname (und auch der Familienname) „…“ neben der von den Eltern ins Feld geführten Bedeutung „…“ auch weitere, nicht mit negativen Assoziationen besetzte Bedeutungen wie z.B. … oder im familiären Sprachgebrauch … (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/ …cite_note-1 oder http://de.pons.com/übersetzung/türkisch-deutsch/ …; Abruf am 05.04.2017). Lediglich ergänzend soll darauf hingewiesen werden, dass neben einer deutsch-türkischen Schauspielerin (* …*) auch ein türkischer Fußballspieler den Nachnamen „…“ trägt (* …*), so dass diese Namenswahl für die Verwandten des Klägers wohl nicht so außergewöhnlich sein dürfte, wie es dargestellt wird.
Abgesehen davon kann ein wichtiger Grund für die Änderung des von den Eltern gewählten Vornamens eines Kindes grundsätzlich nicht aus Umständen abgeleitet werden, denen bereits bei der ursprünglichen Namenswahl hätte Rechnung getragen werden können (BayVGH, B.v. vom 26.02.2014 – 5 B 12.2541 -). Die behördliche Namensänderung dient dazu, Unbilligkeiten auszugleichen, nicht aber dazu, vermeidbar Versäumtes nachzubessern. Möglichen H. der Cousinen muss ebenso wie den Sticheleien deutscher Mitschüler begegnet werden. Allein die Urlaubsaufenthalte in der Türkei rechtfertigen ebenfalls keine Namensänderung, zumal wie ausgeführt, der Name auch in der Türkei durchaus gebräuchlich und zudem nicht nur negativ besetzt ist.
3. Die Klage wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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