IT- und Medienrecht

Angemessener Abschlag im Zusammenhang mit der sog. “Kellerpauschale” im Rahmen der Hochwasserhilfe

Aktenzeichen  RN 5 K 17.144

Datum:
3.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15013
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Zuschussprogramm Wohngebäude Hochwasser 2016 Nr. 3.3 S. 1, 2
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Es ist davon auszugehen, dass sich der Großteil der Gegenstände, die zur Haushalts- und Lebensführung notwendig sind, im Wohnbereich befinden, so dass ein Abschlag über Nr. 3.3 S. 2 Zuschussprogramm Wohngebäude Hochwasser 2016 im Rahmen der sog. “Kellerpauschale” nicht zu beanstanden ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Abweichung von einer Selbstbindung der Verwaltung ist über Art. 3 Abs. 1 GG nur bei Besonderheiten im Einzelfall, wenn eine Gleichbehandlung nicht sachlich zu rechtfertigen wäre, geboten und erforderlich (ebenso BVerwG BeckRS 1962, 00316). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sinn und Zweck des Hilfsprogramms ist es, die vom Hochwasser betroffenen Personen zu entlasten und ihnen schnelle Hilfe zuteilwerden zu lassen, damit sie ihre alltägliche Haushalts- und Lebensführung bewerkstelligen können. Der Zweck des Hilfsprogramm liegt jedoch nicht darin, den betroffenen Personen all ihre Schäden zu ersetzen. Aus diesem Grund gehen die zur Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Hausratsgegenstände dann über angemessenen Bedarf hinaus, wenn diese in doppelter Ausführung vorhanden sind (ebenso VG Regensburg BeckRS 2018, 3091). (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Zulässigkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht von der Zustimmung der Beteiligten abhängig (vgl. Kopp/Schenke, § 84 Rn. 21).
I.
Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, aber sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.
Der Kläger hat keinen einen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG auf Bewilligung weiterer Zuwendungen in Höhe von 5.044 €. Er hat ebenfalls keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung seines Antrags unter Berücksichtigung aller dem Kläger entstandenen Schäden in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens. Der Bescheid des Beklagten vom 21.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1) Unstrittig ist, dass vom Beklagten gemäß Nr. 3.3 Satz 3 des Bayerischen Zuschussprogramms zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2016 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat im Landkreis R.-I. vom 29.07.2016 (AllMBl 2016, 1636) im Interesse einer einheitlichen Handhabung in seinem Zuständigkeitsbereich für einzelne vernichtete Hausratsgegenstände, soweit diese als Grundausstattung erforderlich sind, entsprechende Beträge festgelegt werden können, die als angemessen anerkannt werden. Insofern führt auch der Kläger aus, dass gegen die vom Beklagten verwendete Tabelle, in der für die Erstattung bestimmter Hausratsgegenstände eine Obergrenze festgelegt wurde, grundsätzlich nichts einzuwenden sei. Die Höhe des vom Beklagten gewährten Betrags für die vom Beklagten bereits anerkannten beschädigten Hausratsgegenstände wird insofern vom Kläger auch nicht angegriffen.
2) Nach Ansicht des Gerichts steht aber auch die Festlegung einer sog. „Kellerpauschale“ mit den Richtlinien zum Bayerischen Zuschussprogramm zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2016 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat im Landkreis R.-I. im Einklang.
a) Nach Nr. 3.3 Satz 1 des Bayerischen Zuschussprogramms können für die Erneuerung eines vollständigen Hausstands auf Basis des Zeitwerts bei Ein-Personen-Haushalten 13.000 Euro, bei Mehr-Personen-Haushalten für die erste Person 13.000 Euro, für den Ehegatten oder Lebenspartner 8.500 Euro, für jede weitere dort gemeldete Person 3.500 Euro und bei Wohngemeinschaften (z. B. Studenten-WG) 3.500 Euro für jede zur Wohngemeinschaft gehörige und dort gemeldete Person im Rahmen von Pauschalförderbeträgen als angemessen erachtet werden. Von diesen Beträgen ist nach Satz 2 ein entsprechender Abschlag vorzunehmen, wenn nur Teile des Hausrats zerstört wurden.
Weder Satz 1, noch Satz 2 stellt dabei auf die einzelnen konkret zerstörten bzw. beschädigten Gegenstände oder deren Wert, sondern lediglich auf die Anzahl der zum Haushalt gehörenden Personen ab. Die Vorschrift in Satz 1, auf die sich Satz 2 bezieht, geht gerade von einer Pauschalierung „aller“ Hausratsgegenstände, die sich in dem entsprechenden Haushalt befunden haben, aus und dies unabhängig davon, um welche einzelnen Sachen es sich dabei handelte und wie wertvoll diese waren.
Bei der Vornahme des „entsprechenden Abschlags“ ist dann zu beachten, dass unter „Teile des Hausrats“ in Satz 2 nur Hausrat im Sinne der Definition von Hausrat nach Nr. 3.2 Satz 2 des Bayerischen Zuschussprogramms gemeint sein könne. Es geht daher nicht um eine Gegenüberstellung der Menge aller sich im Keller und im Haus befindlichen Gegenstände, da nicht jeder im Haus oder im Keller befindliche Gegenstand auch Hausrat im Sinne des Bayerischen Zuschussprogramms darstellt, auch wenn er sich örtlich „im Haus“ befindet. Da sich die Haushalts- und Lebensführung aber in aller Regel größtenteils im Wohnbereich und nicht im Keller abspielt, ist auch davon auszugehen, dass sich der Großteil der Gegenstände, die zur Haushalts- und Lebensführung notwendig sind, im Wohnbereich befinden, so dass der vom Beklagten gemachte Abschlag von 90% aus Sicht des Gerichts nicht von sachfremden Erwägungen geprägt und daher nicht zu beanstanden ist.
b) Durch diese sog. „Kellerpauschale“ hat sich die Verwaltung aufgrund einer ständigen gleichmäßigen Übung der Verwaltungspraxis nach Art. 3 Abs. 1 GG selbst gebunden. Soweit aber eine wirksame Selbstbindung der Verwaltungsbehörde anzunehmen ist, ist eine davon im Einzelfall zugunsten oder zulasten der Betroffenen abweichende Entscheidung insbesondere wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs VwVfG § 40 Rn. 123, beck-online). Insofern würde der Beklagte auch dann rechtswidrig handeln, wenn er von dieser Verwaltungspraxis im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers abweichen würde.
Eine Abweichung von dieser Selbstbindung hingegen ist nur bei Besonderheiten im Einzelfall, wenn eine Gleichbehandlung nicht sachlich zu rechtfertigen wäre, geboten und erforderlich (vgl. BVerwGE 15, 196 (202 f.) = NJW 1963, 827 (829); Seibert FS 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, 535 (545); Dreier/Heun Rn. 58; BeckOK Grundgesetz/Kischel GG Art. 3 Rn. 112-113, beck-online).
Dies trifft im vorliegenden Fall jedoch aus zwei Gründen nicht zu.
(1) Zum einen wird der Keller des Klägers nicht zu Wohnzwecken genutzt, wie die vom Kläger vorgelegte und nach Räumen untergliederte Liste der beschädigten Gegenstände zeigt. Danach befindet sich im Keller des Kläger ein Heizungsraum, ein Bügelzimmer, ein Hobbyraum, ein Vorratsraum und ein Abstellraum. Eine dementsprechende Nutzung kann als „für Keller üblich“ angesehen werden und führt daher nicht zu einer Besonderheit im Einzelfall.
(2) Zum anderen ergeben sich auch aus den im vorliegenden Fall konkret zerstörten und vom Beklagten nicht anerkannten Gegenständen keine Besonderheiten, die zu einer abweichenden Bewertung führen könnte. Die bisher vom Beklagten nicht anerkannten Gegenstände sind nämlich auch nach einer Einzelfallprüfung nicht förderfähig.
Nach Nr. 3.2 Satz 2 des Bayerischen Zuschussprogrammes zählen zum Hausrat die zur Haushalts- und Lebensführung notwendigen Möbel, Geräte und sonstigen Bestandteile einer Wohnungseinrichtung, soweit sie nicht über den angemessenen Bedarf hinausgehen.
Faschingskostüme, Nähutensilien, Skisäcke, Holzpfeile und Holzbriketts stellen bereits keine Möbel, Geräte noch sonstige Bestandteile einer Wohnungseinrichtung dar. Die Körbe, die Weihnachtsdekoration und die Bilder könnte man bei sehr weiter Auslegung zwar allenfalls noch unter „sonstige Bestandteile einer Wohnungseinrichtung“ und die Lautsprecherboxen unter „Geräte“ fassen. Jedoch ist nicht zu erkennen, inwiefern all diese Gegenstände zur Haushalts- und Lebensführung notwendig sein sollen. Dies könnte man lediglich noch bei den Holzbriketts als Heizmittel bejahen, wobei Holzbriketts aber selbst bei weiter Auslegung unstreitig nicht unter „sonstige Bestandteile einer Wohnungseinrichtung“ fallen.
Die Förderfähigkeit der Spiegeltüren- bzw. Jalousietürenschränke im Bügelzimmer, der zwei Schränke „Walnussdekor“ im Hobbyraum, der 2 Bettanlagen, des Kleiderschranks und des Schiebetürenschranks im Abstellraum scheitert hingegen daran, dass diese Gegenstände über den „angemessenen Bedarf“ im Sinne des Hilfsprogramms hinausgehen.
Wie auch der Kläger ausführt, ist Sinn und Zweck des Hilfsprogramms, die vom Hochwasser betroffenen Personen zu entlasten und ihnen schnelle Hilfe zuteilwerden zu lassen, damit sie ihre alltägliche Haushalts- und Lebensführung bewerkstelligen können. Dies geht auch aus den Richtlinienbestimmungen selbst hervor. Nach Nr. 1 des Zuschussprogramms soll die Förderung im Wege der Anteilsfinanzierung dazu beitragen, Eigentümern von überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden oder Eigentumswohnungen und Privathaushalten bei der Beseitigung und Behebung von Hochwasserschäden an Gebäuden und an Hausrat rasch und wirkungsvoll zu helfen.
Der Zweck des Hilfsprogramm liegt jedoch nicht darin, den betroffenen Personen all ihre Schäden zu ersetzen. Dies kann und will das Förderprogramm nicht leisten, was bereits daran erkennbar wird, dass die Förderung nur im Wege der Anteilsfinanzierung bewilligt wird. Zum anderen wird dies auch durch die Präambel des Zuschussprogrammes, wonach kein Rechtsanspruch auf die Förderung besteht, als auch durch die unter Nr. 3.3 Satz 1 des Bayerischen Zuschussprogramms festgesetzten Pauschalen zur Erneuerung eines vollständigen Hausstands zum Ausdruck gebracht. Mit Geldmitteln von 13.000 Euro bzw. 21.500 Euro kann schwerlich ein kompletter Hausstand für eine bzw. zwei Personen ersetzt werden. Diese Beträge reichen jedoch aus, um wenigstens die zur Lebens- und Haushaltsführung notwendige Grundausstattung wieder zu beschaffen, damit der Haushalts- und Lebensalltag weitgehend ohne Einschränkungen bewältigt werden kann.
Aus diesem Grund gehen die zur Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Hausratsgegenstände dann über angemessenen Bedarf hinaus, wenn diese in doppelter Ausführung vorhanden sind (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 12. Februar 2018 – RN 5 K 17.255 –, juris). Dies entspricht dann nicht mehr der vom Hilfsprogramm bezweckten Wiederbeschaffung der notwendigen Grundausstattung (vgl. auch Nr.3.3 Satz 3 des Zuschussprogramms).
Bei den im Keller eingelagerten Bettanlagen zeigt bereits das Deponieren im Abstellraum, dass diese im normalen Lebensalltag nicht benötigt und nicht genutzt werden, sondern weitere Betten im nicht vom Hochwasser betroffenen Wohnraum des Hauses vorhanden waren und sind.
Bei den insgesamt 5 Schrankteilen der Marke J …, den 4 weiteren im Keller befindlichen (Kleider-)Schränken und dem Drehstuhl ist ebenfalls davon auszugehen, dass diese Hausratgegenstände mehrfach vorhanden sind und damit den förderfähigen angemessenen Bedarf überschreiten, zumal man auch hier davon ausgehen kann, dass sich weitere (Kleider-)Schränke und Stühle im nicht vom Hochwasser betroffenen Teil des Hauses befinden. Überdies sind von der Beklagten für den Keller bereits 5 niedrige Kommoden und 2 hohe Kommoden in einer Höhe von 490 Euro als förderfähiger Hausratsschaden anerkannt worden.
Daher ist kein Grund ersichtlich, warum im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers ein Abrücken von der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten geboten und erforderlich sein soll.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, da der Beigeladene durch eigene Antragstellung ein Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO) und er seinen Antrag begründet und sich damit am Prozess beteiligt hat.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil, § 84 Abs. 3 VwGO.

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