Aktenzeichen 8 U 83/20
Leitsatz
Die erforderliche Authentifizierung wird bei Übermittlung des elektronischen Dokuments von einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) dadurch gewährleistet, dass die Postfachadresse und die Zugangsberechtigung von der Rechtsanwaltskammer erst nach Überprüfung der Zulassung vergeben wird (§ 31a Abs. 1 und Abs. 2 BRAO) und der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
34 O 5316/19 2019-12-06 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Antrag des Klägers vom 13.02.2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist wird verworfen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.12.2019 wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000.- € festgesetzt.
Gründe
I.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts wurde den Klägervertretern am 10.12.2019 zugestellt. Mit per besonderem elektronischen Anwaltsfach (beA) übermitteltem Schriftsatz vom 07.01.2020 legten die Klägervertreter hiergegen Berufung ein. Der Transfervermerk zu dieser Berufungsschrift enthielt den Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt“. Eine qualifizierte elektronische Signatur für diese Berufungsschrift lag nicht vor (Bl. 317 f. d.A.). Mit Hinweis vom 09.01.2020 wurde den Klägervertretern vom Vorsitzenden mitgeteilt, dass der Transfervermerk zur Berufungsschrift vom 07.01.2020 den Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt“ enthält und noch geprüft werden müsse, was dies für die Wirksamkeit der Berufungseinlegung bedeute (Bl. 321 d.A.). Hierzu teilten die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 10.01.2020 unter Vorlage von Unterlagen mit, dass dieser Hinweis nicht nachvollzogen werden könne. Daraufhin wurde den Klägervertretern am 14.01.2020 ein Abdruck des Transfervermerks übersandt (Bl. 322 d.A.).
Nachdem das EDV-Referat des Oberlandesgerichts München am 10.01.2020 mitgeteilt hatte, dass nach seiner Auffassung keine wirksame Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg vorliege, wurde der Kläger mit Verfügung vom 24.01.2020 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, seine Berufung als unzulässig zu verwerfen. Hierauf haben die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 13.02.2020 erneut Berufung eingelegt und vorsorglich insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Trotz des Hinweises vom 09.01.2020 hätten sie sich weiterhin auf das Übermittlungsprotokoll über beA verlassen.
II.
Der Antrag des Klägers vom 13.02.2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu verwerfen, da er mangels Wahrung der Frist des § 234 I 2 ZPO bereits unzulässig ist.
1. Die Wiedereinsetzungsfrist für die versäumte Berufungsfrist beträgt gem. § 234 I 1 ZPO zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, § 234 II ZPO.
Für die Fristberechnung gilt folgendes (BGH, Beschluss v. 27.09.2018, IX ZB 67/17, NJW-RR 2018, 1398, Rz. 23): „Die Frist des § 234 I ZPO beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu laufen, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. In diesem Zeitpunkt ist das Hindernis behoben, durch das die Partei von der Einhaltung der Frist abgehalten worden ist Ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; es ist auch behoben, sobald die Unkenntnis und damit die Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt deshalb spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen…“ (vgl. auch Thomas/Putzo-Hüßtege, 40. A., § 234 ZPO, Rn. 5; Zöller/Greger, 33. A., § 234 ZPO, Rn. 5b).
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze begann die Zweiwochenfrist des § 234 I 1 ZPO hier bereits mit Zustellung des Hinweises des Senats vom 09.01.2020 zu laufen. Denn mit Zugang dieses Hinweises hätten die Klägervertreter bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihnen zu erwartenden Sorgfalt ohne Weiteres erkennen können, dass im Zusammenhang mit der dort angesprochenen Berufungseinlegung Probleme bestehen und diese sogar vorsorglich in noch bis 10.01.2020 offener Berufungsfrist ordnungsgemäß wiederholen können, z.B. per Telefax. Außerdem hätten sich die Klägervertreter z.B. anhand der online leicht aufzufindenden Informationen der BRAK als Betreiberin des beA, wonach die Nachricht dann ungültig ist (vgl. Erläuterungen zum Prüfprotokoll, https://www.b.-b. .de/…, ohne weiteres zu finden durch eine Google-Suche mit den Worten: „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt“) informieren können. Allerspätestens nach Übermittlung des Transfervermerks, aus dem sich die Beanstandung ergab, am 14.01.2020 begann die Frist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu laufen. Daher ist der Wiedereinsetzungsantrag vom 13.02.2020 deutlich verfristet.
III.
Infolge dessen war die Berufung gegen das Ersturteil gemäß § 522 I ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, da eine wirksame Berufungsschrift erst am 13.02.2020 und damit weit nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingereicht wurde.
1. Wie bereits im Hinweis vom 24.01.2020 ausgeführt, war die Berufungsschrift vom 07.01.2020 nicht ordnungsgemäß. Gem. § 130a III ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. An beidem fehlt es hier:
a) Einfache Signatur
(1) Zu signieren ist das elektronische Dokument, das die Erklärungen nach § 130a Abs. 1 ZPO enthält. Praktisch geschieht dies durch Einfügen einer Wiedergabe der Unterschrift der das Dokument verantwortenden Person (BT-Drs. 17/12634, 25) oder auch durch einfache Namenswiedergabe am Textende (Bacher NJW 2015, 2753). Die Signatur soll sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt; fehlt es an dieser Identität, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht (BT-Drs. 17/12634, 25; OLG Braunschweig NJW 2019, 2176 Rn. 25 mwN; offengelassen von BAG NZA 2019, 1661 Rn. 7). Insoweit bestehen hier keine Bedenken.
(2) Authentizität und Integrität des elektronischen Dokuments soll durch dessen Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährleistet werden. Die sicheren Übermittlungswege sind in § 130a Abs. 4 ZPO aufgeführt. Die erforderliche Authentifizierung wird bei Übermittlung des elektronischen Dokuments von einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) dadurch gewährleistet, dass die Postfachadresse und die Zugangsberechtigung von der Rechtsanwaltskammer erst nach Überprüfung der Zulassung vergeben wird (§ 31a Abs. 1 und Abs. 2 BRAO) und der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist (§ 31a Abs. 3 S. 1 BRAO, § 24 Abs. 1 S. 1 RAVPV v. 23.9.2016, BGBl. I 2167: Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN; BeckOK ZPO/von Selle, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 130a Rn. 17-19). Daran fehlt es hier:
Denn hier enthält der Transfervermerk zur Berufungsschrift den Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt“. Damit liegt eine Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg nicht vor. Auch nach Mitteilung des EDV-Referats des Oberlandesgerichts München bedeutet dies, dass keine wirksame Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg vorliegt. Das deckt sich mit den Informationen der BRAK als Betreiberin des besonderen elektronischen Anwaltsfaches (beA), wonach dann die Nachricht ungültig ist (s.o.).
Warum die vorgelegten Unterlagen der Klägervertreter diese Fehlermeldung nicht ausweisen, ist dem Gericht zwar technisch nicht verständlich, aber für die Entscheidung unerheblich. Entscheidend ist der Transfervermerk des Gerichts, weil es auf den ordnungsgemäßen Eingang dort ankommt. Über die dort enthaltene Beanstandung wurden die Klägervertreter vom Senat zeitnah informiert, haben aber darauf deutlich zu spät angemessen reagiert.
b) Qualifizierte Signatur
Deshalb wäre zur wirksamen Einreichung der Berufungsschrift eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich gewesen. Eine Solche liegt hier aber ebenfalls nicht vor – qualifiziert elektronisch signiert wurde hier nur das Urteil des Landgerichts, und zwar von einer R., A., bei der es sich nach Darstellung der Klägervertreter um eine Bedienstete des Landgerichts München I handelt.
c) Eine Rückwirkung der erst am 13.02.2020 erfolgten wirksamen Berufungseinlegung gem. § 130a Abs. 6 ZPO findet aus mehreren Gründen nicht statt:
(1) Zum einen gilt § 130a Abs. 6 ZPO nur bei Nachreichung des Schriftsatzes in einer zur Bearbeitung geeigneten Form. Bei Signaturmängeln kommt demgegenüber nur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (BeckOK ZPO/von Selle, 34. Ed. 1.9.2019, ZPO § 130a vor Rn. 1). Die „Rechtswohltat“ des § 130a Abs. 6 S. 2 gilt insoweit nicht (BT-Drs. 17/12634, 27; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 10).
(2) Zum anderen wäre die Einreichung der Berufung der erst am 13.02.2020 aus den oben genannten Gründen auch bei weitem nicht mehr „unverzüglich“ gewesen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich bereits aus § 794 I Nr. 3 ZPO (Zöller-Heßler, ZPO, 33. A., § 522 Rn. 28 mwN). Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG bestimmt.