IT- und Medienrecht

Bibliotheks-Versäumnisgebühren nach Lockdown wegen verspäteter Rückgabe ausgeliehener Medien

Aktenzeichen  AN 10 K 20.02251

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42910
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 28. September 2020 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Versäumnisgebühren in Höhe von 40 EUR wurden auf Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGebS rechtmäßig festgesetzt. Der Tatbestand ist erfüllt, da der Kläger die fünf ausgeliehenen Medien, nach Ablauf der Leihfrist am 2. Juni 2020, am 28. Juni 2020 verspätet zurückgegeben hatte. Damit war die vierte Woche seit Leihfristende angebrochen, wofür 8 EUR Versäumnisgebühren pro Medium angefallen sind.
Soweit der Kläger vorträgt, dass § 6 StGebS keinen Ausnahmetatbestand für ein Verschulden der Beklagten im Sinne einer Nichtannahme oder für einen sonstigen Härtefall vorsieht, kommt es darauf vorliegend nicht an, da konkret jedenfalls kein Härtefall vorlag. Zumal kann, wie die Beklagte auch ausführte, ein Absehen von der Festsetzung von Gebühren oder ein Erlass eines Kostenanspruchs aus Billigkeitsgründen im Einzelfall jederzeit nach §§ 226, 227 AO bzw. Art. 16 Abs. 4 BayKostG vorgenommen werden. Die Erhebung der Versäumnisgebühren im vorliegenden Fall war allerdings nicht unverhältnismäßig und bedeutete keine unbillige Härte für den Kläger. Entscheidend ist letztlich, ob es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen ist, seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachzukommen und die ausgeliehenen Medien nach der Öffnung der Bibliothek bis zum 2. Juni 2020 zurückzugeben.
Auf Grund der Covid-19-Pandemie und den staatlich angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen, ergab sich für die Bibliothek wie für deren Benutzer eine besondere Situation, die von der Benutzungssatzung nicht vorgesehen oder erfasst wird. Allerdings lassen sich aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis zwischen Bibliothek und Benutzern, das in §§ 1 ff. StBS konkretisiert wird, gewisse Obliegenheiten der Beteiligten ableiten.
a. Auf Grund der staatlich angeordneten Schließung der Bibliotheken in § 2 der 2. BayIfSMV und § 4 der 3. BayIfSMV war es nur billig, dass die Beklagte das Leihfristende verlängerte, sodass es zu keiner Leihfristüberschreitung kam, solange eine Rückgabe ausgeliehener Medien wegen der Schließung der Bibliothek nicht möglich war. Zu der einseitigen Leihfristverlängerung war die Beklagte – entgegen der Ansicht des Klägers – berechtigt. Aus der Möglichkeit des Entleihers, gemäß § 5 Abs. 3 StBS eine Fristverlängerung beantragen zu können, ergibt sich nicht im Umkehrschluss, dass die Bibliothek selbständig keine Leihfristverlängerung vornehmen kann. § 5 Abs. 1 Satz 2 StBS sieht außerdem vor, dass in besonderen Fällen eine gesonderte Ausleihfrist festgesetzt werden kann.
Die Leihfristverlängerung seitens der Bibliothek greift nicht in die Rechte des Klägers ein. Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm durch die Leihfristverlängerung die Aufbewahrung der Medien und die damit einhergehenden Sorgfaltspflichten und Risiken von der Beklagten einseitig aufgedrängt wurden, verkennt er, dass die Leihfristverlängerung nicht mit einer Aufbewahrungspflicht einhergeht. Denn die Leihfristverlängerung hindert den Entleiher nicht, die entliehenen Medien jederzeit vor Ablauf der Leihfrist zurückzugeben. Sie greift nicht in die Rechte des Klägers ein, sondern eröffnet ihm nur die Möglichkeit, die entliehenen Gegenstände länger zu behalten. Die Rückgabe der Medien war im vorliegenden Fall allein wegen der Schließung der Bibliothek nicht möglich. Streitgegenstand ist im vorliegenden Fall aber der Versäumnisgebührenbescheid. Die Verlängerung der Leihfrist führte jedoch nicht zur Festsetzung der Versäumnisgebühren, sondern verhinderte gerade das Anfallen von Versäumnisgebühren bis zum 2. Juni 2020. Die Versäumnisgebühren fielen auch nicht wegen einer Verletzung der Aufbewahrungspflicht, sondern wegen der verspäteten Rückgabe nach Ablauf der verlängerten Leihfrist und nach Wiedereröffnung der Bibliothek an.
b. Weiterhin musste die Beklagte wegen der Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Pandemie und der staatlichen Maßnahmen im Frühjahr und Sommer 2020, über eine Wiedereröffnung der Bibliothek und über das Ende der verlängerten Leihfrist angemessen und rechtzeitig informieren. Den Entleiher dagegen trifft grundsätzlich die Obliegenheit, das Leihfristende im Auge zu behalten (vgl. VG Köln, U.v. 13.11.2008 – 6 K 5669/08 – juris Rn. 24). Das erfasst im vorliegenden Fall die Obliegenheit des Klägers, die zur Verfügung gestellten Informationen auch abzurufen, um seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachkommen zu können.
Die Beklagte ist ihrer Informationspflicht nachgekommen, indem sie auf der Homepage der Bibliothek über die Schließung der Bibliothek und die Verlängerung der Leihfrist, sowie über das Leihfristende informiert hatte. Die Informationen wurden regelmäßig aktualisiert. Auch über das digitale persönliche Nutzerkonto konnte jeder Benutzer das Leihfristende seiner Medien nachprüfen. Die Beklagte hat dadurch die notwendigen Informationen in geeigneter, leicht zugänglicher Form für die Allgemeinheit und die Benutzer verfügbar gemacht. Es war für den Kläger persönlich auch zumutbar, die angebotenen Informationskanäle zu nutzen. Der Kläger trug hierzu lediglich vor, dass er sich nicht digital informiert habe und das auch nicht gewollt habe. Gründe, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, auf die Informationen zuzugreifen oder weshalb er diesen Informationskanal nicht nutzen wollte, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen und haben sich für das Gericht auch sonst nicht aus den Umständen ergeben (beispielsweise mangelnde Erfahrung oder Befähigung mit digitalen Medien). Der Kläger hat auch nicht versucht, auf anderem Wege an die Informationen zu gelangen, z.B., indem er telefonisch, schriftlich oder per E-Mail die Beklagte kontaktiert hätte. Die Bibliothek andererseits war nicht verpflichtet, den Aufwand zu betreiben, jeden einzelnen Benutzer – der für jedermann kostenfrei zugänglichen Bibliothek – schriftlich über das Leihfristende zu informieren.
c. Zwischen der Wiederöffnung einer Rückgabemöglichkeit und dem Ablauf der verlängerten Leihfrist lag – entgegen der Ansicht des Klägers – eine angemessene Zeitspanne. Die Rückgabe der Medien war bereits 14 Tage vor Öffnung der Präsenzbibliothek, also ab 4. Mai 2020 über die 24-Stunden-Rückgabe möglich. Die Räumlichkeiten wurden am 18. Mai 2020 geöffnet. Die Leihfrist endete am 2. Juni 2020.
Der Kläger hatte demnach einen knappen Monat Zeit, die ausgeliehenen Medien innerhalb der Leihfrist zurückzugeben. Es war ihm auch möglich und zumutbar innerhalb dieses Zeitraums Kenntnis von der Rückgabemöglichkeit und dem Leihfristende zu erlangen und die Medien tatsächlich zurückzubringen. Natürlich kann vom Entleiher nicht verlangt werden, dass er täglich die Homepage der Bibliothek aufruft oder sich vor Ort informiert. Es ist aber grundsätzlich zumutbar, etwa einmal pro Monat die zur Verfügung gestellten Informationen abzurufen, zumal für die entliehenen Medien weiterhin eine Rückgabepflicht bestand. Erwähnt sei, dass im Mai 2020 erstmals die Infektionsschutzmaßnahmen gelockert wurden und in ganz Bayern Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen ab dem 11. Mai 2020 wieder öffnen durften, vgl. § 19 der 4. BaylfSMV. Das heißt, der Öffnung der Bibliothek ging ein aktuelles, medienpräsentes Geschehen voraus, das als zusätzlicher Hinweis, sich über die Rückgabemöglichkeiten bzw. das Leihfristende zu informieren, hätte dienen können.
Der Kläger führte zwar aus, dass er sich durch die Schließung der Bibliothek und der Verlängerung der Leihfrist beeinträchtigt fühle, weil er seine Dispositionen entsprechend dem ursprünglichen Leihfristende am 11. April 2020 getroffen hatte oder hätte treffen wollen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass ihm die Rückgabe der Bücher oder eine Verlängerung der Leihfrist tatsächlich nicht möglich gewesen wäre, (z.B. wegen eines Auslandaufenthaltes o.Ä.). Die Rückgabe der Medien oder eine Verlängerung der Leihfrist erfolgte nur deshalb nicht, weil der Kläger keine Kenntnis von der Rückgabemöglichkeit und dem Leihfristende erlangt hat. Dieser Umstand ist nach dem oben Dargestellten aber dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzurechnen, da die Bibliothek ihrer Informationspflicht im ausreichenden Maße nachgekommen war. Weshalb es ihm nicht möglich oder zumutbar war, die Informationen rechtzeitig abzurufen, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.
2. Die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5 EUR für eine zweite Erinnerung erging rechtmäßig auf Grundlage des § 7 Abs. 1 StGebS. Zwar wurde an den Kläger zuerst eine Medienerinnerung geschickt, danach mit Schreiben vom 31. August 2020 eine Gebührenerinnerung. Dies wirft die Frage auf, ob eine zweite schriftliche Erinnerung i.S.d. § 7 Abs. 1 StGebS auch dann vorliegt, wenn sich die Erinnerungen auf unterschiedliche Handlungsaufforderungen beziehen, einmal auf die Rückgabe der Medien und einmal auf die Zahlung der ausstehenden Gebühren. Allerdings betreffen beide Erinnerungen den einheitlichen Lebenssachverhalt der verspäteten Rückgabe bestimmter Medien und dasselbe Leihverhältnis. Bedenkt man den Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 StGebS und die Höhe der Bearbeitungsgebühr von 5 EUR, geht es nicht um eine Sanktion des Säumigen, sondern um eine pauschalierte Abrechnung eines Verwaltungsaufwands. Dieser fällt an, wenn bei einem Entleihvorgang mehrfach schriftlich auf die Pflichten des Entleihers hingewiesen werden muss, ob es nun zwei Medienerinnerungen oder eine Medien- und eine Gebührenerinnerung erfordert, ändert letztlich nichts am Vorliegen eines gesteigerten Verwaltungsaufwands. Dementsprechend unterscheidet § 7 Abs. 1 StGebS auch nicht zwischen den verschiedenen Erinnerungstypen, sondern spricht generell von „Erinnerung“.
Die Voraussetzung des § 7 Abs. 1StGebS, die Versendung einer zweiten Erinnerung, wurde daher mit Versendung der Gebührenerinnerung erfüllt.
3. Die Festsetzung einer Bearbeitungsgebühr für die Adressermittlung von 5 Euro gemäß § 7 Abs. 2 StBGebS, § 4 Abs. 2 Satz 2 StBS war rechtmäßig. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger seine letzte Adressänderung nicht mitgeteilt hat. Die Beklagte konnte die Adresse des Klägers auch nicht bei dessen Rückgabe der entliehenen Medien am 28. Juni 2020 erfragen, da die Medien über die automatische 24-Stunden-Rückgabe zurückgegeben wurden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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