Aktenzeichen M 22 K 14.2751
RGebStV RGebStV § 8 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Auskunft über die Auftragnehmer (Rundfunkgebührenbeauftragte), denen der Beklagte Daten zur Person des Klägers zur Verfügung gestellt hat, zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 9/10, der Beklagte zu 1/10.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilge Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage bleibt weitgehend ohne Erfolg. Begründet ist die Klage allein hinsichtlich des Klageantrags Nr. 12 (Auskunft über die Rundfunkgebührenbeauftragten). Im Übrigen ist die Klage teilweise unzulässig und ansonsten unbegründet, da der Beklagte mit den bereits erteilten Auskünften seiner Auskunftspflicht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise hinlänglich nachgekommen ist.
1. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist in Art. 10 BayDSG geregelt.
Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG hat die speichernde Stelle (vgl. hierzu Art. 2 Abs. 9 BayDSG) den Betroffenen auf Antrag Auskunft über die zur Person gespeicherten Daten zu erteilen (zur Anwendbarkeit der Vorschriften des BayDSG auf den Beklagten siehe Art. 2 Abs. 1 BayDSG und Art. 20 ff. BayRG).
Personenbezogene Daten sind gemäß Art. 4 Abs. 1 BayDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen (Betroffene; zum Begriff der Datei siehe Art. 4 Abs. 3 BayDSG).
Vorgaben für die Art und Weise der Auskunftserteilung enthält Art. 10 Abs. 3 Satz 3 BayDSG, der festlegt, dass die speichernde Stelle das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
Eine Pflicht zur Auskunftserteilung besteht des Weiteren unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 und 3 BayDSG, wenn personenbezogene Daten durch andere Stellen im Auftrag erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, hinsichtlich der Auftragnehmer (Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 BayDSG).
2. Geltend zu machen ist der Auskunftsanspruch nach Auffassung der Kammer durch eine allgemeine Leistungsklage, da das Auskunftsbegehren nicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts, sondern auf ein tatsächliches Handeln (Realakt) gerichtet ist (siehe zu dieser Problematik mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 19 Rn. 124). Es war vorliegend daher nur über den Hauptantrag, nicht auch über den auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Hilfsantrag, zu entscheiden.
3. Der Kläger hat sein Klagerecht nicht durch längeres Untätigbleiben verwirkt. Voraussetzung für eine Verwirkung ist, dass seit der Möglichkeit der Klageerhebung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die nunmehrige Klageerhebung dem Beklagten gegenüber als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zwar hat der Kläger erst etwa ein Jahr nach seinem letzten Kontakt mit dem Beklagten Klage erhoben, doch lagen keine weiteren Anhaltspunkte vor, die die Annahme, dass der Kläger von einer Klageerhebung absehen werde, stützen.
4. Dies vorausgeschickt ist zu den mit der Klage verfolgten Begehren Folgendes festzustellen:
4.1. Der Kläger hat gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 BayDSG einen Anspruch auf Auskunft über die Rundfunkgebührenbeauftragten, denen der Beklagte Daten zur Person des Klägers zur Verfügung gestellt hat (Klageantrag Nr. 12).
Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht dadurch, dass die Rundfunkgebührenbeauftragten seit 2013 aufgrund der Umstellung der Rundfunkfinanzierung von einem Gebührenmodell auf ein Beitragsmodell nicht mehr tätig sind. Der Kläger hat sein Auskunftsersuchen bereits im Jahr 2011 gestellt.
Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 BayDSG bestimmt wie bereits erwähnt, dass die speichernde Stelle den Betroffenen im Fall des Art. 6 Abs. 1 bis 3 BayDSG auf Antrag Auskunft über die Auftragnehmer zu erteilen hat. Nach Art. 6 Abs. 1 BayDSG bleibt der Auftraggeber für die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz verantwortlich, wenn personenbezogene Daten durch andere Stellen im Auftrag erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Dies war bei den Rundfunkgebührenbeauftragten der Fall.
Nach dem bis 31. Dezember 2012 gültigen § 8 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) gelten die für die Datenverarbeitung im Auftrag anwendbaren Bestimmungen, wenn die Landesrundfunkanstalten Dritte mit der Ermittlung von Personen beauftragen, die der Anzeigepflicht (Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes) nicht nachgekommen sind, und mit der Erhebung der dafür erforderlichen Daten. Die Rundfunkgebührenbeauftragten waren selbständige Unternehmer, die auf Provisionsbasis arbeiteten und ihre Informationen aus dem Datenbestand der GEZ erhielten. Bis Ende 2012 hat die GEZ (seit 2013 Beitragsservice) als rechtlich unselbständige Einrichtung für den Bayerischen Rundfunk in dessen Namen und auf dessen Rechnung gehandelt.
Art. 10 Abs. 5 Nr. 3 BayDSG steht einem Anspruch nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Auskunftserteilung unter anderem, soweit personenbezogene Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung wegen überwiegenden berechtigten Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. Ob die Interessen des Dritten, d.h. hier des jeweiligen Rundfunkgebührenbeauftragten, diejenigen des Klägers überwiegen, ist durch Interessenabwägung festzustellen. Hierbei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Die bloße Vermutung, die Rundfunkgebührenbeauftragten könnte an der Geheimhaltung interessiert sein, reicht deshalb nicht aus (vgl. Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 19 Rn. 101).
4.2. Die Klage ist in Nr. 1 des Klageantrags unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über den eingescannten Schriftverkehr einschließlich der hinterlegten Freitexte. Auch besteht kein Anspruch auf Auskunft über die Verschlagwortung der Dokumente.
Der Kläger macht hinsichtlich des eingescannten Schriftverkehrs und der Freitexte keinen Auskunftsanspruch über gespeicherte Daten im Sinne des Art. 10 BayDSG geltend, sondern sein Antrag zielt darauf ab, umfassend Akteneinsicht zu erhalten. Dies erschließt sich insbesondere aus dem Hinweis des Klägers im Schriftsatz vom 14. März 2016, dass es einfacher und ökonomischer sei, die Unterlagen selbst in Kopie auszuhändigen. Art. 10 BayDSG gewährt aber kein generelles Akteneinsichtsrecht. Unabhängig hiervon würde für das Klagebegehren auch ein Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da der Beklagte dem Kläger bereits angeboten hat, ihm die Akte gegen Übernahme der Kopierkosten zu vervielfältigen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskunft über die Verschlagwortung der Dokumente, Scan-Daten oder Ordnungsmerkmale, da es sich nicht um zur Person gespeicherte Daten im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG handelt. Gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 BayDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen (Betroffene). Für die interne Datenstruktur erforderliche Kriterien können dann personenbezogenen Daten sein, wenn sich aus ihnen bestimmte Selektionskriterien für die Aufnahme in die Datei (z.B. Datei „schlechte Zahler“) ergeben (Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 119; HessVGH, B.v. 17.12.1990 – 7 UE 1182/84 – juris). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall aber keinerlei Anhaltspunkte.
4.3. Die Klage hat im Hinblick auf die Klageanträge Nr. 2 (auf Bildschirmkopie sichtbare Daten), Nr. 4 (fachliche Annahmen), Nr. 6 (leere Datenfelder), Nr. 7 (Abwesenheit von Datensätze), Nr. 8 (offensichtlich bekannte Daten) und Nr. 11 (Alternativschlüssel) keinen Erfolg.
Bei dem vom Kläger angesprochenen Alternativschlüssel im Klageantrag Nr. 11 handelt es sich nicht um eigene Verhältnisse des Betroffenen. Bei den Klageanträgen Nr. 2 (auf Bildschirmkopie sichtbare Daten), Nr. 4 (fachliche Annahmen), Nr. 6 (leere Datenfelder), Nr. 7 (Abwesenheit von Datensätzen), und Nr. 8 (offensichtlich bekannte Daten) handelt es sich – auch wenn dem Datenbegriff ein sehr weites Verständnis zugrunde liegt und auch eine logische Speicherung für Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG ausreichend sein kann – hier nicht um personenbezogene Daten, da der Informationsgehalt zur Person des Klägers praktisch gegen Null geht (zur Thematik vgl. Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 13, 119).
Des Weiteren hat der Kläger durch die Übersendung der Datenblätter (z.B. vom 09.08.2012) und der für den Kläger einsehbaren Verfahrensverzeichnisse Auskunft erhalten. Der Kläger kann durch die Datenblätter ersehen, welche Daten die Beklagte zu ihm gespeichert hat und erhält durch die Verfahrensverzeichnisse einen Überblick, welche Daten grundsätzlich beim Beklagten gespeichert werden. Der Argumentation des Klägers, dass eine Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis für leere Datenfelder die Datenauskunft nicht ersetze, kann nicht gefolgt werden, wobei nochmals darauf hingewiesen sei, dass nach Art. 10 Abs. 3 Satz 3 BayDSG die speichernde Stelle die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
4.4. Für den Klageantrag Nr. 3 (Ergänzung der Datenauskunft, dass die Anschrift des Klägers als Zustellanschrift bei seiner Großmutter gespeichert ist) fehlt bereits ein Rechtsschutzbedürfnis – die Klage ist insoweit also unzulässig -, denn der Umstand, dass eine entsprechende Speicherung erfolgte, war dem Kläger bereits aus der vorgerichtlichen Korrespondenz mit dem Beklagten bekannt und der Beklagte hat mit seinen Stellungnahmen hierzu (siehe Schreiben vom 25.11. und 28.11.2011) seiner diesbezüglichen Auskunftspflicht hinreichend Genüge getan. Ergänzend ist anzumerken, dass die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen haben, dass das Konto der Großmutter zwischenzeitlich gelöscht worden ist.
4.5. Der Kläger hat weiter keinen Anspruch gemäß Art. 10 BayDSG, dass alle binären Kennzeichen aufzuführen und grundsätzlich mit „ja“ oder „nein“ zu besetzen sind (Klageantrag Nr. 5), denn der Kläger begehrt insoweit ein Tätigwerden der Beklagten („Ausfüllen von Feldern“), welches nicht unter den Auskunftsanspruch des Art. 10 BayDSG fällt.
4.6. Dem Kläger steht auch kein Anspruch zu, dass alle gespeicherten Daten, also auch historische Daten, die den Verlauf der Entwicklung der zu beauskunftenden Daten darstellen, beauskunftet werden (Klageantrag Nr. 13).
Der Beklagte hat seiner Auskunftspflicht bezüglich „historischer Daten“ genügt. Der Bevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass durch Einsichtnahme in die Software bestätigt werden könne, dass dort keine weiteren Daten hinterlegt seien, beispielsweise auch keine älteren Zahlungseingänge aus der Zeit vor Mai 2012. Hinzuweisen ist hier darauf, dass nicht mehr benötigte Daten umgehend zu löschen sind (vgl. Art. 12 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG) und davon auszugehen ist, dass die zugrundeliegende Software automatisch Daten nach einer bestimmten Zeit löscht. Der Kläger hat nichts Stichhaltiges vorgetragen, was die Angaben des Beklagten zweifelhaft erscheinen ließe.
Soweit der Kläger mit dem auf „historische Daten“ abzielenden Klageantrag auf Historisierung oder Protokollierung von Änderungen an den Stammdaten Bezug nimmt, bleibt sein Antrag auch unter diesem Gesichtspunkt erfolglos.
Gemäß. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayDSG gilt der Auskunftsanspruch nicht für personenbezogene Daten, die ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen. Die Vermeidung von Datenverlusten, Datenmanipulationen und unbefugtem Datenzugang sowie die Korrektur von Fehlern und die Wiederherstellung von Datenbeständen gehören zum Zweck der Datensicherung. Die Begriffe Datenschutzkontrolle und Datensicherung lassen sich letztlich nur schwer auseinander halten. So handelt es sich beispielsweise bei Protokolldaten, die Auskunft über erfolgte Zugriffe zu Dateien geben, sowohl um Sicherungswie auch um Kontrolldaten (Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, BayDSG, 25. Aktualisierung, Art. 17 Rn. 66, Art. 10 Rn. 17).
Der Kläger trägt in der Klagebegründung vor, dass zur Nachvollziehbarkeit von Änderungen für den Sachbearbeiter, zur Sicherstellung der Datenintegrität und zum Nachweis gegen unbefugte Änderungen eine entsprechende Historisierung oder Protokollierung bei personenbezogenen Daten der Regelfall sei und auch tatsächlich durchgeführt werde. Deshalb seien auch die historischen Daten zu beauskunften. Der Kläger verkennt dabei, dass dieses Begehren unter die Regelung des Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayDSG fällt.
4.7. Zu den Klageanträgen Nr. 9 und 10, die sich allgemein auf die Art und Weise der Auskunftserteilung beziehen, ist festzustellen, dass, abgesehen davon, dass – dies betrifft nur den Antrag Nr. 9 – nicht ansatzweise erkennbar ist, worin ein über einen Auskunftsanspruch hinausgehendes Unterlassungsbegehren seine Rechtsgrundlage finden könnte, eine stattgebende Entscheidung insoweit ersichtlich schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Klage nur in Bezug auf den Klageantrag Nr. 12 (Auskunft über Beauftragte) Erfolg hat und sich insoweit die Frage nach einer bestimmten Art der Beauskunftung bzw. deren Verständlichkeit von vorneherein nicht stellt.
4.8. Im Hinblick darauf, dass der Kläger eine vollständige Datenauskunft gemäß Art. 10 BayDSG erstrebt, weist das Gericht schließlich darauf hin, dass sich auch aus Art. 10 Abs. 1 Nr. 6 BayDSG nicht ergibt, dass die erteilte Auskunft insofern unvollständig gewesen wäre. Art. 10 Abs. 1 Nr. 6 BayDSG besagt, dass die speichernde Stelle dem Betroffenen im Fall des Art. 15 Abs. 6 BayDSG auf Antrag über den strukturierten Ablauf der automatischen Verarbeitung oder Nutzung seiner Daten und die dabei herangezogenen Entscheidungskriterien Auskunft zu erteilen hat. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beklagtenpartei, dass es keine automatisierten Einzelentscheidungen im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Nr. 6 BayDSG gebe. Dem Gericht liegen keine Anhaltspunkte vor, dass dies unzutreffend wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass eine für den Kläger potentiell nachteilige Entscheidung unter Einsatz automatisierter Verfahren getroffen wurde bzw. werden soll.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.