Aktenzeichen W 9 K 17.380
VwZVG Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 37 Abs. 1 S. 1, Art. 38 Abs. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
Leitsatz
Das Zwangsgeld wird automatisch mit Bedingungseintritt fällig, daher ist es unerheblich, dass in der Fälligkeitsmitteilung der Beklagten als Datum für den Vorfall der 27. Februar 2017 genannt wurde. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO gegen die Fälligkeitsmitteilung statthaft. Eine Fälligkeitsmitteilung ist kein mittels Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da es an der erforderlichen Regelungswirkung fehlt. Die Fälligkeitsmitteilung hat nur deklaratorische Wirkung. Sie ist die Mitteilung eines Bedingungseintritts. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgelds ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die zu erfüllende Pflicht nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 23 Abs. 1 VwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG zur Zahlung fällig. Gegen die Mitteilung dieses Bedingungseintritts, also die Fälligkeitsmitteilung, kann sich ein Betroffener mit einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zur Wehr setzen. Damit kann er gerichtlich klären lassen, ob der Verwaltungsakt schon oder im Hinblick auf eine eventuelle rechtzeitige Erfüllung noch vollstreckbar ist (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46).
2. Die Klage ist nicht begründet.
Art. 38 Abs. 3 VwZVG bestimmt, dass förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig sind, als geltend gemacht werden kann, dass die Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen. Die Fälligkeitsmitteilung gehört zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld, vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG. In dem gegen die Fälligkeitsmitteilung gerichteten Verfahren nach § 43 Abs. 1 VwGO kommen als selbständige Rechtsverletzung im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist also namentlich, ob die Verpflichtung durch den Betroffenen rechtzeitig oder vollständig bzw. genügend erfüllt wurde. Einwendungen zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung sind demgegenüber bei Unanfechtbarkeit des Grundverwaltungsakts ausgeschlossen (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 48).
Es fehlt an einer selbstständigen Verletzung der Rechte der Klägerin durch die Fälligkeitsmitteilung, da das mit Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 750,00 EUR zur Zahlung fällig geworden ist.
Da die Fälligkeitsmitteilung kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist, bedarf es entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten keiner vorherigen Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 19 VwZVG sind erfüllt. Insbesondere liegt ein vollziehbarer Grundverwaltungsakts als Vollstreckungstitel vor. Vollstreckungsvoraussetzung ist dagegen nicht die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts, sondern nur dessen Wirksamkeit und Vollziehbarkeit (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12). Der Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2016 ist bestandskräftig. Somit besteht für die Klägerin die gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollziehbare Verpflichtung, ihre drei Hunde der Rasse Rhodesian Ridgeback bayernweit außerhalb des eingefriedeten Anwesens … … in … … stets an einer reißfesten Leine mit schlupfsicher angebrachtem Halsband zu führen. Auch die Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die genannte Verpflichtung ist bestandskräftig.
Das im Bescheid vom 5. Januar 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 750,00 EUR ist gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG zur Zahlung fällig geworden.
Nach freier gerichtlicher Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin ihre drei Hunde der Rasse Rhodesian Ridgeback am 28. Februar 2017 am Hafen in H. ohne Leine ausgeführt hat. Dies folgt aus dem Schreiben der Zeugin Frau S … vom 6. März 2017 an die Gemeinde Stadtprozelten sowie deren glaubhafter Aussage in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Zeugin verschafft und sieht keinen ernsthaften Grund, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Insbesondere ist kein Motiv für die Zeugin erkennbar, eine unwahre Aussage zu machen. Weder gab es zwischen ihr und der Klägerin persönliche Differenzen, noch ist ein wirtschaftliches Interesse der Zeugin ersichtlich.
Die Zeugin hat, ohne sich in unauflösbare Widersprüche zu verstricken, geschildert, dass sie am Faschingsdienstag 2017 ihren Hund am Hafen in H. ausgeführt hat. Ihr sei ein Jeepähnliches Fahrzeug aufgefallen, das den W.weg runter gefahren sei. Die Klägerin habe ihre drei Hunde der Rasse Rhodesian Ridgeback ohne Leine aus dem Auto springen lassen. Da diese in die andere Richtung gelaufen seien, habe die Zeugin ihren Spaziergang fortgesetzt und die Hunde zunächst aus den Augen verloren. Nach einer Weile habe die Zeugin Hundegebell hinter sich gehört. Sie habe sich umgedreht und zwei der drei Ridgeback bellend auf sie zulaufen sehen. Die Zeugin habe ihren eigenen Hund hinter sich genommen und sei schreiend auf die Ridgeback zugelaufen. Einer der Hunde habe daraufhin den Rückzug angetreten, während der andere Hund zähnefletschend und mit aufgestelltem Kam auf sie zugekommen sei. Sie habe unter Schock gestanden und sei davon ausgegangen, jederzeit von dem Hund angefallen zu werden. Die Klägerin sei die ganze Zeit nicht zu sehen gewesen. Erst als der Hund schon fast bei der Zeugin gewesen sei, sei die Klägerin aus der Ferne gekommen. Sie habe sich bedankt, dass die Zeugin so toll reagiert habe. Die Klägerin habe erklärt, die Zeugin gesehen zu haben und der Meinung gewesen zu sein, dass die Distanz ausreiche. Die Zeugin gab an, sie wolle den Vorfall melden, da ihr der Leinenzwang bekannt sei und die Hunde wohl mittlerweile auch nicht mehr vor Menschen zurückschrecken würden. Der Name der Zeugin könne genannt werden.
Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Zeugin diesen Vorfall tatsächlich erlebt hat. Die gesamten Schilderungen waren detailreich und erweckten den Eindruck eines real erlebten Ereignisses. Insbesondere tätigte die Zeugin die situationsbedingte Aussage, sie habe zum ersten Mal in ihrem Leben Angst vor einem Hund gehabt.
Die Widersprüche bezüglich des Datums des Vorfalls konnte die Zeugin nachvollziehbar auflösen. Die Zeugin hat ohne zu zögern in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Vorfall am zweiten Faschingstag, also am Faschingsdienstag, stattgefunden habe. Sie habe an diesem Tag nicht gearbeitet, weil die Firma an diesem Tag geschlossen sei. Sie hat überzeugend bestätigt, sich sicher zu sein, dass es der Faschingsdienstag gewesen sei, als ihr ein Kalender aus dem Jahre 2017 gezeigt wurde und ihr vom Gericht vorgehalten worden ist, dass der 27. Februar 2017 Rosenmontag und nicht Faschingsdienstag gewesen sei. Den Irrtum bei der Datumsangabe in dem Schreiben vom 6. März 2017 räumte sie ein und begründete diesen nachvollziehbar. Sie gab an, dass es sich womöglich um einen Tippfehler handele. Dies ist plausibel, da sich sowohl die Tasten „2“ und „3“ als auch die Tasten „7“ und „8“ auf einer Computertastatur nebeneinander befinden. Außerdem erklärte die Zeugin, dass sie das Schreiben circa eine Woche nach dem Vorfall verfasst habe und nicht in einen Kalender geschaut habe.
Die erkennende Kammer hat auch keinerlei Zweifel, dass die Zeugin die Klägerin erkannt hat. Bereits in ihrem Schreiben vom 6. März 2017 an die Gemeinde Stadtprozelten hat die Zeugin eindeutig und gleich im ersten Satz angegeben, dass es sich um die Klägerin gehandelt habe. In der mündlichen Verhandlung konnte die Zeugin plausibel schildern, dass sie die Klägerin kenne, da diese vor circa 10 Jahren ihr Pferd trainiert habe. Die Klägerin habe ihr eine besondere Art gezeigt, mit Pferden umzugehen. Es ist plausibel, dass sich die Zeugin an die Person, die ein solch besonderes Pferdetraining durchgeführt hat, erinnert. Außerdem gibt die Zeugin an, mit der Klägerin an dem fraglichen Tag geredet zu haben. Die Zeugin hat glaubhaft erklärt, trotz ihrer Sehschwäche mit ihren Kontaktlinsen gut sehen zu können. Dies wurde für das Gericht sichtbar dadurch bekräftigt, dass die Zeugin die Klägerin im Sitzungssaal sehr bestimmt erkannt und benannt hat. Die von der Zeugin angegebene Hunderasse stimmt mit der tatsächlichen Rasse der drei Hunde der Klägerin überein. Die Zeugin hat bereits in ihrem Schreiben vom 6. März 2017 erklärt, dass es sich um drei Rhodesian Ridgeback gehandelt habe. Dies bestätigte sie entschieden in der mündlichen Verhandlung. Die Klägerin gab an, ihre Hunde sowohl zusammen als auch getrennt auszuführen. Sie bejahte die Frage des Gerichts, ob sie ihre Hunde in der Vergangenheit am Hafen in H. ausgeführt habe, und gab an, dass es sich um eine vielseitig genutzte und stark frequentierte Stelle handele. Letztlich stimmt die Angabe der Zeugin zu dem damaligen Auto der Klägerin insoweit mit deren eigener Angabe überein, als dass es sich um ein geländetaugliches Fahrzeug gehandelt hat. Die Zeugin gab an, das Fahrzeug, aus dem die Rigebacks gesprungen seien, sei Jeepähnlich gewesen. Sie kenne sich jedoch nicht so gut mit Autos aus. Die Klägerin gab an, sie habe zu der fraglichen Zeit einen Land Rover Defender gefahren. Ausweislich der Behördenakte ist die Klägerin bereits in der Vergangenheit mit ihrem Fahrzeug an den Main in benachbarte Gemeinden gefahren, um dort ihre Hunde auszuführen. Zu dem Vorfall vom 15. November 2015 gaben die Klägerin, der Zeuge Herr J … sowie die Zeugin Frau U … an, dass die Klägerin am Main in Dorfprozelten ihre Hunde aus ihrem Fahrzeug gelassen bzw. diese eingeladen habe. Letztlich ist ein vergleichbarer wie der von der Zeugin S … geschilderte Sachverhalt aktenkundig. Nach ihren Angaben war die Zeugin R … am 6. Januar 2016 in Stadtprozelten am Main spazieren. Die drei braunen, wahrscheinlich derselben Rasse angehörenden, Hunde der Klägerin seien auf die Zeugin zugelaufen. Vermutlich habe es sich um Rhodesian Ridgeback gehandelt. Sie habe Angst gehabt, dass die Hunde auf sie losgehen und beißen würden. Die Zeugin habe eine Hand hochgerissen und die Hunde angeschrien. Einer der Hunde sei direkt vor der Zeugin zähnefletschend stehen geblieben, während die anderen beiden hinter ihm stehen geblieben seien. Der Zeugin seien die Personalien der Klägerin aufgrund eines Vorfalls im Juni 2015 bekannt.
Nach dem Gesamtergebnis der freien richterlichen Beweiswürdigung stehen die von der Klägerin vorgebrachten Einwände der oben ausgeführten Überzeugung nicht entgegen. Die Klägerin erklärte, sie ziehe es aufgrund der Vorgeschichte vor, nicht in dem Gebiet der Beklagten mit ihren Hunden spazieren zu gehen. Es sei ein Druck, den sie mit sich herumtrage. Sie sei im benachbarten Bundesland beruflich tätig und bevorzuge es, dort ihre Hunde auszuführen. Sie versuche sich selten in dem Gebiet der Beklagten aufzuhalten. Wenn sie sich dort aufhalte, seien meistens Bekannte dabei. Dass sich die Klägerin vernünftigerweise seit Bescheiderlass in der Regel nicht auf dem Gebiet der Beklagten aufhält, schließt indes nicht aus, dass der Vorfall am 28. Februar 2017 stattgefunden hat. Die Angaben der Klägerin hinsichtlich des Vorfalls vom 28. Februar 2017 sind insoweit glaubhaft, als sie angibt, sie habe ihren Cousin am Faschingswochenende in Bad Mergentheim besucht und habe ihre Hunde mitgenommen. Soweit die Klägerin behauptet, sie könne sich nicht an ein vergleichbares Ereignis, wie das von der Zeugin Frau S … geschilderte, erinnern, ist das Gericht davon überzeugt, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Insbesondere geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin nicht erst am Abend des Faschingsdiensttags, sondern bereits am späten Vormittag beziehungsweise Mittag heimgekommen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen und der Tatsache, dass H. bei einer Fahrt von Bad Mergentheim nach Stadtprozelten zwingend auf dem Weg liegt.
Da das Zwangsgeld automatisch mit Bedingungseintritt fällig wird (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), ist unerheblich, dass in der Fälligkeitsmitteilung der Beklagten als Datum für den Vorfall der 27. Februar 2017 genannt wurde. Das zum Bedingungseintritt führende Ereignis als solches, dass die Klägerin ihre drei Hunde im Hafen von H. ohne Leine ausgeführt hat, war hinreichend konkret bezeichnet.
Im Übrigen bestehen an der Rechtmäßigkeit der Fälligkeitsmitteilung keinerlei Bedenken und wurde auch nichts von der Klägerin vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.