Aktenzeichen 102 VA 153/21
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert wird auf bis zu 3.000,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Antragsteller war ursprünglich Prozessbevollmächtigter des Klägers im Verfahren … vor dem Landgericht … wegen Rückabwicklung eines zwischen den Prozessparteien geschlossenen Erwerbsvertrags über eine Anwaltskanzlei. Am 19./25. Februar 2019 hatte er mit dem Kläger eine Erfolgshonorarvereinbarung getroffen. Das Mandatsverhältnis endete während des laufenden Rechtsstreits. Mit Beschluss vom 19. Februar 2020 wurde gemäß § 11 Abs. 1 RVG die vom Kläger an den Antragsteller zu zahlende Vergütung auf 27.870,93 € nebst Zinsen festgesetzt.
Mit Schreiben vom 19. November 2020 und 10. Februar 2021 beantragte der Antragsteller die Gewährung von Einsicht in die Prozessakten des oben genannten Verfahrens. Er vertrat die Auffassung, dass ihm Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 1 ZPO zu gewähren sei, da er Verfahrensbeteiligter im Sinne dieser Vorschrift sei. Vorsorglich berief er sich auch auf ein Recht zur Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO. Mit Blick auf die mit seinem früheren Mandanten getroffene Erfolgsvereinbarung hinsichtlich der anwaltlichen Gebühren bzw. deren Höhe bestehe ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht insoweit, als zu prüfen sei, ob der Ausgang des Verfahrens die Höhe seines titulierten Anspruchs berühre und daher aus dem ihm erteilten Titel gegebenenfalls nicht mehr in voller Höhe vollstreckt werden dürfe. Der Kläger mache in der Sache geltend, dass dem Antragsteller der Anspruch nicht zustehe, und habe Beschwerde gegen den „Kostenbescheid“ eingelegt. Für die Frage, welche Gebühren der Antragsteller in Abrechnung bringen dürfe, sei der weitere Verlauf des Verfahrens rechtlich relevant.
Der Kläger wandte sich mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 8. März 2021 gegen die beantragte Akteneinsicht und vertrat die Auffassung, dass aufgrund der rechtskräftigen Titulierung des Gebührenanspruchs des Antragstellers Mehr- oder Minderforderungen ausgeschlossen seien. Ein Interesse daran, anhand des Prozessstands die Werthaltigkeit der Honorarforderung zu beurteilen, sei lediglich wirtschaftlicher, aber nicht rechtlicher Natur.
Mit Schriftsatz vom 1. April 2021 hielt der Antragsteller an seiner Auffassung fest, dass ihm ein Recht auf Akteneinsicht bereits gemäß § 299 Abs. 1 ZPO zustehe. Jedenfalls aber bestehe ein „berechtigtes“ Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO. Die Ansicht des Klägers, sämtliche Forderungen seien mit Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses ausgeschlossen, sei unzutreffend, da dies allenfalls für den gesetzlichen Gebührenanspruch für das Gerichtsverfahren gelte, nicht aber für die Abrechnung des Mandatsverhältnisses insgesamt, „[n]amentlich nicht – wie hier erfolgt – für eine darüberhinausgehende Erfolgsvereinbarung für die vorgerichtliche Vertretung ebenso nicht für die Rückforderung des Antragsgegners.“ Sollte der Rechtsstreit insgesamt zum Nachteil des Klägers ausgehen, müsse trotz der Titulierung der Forderung der Titel geändert und herausgegeben werden. Denn dann sei er materiellrechtlich falsch. Hier begründe allein die Tatsache, dass der Kläger als Schuldner den laufenden Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Einwand entgegenzutreten versuche, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, einen ausreichenden rechtlichen Bezug und damit ein rechtliches Interesse. Dies gelte zumal deshalb, weil der Kläger im Rahmen der von ihm vor dem Gerichtsvollzieher abgegebenen Vermögensauskunft diesen Honoraranspruch nicht offengelegt habe. Die Einsichtnahme diene damit der Überprüfung, ob diese Angabe richtig sei, was ein rechtliches Interesse begründe. Es gehe hier nicht darum, Vermögenswerte zu eruieren. Die Interessenabwägung gehe eindeutig zu seinen Gunsten aus. Gegebenenfalls könnten einige sensible Aktenstücke von der Einsichtnahme ausgenommen werden.
Der anwaltliche Vertreter des Klägers erwiderte, dem Antragsteller stehe nicht weniger, aber auch nicht mehr zu als der titulierte Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsverfahren. Eine außergerichtliche Vertretung habe es nicht gegeben. Ein Erfolgshonorar bestehe schon deshalb nicht, weil der titulierte Kostenfestsetzungsbeschluss den Gebührenanspruch abschließend regele.
Das Landgericht wies mit Verfügung vom 5. Mai 2021 darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Akteneinsicht weder nach § 299 Abs. 1 ZPO noch nach § 299 Abs. 2 ZPO vorlägen. Der Antragsteller sei nicht Partei des Verfahrens. Der Verweis auf ein sich aus den laufenden Vollstreckungsmaßnahmen ergebendes rechtliches Interesse verfange schon deshalb nicht, da durch die Aufhebung der Kostengrundentscheidung der darauf basierende Kostenfestsetzungsbeschluss gegenstandslos geworden sei. Dementsprechend sei er mit Beschluss vom 1. Dezember 2020 aufgehoben worden.
Hierauf entgegnete der Antragsteller, dass er als Beteiligter des Kostenfestsetzungsverfahrens auch Partei des Hauptsacheverfahrens im Sinne von § 299 Abs. 1 ZPO sein müsse. Im Übrigen wirke sich die Aufhebung der Kostengrundentscheidung nicht auf den gemäß § 11 RVG zu seinen Gunsten ergangenen Beschluss über seinen Erstattungsanspruch gegen den Kläger als seinen ehemaligen Auftraggeber aus. Ferner sei für die Entscheidung über das Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 2 ZPO nicht die Kammer, sondern der Vorstand des Gerichts zuständig.
Das Landgericht München I wies mit Bescheid vom 3. August 2021, der dem Antragsteller am 16. August 2021 zugestellt wurde, den Antrag vom 19. November 2020/10. Februar 2021 auf Akteneinsicht zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass dem Antragsteller, der nicht Partei im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO, sondern Dritter sei, gemäß § 299 Abs. 2 ZPO Akteneinsicht nur gewährt werden könne, wenn die Parteien einwilligten oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werde. Die Klagepartei habe ihre Einwilligung versagt. Auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der Akteneinsicht seien zu verneinen. Ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht setze ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch Rechtsnormen geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus. Soweit der Antragsteller darauf verweise, dass der mit Beschluss vom 19. Februar 2020 festgesetzte Betrag noch offen sei bzw. der Antragsteller anhand der Akteneinsicht die Richtigkeit der Angaben des Klägers im Rahmen der Vollstreckungsmaßnahmen überprüfen wolle, handele es sich zum einen um ein rein wirtschaftliches Interesse. Zudem sei für den Antragsteller – wie er selbst ausführe – der Ausgang des Verfahrens von Bedeutung. Derzeit sei, wie dem Antragsteller bereits mitgeteilt, ein Abschluss des Verfahrens aufgrund der Vielzahl der Streitpunkte in keiner Weise absehbar. Dies gelte auch im Hinblick auf die vom Antragsteller behauptete Erfolgshonorarvereinbarung für die vorgerichtliche Vertretung, die vom Kläger bestritten und durch den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden sei. Nachdem die Kostengrundentscheidung und der darauf basierende Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben worden seien, verfange auch die Argumentation des Antragstellers zur eventuellen Unrichtigkeit des Titels und Rückforderungsansprüchen nicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16. September 2021, der am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen ist. Die Zurückweisung des Antrags auf Akteneinsicht sei fehlerhaft, da dem Antragsteller ein Recht auf Einsicht in die Prozessakten gemäß § 299 Abs. 1, jedenfalls aber gemäß § 299 Abs. 2 ZPO zustehe. Hinsichtlich der Entscheidung gemäß § 299 Abs. 2 ZPO werde vorsorglich die Zuständigkeit der Vorsitzenden der Kammer gerügt, die den Bescheid erlassen habe. Es bestünden grundsätzliche disziplinarische und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Aufgabenverlagerung vom Präsidenten auf die jeweiligen Kammern. Eine Aufgabenzuweisung allein durch Verfügung des Gerichtspräsidenten vermöge eine Zuständigkeit der Richter für Justizverwaltungsmaßnahmen nicht zu begründen.
Die Begründung des Landgerichts sei auch in der Sache nicht zutreffend, weil der Sachverhalt unrichtig erfasst worden sei. Eine vorgerichtliche Tätigkeit für den Kläger und eine Erfolgsvereinbarung für eine vorgerichtliche Vertretung habe er niemals behauptet. Der vom Landgericht erhobene Vorwurf einer fehlenden Glaubhaftmachung für eine vorgerichtliche Erfolgsvereinbarung zeige dessen Fehlverständnis. Es gehe einzig um seine Honoraransprüche für die Vertretung in erster Instanz. Von einer Aufhebung der Kostengrundentscheidung, auf die sich das Landgericht beziehe, wisse er nichts. Der Beschluss vom 19. Februar 2020, der ihm die Kostenerstattung zuspreche, sei jedenfalls nicht aufgehoben worden. Die vollstreckbare Ausfertigung liege vor und sei Grundlage für die laufenden Vollstreckungsmaßnahmen.
Er habe zudem niemals behauptet, nur irgendwelche Angaben im Vollstreckungsverfahren überprüfen zu wollen. Das Gericht gehe auch insoweit von einem falschen Sachverhalt aus. In der Sache gehe es um die unrichtigen Angaben des Klägers in der von ihm abgegebenen Vermögensauskunft, mithin nicht um eine Ausforschung dahingehend, ob beim Kläger „irgendetwas zu holen ist“, sondern um den Tatbestand wohl vorsätzlichen Verschweigens. Es stehe deshalb auch zu befürchten, dass der Kläger den Ausgang des Verfahrens bewusst geheim halten wolle, um sich – bei einem eventuellen Obsiegen – den Ansprüchen des Antragstellers zu entziehen.
Das Interesse am Inhalt der Akten sei ein rechtliches und kein wirtschaftliches, zumal aufgrund der Erfolgsvereinbarung die Höhe des Anspruchs „aus diesem Beschluss“ unmittelbar vom Ausgang des Verfahrens berührt werde. Es gehe bei dem Akteneinsichtsgesuch um den Streitstoff des Verfahrens. Aufgrund der Erfolgsvereinbarung habe er einen Anspruch gegen den Kläger in Höhe der anfallenden Gebühren nach dem RVG zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 500% oder – bei vollständigem Unterliegen des Klägers im Prozess – gar keinen Honoraranspruch. Dies begründe einen rechtlichen Bezug zum Verfahrensstoff der Prozessakten. Er habe derzeit zwar einen vollstreckbaren Titel in Höhe der gesetzlichen Gebühr, aber nach einem Unterliegen des Klägers im laufenden Prozess dürfe er aus diesem nicht mehr vollstrecken. Es müsse möglich sein, dies zu überprüfen. Da der Kläger keine freiwilligen Auskünfte über das Verfahren gebe und sogar bei der erwirkten Vermögensauskunft falsche Angaben gemacht habe, stünde ihm keine andere Möglichkeit offen, als den Fortgang des Prozesses durch Einsicht in die Akten zu verfolgen. Es handle sich nicht um ein Auskundschaften der wirtschaftlichen Lage des Klägers, da ihm diese aufgrund des erwirkten Vermögensverzeichnisses ohnehin bekannt sei. Es gehe letztlich darum, dass der Antragsteller gegebenenfalls die laufende Vollstreckung einzustellen habe. Sein Interesse an der Akteneinsicht könne auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass das Verfahren in Ermangelung eines absehbaren Endes keine Bedeutung für seinen Anspruch aus der Vereinbarung über die Erfolgsvergütung habe. Ihm müsse es möglich sein, den Fortgang des Prozesses zu verfolgen; er könne nicht darauf verwiesen werden, wöchentlich neue Anträge zu stellen.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller erstmals die Erfolgshonorarvereinbarung vom 19./25. Februar 2019 vorgelegt.
Er hat im Verlauf des Verfahrens weiter beanstandet, dass der Entscheidung des Landgerichts keine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem Geheimhaltungsinteresse der Parteien entnommen werden könne. Das Landgericht habe zu Unrecht ein rechtliches Interesse mit der Begründung verneint, es solle der Wahrheitsgehalt von Angaben im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen überprüft werden. Die Unrichtigkeit des Vermögensverzeichnisses sei ihm bekannt. Es gehe deshalb nicht um ein Ausforschen, sondern darum, die ihm rechtlich zustehenden Informationen, die der Schuldner widerrechtlich verschweige, auf anderem Wege zu erlangen. Dem Kläger des Bezugsverfahrens seien durch Versäumnisurteil Ansprüche zuerkannt worden, die nach Einspruch weiterverfolgt würden. Es bestehe die Möglichkeit, „den Hinterlegungsanspruch aus dem Bezugsverfahren zu pfänden“. Dafür werde die Einsicht in das Verfahren benötigt. In seiner Vermögensauskunft habe der Kläger diesen Hinterlegungsanspruch nicht angegeben, um eine Vollstreckung in dieses Recht zu vereiteln. Im Übrigen habe das Landgericht die in Bezug genommene Erfolgsvereinbarung völlig falsch eingeordnet. Auch eine Beschränkung der Einsicht auf Aktenteile habe das Landgericht pflichtwidrig nicht geprüft.
B.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff EGGVG ist statthaft und zulässig. Die auf § 299 Abs. 2 ZPO gestützte Ablehnung der Akteneinsicht für den Antragsteller als Dritten ist ein Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015, XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 23 EGGVG Rn. 4).
Über die Abweisung des Antrags, Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 1 ZPO zu gewähren, ist im Rahmen des Verfahrens nach § 23 EGGVG nicht zu befinden, da es sich dabei nicht um einen Justizverwaltungsakt handelt. Vielmehr ist hier eine sofortige Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf (OLG Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2000, 7 W 17/00, NJW-RR 2000, 1454; Bünnigmann in Anders/Gehle, 80. Aufl. 2022, ZPO, § 299 Rn. 18; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 299 Rn. 2; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 299 Rn. 16).
Der Antrag ist innerhalb der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG bei dem gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht gestellt worden. Eine mögliche Verletzung in eigenen Rechten hat der Antragsteller geltend gemacht, § 24 Abs. 1 EGGVG.
II. In der Sache ist der Rechtsbehelf unbegründet. Die Zurückweisung des Akteneinsichtsgesuchs auf der Grundlage der Vorschrift des § 299 Abs. 2 ZPO ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Entgegen der Meinung des Antragstellers ist der angefochtene Bescheid nicht bereits in formeller Hinsicht rechtswidrig, denn er ist als Justizverwaltungsakt von der hierfür funktional zuständigen Stelle erlassen worden. Die Vorsitzende der Zivilkammer war für die Entscheidung über die Erteilung der beantragten Einsicht in die Verfahrensakten gemäß § 299 Abs. 2 ZPO zuständig. Die Befugnis zur Erteilung von Akteneinsicht durch Dritte gemäß § 299 Abs. 2 ZPO wurde gemäß Verfügung der Präsidentin des Landgerichts München I vom 10. September 2020 den jeweiligen Vorsitzenden der Zivilkammern bzw. dem Einzelrichter übertragen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine solche Delegation von Verwaltungsaufgaben zulässig und nicht als unzulässiger Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu werten. Nach Art. 19 Abs. 1 BayAGGVG erledigen die Präsidenten der Gerichte die ihnen zugewiesenen Geschäfte der Justizverwaltung einschließlich der Gerichtsverwaltung nach näherer Anordnung des Staatsministeriums und können die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Richter und Beamten – nach Maßgabe der sich aus § 4 Abs. 2, § 42 DRiG ergebenden Beschränkungen – zu diesen Geschäften heranziehen. Die Entscheidung über die Akteneinsicht durch Dritte gemäß § 299 Abs. 2 ZPO ist ein solches Geschäft der Justizverwaltung in Form eines Justizverwaltungsakts (BGH NJW 2015, 1827 Rn. 10), das der Richter gemäß § 4 Abs. 2 DRiG aufgrund Delegation neben seiner rechtsprechenden Tätigkeit wahrnehmen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 1955, 1 BvL 13/52, 1 BvL 21/52 – Soforthilfegesetz, BVerfGE 4, 331 [juris Rn. 51]; Goers in BeckOK GVG, 13. Ed. 15. November 2021, BayAGGVG Art. 19 Rn. 10).
2. Zutreffend ist auch der Ausgangspunkt der Vorsitzenden Richterin, dass das Akteneinsichtsgesuch an § 299 Abs. 2 ZPO zu messen ist. Der Antragsteller ist nicht Partei des Verfahrens, in das er Einsicht begehrt, sondern Dritter. Die Regelung der Akteneinsicht in § 299 ZPO differenziert zwischen dem aus dem Prozessrechtsverhältnis fließenden und daher privilegierten Einsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nach Abs. 1 und dem eingeschränkten Einsichtsrecht sonstiger Personen („Dritter“) nach Abs. 2. Den Zweck der Privilegierung nach Abs. 1 – die Gewährung rechtlichen Gehörs und Partizipation am Verfahren (vgl. Greger in Zöller, ZPO, § 299 Rn. 6c m. w. N.) – kann der Antragsteller nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, nachdem er nicht mehr mandatiert und somit am Verfahren nicht mehr beteiligt ist.
3. Nach § 299 Abs. 2 ZPO setzt die Gewährung von Akteneinsicht für Dritte ohne Einwilligung der Parteien voraus, dass ein rechtliches Interesse dargetan und glaubhaft gemacht ist; ist dies geschehen, steht die Bewilligung im Ermessen der aktenführenden Stelle.
a) Im Streitfall fehlt es an der Einwilligung der Parteien, da der Kläger dem Einsichtsgesuch entgegengetreten ist.
b) Das deshalb erforderliche rechtliche Interesse führt nicht zu einem Anspruch auf Einsicht in die Akte. Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses eröffnet vielmehr den Weg für eine Ermessensentscheidung der Justizverwaltung nach § 299 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1998, IV AR [VZ] 2/97, ZIP 1998, 961 a. E.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Juni 2016, 20 VA 20/15, juris Rn. 47). Ist die Einsicht in die Akte allerdings nicht geeignet, dem Gesuchsteller die begehrte Information zu verschaffen, so ist die Einsicht bereits zur Zweckerreichung oder -förderung ungeeignet; als Ergebnis des Abwägungsprozesses kommt dann nur eine Ablehnung des Einsichtsgesuchs in Betracht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 2. September 2021, 101 VA 100/21, juris Rn. 31 f.).
(1) Das gegenüber dem „berechtigten Interesse“ enger gefasste „rechtliche Interesse“ (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 1993, X ZB 31/92, NJW-RR 1994, 381 [juris Rn. 13]), das nach der Bestimmung in § 299 Abs. 2 ZPO für die Akteneinsicht durch eine dritte Person verlangt wird, setzt voraus, dass persönliche Rechte des Antragstellers durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR [VZ] 1/06, NZG 2006, 595 Rn. 15). Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand für die rechtlichen Belange des Antragstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020, IX AR [VZ] 2/19, NZI 2021, 123 Rn. 14; BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2021, 102 VA 66/21, juris Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 VA 92/19, NZI 2020, 491 Rn. 22 [juris Rn. 27] jeweils m. w. N.).
(2) Ein rechtliches Interesse ist zu bejahen, wenn die Akteneinsicht zur Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen durch den Antragsteller benötigt wird und diese einen rechtlichen Bezug zu dem Verfahren aufweisen, in das Einsicht begehrt wird. Diese Voraussetzung ist z. B. erfüllt, wenn nach Verfahrensabschluss der Titelgläubiger die Zwangsvollstreckung gegen seinen Schuldner betreibt und die Akteneinsicht ihm Aufschluss über dessen Aufenthalt oder Vermögenslage geben kann (KG, Beschluss vom 19. März 2008, 1 VA 12 – 25/07, NJW 2008, 1748 Rn. 6; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. April 2005, 11 VA 5/04, juris Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Mai 1988, 15 VA 2/88, NJW 1989, 533; Bacher in BeckOK ZPO, 43. Ed. 1. Dezember 2021, § 299 Rn. 28.1).
Einen solchen Sachverhalt hat der Antragsteller im Verfahren vor der Justizbehörde nicht vorgetragen. Sein erweitertes Vorbringen im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er ein rechtliches Interesse mit Blick auf die Pfändbarkeit eines etwaigen Hinterlegungsanspruchs darzulegen versucht, kann seinem Begehren keinen Erfolg verschaffen, weil selbst bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses kein Anspruch auf die Bewilligung von Akteneinsicht besteht und ein Ermessensfehler der Justizbehörde wegen Nichtberücksichtigung der erst im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Gesichtspunkte nicht begründbar ist. Im Justizverwaltungsverfahren hatte der Antragsteller insoweit lediglich vorgetragen, dass ihm die wirtschaftliche Lage des Klägers aufgrund des von ihm erwirkten Vermögensverzeichnisses ohnehin bekannt sei. Er benötigte demnach die Akteneinsicht gerade nicht dazu, um Kenntnisse über (den Aufenthalt oder) die Vermögenslage seines Schuldners zu gewinnen. Es kommt für die Entscheidung daher nicht mehr darauf an, ob sein Vorbringen, er benötige Akteneinsicht zur Vollstreckung in einen Hinterlegungsanspruch, zum einen nachvollziehbar und zum anderen auf eine Information gerichtet ist, die aus dem Akteninhalt gewonnen werden kann.
(3) Ein rechtliches Interesse i. S. v. § 299 Abs. 2 ZPO ist auch nicht nachvollziehbar dargetan, soweit der Antragsteller geltend macht, der Kläger habe im Rahmen der von ihm abgegebenen Vermögensauskunft seinen Anspruch nicht offengelegt. Die Einsichtnahme diene damit der Überprüfung, ob diese Angabe richtig sei. Nach eigenen Angaben weiß der Antragsteller somit bereits, dass der Schuldner den gegen ihn gerichteten und titulierten Anspruch in der Vermögensauskunft nicht offengelegt hat. Sein Vorbringen, im Fall einer rechtskräftigen Abweisung der im Bezugsverfahren verfolgten Klage stehe ihm materiellrechtlich aufgrund der Erfolgshonorarvereinbarung kein Honorar zu, ändert nichts an der Existenz des in der Vermögensauskunft verschwiegenen Titels.
(4) Sofern der Antragsteller mit seinem Vorbringen, es gehe ihm um eine Überprüfung der Richtigkeit der Vermögensauskunft, insinuieren möchte, er bezwecke mit der Akteneinsicht festzustellen, ob sein Honoraranspruch wegen rechtskräftiger Klageabweisung materiellrechtlich entfallen und daher „zu Recht“ im Vermögensverzeichnis unerwähnt geblieben sei, scheitert sein Gesuch jedenfalls am Fehlen eines Informationsbedürfnisses und an der Ungeeignetheit der Akteneinsicht zur Zweckerreichung.
Dem Antragsteller war bei Anbringung seines Gesuchs bekannt, dass das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen, die Bedingung für ein Entfallen seines Honoraranspruchs mithin nicht eingetreten ist. Er hat selbst um die Übersendung „der letzten gerichtlichen Entscheidung (wohl Beschluss vom 16.11.2020) in Kopie“ gebeten. Dass er annehme, das Verfahren, dessen Komplexität ihm aus der Zeit seiner eigenen Befassung bekannt ist, könne bereits rechtskräftig abgeschlossen sein, hat er zu keiner Zeit behauptet. Da insoweit kein Informationsbedürfnis vorgetragen oder erkennbar ist, bedarf er hierzu keiner Akteneinsicht.
Nichts anderes gilt hinsichtlich des Vorbringens, er laufe bei einem Unterliegen des Klägers Gefahr, nicht weiter aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Februar 2020 vollstrecken zu dürfen. Ob dieses Vorbringen zutrifft, obwohl Gegenstand des im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 19. Februar 2020 nur die gesetzlichen Gebühren i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG sind, nicht aber die vereinbarte Vergütung ist (vgl. H.-J. Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, RVG § 11 Rn. 69; v. Seltmann in BeckOK, RVG, 54. Ed. Stand: 1. September 2021, § 11 Rn. 9), kann dahinstehen. Auch diesbezüglich kommt es lediglich auf den Verfahrensabschluss und nicht auf einen Zwischenstand des Verfahrens an. Dahinstehen kann deshalb auch, dass es grundsätzlich Sache des Schuldners wäre, diesen Einwand zu erheben. Irrelevant für den Streitfall erweist sich damit auch der rechtliche Gesichtspunkt, dass nachträglich entstandene Einwendungen, die in dem Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht berücksichtigt werden konnten, nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden können, während Einwendungen, die bereits im Festsetzungsverfahren hätten erhoben werden können, nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sind (BGH, Urt. v. 5. Dezember 1996, IX ZR 67/96, NJW 1997, 743; v. Seltmann in BeckOK, RVG, § 11 Rn. 107).
(5) Derzeit kommt die Bewilligung von Einsicht in die Akte oder in einzelne Aktenteile auch nicht deshalb in Betracht, weil sich der Antragsteller darauf beruft, er benötige die Einsicht in das Verfahren, das sein früherer Mandant als Kläger führe, da hiervon sein Anspruch aus der vorgelegten Erfolgshonorarvereinbarung vom 19./25. Februar 2019 abhänge. Es stehe zu befürchten, dass der Kläger den Ausgang des Verfahrens bewusst geheim halten wolle, um sich – bei einem eventuellen Obsiegen – den Ansprüchen des Antragstellers zu entziehen.
Zwar können im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG neue Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sein (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. Februar 2021, 101 VA 151/20, juris Rn. 37 ff.). Auch kann im Hinblick auf die Erfolgshonorarvereinbarung ein rechtliches Interesse des Antragstellers daran bestehen, den Ausgang des Rechtsstreits zu erfahren. Insbesondere erscheint ein rechtliches Interesse nicht bereits deshalb zwingend als ausgeschlossen, weil der Antragsteller offenbar entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 der Erfolgshonorarvereinbarung, in der er hinsichtlich der anwaltlichen Gebühren auf die Erhebung einer erfolgsunabhängigen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verzichtet hat, die Festsetzung dieser Gebühren gemäß § 11 Abs. 1 RVG veranlasst hat. Dies und das Vorbringen des Klägers, dem Antragsteller stehe nicht mehr als die gesetzliche Vergütung zu, lassen nicht zwingend darauf schließen, die Vereinbarung über die Erfolgsvergütung sei nachträglich kraft Aufhebungsvereinbarung oder aus sonstigen Gründen gegenstandslos geworden. Jedenfalls ist eine erfolgsabhängige Vergütung in § 2 der Honorarvereinbarung geregelt. Während nach § 2 Abs. 3 der Antragsteller im Falle eines vollständigen Unterliegens seines Auftraggebers auf die anwaltlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vollständig verzichtet, hat nach § 2 Abs. 5 im Fall des vollständigen Obsiegens der Mandant 600% der gesetzlichen Gebühren zu entrichten und nach § 2 Abs. 6 im Fall des teilweisen Obsiegens ein der Quote entsprechendes anteiliges Erfolgshonorar zu erbringen.
Ob durch die Vorlage des Vertrags der behauptete erfolgsabhängige Anspruch und damit ein rechtlicher Bezug zum Verfahren, in das Einsicht begehrt wird, glaubhaft gemacht wäre, kann offenbleiben. Diesbezüglich kann dem Interesse des Antragstellers regelmäßig bereits durch die Übersendung der – noch nicht ergangenen – rechtskräftigen Endentscheidung Rechnung getragen werden. Ein Interesse an der Übersendung allgemein „der letzten gerichtlichen Entscheidung“, wie am 19. November 2020 erbeten, oder gar der gesamten Akte zur Einsicht, wie am 10. Februar 2021 verlangt, ist hingegen allein mit der Abhängigkeit des Erfolgshonorars vom Prozessausgang nicht zu begründen. Insbesondere ergibt sich aus der Erfolgsabhängigkeit seines Honorars kein Bedarf an einer fortlaufenden Unterrichtung über den Prozessverlauf.
Bei dieser Sachlage kommt die Bewilligung von Akteneinsicht – auch in Teile der Akte – derzeit selbst dann nicht in Betracht, wenn mit Blick auf die Regelungen in der Erfolgshonorarvereinbarung ein rechtliches Interesse bejaht und für hinreichend glaubhaft gemacht erachtet wird. Deshalb ist die Sache spruchreif; die ablehnende Entscheidung erweist sich im Ergebnis als richtig. Eine Aufhebung der angefochtenen Maßnahme und Zurückverweisung an die Justizbehörde zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats scheidet in dieser Situation aus (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, § 28 EGGVG Rn. 12).
Deshalb kann auch offenbleiben, ob die Vereinbarung des Erfolgshonorars (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO) gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 RVG wirksam ist.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil der Antragsteller die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 GNotKG i. V. m. § 22 Abs. 1 GNotKG).
Die nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 3 Abs. 1 und 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15300 KV GNotKG erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Der Senat bemisst den Geschäftswert auf ein Zehntel des Werts des Interesses des Antragstellers, dessen Förderung das Einsichtsgesuch dient (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021, 101 VA 168/20, juris Rn. 10, 17). Bei dessen Bemessung legt der Senat die an den Antragsteller gemäß § 11 RVG zu zahlende Vergütung von 27.870,93 € zugrunde.
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.