Aktenzeichen 7 O 5358/19
BGB § 273 Abs. 1
UrhG § 10, § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 4, Abs. 7, Abs. 9
ZPO § 3, § 137 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
1. Feststellungen im Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sind nicht präjudiziell im Hinblick auf einen nachfolgend gegenüber dem Telefon- und Internetdienstleister geltend gemachten Auskunftsanspruch. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Frühere eidesstattliche Erklärungen dahingehend, dass ein Vertrag über eine Unterlizenzierung nicht gekündigt worden sei und fortbestehe, sind zur Glaubhaftmachung, dass dieser Vertrag noch zu einem ein Jahr später liegenden Tatzeitpunkt fortbestanden habe, nicht ausreichend. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem Auskunftsschuldner, der selbst nicht Rechtsverletzer ist, ist es nicht zuzumuten, gegenüber einem säumigen Auskunftsgläubiger ohne vorherige Zahlung bzw. Hinterlegung jedenfalls desjenigen Betrages, der vom Auskunftsgläubiger selbst als angemessen für die nunmehr begehrten Auskünfte erachtet wird, weitere Auskünfte zu erteilen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen.
A. Verfügungsgrund
Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes wurde glaubhaft gemacht. Die verspätete Einreichung des Schriftsatzes vom 8.5.2019 am Vorabend der mündlichen Verhandlung um 20.00 Uhr alleine reicht nicht aus, die zeitliche Dringlichkeit entfallen zu lassen. Dem dadurch eingetretenen Überrumpelungseffekt wurde durch eine Anordnung nach § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Termin und die Gewährung eines Schriftsatznachlasses für die Beklagten begegnet.
B. Verfügungsanspruch
Nach § 101 Abs. 7 UrhG kann in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden. Eine offensichtliche Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn (nachfolgend Zitat aus Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 101 Rn. 28) „so eindeutig ist, dass eine Fehlentscheidung (oder eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens) und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Antragsgegners kaum möglich ist“ (amtl. Begr., BT-Drs. 11/4792, 32; OLG Hamburg CR 2012, 503 und GRUR-RR 2005, 209 – Rammstein; KG GRUR 1997, 129, 130 – Verhüllter Reichstag II; OLG Braunschweig GRUR 1993, 699 – Stoffmuster: zum Gebrauchsmusterrecht; zuletzt OLG Hamburg GRUR-RR 2013, 13, 16 f. – Replay PSP), also vornehmlich in Fällen identischer oder nahezu identischer Kopien (vgl. Tilmann BB 1990, 1565, 1566: in erster Linie Eindeutigkeit der Rechtsverletzung). Die Offensichtlichkeit ist objektiv zu beurteilen (Möhring/Nicolini/Reber Rn. 14; aA möglicherweise KG GRUR 1997, 128, 129 – Verhüllter Reichstag I: Abstellen auf den Verletzer). Die Umstände, aus denen sich die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ergibt – also auch Schutzfähigkeit und Rechtsinhaberschaft – hat der Antragsteller durch das stärkste ihm zur Verfügung stehende Beweismittel (amtl. Begr., BT-Drs. 11/4792, 32; einschränkend Eichmann GRUR 1990, 575, 587) glaubhaft zu machen (vgl. Fromm/Nordemann/Czychowski Rn. 35; Schricker/Loewenheim/Wimmers Rn. 94).
In den bereits ergangenen Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG wurde zwar ebenfalls die Frage der Glaubhaftmachung einer offensichtlichen Rechtsverletzung geprüft, allerdings entfalten diese Beschlüsse für die Frage, ob glaubhaft gemacht wurde, dass ein Verfügungsanspruch in Person der Klägerin offensichtlich gegeben ist, aus nachfolgenden Gründen keine Rechtskraftwirkung. Vorliegend wurde aus den nachfolgenden Gründen nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsanspruch in Person der Klägerin offensichtlich gegeben ist. Der Verweis auf ein hilfsweise (erstmals) behauptetes Vorgehen in gewillkürter Prozessstandschaft greift aus nachfolgenden Gründen ebenfalls nicht durch.
I. Keine Rechtskraftwirkung
Die bereits ergangenen Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG entfalten für die Frage, ob glaubhaft gemacht wurde, dass ein Verfügungsanspruch in Person der Klägerin offensichtlich gegeben ist, keine Rechtskraftwirkung, worauf die Kammer bereits mit der Ladungsverfügung vom 24.4.2019 (Bl. 13) hingewiesen hat. Denn Feststellungen im Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sind nicht präjudiziell (OLG Köln ZUM-RD 2011, 309, 310; Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 101 Rn. 37a). Sie haben einen anderen Verfahrensgegenstand, weil sie sich ihrem Inhalt nach auf die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten beziehen, nicht aber auf die Feststellung eines Auskunftsanspruchs. Dies bildet lediglich eine Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst, insbesondere nicht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Ulrici in: Rauscher (Hrsg.), MK-FamFG, 3. Aufl. 2018, § 48 Rn. 32 ff.). Das weit überwiegend einseitig geführte Verfahren bleibt demnach aufgrund seiner spezifischen Zielrichtung von vornherein auf den Grundrechtsschutz infolge des Richtervorbehalts beschränkt und soll keine darüber hinausgehenden prozessualen Wirkungen zeitigen. Zweck des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG ist alleine der effektive Schutz des Fernmeldegeheimnisses.
II. Keine Glaubhaftmachung des offensichtlichen Bestehens eines Verfügungsanspruchs in Person der Klägerin
Unabhängig von der Frage, ob Vortrag der Klägerin vorliegend zu spät ins Verfahren eingeführt worden ist, reicht dieser Vortrag auch bei Berücksichtigung und mit Blick auf das gesamte Vorbringen der Beklagten für die Glaubhaftmachung des Vorliegens einer offensichtlichen Rechtsverletzung nicht aus. Insbesondere wurde nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin offensichtlich Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Tonaufnahmen ist und zwar unabhängig von der Frage, ob es sich bei P2P-Rechten um abspaltbare Rechte handelt:
1. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 8.5.2019 geltend gemacht, dass sie ausschließliche P2P-Rechte betreffend der Tonaufnahmen Nr. 1 und Nr. 2 von der X. XYZs GmbH mit Vertrag vom 23.4.2014 (Anlage AST 15) und Appendix vom 16.11.2018 (Anlage AST 16) erworben habe. Diese Vereinbarung sei von keiner Vertragspartei gekündigt worden und gelte daher auf unbestimmte Zeit bis zur Kündigung durch eine der Vertragsparteien fort (Anlage AST 17: eidesstattliche Versicherung vom 19.7.2018 der Geschäftsführerin der X. XYZs GmbH, B. W.; Anlage AST 18: eidesstattliche Versicherung vom 20.7.2018 des Geschäftsführers der … GmbH, M. E.). Die X. XYZs GmbH sei in den gängigen Downloadportalen als Rechteinhaberin an der Tonaufnahme Nr. 1 ausgewiesen (Anlagen AST 10 und AST 11). Insoweit greife § 10 UrhG. Die Rechte an der Tonaufnahme Nr. 2 habe die X. XYZs GmbH mit Vertrag vom 17.5.2017 und Ammendment vom 12.7.2017 (Anlage AST 12) von der S. M. SAS erworben. Die S. M. SAS sei Herstellerin der Tonaufnahme Nr. 2. Ihr Logo sei auf dem Tonträger angebracht (Anlagen AST 13 und AST 14).
Die Klägerin hat weiter mit Schriftsatz vom 8.5.2019 geltend gemacht, dass sie ausschließliche P2P-Rechte betreffend der Tonaufnahmen Nr. 3 und Nr. 4 mit Lizenzvertrag vom 1.11.2010 (Anlage AST 26) und Appendixen vom 31.5.2018 und 28.6.2018 (Anlagenkonvolut AST 27) von der K. R. GmbH erworben habe. Diese Vereinbarung sei von keiner Vertragspartei gekündigt worden und gelte daher auf unbestimmte Zeit bis zur Kündigung durch eine der Vertragsparteien fort (Anlage AST 28: eidesstattliche Versicherung vom 20.7.2018 des anwaltlichen Beraters der K. R. GmbH, Rechtsanwalt S. B. aus der Rechtsanwaltskanzlei B. Rechtsanwälte, …-Str. in H.; Anlage AST 18: eidesstattliche Versicherung vom 20.7.2018 des Geschäftsführers der … GmbH, M. E.). Die K. R. GmbH habe die Rechte an der Tonaufnahme Nr. 3 von der S. M. SAS mit Lizenzvertrag vom 26.6.2018 (Anlage AST 19) erworben. Die S. M. SAS sei Herstellerin der Tonaufnahme Nr. 3. Die S. M. SAS und die K. R. GmbH gingen aus dem C-Vermerk des Tonträgers Nr. 3 hervor (Anlagen AST 20 und AST 21). Die K. R. GmbH sei ursprüngliche Inhaberin der ausschließlichen Rechte zur Auswertung der Tonaufnahme Nr. 4. Sie habe die Rechte an der Tonaufnahme Nr. 4 gem. Vertrag vom 1.9.2010 und Laufzeitverlängerungen vom 17.6.2013, 2.9.2015 und 23.2.2018 (Anlagenkonvolut AST 23; Anlage AST 22: eidesstattliche Versicherung vom 31.1.2019 der Geschäftsführerin der A. Music B.V., M. P.; Anlagen AST 20 und AST 21) von der A. B.V. erworben.
2. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 13.5.2019 insoweit geltend gemacht, dass in Bezug auf die Tonaufnahme Nr. 1 aus der Anlage AST 10 ersichtlich sei, dass ursprünglich die L. HQ Rechteinhaber gewesen sei. Hierzu fehle aber Vortrag der Klägerin. In Bezug auf die Tonaufnahme Nr. 2 ergebe sich aus der Anlage AST 12 keine Befugnis, Unterlizenzen einräumen zu dürfen. In Bezug auf die Tonaufnahme Nr. 3 ergebe sich aus der Anlage AST 19 keine Befugnis, Unterlizenzen einräumen zu dürfen. Auch könne der Vereinbarung nicht eindeutig entnommen werden, ob sie sich auch auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet erstrecke. In Bezug auf die Tonaufnahme Nr. 4 sei der Vortrag bereits unschlüssig, weil einerseits behauptet werde, dass die K. R. GmbH ursprüngliche Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte sei, diese aber dann derivativ von der A. B.V. erworben haben will. Im Übrigen stammten die eidesstattlichen Versicherungen betreffend den Fortbestand der Verträge aus dem Jahre 2018 und seien daher für eine Glaubhaftmachung im Jahre 2019 ungeeignet, was auf alle vier Tonaufnahmen zutreffe.
3. Im Lichte des Vortrages beider Parteien konnte die Kammer nicht feststellen, dass es der Klägerin gelungen ist, das Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung nach dem oben wiedergegebenen Maßstab glaubhaft zu machen. Im Einzelnen:
A.
Zur Tonaufnahme Nr. 1
In Bezug auf die behauptete Unterlizenzierung von der X. XYZs GmbH an die Klägerin gem. Anlage AST 15 stammen die eidesstattlichen Erklärungen dahingehend, dass der Vertrag nicht gekündigt worden sei und fortbestehe vom 19.7.2018 und 20.7.2018 und sind daher zur Glaubhaftmachung, dass der Vertrag noch zu den Tatzeitpunkten im Jahre 2019 offensichtlich fortbestanden hat, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für den Verlust einer einmal erlangten Rechtsposition nach allgemeinen Grundsätzen der Gegner darlegungs- und beweisbelastet ist, mit Blick auf das besondere Beweismaß (Offensichtlichkeit) und die begrenzten Recherchemöglichkeiten, die der Beklagten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren zur Verfügung gestanden haben, ungeeignet. Soweit die Klägerin zur Darlegung der weiteren Rechtekette darauf verweist, dass die X. XYZs GmbH in den gängigen Downloadportalen als Rechteinhaberin an der Tonaufnahme Nr. 1 ausgewiesen sei und insoweit § 10 UrhG greife ist festzustellen, dass eine Vermutungswirkung nach § 10 Abs. 1, 3 UrhG aufgrund der Online-Quellen (vgl. BGH GRUR 2015, 258 CT-Paradies) nicht anzunehmen ist, weil aus den vorgelegten Online-Quellen schon keine eindeutige Zuordnung erkennbar ist. Vorliegend lautet der Copyrightvermerk in dem Internetausdruck vom Amazon-Portal (Anlage AST 10): „(P) 2018 X. XYZs GmbH under exclusive license from L. HQ“. Die Klägerin hat zur Rolle der L. HQ nicht weiter vorgetragen und keine Verträge betreffend eine Rechteeinräumung von dieser an die X. XYZs GmbH vorgelegt. Ob aufgrund derartiger zweifelhafter Angaben dennoch eine Indizwirkung anzunehmen ist, kann dahinstehen, weil eine solche für die Darlegung einer offensichtlichen Rechtsverletzung nicht ausreicht.
B. zur Tonaufnahme Nr. 2
In Bezug auf die behauptete Unterlizenzierung von der X. XYZs GmbH an die Klägerin kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Aus der Anlage AST 12 ist zwar der Ziffer 6b des Ammendments vom 12.7.2017 (Anlage AST 12) die Befugnis, Unterlizenzen einräumen zu dürfen, zu entnehmen. Nicht offensichtlich glaubhaft gemacht ist allerdings, dass die S. M. SAS Herstellerin der Tonaufnahme Nr. 2 ist. Denn in den Ausdrucken von den Internetangeboten von Amazon und Apple (Anlagen AST 13 und AST 14) wird die S. M. ohne die Rechtsform „SAS“ genannt. Diese Ungenauigkeit führt ebenfalls dazu, dass keine hinreichende Indizwirkung festgestellt werden kann. Ferner kann in Bezug auf die grundsätzliche Ungeeignetheit von Indizien zur Glaubhaftmachung einer offensichtlichen Rechtsverletzung auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
C. zur Tonaufnahme Nr. 3
In Bezug auf die behauptete Unterlizenzierung von der K. R. GmbH an die Klägerin gem. Anlage AST 26 ist festzustellen, dass die vorgelegte Kopie des Vertrages derart verschwommen ist, dass der Inhalt nicht entzifferbar ist. Darüber hinaus stammen die eidesstattlichen Erklärungen dahingehend, dass der Vertrag nicht gekündigt worden sei und fortbestehe jeweils vom 20.7.2018 und sind daher zur Glaubhaftmachung, dass der Vertrag noch zu den Tatzeitpunkten im Jahre 2019 offensichtlich fortbestanden hat, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für den Verlust einer einmal erlangten Rechtsposition nach allgemeinen Grundsätzen der Gegner darlegungs- und beweisbelastet ist, mit Blick auf das besondere Beweismaß (Offensichtlichkeit) und die begrenzten Recherchemöglichkeiten, die der Beklagten im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren zur Verfügung gestanden haben, ungeeignet. Aus der Anlage AST 19 (Vertrag S. M. SAS – K. R. GmbH) ergibt sich weiter keine Befugnis, Unterlizenzen einräumen zu dürfen. Auch kann der Vereinbarung nicht eindeutig entnommen werden, ob sie sich auch auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet erstreckt. Insoweit spricht der nicht in deutscher Übersetzung vorgelegte Vertrag nur von Rechten betreffend „downloads“ und „streaming“. Aus den Anlagen AST 20 und AST 21 gehen nicht die „S. M. SAS“ und die Klägerin als im Copyright-Vermerk genannte hervor, sondern eine „S. M. “ und die Klägerin. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Eine Erklärung, warum das eine Unternehmen mit Rechtsformzusatz und das andere ohne erscheint, ist die Klägerin schuldig geblieben.
D. zur Tonaufnahme Nr. 4
In Bezug auf die Tonaufnahme Nr. 4 ist der Vortrag bereits unschlüssig, weil einerseits behauptet wurde, dass die K. R. GmbH ursprüngliche Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte sei, diese aber dann derivativ von der A. B.V. erworben haben soll. Im Übrigen ist in Bezug auf die behauptete Unterlizenzierung von der K. R. GmbH an die Klägerin gem. Anlage AST 26 wiederum festzustellen, dass die vorgelegte Kopie des Vertrages derart verschwommen ist, dass der Inhalt nicht entzifferbar ist und die eidesstattlichen Versicherungen betreffend den Fortbestand der Verträge mit der K. R. GmbH aus dem Jahre 2018 stammen und daher für eine Glaubhaftmachung im Jahre 2019 ungeeignet sind. Aus der nur in englischer Sprache vorgelegten Anlage AST 23 (Vertrag A. Music B.V. – K. R. GmbH) ergibt sich weiter keine Befugnis, Unterlizenzen einräumen zu dürfen. Auch kann der Vereinbarung nicht eindeutig entnommen werden, ob sie sich auch auf das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet erstreckt. Klausel 2 ist insoweit verwirrend formuliert und in Bezug auf die Unterscheidung, ob einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt werden, ohne weitere Erläuterung unverständlich. Unabhängig hiervon fehlt jeglicher widerspruchsfreier Vortrag dazu, dass die A. Music B.V. ursprüngliche Rechteinhaberin ist. Aus dem kommentarlos vorgelegten Internetausdruck von Amazon (Anlage AST 24) kann man den Copyright-Vermerk „M. R. under exclusive license to A. Music B.V.“ entnehmen. Wer die M. R. ist und welche Rolle sie bei der Entstehung der Tonaufnahme Nr. 4 gespielt hat, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen.
III. Keine Aktivlegitimation aufgrund Prozessstandschaft
Aufgrund der zahlreichen oben aufgezeigten Defizite existiert schon keine tragfähige Grundlage dafür, von der Glaubhaftmachung der offensichtlichen Rechtsinhaberschaft einer der in Betracht kommenden juristischen Personen auszugehen. Darüber hinaus kann eine Ermächtigung zu Gunsten der Klägerin, insoweit in Prozessstandschaft für diese (nicht identifizierte(n) und auch nicht identifizierbare(n)) juristische Person(en) vorzugehen, den vorgelegten Verträge unabhängig davon nicht entnommen werden, dass die Klägerin es unterlassen hat, diejenige Vertragsklausel zu bezeichnen, aus der sich eine solche Ermächtigung ergeben soll.
IV. Verhältnismäßigkeit
Jedenfalls ist die Inanspruchnahme der Beklagten auf Auskunft im einstweiligen Verfahren vorliegend aufgrund der Zahlungsrückstände und der Weigerung, einen als angemessenen erachteten Betrag zu zahlen bzw. zu hinterlegen, unverhältnismäßig im Sinne des § 101 Abs. 4 UrhG.
Nach § 101 Abs. 4 UrhG sind die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Dem Auskunftspflichtigen steht aufgrund der Inanspruchnahme zur Auskunft nach § 101 Abs. 2 Satz 2 UrhG der Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen zu. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Sie meint aber, dass die Beklagte für ältere Auskunftsersuchen insoweit zu viel berechnet habe. Was die Klägerin als angemessen ansieht, hat sie nicht vorgetragen. Wie hoch ein angemessener Aufwendungsersatz ist, kann vorliegend auch offen bleiben, weil es einem Auskunftsschuldner, der selbst nicht Rechtsverletzer ist, nicht zuzumuten ist, gegenüber einem säumigen Auskunftsgläubiger ohne vorherige Zahlung bzw. Hinterlegung jedenfalls desjenigen Betrages, der vom Auskunftsgläubiger selbst als angemessen für die nunmehr begehrten Auskünfte erachtet wird, weitere Auskünfte zu erteilen.
So verhält es sich aber hier. Gegenüber der Klägerin ist unstreitig mindestens noch die Rechnung gem. Anlage AG 2 in Höhe von € 1.800,00 offen. Die Klägerin hat insoweit auch nicht einen als angemessen erachteten Teil-Betrag angeboten oder hinterlegt. Für den Aufwendungsersatz, der sich aus den nunmehr begehrten streitgegenständlichen Auskünften ergibt, hat sie dies ebenfalls nicht unternommen.
C. Interessenabwägung
Die vorzunehmende Interessenabwägung geht vorliegend zu Gunsten der Beklagten aus. Dieser ist es nicht zuzumuten, den Auskunftsanspruch bereits im einstweiligen Verfahren auf dem Boden einer – wie oben dargelegt – äußerst dünnen Glaubhaftmachungslage vorab erfüllen zu müssen, zumal an der Zahlungsfähigkeit bzw. Zahlungswilligkeit der Klägerin in Bezug auf den gesetzlich geschuldeten Aufwendungsersatz aus oben dargelegten Gründen zu zweifeln ist.
Aufgrund der oben dargelegten erheblichen Glaubhaftmachungsdefizite kommt auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden mit der Verpflichtung, Sicherheit zu leisten, nicht in Betracht.
Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Klägerin bzw. ihr anwaltlicher Vertreter mit der Beklagten über ältere Forderungen auf Aufwendungsersatz eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen und damit die Art der Berechnung des Aufwendungsersatzes anerkannt hat. Er ist nicht ersichtlich, warum nunmehr für die Zwecke dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens von dieser Handhabung abgewichen wird. Jedenfalls kann die Klägerin darauf verwiesen werden, den Streit über die korrekte Berechnung des Aufwendungsersatzes in einem Hauptsacheverfahren durchzuführen. Da die für die begehrte Auskunftserteilung notwendigen Verbindungsdaten kraft der beiden Beschlüsse nach § 101 Abs. 9 UrhG samt einstweiligen Anordnungen vorläufig und bis auf Weiteres gesichert sind, kann es der Klägerin zugemutet werden, ihren vermeintlichen Auskunftsanspruch im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen. Eine Verjährung der Ansprüche gegen die Filesharing-Täter würde erst ab Kenntnis von Namen und Anschriften der Täter beginnen, also frühestens ab Auskunftserteilung. Das Eingreifen der absoluten Verjährung steht in Bezug auf die Taten Anfang 2019 derzeit nicht zu befürchten.
Ob der Beklagten darüber hinausgehend ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB in Bezug auf die aktuellen und/oder auch auf ältere Ansprüche auf Aufwendungsersatz zusteht, kann daher für das vorliegende Verfahren offen bleiben.
D. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO. Die Streitwertschätzung beruht auf §§ 3 ZPO; 53 GKG. In den beiden Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG wurde jeweils ein Gegenstandswert von € 5.000,00 festgesetzt, sodass es gerechtfertigt erscheint, diese Werte vorliegend zu addieren.