Aktenzeichen M 26 E 20.1579
Leitsatz
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, die in der Betriebsbesichtigung vom … Oktober 2019 festgestellten und im Anhörungsschreiben vom … März 2020 benannten Mängel auf der Internetplattform seines Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu veröffentlichen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf Euro 5.000,– festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße, welche anlässlich einer Betriebskontrolle in seinem Restaurant festgestellt wurden.
Der Antragsteller betreibt eine BURGER KING Filiale in A. Am … Oktober 2019 führte das Landratsamt in diesem Restaurant eine Betriebskontrolle durch. Ausweislich einer Ordnungswidrigkeitenanzeige vom … Oktober 2019 wurden hierbei hygienische Mängel festgestellt.
Mit Schreiben vom … Januar 2020 leitete der Antragsgegner ein Bußgeldverfahren gegen den Antragsteller ein und gab ihm unter Auflistung der festgestellten hygienischen Mängel Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24. Januar 2020.
Mit Bußgeldbescheid vom … März 2020 wurde gegen den Antragsteller ein Bußgeld in Höhe von 3.500,00 Euro verhängt. Gegen den Bußgeldbescheid wurde Einspruch eingelegt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Mit Schreiben vom 9. März 2020 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Verweis auf die bei der Verdachtskontrolle am … Oktober 2019 festgestellten Verstöße sowie den erlassenen Bußgeldbescheid mit, dass beabsichtigt sei, auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) folgende Daten im Internet unter der Adresse www.lgl.bayern.de zu veröffentlichen:
„Verantwortliche Behörde: Landratsamt P. a.d.I.
Einstelldatum: …
BURGER KING A. GmbH & Co. KG, …-str., B.
Verstoß: – Mängel bei der Betriebshygiene; – Mängel bei der Schädlingsbekämpfung
Verstoß festgestellt am … Oktober 2019
Kategorie: Gastronomie, Gaststätten, Imbisseinrichtungen
Produkt: [keine Angabe]
Verstoß beseitigt: [keine Angabe]“
Dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. März 2020 gegeben; Im Anschluss werde das Landratsamt über das weitere Vorgehen entscheiden. Sofern die Veröffentlichung weiterhin als erforderlich erachtet werde, werde der Antragsteller in einem weiteren Schreiben darüber informiert. Im Anschluss an dieses weitere Schreiben habe er die Möglichkeit, die geplante Veröffentlichung innerhalb von sieben Werktagen gerichtlich überprüfen zu lassen.
Bei einer Nachkontrolle seitens der Lebensmittelüberwachung des Landratsamts am … März 2020 wurde festgestellt, dass die relevanten Mängel behoben und keine sonstigen Hygienemängel vorhanden waren.
Mit Schreiben vom 20. März 2020 wandte sich der Antragsteller gegen die beabsichtigte Veröffentlichung und machte geltend, dass die Vorschrift des § 40 Abs. 1a LFGB wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht vollzogen werden dürfe. Die definitive Ankündigung der Veröffentlichung erfolgte sodann mit Schreiben des Landratsamts vom 27. März 2020, den Bevollmächtigten des Antragstellers am 6. April 2020 zugestellt.
Mit Schreiben vom 6. April 2020 teilte das Landratsamt den Antragsteller mit, dass bei der beabsichtigten Veröffentlichung auf die zwischenzeitliche Behebung der Verstöße hingewiesen werde („Verstoß beseitigt: …03.2020“).
Am 15. April 2020 suchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München um vorläufigen Rechtsschutz nach; er beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der Einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf der Internetplattform seines Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit das Ergebnis einer Betriebskontrolle des Betriebs des Antragstellers am … Oktober 2019 bzw. mutmaßliche oder tatsächliche lebensmittelrechtlich relevante Mängel gem. Auflistung aus Anhörungsschreiben vom … März 2020 als sog. Information (weiterhin) zu veröffentlichen,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Veröffentlichung dahingehen abzuändern, dass in der Veröffentlichung verdeutlicht wird, dass die amtlich dargestellten Mängel aktuell nicht vorhanden sind.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei fraglich, ob § 40 Abs. 1 a LFGB tatsächlich über seinen Wortlaut hinaus eine (zwingende) Pflicht der Behörden begründe, die Öffentlichkeit nicht nur über konkrete Lebensmittel betreffende Mängel unter Nennung deren Bezeichnung zu informieren, sondern – losgelöst von einem bestimmten Lebensmittel – auch über hygienische Mängel in Betrieben, die Lebensmittel verarbeiten und/oder in den Verkehr bringen. Im Übrigen seien alle amtlich beschriebenen Mängel zwischenzeitlich nachweislich behoben, so dass eine Veröffentlichung vor dem Hintergrund der erheblichen betrieblichen Einbußen, die die Veröffentlichung nach sich ziehen könne, unverhältnismäßig sei.
Das Landratsamt beantragte unter Vorlage der Behördenakten für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen,
und legte dar, dass die beabsichtigte Veröffentlichung in der Sache gerechtfertigt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Insbesondere ist die Geltung von § 123 Abs. 1 VwGO nicht nach § 123 Abs. 5 VwGO ausgeschlossen, denn es liegt kein Fall des § 80 VwGO vor. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung der bei der Betriebskontrolle vom … Oktober 2019 festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstöße ist mangels Regelungscharakters kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Eine Verhinderung dieser Veröffentlichung ist in der Hauptsache mit einer allgemeinen Leistungsklage auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs durchzusetzen (VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 4).
Dabei versteht das Gericht den ohne zeitliche Begrenzung gestellten Antrag bei sachgerechter Auslegung nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO als auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens gerichtet; denn das Gericht der Hauptsache im Sinne des § 123 VwGO kann durch eine einstweilige Anordnung einem Antragsteller grundsätzlich nicht mehr zusprechen als er im Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37. EL Juli 2019, § 123 Rn. 140; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 123 Rn. 11).
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für eine notwendige vorläufige Sicherung sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die beabsichtigte Veröffentlichung zumindest teilweise faktisch irreversibel ist. Sind die veröffentlichten Informationen fehlerhaft, vermögen spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen die faktischen Wirkungen einer erfolgten Veröffentlichung regelmäßig nicht umfassend zu beseitigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris, Rn. 6). Angesichts der weitreichenden Folgen, die eine derartige Veröffentlichung für die Marktbedingungen eines konkret benannten Unternehmens hat, ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, die Bekanntgabe der Kontrollergebnisse bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (Hessischer VGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 18).
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch (Hessischer VGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 19), der aus einer analogen Anwendung von § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder aus der Abwehrfunktion der Grundrechte – vorliegend Art. 12 Abs. 1 GG – abgeleitet werden kann. Unabhängig von der dogmatischen Herleitung setzt der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch neben einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung (grund-)rechtlich geschützter Positionen des Betroffenen voraus, dass ein solcher Eingriff bevorsteht oder die Gefahr der Wiederholung eines rechtswidrigen Eingriffs droht (Hessischer VGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 19).
Diese Voraussetzungen liegen vor, da die beabsichtigte Veröffentlichung der Mängel rechtswidrig ist und dadurch ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers droht.
Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner geplante Veröffentlichung ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), das zuletzt durch Artikel 28 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I 2019 S. 1626) geändert worden ist (LFGB). Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, (…) hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die (…) der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist. Nach § 40 Abs. 4a LFGB ist die Information sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.
Diesen Vorgaben entspricht die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung nicht. Zwar dürfte der Antragsteller durch die im Rahmen der Betriebskontrolle am … Oktober 2019 festgestellten Mängel in nicht nur unerheblichem Ausmaß gegen Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen haben. Dies ist jedoch letztlich nicht entscheidungserheblich, da die beabsichtigte Information der Öffentlichkeit jedenfalls nicht unverzüglich im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB erfolgte.
Im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist nicht näher definiert, wann eine Information der Öffentlichkeit noch „unverzüglich“ im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erfolgt. Nach Auffassung des Gerichts fordert der Begriff „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in Anlehnung an die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ (vgl. VG Oldenburg, B.v. 28.8.2019 – 7 B 2221/19 – juris Rn. 35; VG Frankfurt a.M., B.v. 12.12.2019 – 5 L 3285/19.F – juris Rn. 27 ff).
Für diese Auslegung sprechen zunächst der Wortlaut von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB und die Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Der Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches rekurriert mit der Verwendung des Wortes „unverzüglich“ nämlich auf einen in der Rechtssprache seit langem etablierten Begriff, der bereits in der am 24. August 1896 bekanntgemachten und am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Urfassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Reichsgesetzblatt 1896, Nr. 21, S. 195) und seitdem unverändert in § 121 Abs. 1 BGB – zumindest für die Zwecke des Bürgerlichen Gesetzbuchs – legaldefiniert wird. Vor diesem Hintergrund legt die Anknüpfung an den Begriff der Unverzüglichkeit durch den Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs nahe, dass der Begriff auch für die Zwecke dieses Gesetzbuchs in der im Bürgerlichen Gesetzbuch definierten Art und Weise zu verstehen sein soll.
Die Gesetzgebungsgeschichte von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB spricht ebenfalls für dieses Begriffsverständnis. Der Begriff „unverzüglich“ wurde durch Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 498) mit Wirkung ab dem 30. April 2019 in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB eingefügt. Dieser Gesetzesänderung vorausgegangen war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der die Vorgängerfassung des § 40 Abs. 1a LFGB insofern mit Art. 12 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt worden war, als in dem Gesetz eine zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung fehlte (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 56). Neben seiner Kritik an einer fehlenden Regelung zur Dauer der Veröffentlichung bezog das Bundesverfassungsgericht auch Erwägungen zum zeitlichen Abstand zwischen dem lebens- oder futtermittelrechtlichen Verstoß und der Veröffentlichung in seine Betrachtung mit ein (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 58):
„Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. […] Zwar wird auch aus […] Sicht [der Verbraucher] die Bedeutung einer Information mit zunehmender Verbreitungsdauer und zunehmendem Abstand von dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß regelmäßig sinken. Es kann jedoch nicht erwartet werden, dass alte Einträge immer zuverlässig als weniger relevant wahrgenommen werden. Vor allem aber änderte auch ein mit der Zeit sinkender Einfluss auf das Konsumverhalten nichts daran, dass noch lange Zeit nach dem eigentlichen Vorfall, wenn auch in abnehmender Zahl, Verbraucherinnen und Verbraucher von dieser Information zum Nachteil des Unternehmens beeinflusst werden. Eine zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung ist daher verfassungsrechtlich geboten.“
An ebendiese Ausführungen knüpft der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches an, mit dem das Wort „unverzüglich“ in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB eingefügt wurde. Dort heißt es (BT-Drs. 19/8349, S. 19):
„Mit der Ergänzung werden die zuständigen Vollzugsbehörden verpflichtet, nach der abschließenden Ermittlung des Sachverhalts die erforderliche Veröffentlichung ohne Zeitverzug vorzunehmen. Verzögerungen von zum Teil mehreren Monaten zwischen der Feststellung von Verstößen und einer Veröffentlichung, wie in der Vergangenheit teilweise erfolgt, sind im Sinne der Verbraucherinformation nicht zweckdienlich. Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt (siehe BVerfG, Beschluss vom 21.3.2018, Rn. 58).“
Mit dem tatbestandlichen Merkmal der Unverzüglichkeit soll mithin ein möglichst geringer zeitlicher Abstand der zu veröffentlichenden Information zu dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß und dadurch eine hohe Aktualität gewährleistet werden. Mit sinkender Aktualität der Information reduziert sich auch der Wert dieser Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher und umso weniger ist den hiervon Betroffenen die Veröffentlichung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zuzumuten (VG Oldenburg, B.v. 28.8.2019 – 7 B 2221/19 – juris Rn. 21; VG Frankfurt a.M., B.v. 12.12.2019 – 5 L 3285/19.F – juris Rn. 33).
Nach diesen Maßgaben und unter der gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgt die vom Antragsgegner beabsichtigte Information der Öffentlichkeit nicht unverzüglich im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Erst mehr als vier Monate nach der Betriebskontrolle vom … Oktober 2019, nämlich mit Schreiben vom … März 2020, hörte das Landratsamt den Antragsteller zu einer beabsichtigten Veröffentlichung im Internet an. Die tatsächliche Veröffentlichung sollte ausweislich eines weiteren Schreibens des Landratsamts vom 27. März 2020, den Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 6. April 2020 zugestellt, innerhalb von sieben Werktagen ab Zustellung dieses weiteren Schreibens erfolgen – also erst Mitte April. Zwischen der Feststellung der bemängelten Zustände und dem vom Antragsgegner geplanten Veröffentlichungsdatum im Internet lag daher ein Zeitraum von fast sechs Monaten. Die lebensmittelrechtlichen Verstöße und Mängel, deren Veröffentlichung das Landratsamt beabsichtigt, waren diesem hingegen bereits seit der Betriebskontrolle am … Oktober 2019 bekannt. In der Ordnungswidrigkeitenanzeige vom … Oktober 2019 sind die festgestellten Verstöße unter Beifügung diese dokumentierender Fotos und weiterer Unterlagen ausführlich und umfassend aufgelistet. Aus den Akten geht nicht hervor, dass weitere Sachverhaltsermittlungen oder -Prüfungen erfolgt wären.
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass es vor einer Anhörung zur Veröffentlichung der weiteren Sachverhaltsaufklärung – etwa in Form weitergehender Ermittlungen oder Untersuchungen – bedurft hätte. Auch das Landratsamt legt dies nicht dar. Soweit und sofern das Landratsamt vor der Veröffentlichung den Erlass des Bußgeldbescheids abwarten wollte, weist das Gericht darauf hin, dass eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB lediglich eine Prognose dahingehend erfordert, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten ist. Die Ermittlung der genauen Höhe des zu erwartenden Bußgeldes ist danach nicht erforderlich, sofern das zu erwartende Bußgeld jedenfalls mindestens 350 Euro beträgt. Um wieviel dieser Schwellenwert überschritten wird, ist unerheblich. Das Landratsamt hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, inwieweit für die Bußgeldprognose nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB eine weitere Sachverhaltsermittlung oder -Prüfung erforderlich war, zumal sich eine erste behördliche Bußgelderwartung in Höhe von 3.500 Euro in dem Anhörungsschreiben zum Erlass eines Bußgeldbescheids vom … Januar 2020 findet, ohne dass aus der Behördenakte weitere zwischenzeitliche Ermittlungs- oder Prüfungsschritte ersichtlich wären.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass erst am … März 2020 eine Nachkontrolle stattfand. Die Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB bezieht sich auf das Ergebnis einer konkreten Betriebskontrolle – hier der Betriebskontrolle vom … Oktober 2019 (vgl. VG Oldenburg, B.v. 28.8.2019 – 7 B 2221/19 – juris Rn. 35). Das Ergebnis dieser konkreten Betriebskontrolle – also der Zustand, wie er sich am Tag der Betriebskontrolle darstellte – wird durch eine Nachkontrolle nicht mehr verändert, sondern es tritt ein weiterer Befund neben den Erstbefund. Das Ergebnis einer Nachkontrolle kann zwar nach § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB dazu führen, dass die Veröffentlichung der Ergebnisse der Erstkontrolle anzupassen und auf eine etwaige zwischenzeitliche Mängelbeseitigung hinzuweisen ist. Die letztgenannte Vorschrift gebietet jedoch nicht, dass eine Nachkontrolle zwingend noch vor der Veröffentlichung der Ergebnisse der Erstkontrolle erfolgen muss.
Sofern und soweit für die zeitliche Verzögerung zwischen der Feststellung der lebensmittelrechtlichen Verstöße und der nach § 40 Abs. 3 LFGB zwingend erforderlichen Anhörung des Antragstellers zur beabsichtigten Veröffentlichung die Bindung behördlicher Arbeitskraft durch andere vordringliche Aufgaben oder eine unzureichende personelle Ausstattung ursächlich gewesen sein mögen, vermag dies nicht zu begründen, dass die beabsichtigte Veröffentlichung unverzüglich – also „ohne schuldhaftes Zögern“ – erfolgte. Denn es obliegt dem Antragsgegner in eigener Verantwortung, auch und gerade in Fällen der nicht nur kurzzeitigen behördlichen Überlastung eine zureichende Personalausstattung zu gewährleisten und die vorhandenen Personalmittel sachgerecht einzusetzen. Unterlässt er es unter diesen Umständen, eine hinreichend große Anzahl von Mitarbeitern mit der Bearbeitung von lebensmittelrechtlichen Verfahren der vorliegenden Art zu betrauen, so muss er sich die zwangsläufig eintretenden Verzögerungen als „schuldhaftes Zögern“ zurechnen lassen.
Nach alledem erfolgte die beabsichtigte Information der Öffentlichkeit nahezu sechs Monate nach Feststellung der lebensmittelrechtlichen Verstöße jedenfalls nicht unverzüglich, was sich nicht zuletzt aus einer wertenden Heranziehung der Vorschrift des § 40 Abs. 4a LFGB ergibt. Dem Antrag war mithin in dem durch Auslegung ermittelten Umfang stattzugeben.
Da die Hauptsache derzeit nicht anhängig ist, bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, zu beantragen, dem Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 ZPO aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist Klage zu erheben.
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsgegner zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 25.2 Alt. 2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.