Aktenzeichen 4 B 14.2771
StGB § 203
Leitsatz
1. § 203 Abs. 1 StGB steht der Auskunftspflicht eines Steuerberaters bei der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags nicht entgegen. (amtlicher Leitsatz)
2 Das Berufsgeheimnis steht der Auskunftspflicht von Steuerberatern bei der Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages nicht entgegen, weil die Weitergabe von Informationen an die Steuer- oder Beitragserhebungsbehörden, die ihrerseits dem strafbewehrten Steuergeheimnis unterliegen, auf gesetzlicher Grundlage keine “unbefugte” Weitergabe ist. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Steuerberaterkanzlei ist beitragspflichtig, wenn sie mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr zieht, weil sie Mandanten in Angelegenheiten berät, in denen diese Mandanten aus dem Fremdenverkehr einen unmittelbaren Vorteil ziehen. (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Kostendeckungsprinzip erfordert keine genaue Kalkulation der Kosten vor Erlass der Satzung. Ausreichend ist, wenn eine nachträgliche Kalkulation die Beitragssätze rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 K 13.1047 2014-02-04 Schlussurteil VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die von der Klägerin angegriffenen Fremdenverkehrsbeitragsbescheide vom 19. Oktober 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Kostendeckungsprinzip missachten und mit den Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag etwa Gewinne erwirtschaften würde (1.). Die Klägerin zieht als Steuerberaterkanzlei durch die Beratung von unmittelbar aus dem Fremdenverkehr Vorteil ziehenden Betrieben oder Personen mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr (2.). Die Verschwiegenheitspflicht von Steuerberatern steht ihrer Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten nicht entgegen (3.). Die Höhe des von der Beklagten geschätzten Vorteilssatzes ist nicht zu beanstanden (4.). Es besteht kein strukturelles Erhebungsdefizit bei der Beklagten (5.). Auch die allgemeinen Einwände der Klägerin gegen die Fremdenverkehrsbeitragspflicht verhelfen der Klage nicht zum Erfolg (6.).
1. Die Klägerin hat gerügt, dass die Festlegungen in der Beitragssatzung der Beklagten, insbesondere bei der Erhöhung des Beitragssatzes im Jahr 2011, ohne entsprechende vorherige Kalkulationsgrundlage getroffen worden seien. Gemäß Art. 6 Abs. 1 KAG darf der Fremdenverkehrsbeitrag nur zur Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung und nicht zur Erzielung eines Überschusses erhoben werden (keine Kostenüberdeckung: BayVGH, U. v. 3.4.1990 – 4 B 87. 00968 – juris). Allerdings ist hierfür eine genaue Kalkulation vor Erlass einer Satzung oder auch einer Änderungssatzung nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats reicht es aus, wenn eine nachträgliche Kalkulation, allerdings immer auf den Zeitpunkt des jeweiligen Satzungserlasses bezogen, die vorgefundenen oder auch nur gegriffenen Beitragssätze rechtfertigt (BayVGH, U. v. 13.8.1999 – 4 B 97.973 – juris Rn. 35 zum Kurbeitrag; SächsOVG, U. v. 29.1.2003 – 5 D 11/01 – juris Rn. 60). Gemessen an diesen Vorgaben sind Anhaltspunkte für eine Kostenüberdeckung bei der Beklagten nicht erkennbar. Die im Verfahren von der Klägerin vorgelegten Zahlen über die Entwicklung des erheblichen Defizits bei der Fremdenverkehrsförderung sind zwar ohne nähere Erläuterung und Kenntnis der dahinter stehenden Kostenpositionen noch nicht aussagekräftig. Auch ist es grundsätzlich Sache der Beklagten, das Fehlen einer Kostenüberdeckung substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Allerdings hat der Senat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es nach den im Internet veröffentlichten Vorberichten zu den Haushaltsplänen für die Jahre 2011 bis 2015 plausibel erscheint, dass allein schon wegen des von der Beklagten betriebenen Personalaufwands für die Touristeninformation und wegen des Sachaufwands für weitere tourismusspezifische Maßnahmen in der Vergangenheit keine Überdeckung eingetreten ist. Die Klägerseite hat daraufhin zu diesem Punkt keine weitere Aufklärung mehr für geboten erachtet, so dass sich auch für den Senat eine weitere Aufklärung zusätzlicher Kostenpositionen bei der Beklagten nicht aufdrängt.
2. Die Klägerin ist als Steuerberaterkanzlei in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auch beitragspflichtig, weil sie mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr zieht (so schon BayVGH, B. v. 23.3.1987 – 4 B 86.01464 – Bayer. Gemeindetag 1987, 102). Dies ist dann der Fall, wenn sie Mandanten in Angelegenheiten berät, in denen diese Mandanten aus dem Fremdenverkehr einen unmittelbaren Vorteil ziehen (BayVGH, B. v. 23.3.1987 a. a. O.: in Abgrenzung zu nicht fremdenverkehrsbezogenen „persönlichen“ Steuerangelegenheiten; BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 5 für einen Rechtsanwalt, der örtliche Fremdenverkehrsbetriebe berät; VGH BW, U. v. 25.8.2003 – 2 S 2192/02 – juris Rn. 35 zu einer Rechtsanwalts-GbR).
3. Die Klägerin ist gegenüber der Beklagten auskunftspflichtig; die Verschwiegenheitspflicht von Steuerberatern, ihr Berufsgeheimnis, steht ihrer Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten nicht entgegen. Diese ist gehalten, die Fremdenverkehrsbeitragspflicht aus Gleichbehandlungsgründen gleichmäßig zu vollziehen und nicht etwa einzelne Berufsgruppen aus der Beitragspflicht auszunehmen. Die Beklagte ist im Vollzug des Fremdenverkehrsbeitragsrechts nämlich darauf angewiesen, den Vorteilssatz der Beitragspflichtigen zu schätzen. Die Legitimation für eine Schätzung des Vorteilssatzes ergibt sich daraus, dass es praktisch kaum möglich ist, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenen Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen auseinander zu dividieren. Die Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung begründet für die Gemeinde aber die Verpflichtung, wenigstens die ihr zugänglichen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen, die ein realitätsnahes Schätzergebnis vermitteln. Diese Verpflichtung der Kommune entlastet den Betroffenen indes nicht von der ihn treffenden Obliegenheit, die in seine Sphäre fallenden und nur von ihm ermittelbaren Umstände offen zu legen (BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 7). Die Klägerin hat deshalb gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten die zur Verfügung gestellten Formblätter auszufüllen und bei Bedarf auch weitere Auskünfte zu erteilen, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 a) KAG i. V. m. § 90 Abs. 1 AO.
a) Bei der Klägerin als Steuerberaterkanzlei kann nur aufgrund der Umsätze und Vorteilssätze für die am Fremdenverkehrsgeschehen unmittelbar beteiligten Mandanten auf den der Klägerin entstehenden Vorteil geschlossen werden (BayVGH, B. v. 23.3.1987 a. a. O.; VGH BW, U. v. 25.8.2003 – 2 S 2192/02 – juris Rn. 40 zu fremdenverkehrsbezogenen Umsätzen bei Rechtsanwälten). Die Beklagte hat daher im vorliegenden Fall zu Recht von der Klägerin Auskunft über die Mandantschaft der Klägerin verlangt, die einen unmittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr zieht, sowie über die mit diesen Mandanten jeweils gemachten Umsätze. Diese müssen dann von der Beklagten gemäß den zutreffenden Vorgaben des Verwaltungsgerichts mit dem Umsatz der Klägerin mit anderen Mandanten ins Verhältnis gesetzt werden, die keinen Bezug zum Fremdenverkehr haben. Das Verwaltungsgericht hat hierzu richtig weiter ausgeführt, dass der so ermittelte Prozentsatz gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer im Einzelfall zu berücksichtigender Aspekte zu korrigieren ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Umsatz mit einem im Fremdenverkehr tätigen Mandanten auch Anteile enthält, die keinen Fremdenverkehrsbezug haben und deshalb abgezogen werden müssen.
b) Die Klägerin hat diese Auskünfte jedoch komplett verweigert und im Sinne eines „Zurückbehaltungsrechts“ ihrerseits Auskünfte von der Beklagten verlangt, auf die sie jedoch keinen Anspruch hat. So hat die Klägerin etwa verlangt, dass ihr die Beklagte eine Liste mit allen Betrieben und Personen zuleiten solle, von der sie Fremdenverkehrsbeiträge erhebt. Auch verlangte sie eine Zusammenstellung aller von der Beklagten (jemals) in Beitragsfällen verwendeten Formulare. Auf eine solche Zusammenstellung, die auch Angaben zu Beitragspflichtigen enthält, die nicht zur Mandantschaft der Klägerin zählen, besteht kein Anspruch. Die Kenntnis derartiger Angaben ist für die Ermittlung der Beitragspflicht der Klägerin nicht relevant. Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht verlangen, dass diese die bei allen einzelnen Beitragspflichtigen zugrunde gelegten Vorteilssätze – gegebenenfalls spartenbezogen – bekannt gibt. Es ist nicht ersichtlich, dass derartige allgemeine Zusammenstellungen zur konkreten Ermittlung des Vorteilssatzes der Klägerin bedeutsam sein könnten. Das gilt auch für die Frage nach in anderen Beitragsfällen verwendeten Formularen (vgl. dazu unten 5.c).
Zwar macht die Klägerin zu Recht geltend, dass bei der Umsatzanteilsberechnung der Vorteilssatz der jeweils unmittelbar aus dem Fremdenverkehr Vorteil Ziehenden auf den bei der Klägerin zu ermittelnden Vorteilssatz durchschlägt und dass die Klägerin gegen die Festsetzung des Vorteilssatzes bei den unmittelbar Bevorteilten keine Rechtsmittel einlegen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die Klägerin deswegen gleichsam zu einer Oberkontrolleurin des gesamten Fremdenverkehrsbeitragsvollzugs der Beklagten aufschwingen kann. Vielmehr kann das insoweit bestehende Schutzbedürfnis der Klägerin wie auch sonst bei nur mittelbar Vorteil Ziehenden gewährleistet werden. Da die Klägerin selbst wohl nur mittelbar durch den Fremdenverkehr begünstigt ist, ist es zwingend, dass der unmittelbare Vorteil ihrer Mandanten auch bei ihr die entsprechende Berechnungsgrundlage bildet. Ein anderer sachgerechter Ansatzpunkt ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht dargelegt. Der Umstand, dass die Klägerin (oftmals) keinen Einfluss auf die Festsetzung der Höhe des bei ihren Mandanten zugrunde gelegten Vorteilssatzes hat, kann die Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise nicht begründen. Andererseits kann die Richtigkeit des Vorteilssatzes nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die jeweiligen Mandanten den für sie festgesetzten Vorteilssatz ohne Beanstandung hingenommen haben. Dem Verzicht auf Einwendungen gegen den jeweiligen Vorteilssatz kommt allerdings eine Indizwirkung zu. Der durch den Fremdenverkehr nur mittelbar Begünstigte kann seine Rechte dadurch wahren, dass er die Gemeinde auffordert, ihm die Schätzungsgrundlagen in den Bescheidsgründen oder nach Bescheidserlass bekannt zu geben (BayVGH, U. v. 5.12.2006 – 4 B 05.3119 – juris Rn. 29, 30), wozu dann auch die Vorteilssätze der in die Berechnung eingestellten einzelnen Mandanten gehören. Dies bedingt aber, dass hier zunächst einmal die Klägerin vorab ihre Mandanten unter Angabe ihrer jeweiligen Umsätze bezeichnen muss, die aus dem Fremdenverkehr unmittelbaren Vorteil ziehen, damit die Beklagte die erforderlichen Berechnungen anstellen kann. Die von der Klägerin lediglich angebotenen „branchenbezogenen“ Angaben genügen nicht, weil die Beklagte die konkreten Vorteilssätze der jeweiligen Mandanten in die Berechnung einbeziehen muss.
c) § 203 Abs. 1 StGB steht der Auskunftspflicht der Klägerin nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als Steuerberater anvertraut worden oder sonst bekannt gegeben ist. Diese Vorschrift, die unter anderem auch für die Angehörigen der Heilberufe und für die Rechtsanwälte gilt, stellt nur auf das „unbefugte“ Weitergeben von Geheimnissen ab. Im Steuer- oder Beitragserhebungsverfahren aufgrund gesetzlicher Vorgaben weitergegebene Informationen an Steuer- oder Beitragserhebungsbehörden, die ihrerseits dem strafbewehrten Steuergeheimnis (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 c) KAG i. V. m. § 30 AO, § 355 StGB) unterliegen, sind aber nicht „unbefugt“ weitergegeben. Bei einer Güterabwägung zwischen Grundrechten der Auskunftsverpflichteten und deren Berufspflichten auf der einen Seite mit der Gesetzmäßigkeit der Steuer- oder Beitragserhebung auf der anderen Seite kommt gerade dem genannten Steuergeheimnis maßgebliche Bedeutung zu. Als Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten des Steuer- und Abgabenrechts bezweckt es den besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit und die Erleichterung des Beitragserhebungsverfahrens mit dem wichtigen Ziel, Beitragsquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, insbesondere gleichmäßige Beitragserhebung sicherzustellen (vgl. BFH, U. v. 15.1.1998 – IV R 81-96 – juris zur Frage der Auskunftsverweigerung von Journalisten im Einkommensteuerrecht; FG Rheinland-Pfalz, U. v. 13.12.2000 – 1 K 1004/98 – juris Rn. 36 zu Auskunftspflichten eines Rechtsanwalts; hierzu auch BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 8, 10: keine Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht bei der Fremdenverkehrsbeitragserhebung; ebenso VGH BW, U. v. 25.8.2003 – 2 S 2192/02 – juris Rn. 41; VG Bayreuth, U. v. 23.7.2014 – B 4 K 13.373 – juris Rn. 24: keine Berufung einer Heilpraktikerin auf die Schweigepflicht).
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die verlangten Auskünfte gegenüber der Beklagten nicht besonders schützenswert sind. Die Beklagte kennt die aus dem Fremdenverkehr unmittelbar Vorteil ziehenden Personen und Betriebe aus deren eigener Veranlagung zum Fremdenverkehr bereits. Diese müssen schon aus diesem Grund gegenüber der Beklagten ihre Gewinn- und Umsatzzahlen selbst offenlegen. Die Beklagte weiß nur nicht, wer von diesen Personen und Betrieben auch noch Mandant der Klägerin ist. Auf diesen Umstand reduziert sich daher das Interesse der Beklagten. Hinsichtlich ihrer eigenen fremdenverkehrsbezogenen Umsätze muss die Klägerin Auskunft geben, wie andere Beitragspflichtige hinsichtlich ihrer Umsätze auch. Die Beklagte kann dann diese Umsätze mit den ihr bekannten Vorteilssätzen der unmittelbar Vorteil ziehenden Mandanten relativieren.
Die Vortrag der Klägerin, die Beklagte sei keine Steuerbehörde im Sinne eines Finanzamtes, sondern bloß eine Kommune, deren Sitz sich im Regelfall unmittelbar am Ort der Fremdenverkehrsbeitragspflichtigen befinde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Klägerin vertritt damit letztlich die Auffassung, dass die Beklagte das Steuergeheimnis nicht gewährleisten kann. Damit ergeht sich die Klägerin aber in bloßen Spekulationen. Konkrete Verstöße hat sie nicht benennen können. Mit dem Argument der zu großen Ortsnähe würde nahezu jede Verwaltungstätigkeit der zahlreichen kleineren Gemeinden in Bayern (und übrigens auch der kleineren Finanzämter in Bayern) in Abrede gestellt, weil – wie etwa im Melderecht – fast immer schützenswerte sensible Daten über die örtliche Bevölkerung anfallen. Das strafbewehrte Steuergeheimnis gilt jedenfalls für Kommunen jeglicher Größe. Es steht der Klägerin frei, eventuelle Verstöße der Verwaltung der Beklagten zur Anzeige zu bringen.
4. Die Höhe des von der Beklagten geschätzten Vorteilssatzes ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist ihrer Mitwirkungspflicht in keiner Weise nachgekommen. Die Beklagte ist dann, wie oben bereits ausgeführt, auf eine Schätzung angewiesen, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 KAG i. V. m. § 162 AO. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil zutreffend und ausführlich dargelegt, dass die Klägerin neben den fehlenden Angaben zu Umsätzen mit Mandanten mit Fremdenverkehrsbezug auch keine Angabe zur Umsatzverteilung mit ihrer anderenorts gelegenen Niederlassung gemacht hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in Ermangelung anderer Anhaltspunkte Auskünfte bei anderen Fremdenverkehrsgemeinden zur Vorteilssatzhöhe eingeholt hat. Auf welche anderen Umstände sich die Beklagte hätte stützen sollen, hat die Klägerin nicht darlegen können. Solche Umstände sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Es ist aber gerade Sache der Klägerin, einen von der Beklagten geschätzten Vorteilssatz durch nachvollziehbare Angaben zu entkräften (vgl. BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 8). Diese Möglichkeit hat die Klägerin nicht genutzt und sich nur pauschal gegen die generelle Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags gewandt.
5. Es besteht kein strukturelles Erhebungsdefizit bei der Beklagten. Eine Beitragserhebungsgrundlage kann verfassungswidrig sein, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt wird. Mögliche Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, sind hierfür jedoch nicht ausreichend und führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Beitragsnorm (BVerfG, B. v. 17.2.2010 – 1 BvR 2664/09 – juris Rn. 46; BVerfG, U. v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02 – juris Rn. 63). Einen Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der Fremdenverkehrsbeitragspflicht, bei Vorliegen unmittelbarer oder mittelbarer Vorteile aus dem Fremdenverkehr, und den Regeln über die Festsetzung und Erhebung des Beitrags hat die Klägerin indes nicht aufgezeigt. Es spricht vorliegend nichts dafür, dass der Beitragserhebungsanspruch der Beklagten von dieser weitgehend nicht durchgesetzt werden könnte. Die Beklagte verlangt von den Beitragspflichtigen gemäß § 4 ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung Erklärungen zu den wesentlichen Erhebungsmerkmalen mittels Formblättern. Darüber hinaus stehen ihr nach der gesetzlichen Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 a) KAG i. V. m. § 90 Abs. 1 AO weitergehende Informationsmöglichkeiten zu, wie sie sie im vorliegenden Fall auch gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat. Zusammengefasst stehen der Beklagten aufgrund der Regelung des Art. 13 KAG weitgehende Möglichkeiten zur Verfügung, neben der reinen Deklarationspflicht der Beitragspflichtigen auch gegen deren Willen an die erforderlichen Informationen über die Beitragspflicht zu gelangen (hierzu BVerfG, B. v. 17.2.2010 a. a. O. Rn. 47).
a) Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang behauptete Äußerung eines früheren Bürgermeisters der Beklagten, wonach den Angaben der Beitragspflichtigen vertraut werde, da eine Überprüfung ohnehin nicht möglich sei, zeigt vor dem Hintergrund der Regelung des Fremdenverkehrsbeitrages kein strukturelles Erhebungsdefizit auf. Dass den Angaben der örtlichen Gewerbetreibenden im Ansatz vertraut wird, ist nicht verwerflich. Klar ist auch, dass eine Massenverwaltung schon aus Kapazitätsgründen nicht jede einzelne Angabe lückenlos überprüfen und verifizieren kann. Die behauptete Äußerung kann jedenfalls so verstanden werden. Entscheidend ist, dass regelungstechnisch kein strukturelles Erhebungsdefizit angelegt ist. Eine in einer möglicherweise erregten Gesprächssituation gefallene einzelne mündliche Äußerung ohne weitere Kenntnis des Zusammenhangs lässt jedenfalls keine Rückschlüsse darauf zu, die Verwaltung der Beklagten werde stets etwa auch aus unplausiblen oder ersichtlich falschen Angaben keine Konsequenzen ziehen. Schon das damals unter dem 3. Juli 2009 verwendete Erklärungsformular zur Veranlagung 2007 enthielt die Versicherung des Erklärungspflichtigen, dass er „die Angaben in dieser Erklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht“ hat. Dies war mit „rechtsverbindlicher Unterschrift“ zu bestätigen, woraus auch bei laienhafter Betrachtung jedem deutlich wird, dass aus unrichtigen Angaben rechtliche Konsequenzen folgen können. Die Beklagte hat ihre Warnhinweise in der Folgezeit auch noch verschärft, wie das von der Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Formblatt „Erkl-FVB-GM1“ zeigt, in dem auf Seite 2 deutlich hervorgehoben auf die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO und auf die Ahndung von unrichtigen Angaben als Abgabehinterziehung hingewiesen wird. Im ebenfalls vorgelegten Anschreiben ist mit Fettdruck und unterstrichen dargestellt, dass bei Zweifeln an der Wahrheit der gemachten Angaben mit einer Nachprüfung gerechnet werden muss.
b) Auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2007 belegt kein strukturelles Erhebungsdefizit. Aus diesem Schreiben ergibt sich lediglich, dass der Kommunale Prüfungsverband seinerzeit Vorteilssätze von Gaststätten als „sehr niedrig angesetzt“ empfunden hat und die Beklagte deshalb die Angemessenheit ihrer Vorteilssätze prüfen sollte. In diese Prüfung ist sie dann auch offensichtlich eingetreten. Abgesehen davon, dass sich aus dem Schreiben nicht ergibt, dass etwa die für Gaststätten verwenden Vorteilssätze tatsächlich rechtswidrig zu niedrig gewesen sind, kann dem Schreiben jedenfalls kein in der Vorschriftenlage angelegtes strukturelles Defizit entnommen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Schreiben auch nicht entnommen werden, dass der Stadtrat der Beklagten entgegen § 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung Vorteilssätze festgelegt habe. Aus dem Schreiben ergibt sich nur, dass die Verwaltung vor einer eventuellen Neufestlegung von Vorteilssätzen eine Stellungnahme des Touristikvereins einholen solle. Eine derartige Vorgabe an die eigene Stadtverwaltung ist ohne weiteres zulässig.
c) Gleiches gilt für die von der Klägerin kritisierten unterschiedlichen Erklärungsvordrucke, die von der Beklagten offenbar verwendet wurden und werden. Die Beklagte hat hierzu zu Recht eingewandt, dass die von ihr verwendeten Vordrucke im Hinblick auf die Erfahrungen aus verwaltungsgerichtlichen Prozessen fortwährend geändert und immer weiter verfeinert würden. Dagegen ist nichts zu erinnern. Es steht der Beklagten frei, für verschiedene Gewerbearten verschiedene Formblätter vorzuhalten und diese auch stetig zu verändern. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung und für die gerichtliche Überprüfung des Handelns der Beklagten ist nicht die Gestaltung des jeweiligen Erklärungsformblattes, sondern der letztendlich ergehende Bescheid. Angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auch außerhalb der Formblätter von den Pflichtigen Auskünfte zu verlangen und sonstige Äußerungen von Beitragspflichtigen bei der Festsetzung zu berücksichtigen, kann ohnehin nicht vom Formblatt auf den Bescheidsinhalt geschlossen werden. Im Übrigen enthält das von der Klägerin zum Beleg ihrer Auffassung in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Formblatt (Erkl-FVB-GM1) auch den Punkt F („Weitere Angaben/Erläuterungen zur Ermittlung des Vorteils“), unter dem Beitragspflichtige Angaben machen können, die ihrer Meinung nach bei der Vorteilsermittlung von Bedeutung sind und im sonstigen Formblattinhalt nicht hinreichend oder auf den Einzelfall passend abgebildet werden. Spätestens hier – oder in einem separaten Begleitschreiben – kann die Klägerin die von ihr vermisste und in ihrem speziellen Einzelfall bedeutsame Unterscheidung zwischen fremdenverkehrsbedingten und sonstigen örtlichen Umsatzanteilen darstellen. Die Beklagte muss jedenfalls nicht für jeden besonderen Einzelfall das genau passende und jeden speziellen Aspekt abbildende Formblatt vorhalten.
d) Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte bevorteile andere Branchen – etwa Banken – durch Zulassung einvernehmlicher Regelungen, ist zum einen unsubstantiiert und zum anderen aus den ausgeführten Gründen auch kein Beleg für ein strukturelles Erhebungsdefizit. Art. 6 Abs. 4 KAG sieht in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 KAG Vereinbarungen mit einem Steuerschuldner nur unter engen Voraussetzungen zur Verwaltungsvereinfachung vor. Es steht der Klägerin nicht zu, von der Beklagten Informationen über die Beitragserhebung bei anderen Beitragspflichtigen zu fordern. Diese weist zu Recht auf das insoweit bestehende Abgabengeheimnis hin, auf das sich die Klägerin bezogen auf ihre eigenen Verhältnisse so vehement beruft. Die darin zum Ausdruck kommende Vorstellung, zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Beitragserhebung bei ihr müssten zuerst einmal alle anderen Beitragserhebungen im Gebiet der Beklagten nachgeprüft werden, ist abwegig. Wie oben bereits ausgeführt, wären möglicherweise fehlerhafte Festsetzungen in anderen Einzelfällen als bloße Vollzugsmängel nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Regelung zu indizieren.
6. Die darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachten Einwände gegen die Fremdenverkehrsbeitragserhebung bei der Beklagten sind unzutreffend oder nicht entscheidungserheblich.
a) Die Klägerin macht geltend, dass eine genaue Aufteilung von Monatsumsätzen auf Einheimische und Fremde schon bei den unmittelbar vom Fremdenverkehr profitierenden Unternehmen nicht möglich sei, weil nicht jeder einzelne Gast bzw. Kunde befragt werden könne, ob er sich als Einheimischer oder Fremder und zu welchem Zweck in der Gemeinde aufhalte. Damit macht die Klägerin letztlich geltend, dass es einen Fremdenverkehrsbeitrag gar nicht geben dürfe, weil sich der fremdenverkehrsbezogene Vorteil nicht mathematisch genau berechnen und nachweisen ließe. Damit übersieht die Klägerin, dass der Vorteilssatz im Rahmen des Fremdenverkehrsbeitrages wegen der von der Klägerin genannten Erhebungsschwierigkeiten seit jeher durch Schätzung ermittelt werden darf (BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 7 m. w. N.). Diese Schätzung ist gerichtlich überprüfbar und muss auf plausiblen Schätzgrundlagen beruhen. Dass die Vorteilssätze bei den unmittelbar vom Fremdenverkehr Bevorteilten dann auf die nur mittelbar einen Vorteil Ziehenden durchschlagen, ist systemimmanent und in gewissen Grenzen nicht zu beanstanden (vgl. zuletzt BayVGH, U. v. 9.5.2016 – 4 B 15.2338 – juris).
b) Die Klägerin rügt, dass nach ihrer Kenntnis die Beklagte sogar bei Betrieben derselben Branche (etwa bei Eisdielen) teilweise unterschiedliche Vorteilssätze anwende. Das ist indes wegen § 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung nicht überraschend und sogar zu erwarten.
c) Die Klägerin meint ihre eigene Beitragspflicht deswegen in Abrede stellen zu können, weil die Beklagte ihrer Forderung nach Transparenz und Offenlegung aller in der Gemeinde festgelegten Vorteilssätze nicht nachkomme. Abgesehen davon, dass die Beklagte der Klägerin, wie oben bereits ausgeführt, nicht ihren kompletten Verwaltungsvollzug offenlegen muss, hat die Klägerin Anspruch nur auf Offenlegung derjenigen Vorteilssätze, die für die Ermittlung ihres eigenen Vorteilssatzes eine Rolle spielen. Dazu ist es im vorliegenden Fall wegen der ungerechtfertigten Auskunftsverweigerung der Klägerin aber noch gar nicht gekommen.
d) Den Einwand der Klägerin, viele Begriffe des Fremdenverkehrsbeitragsrechts seien zu unbestimmt, kann der Senat nicht nachvollziehen. Die Vorschriften sind sämtlich einer Auslegung und damit Anwendung im jeweiligen Einzelfall – wie auch sonst im Steuerrecht – zugänglich. Die Klägerin wirft weiter eine Reihe von Rechtsfragen auf (beispielsweise die Frage der Beurteilung von Gewinnausschüttungen von GmbH-Gesellschaftern), die ersichtlich für den hier zu beurteilenden Fall der Klägerin keine Rolle spielen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, im Sinne eines Rechtsgutachtens alle von der Klägerin aufgeworfenen denkbaren Rechtsprobleme, die sich im Fremdenverkehrsbeitragsrecht aus speziellen Gestaltungsformen von Betrieben ergeben könnten, hypothetisch zu lösen, obwohl sie für den hier zu beurteilenden (schlichten) Fall der Klägerin (Schätzung wegen Auskunftsverweigerung) ersichtlich nicht von Bedeutung sind. Das gilt auch für die von der Klägerin angestellten abstrakten Überlegungen zu Gewinnen oder Überschüssen oder für die steuerrechtlichen Möglichkeiten zu Beeinflussungen von Gewinnen, die im Übrigen den Grund für die Regelung in § 2 Abs. 2 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten darstellen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
8. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 312 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).