Aktenzeichen M 26 K 15.985
VwGO VwGO § 88, § 101 Abs. 2, § 188
Leitsatz
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Entscheidung kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zulässig, aber unbegründet ist.
1. Eine Auslegung ihres Klagebegehrens gemäß § 88 VwGO i. V. m. den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) ergibt, dass die Klägerin vorliegend einen Verpflichtungsantrag gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO stellt. Die Klägerin begehrt der Sache nach eine Befreiung von der Beitragspflicht, welche in Form eines Verwaltungsakts (Bescheids) ausgesprochen wird. Eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid vom … April 2014 in Form des Widerspruchbescheids vom 12. Januar 2015 wäre damit unstatthaft bzw. unzulässig, dem Rechtschutzziel der Klägerin wird vielmehr durch eine Verpflichtungsklage entsprochen.
2. Die so auszulegende Klage ist zulässig, aber unbegründet und daher abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 RBStV.
2.1 Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 4 Abs. 1 RBStV; keiner der aufgeführten Tatbestände ist vorliegend einschlägig. Insbesondere ist die Klägerin nicht taubblind i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV.
2.2 Auch ein besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 RBStV liegt nicht vor: Schon ein Umkehrschluss aus § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV in Zusammenschau mit § 4 Abs. 2 Nr. 1 RBStV ergibt, dass allein eine Beeinträchtigung des Hörvermögens für sich betrachtet – also wenn nicht weitere Faktoren hinzutreten – nach der Systematik des RBStV keinen besonderen Härtefall rechtfertigen kann: Nur taubblinden Menschen steht eine (komplette) Befreiung zu; bestehen dagegen ausschließlich Beeinträchtigungen des Hörvermögens, kommt regelmäßig nur eine Ermäßigung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RBStV) in Betracht. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigt in seiner vom Beklagten bereits zitierten Entscheidung vom 15. Mai 2014 (s. o.) diese gesetzgeberische Differenzierung, indem er auf die objektive Nutzbarkeit des Programmangebots abstellt. Die Klägerin kann vorliegend aber nicht überzeugend darlegen, warum sie nicht beispielsweise mit Hilfe der gängigen Untertitel für Gehörlose das Fernsehangebot ohne zu befürchtende Komplikationen für ihr Gehör in Anspruch nehmen kann. Ähnliches gilt auch für die Nutzung des Onlineangebots. Ein besonderer Härtefall liegt nach alledem nicht vor.
2.3 Sonstige Befreiungstatbestände sind nicht ersichtlich. Die Klägerin begehrt ausdrücklich nur eine Befreiung, nicht aber eine Ermäßigung (vgl. schon Antragsschreiben vom … Dezember 2013, aber auch Schreiben an das Gericht vom … August 2015, letzter Absatz). Das bedeutet, dass die Klägerin beim Beklagten weder den (materiellrechtlich) notwendigen Antrag gemäß § 4 Abs. 2 und 7 RBStV gestellt hat, noch dass ihr Klagebegehren/-antrag dahingehend ausgelegt werden kann (vgl. dazu 1.).
2.4 Auch der Vortrag der Klägerin, sie besitze weder ein Radio- oder Fernsehgerät, noch ein internetfähiges Smartphone oder einen internetfähigen PC, vermag keine Befreiung zu rechtfertigen. Anders als die bisherige Rundfunkgebühr knüpft der seit 1. Januar 2013 zu erhebende Rundfunkbeitrag nicht an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts, sondern an das Innehaben einer Wohnung an. Auf die tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten des Beitragspflichtigen in Bezug auf das Programmangebot des öffentlichrechtlichen Rundfunks kommt es damit nicht an. Nur wenn eine Nutzung objektiv (weitestgehend) ausgeschlossen ist, sieht der RBStV entsprechende Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestände vor (s. o.). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu grundlegend BayVGH, Urteil vom 21. Juli 2015 – 7 BV 14.1772 -, juris; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 18. März 2016, – 6 C 6.15 -, noch nicht veröffentlicht).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Für Verfahren zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht werden keine Gerichtskosten erhoben (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2011 – 6 C 10/10 -, juris). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.