IT- und Medienrecht

Beanstandung von Werbung im Internet: Jugendmedienschutz

Aktenzeichen  M 17 K 16.4916

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159319
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RStV § 59 Abs. 3
JMStV § 6, § 20 Abs. 1, Abs. 4
TMG §§ 7 ff.
JuSchG § 18

 

Leitsatz

1. Wer auf seiner Internetseiten indizierte Titel nicht nur – wie bei einer Suchmaschine – auflistet, sondern in ansprechender Form und Farbgestaltung präsentiert, Zusatzinformationen wie Inhaltsangaben und Preistrends verfügbar macht und eine Bestellmöglichkeit anbietet, wirbt für indizierte Werke (§ 6 Abs. 1 JMStV). (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da er sich so jugendgefährdende Titel zu eigen macht, sind gegen ihn aufsichtliche Maßnahmen nach dem JMStV nicht durch das Telemediengesetz ausgeschlossen.  (Rn. 31 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 4. Oktober 2016 ist sowohl formell (s.u. I.) als auch materiell (s.u. II.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der angegriffene Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist die Beklagte für den Erlass des Bescheides zuständig und die erforderliche Vorbereitung durch die Prüfgruppe der KJM wurde durchgeführt (vgl. § 14 Abs. 1, 2 und 5 Satz 3, § 16 Satz 1, § 20 Abs. 6 JMStV, Art. 10 Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Mediengesetz – BayMG). Auch wurde die Klägerin vor Erlass des Bescheides gemäß Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) angehört.
II.
Der Bescheid vom 4. Oktober 2016 ist aber auch materiell rechtmäßig.
1. Die in Nr. 1 des Bescheides enthaltene Feststellung und Missbilligung, dass über die Internetadressen der Klägerin mindestens seit dem 26. Februar 2015 entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV Werbung für indizierte Angebote nach § 18 Jugendschutzgesetz (JuSchG) in Teil A und B der Liste jugendgefährdender Medien gemacht wird, findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1, 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Nach diesen Vorschriften trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem (Telemedien-)Anbieter, wenn sie feststellt, dass dieser gegen die Bestimmungen des JMStV verstoßen hat. Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. Die Untersagung darf nicht erfolgen, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung des Angebots für den Anbieter und die Allgemeinheit steht. Zudem darf eine Untersagung nur erfolgen, wenn ihr Zweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann.
2. Die Klägerin ist Anbieterin von Telemedien im oben genannten Sinn.
2.1 Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV sind „Anbieter“ Rundfunkveranstalter oder Anbieter von Telemedien. Inhalte von Telemedien sind alle visualisierbaren oder hörbaren Darstellungen in Bild, Wort und Ton, die über elektronische Informations- und Kommunikationsdienste im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 RStV und § 2 JMStV verbreitet werden (vgl. VG Kassel, U.v. 8.6.2017 – 1 K 573/13.KS – juris Rn. 49 unter Verweis auf Erdemir/Gutknecht, in: Kommentar zum Jugendschutzrecht, 3. Auflage, § 3 JMStV, Rn. 2). Um den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien umfassend zu gewährleisten, bedarf der Anbieterbegriff im Sinne des § 3 Nr. 2 JMStV einer weiten Auslegung. Bestätigt wird dies auch durch § 2 Nr. 1 TMG, wonach Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Maßgeblich kommt es dabei auf die Ermöglichung des Zugangs der Internetnutzer über die eigene Website zu Inhalteanbietern an. Elementar ist hierbei die Einflussnahme des Inhabers einer Webseite auf Einzelheiten der inhaltlichen Gestaltung dieser Webseite (vgl. VG Kassel, U.v. 8.6.2017 – 1 K 573/13.KS – juris Rn. 50 unter Verweis auf: BGH, U.v. 18.10.2007 – I ZR 102/05 – juris Rn. 16; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2012 – 27 K 6228/10 – juris Rn 35; VG Hamburg, U.v. 29.2.2012 – 9 K 138/09 – juris Rn 34; VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn 31; Kommentar zum Jugendschutzrecht, Liesching/Schuster, 5. Auflage, 2011, § 3 JMStV Rn. 6).
2.2 Die Klägerin ermöglicht hier Internetnutzern über ihre eigene Website den Zugang zu weiteren Internetanbietern. Die Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung ihrer eigenen Website erfolgt unter anderem durch das Aussuchen, die Gestaltung und Freischaltung der elektronischen Links (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn 31; VG Kassel, U.v. 8.6.2017 – 1 K 573/13.KS – juris Rn. 52). Damit ist sie selbst als „Anbieterin“ im Sinne des JMStV anzusehen. Dies ist letztendlich zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
3. Auch ein Verstoß gegen den JMStV ist hier zu bejahen.
3.1 Gemäß § 6 Abs. 1 JMStV ist Werbung für indizierte Angebote nur unter den Bedingungen zulässig, die auch für die Verbreitung des Angebotes selbst gelten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 2 Nr. 2 JMStV wiederum sind unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit Angebote unzulässig, wenn sie unter anderem in den Teilen A und B der Liste nach § 18 JuSchG aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. In Telemedien sind Angebote, die sich auf Werke des Teils A der Liste beziehen, dann zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).
3.2 Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass von der Webseite der Klägerin aus Zugriff auf Titel genommen werden kann, die in den Teilen A und B der oben genannten Liste aufgeführt sind, wobei dies ohne Unterschied auch für nicht erwachsene Nutzer möglich ist.
3.3 Entgegen der Auffassung der Klägerseite handelt es sich insoweit auch um Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 JMStV.
a) Der JMStV enthält keine eigene Definition, was unter Werbung zu verstehen ist. Die Auslegung hat insoweit anhand des Schutzzwecks der Norm (vgl. § 1 JMStV) zu erfolgen. Demnach ist bei § 6 Abs. 1 JMStV von einem weiten Werbebegriff auszugehen, so dass darunter jedes Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen zu verstehen ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Hinweise aus kommerziellen Gründen erfolgen (VG Regensburg, U.v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177 – juris Rn. 113; VG Regensburg, U.v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177 – juris Rn. 113; Hartstein/Ring u.a., Rundfunkstaatsvertrag, JugendmedienschutzStaatsvertrag, Stand Oktober 2017, § 6 Anm. 3);
b) Dies zugrunde gelegt bestehen hier nach Auffassung des Gerichts keine Zweifel daran, dass die Klägerin auf ihren Webseiten Bücher u.ä., darunter auch indizierte Werke, bewirbt. Die aufgrund einer Suchanfrage auf ihren Internetseiten angeführten Titel werden nicht nur – wie bei einer reinen Suchmaschine – aufgelistet, sondern das jeweilige Buch wird in ansprechender Form und Farbgestaltung präsentiert, wobei auch Zusatzinformationen, wie kurze Inhaltsangaben und Preistrends, verfügbar sind. Außerdem wird unmittelbar auf der Seite der Klägerin eine Bestellmöglichkeit für das jeweilige Werk angeboten. Zwar erfolgt bei Anklicken des entsprechenden Buttons eine Weiterleitung an den Verkäufer des Titels, der Bestellvorgang wird aber bereits direkt von der Webseite der Klägerin aus eingeleitet, insbesondere befindet sich das ausgesuchte Buch bereits nach Anklicken des Bestell-Buttons auf der Webseite der Klägerin im Warenkorb des Internet-Nutzers. Damit wird diesem das Bestellen beträchtlich erleichtert und der Kunde somit zum Kauf, aufgrund dessen bei der Klägerin dann eine Provision anfällt, animiert. In der Gesamtschau listet die Klägerin nicht lediglich die gefunden Titel auf, sondern sie kündigt und preist diese Titel an, um die Besucher ihrer Internetseiten zum – provisionsauslösenden – Kauf zu bewegen, so dass sie den weiten Werbungs-Begriff des § 6 Abs. 1 JMStV erfüllt.
c) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2007 (I ZR 18/04 – juris Rn. 61). Zwar hat dieser entschieden, dass die Eröffnung der Möglichkeit durch ebay, indizierte Schriften durch Eingabe entsprechender Suchwörter auf ihrer Plattform aufzufinden, kein Bewerben darstellt. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung nicht zu § 6 Abs. 1 JMStV, sondern zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erging, ist sie auf den vorliegenden Fall auch nicht übertragbar. Die Angebote von ebay und der Klägerin unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. So entscheidet z.B. bei Ersterem der jeweilige Verkäufer über die optische Aufmachung seines Verkaufsangebots (Foto, Überschrift, Verwendung von Sonderzeichen und Emojis), während die entsprechenden Angebote bei der Klägerin gestalterisch vereinheitlicht werden. Vor allem aber bietet die Klägerin den Besuchern ihrer Internetseite noch zusätzliche Serviceleistungen, wie insbesondere den Preistrend, an und stellt – wie bereits ausgeführt – eine vereinfachte Bestell- bzw. Kaufmöglichkeit zur Verfügung.
4. Aufsichtliche Maßnahmen sind hier auch nicht aufgrund von §§ 7 ff. Telemediengesetz (TMG) ausgeschlossen.
4.1 Gemäß § 20 Abs. 4 JMStV sind bei Maßnahmen gegen Anbieter von Telemedien die Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 TMG zu beachten. Nach diesen Vorschriften ist zu unterscheiden, ob es sich bei den angebotenen Informationen um eigene oder fremde handelt. Während bei ersteren die Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind (§ 7 Abs. 1 TMG), sind sie für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 TMG).
4.2 Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts die Inhalte derjenigen Verkäufer, die indizierte Titel anbieten, zu eigen gemacht, sodass sie für diese auch verantwortlich ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. U.v. 4.4.2017 – VI ZR 123/16 – juris Rn. 17 ff.; U.v. 12.11.2009 – I ZR 166/07 – juris Rn. 22 ff.) ist von einem Zu-Eigen-Machen dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Für ein Zu-Eigen-Machen spricht es z.B., wenn der Portalbetreiber eine inhaltlichredaktionelle Überprüfung der auf seinem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornimmt. Auch ein Portalbetreiber, der die in das Portal eingestellten Äußerungen eines Dritten auf die Rüge des von der Kritik Betroffenen inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss nimmt, indem er selbständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Dritten – entscheidet, welche Äußerungen er abändert oder entfernt und welche er beibehält, verlässt die Rolle eines neutralen Vermittlers und macht sich diese Äußerungen zu eigen.
Zwar kann von dem Anbieter einer Suchmaschine nicht erwartet werden, dass er überprüft, ob die von der Suchmaschine in einem automatisierten Verfahren aufgefundenen Dateien rechtmäßig in das Internet eingestellt wurden (vgl. z.B. BGH, Entscheidung v. 21.9.2017 – I ZR 11/16 – juris; U.v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12 – juris Rn. 30). Der Betreiber einer Suchmaschine kann sich aber nicht auf die „Suchmaschinen-Privilegierung“ berufen, wenn es sich bei den angezeigten Inhalten nicht nur um Suchergebnisse, sondern um vom Betreiber selbst aufbereitete Informationen handelt. Der Umstand, dass die Zuordnung der Informationen möglicherweise ohne Recherche und nur mittels einer Computersoftware erfolgt, ändert hieran nichts (OVG HH, B.v. 18.9.2014 – 7 W 88/14 – juris Rn. 1). Derjenige, der sich fremde Informationen zu eigen macht, haftet dafür wie für eigene Informationen (BGH, U.v. 19.10.2007 – I ZR 102/05 – juris Rn. 20; VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn. 35). Insbesondere gilt § 7 Abs. 2 TMG, der Diensteanbieter von einer Überwachungs- und Forschungspflicht entbindet, nur für fremde Informationen im Sinne von §§ 8 bis 10 TMG. b) Die Klägerin hat sich hier die Angebote der jeweiligen Verkäufer, und damit auch etwaige Angebote indizierter Titel, im oben genannten Sinn zu eigen gemacht.
Abgesehen davon, dass die Verweise auf die Internetseiten der Verkäufer wesentlicher Bestandteil der Geschäftsidee der Klägerin sind (vgl. BGH, U.v. 18.10.2007 – I ZR 102/05 – juris Rn. 21), werden, wie bereits ausgeführt, die Angebote in gestalterischer Hinsicht aufgearbeitet und dem Layout der Klägerin angepasst. Zudem erfolgt eine direkte – provisionsbegründende – Bestellmöglichkeit, die den käuflichen Erwerb der fraglichen Titel erleichtert. Vor allem aber beruht die Rubrik „Preistrend“ nach den Angaben der Klägerin im Internet unter www. …de auf ihrer eigenen Datenbank. Des Weiteren finden sich bei den auf der Webseite der Klägerin aufgeführten Büchern detaillierte Angaben zum jeweilige Werk, wobei die Klägerseite selbst dargelegt hat, dass über ein automatisiertes System die „vollständigsten“ und am häufigsten angeklickten Suchergebnisse genommen werden, um die „Details“ zu einem Titel zusammenzufassen (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2017, S. 4). Dem ist aber zu entnehmen, dass es sich auch insoweit um eine eigene Software der Klägerin handelt, die die Detailangaben erstellt bzw. zusammenfasst. Entsprechendes gilt für die zur Verfügung gestellte Rubrik „benachbarte Bücher“, in der Titel vorgeschlagen werden, die in engem Zusammenhang zu der jeweiligen Suchanfrage stehen. All dem ist zu entnehmen, dass es sich letztendlich um Inhalte der Klägerin handelt (vgl. a. BGH, U.v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12 – juris Rn. 17). Diese macht sich bereits durch die äußere Gestaltung, die Anpreisung und Beschreibung der verlinkten Webseiten bzw. der dort angebotenen Werke sowie die Zusammenstellung der zur Verfügung gestellten Informationen den Inhalt der Links zu eigen (VG Kassel, U.v.8.6.2017 – 1 K 573/13.KS – juris Rn. 54; VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn. 36).
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Internetauftritt der Klägerin aber auch, dass diese letztendlich die inhaltliche Verantwortung für die Drittangebote übernommen hat. So wird in den Informationen für Plattform-Betreiber unter der Rubrik „Buch verkaufen“ ausgeführt, dass weitere Informationen zu einem Buch übermittelt werden können, die dann (soweit möglich) gesondert dargestellt werden. Der Formulierung „soweit möglich“ ist zu entnehmen, dass die Klägerin die übermittelten Informationen noch einmal überprüft. Vor allem aber ist in den im Internet abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen der Klägerin und den Bestellern angegeben, dass „trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle“ keine Haftung für den Inhalt externer Links noch für Inhalte Dritter, die auf ihren Seiten abgebildet werden, übernommen werden. Damit bringt die Klägerin aber gerade zum Ausdruck, dass sie eine derartige inhaltliche Kontrolle grundsätzlich durchführt. Bestätigt wird dies letztendlich durch den Umstand, dass die Klägerin nach ihren Ausführungen in der Vergangenheit ohne Rücksprache mit dem jeweiligen Verkäufer immer wieder indizierte Angebote gesperrt hat. Die Klägerin hat somit auch durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach außen sichtbar die inhaltliche Verantwortung übernommen und zumindest den zurechenbaren Anschein erweckt, sich mit den fremden Inhalten zu identifizieren und sich diese zu eigen zu machen (vgl. BGH, U.v. 12.11.2009 – I ZR166/07 – juris Rn. 24 ff.; OLG Karlsruhe, U.v. 14.12.2016 – 6 U 2/15 – juris Rn. 105).
Auch wenn nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass die Klägerin die direkte Absicht verfolgt, potentielle Käufer zu indizierten Buchtiteln zu führen (vgl. BGH, U.v. 18.10.2007 – I ZR 102/05 – juris Rn. 21), beschränkt sie sich bei Würdigung all dieser Umstände auch nicht lediglich auf eine technische und neutrale Vermittlerrolle. Vielmehr hat sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen und sich diese – getreu ihrem Werbeslogan, „die Buch-Such-Maschine … … … …“ zu sein – zu eigen gemacht.
5. Nach Auffassung des Gerichts steht einer Beanstandung auch nicht entgegen, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre (vgl. BGH, U.v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12 – juris Rn. 25 ff.), die auf der Liste der jugendgefährdenden Medien aufgeführten Titel zu sperren.
5.1 Der Einwand der Klägerin, ein nachträglicher Filter wäre insbesondere wegen der damit verbundenen Verzögerung bei den Suchanfragen und der erforderlichen Investitionen unzumutbar sowie aufgrund der unterschiedlichen Datenformate/Schnittstellen der Anbieter ineffizient, greift schon deshalb nicht, weil von der Beklagten keine derartige Filtersoftware, sondern nur eine Sperrung der indizierten Titel, wie sie die Klägerin in der Vergangenheit bereits (teilweise) durchgeführt hat, verlangt wird (vgl. z.B. Schriftsatz vom 06.12.2017, S. 12; Schriftsatz vom 30.01.2017, S. 5). Dies wurde von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2017 noch einmal klargestellt. Die Klägerseite hat aber stets angegeben, dass ihr eine manuelle Sperrung indizierter Bücher möglich ist, wobei sogar eine unterschiedliche Groß- und Kleinschreibung berücksichtigt werden kann (vgl. z.B. Schreiben v. 07.12.2015, Bl. 70 ff. der Behördenakte – BA; Schriftsatz vom 08.03.2017, S. 5).
Dass eine derartige Sperrung, die gegebenenfalls händisch durchzuführen ist, zu einer Existenzgefährdung führen würde, wurde von Klägerseite nicht (substantiiert) geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr gibt die Klägerin selbst an, dass sie eigens Personal für die händische Überprüfung der Liste der jugendgefährdenden Medien eingestellt hat, wobei auch naheliegende alternative Suchanfragen gesperrt werden (s. Schreiben vom 12.12.2017, S. 6). Eine derartige manuelle Sperrung der indizierten Werke ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht unzumutbar. Auf der Liste der jugendgefährdenden Medien (Teile A und B) waren mit Stand 30. November 2017 insgesamt 426 Titel aus dem Bereich Printmedien aufgeführt (vgl. www…de/bpjm/Service/ statistik). Zwar müssen diese Titel – soweit nicht bereits durch die Klägerin erfolgt – einmal in das System „eingepflegt“ werden, um eine Sperrung zu erreichen. Im Folgenden ist der Aufwand aber sehr gering, da sich im Laufe eines Jahres nur geringfügige Änderungen an der Liste ergeben, wie unter anderem dem Umstand zu entnehmen ist, dass mit Stand Mai 2017 425 Titel indiziert waren. Hinzukommt, dass die Klägerin nach dem JMStV verpflichtet ist, ihre Webseite jugendschutzkonform zu gestalten. Diese Verpflichtung besteht im Hinblick auf den Schutzzweck von § 4 JMStV unabhängig davon, wie zeitaufwändig und kostenungünstig die erforderlichen Kontrollen bzw. die Ausgestaltung der eigenen Webseite sind (VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn. 40). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit mehrfach auf Verstöße gegen den JMStV hingewiesen wurde, so dass sie aufgrund der damit verbundenen Kenntnis die entsprechenden Angebote sperren musste und auch Vorsorge dafür zu treffen hatte, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt. Aufgrund des hier tangierten Jugendschutzes als hohem Rechtsgut könnte daher sogar der Einsatz von Filtersoftware oder vergleichbaren technischen Hilfsmitteln geboten sein, um die Wiederholung von erkennbar gewordenen Rechtsverletzungen abzustellen (vgl. BGH, U.v. 12.7.2007 – I ZR 18/04 – juris Rn. 53 f.; BGH, U.v. 17.12.2010 – V ZR 44/10 – juris Rn. 20; BGH, U.v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12 – juris Rn. 30 zu Kinderpornographie; OLG Karlsruhe, U.v.14.12.2016 – 6 U 2/15 – juris Rn. 113 f.). Jedenfalls aber ist eine lediglich händische Sperrung, wie sie von der Klägerin auch in der Vergangenheit durchgeführt wurde und die zur Erreichung des Ziels der Untersagungsverfügung auch grundsätzlich als ausreichend erscheint, nicht unzumutbar.
5.2 Auch das Argument der Klägerseite, dass die gedruckte Liste der jugendgefährdenden Medien kompliziert und unvollständig sei und ohne eine digitale Liste nicht mehr als bisher, d.h. lediglich das Blockieren der jeweiligen Suche, unternommen werden könne, geht ins Leere. Denn, wie bereits ausgeführt, wird von der Klägerin nicht mehr als dieses Sperren der Titel verlangt.
5.3 Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass ihr eine vollständige Sperrung der indizierten Titel deswegen nicht möglich sei, weil sie abweichende Schreibweisen, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt von den Verkäufern eingegeben würden, nicht blockieren könne.
Zum einen kann die ISBN-Nummer eines indizierten Werks, selbst wenn sie nicht in der Liste der jugendgefährdenden Medien enthalten ist, regelmäßig ohne größeren Aufwand ermittelt werden. So ist z.B. die ISBN-Nummer des Werkes „Adolf Hitler – Ein Leben für Deutschland und Europa. Kritik – Die Stimme des Volkes Folge Nr. 70“ auf der eigenen Webseite der Klägerin angegeben (…), wie das Gericht bei einer durchgeführten Recherche feststellen konnte. Auf diese Weise kann das entsprechende Werk unabhängig von Schreibfehlern o.ä. bei der Einstellung des Titels oder bei der Suchanfrage des Kunden gesperrt werden.
Ist die ISBN-Nummer im Einzelfall nicht bekannt und kann diese auch nicht ermittelt werden, reicht es, wenn der in der Liste der jugendgefährdenden Medien genannte Titel gesperrt wird. Erscheinungsjahr und Autor sind zur eindeutigen Identifizierung des Werks dort regelmäßig angegeben. Der Autor könnte zudem, selbst wenn dieser in der Liste der jugendgefährdenden Medien fehlen sollte, in der Regel durch eine einfache Internetrecherche eruiert werden (z.B. Coq als Zeichner und Texter des indizierten Werks „Die Spionin“ in Abgrenzung zum gleichnamigen Werk von Paul Coelho). Gibt der Kunde in seiner Suchanfrage eine abweichende Schreibweise an, kann er auf den gesperrten Titel auch nicht zugreifen. Wenn dagegen der Verkäufer durch Buchstabendreher, Abkürzungen, Ergänzungen o.ä. die Sperre umgeht, kann dies der Klägerin grundsätzlich nicht zugerechnet werden. Auch der streitgegenständliche Bescheid, der als belastender Verwaltungsakt grundsätzlich eher eng auszulegen ist, kann nicht dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin jede erdenkliche bzw. mögliche Abweichung in der Schreibweise zu sperren hat. So wird in dem Bescheid lediglich missbilligt, dass Werbung für „indizierte Angebote nach […] der Liste der jugendgefährdenden Medien gemacht“ wird. Durch diese Bezugnahme auf die Liste wird deutlich, dass nur die dort ausdrücklich genannten Titel nicht aufrufbar sein dürfen. Auch in der Begründung werden abweichende Schreibweisen u.ä. nicht angesprochen. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zur Berücksichtigung sämtlicher, auch fernliegender Variationen in der Schreibweise des jeweiligen Titels verpflichtet wird. Dementsprechend hat die Beklagte in der Vergangenheit auch stets dargelegt, dass die Klägerin für veränderte Titel nicht zur Verantwortung gezogen werden kann bzw. entsprechende Suchanfragen nicht beanstandet wurden (vgl. z.B. Schriftsatz vom 06.12.2017, S. 12; Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 09.08.2016, K2). Allenfalls naheliegende Änderungen in der Schreibweise sind zu berücksichtigen; Unmögliches kann von der Klägerin nicht verlangt werden. Da die Klägerseite selbst angegeben hat, dass sie bei der händischen Überprüfung und Sperrung naheliegende Veränderungen in der Schreibweise bereits einbezieht (Schriftsatz v. 12.12.2017, S. 6), wird auch insoweit offensichtlich nichts Unzumutbares verlangt.
6. Bei einem Verstoß gegen den JMStV hat die Beklagte gemäß § 20 Abs. 1, 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Es besteht insoweit kein Entschließungs-, sondern nur ein Auswahlermessen.
Ermessensfehler oder Verstöße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Missbilligung geeignet und erforderlich, um der Klägerin den Verstoß gegen den JMStV noch einmal bewusst zu machen und dadurch auf eine Beseitigung dieses Verstoßes hinzuwirken. Sie ist im Hinblick auf den damit bezweckten Jugendschutz als hohes Gut auch angemessen und es sind auch keine milderen Mittel ersichtlich. Vielmehr stellt die Missbilligung bereits die mildeste aufsichtliche Maßnahme dar.
7. Auch die Untersagung, indizierte Inhalte, die nach § 18 JuSchG in Teil B der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen sind, generell und indizierte Inhalte, die nach § 18 JuSchG in Teil A der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen sind, außerhalb einer geschlossenen Benutzergruppe für Erwachsene zu bewerben (Nrn. 2 und 3 des Bescheids v. 04.10.2016), ist rechtmäßig.
7.1 Wie der Begründung dieses Bescheids (S. 5, Abs. 4 a.E.) zu entnehmen ist, soll mit dieser Untersagung die (dauerhafte) Entfernung der Inhalte und Löschung der Angebote erreicht werden.
Eine derartige Anordnung konnte ergehen, da – wie bereits ausgeführt (s.o. 3. und 4.) – ein Verstoß gegen den JMStV vorliegt, der der Klägerin zuzurechnen ist. Eine Entfernung und Löschung der indizierten Inhalte ist für die Klägerin auch möglich und zumutbar (s.o. 5.)
7.2 Diese Untersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass mit der Missbilligung allein (Nr. 1 des Bescheids) das angestrebte Ziel, d.h. der Ausschluss des Zugriffs auf indizierte Titel über die Internetseiten der Klägerin, dauerhaft erreicht werden kann. Denn die Klägerin wurde in der Vergangenheit wiederholt auf entsprechende Verstöße hingewiesen, ohne dass sie wirksame bzw. ausreichende Maßnahmen ergriffen hat, sämtliche indizierten Titel zu sperren. Auch hat sie sich bisher pauschal auf den Standpunkt gestellt, dass sie lediglich fremde Inhalte anzeigt und eine Unterlassung nicht zumutbar ist (vgl. z.B. Schreiben v. 07.12.2015, BA 32 ff.). Es war daher aus Sicht der Beklagten nicht davon auszugehen, dass die Klägerin allein aufgrund der Missbilligung in Zukunft von einer Werbung für indizierte Werke Abstand nehmen wird. Mit der Untersagung wird sichergestellt, dass die Klägerin die festgestellten Rechtsverstöße gegen den JMStV nicht durch erneutes Zugänglichmachen indizierter Werke wiederholt. Im Hinblick auf die Schwere und Nachhaltigkeit der Verstöße ist diese Anordnung auch nicht unangemessen (vgl. VG Kassel, U.v. 8.6.2017 – 1 K 573/13.KS – juris Rn. 65 ff.; VG Regensburg, U.v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177 – juris Rn. 126), zumal zumindest die manuelle Sperrung der indizierten Titel nach dem oben Gesagten mittelfristig mit keinem großen Aufwand verbunden ist.
Es wurde auch weder von Klägerseite vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass eine Altersverifikation, die erforderlich ist, um sicherzustellen, dass Titel aus dem Teil A der Liste jugendgefährdender Medien nur für Erwachsene zugänglich sind (s. Nr. 3 des Bescheids vom 04.10.2016), der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar wäre. Insbesondere bestehen insoweit anerkannte Verfahren, wie z.B. das Post-Ident-Verfahren, der Identitäts-Check mit Q-Bit der Schufa Holding AG oder ein Webcam-Check (vgl. BGH, U.v. 18.10.2007 – I ZR 102/05 – juris Rn. 27, 34 f.). Im Übrigen bliebe es der Klägerin auch unbenommen, entsprechende Titel komplett zu sperren (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 25.7.2012 – 5 K 3496/10 – juris Rn. 40; vgl. a. BGH, U.v. 12.7.2007 – I ZR 18/04 – juris Rn. 60).
8. Auch die Kostenentscheidung (Nrn. 4 und 5 des angefochtenen Bescheids) ist nicht zu beanstanden. Von Klägerseite wurden insoweit keine eigenständigen Verstöße vorgetragen und solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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