Aktenzeichen 21 U 4586/18
StGB § 263
Leitsatz
Der Käufer eines Fahrzeugs mit einer illegalen Abschalteinrichtung kann von dem Hersteller auf Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB oder § 826 BGB allenfalls verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht über die Manipulation getäuscht worden wäre. Er könnte also gegebenenfalls beanspruchen, so gestellt zu werden, als habe er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Er kann jedoch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er einen Kaufvertrag über ein nicht manipuliertes Fahrzeug abgeschlossen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
31 O 2018/17 2018-11-30 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 30.11.2018, Az.: 31 O 2018/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.07.19.
Gründe
I.
Im Streit ist ein Anspruch auf Schadensersatz, insbesondere in Höhe des merkantilen Minderwerts, den der Kläger eines Diesel-Fahrzeugs gegen die Herstellerin geltend macht.
1. Der Kläger trägt vor, am 28.02.2014 einen gebrauchten Pkw Audi Q5, Fahrgestellnummer …, zum Preis von € 36.295 erworben zu haben.
Der Kläger behauptet, in die Motorsteuerung des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut, um geltende Abgasnormen zu umgehen. Die beklagte Herstellerin sei daher aus Delikt zum Schadensersatz, konkret in Höhe von € 9.075,75, verpflichtet. Einerseits müsse sie die Kosten für eine Nachrüstung tragen, andererseits den Vermögensschaden wegen der erheblichen Werteinbußen ersetzen.
Der Kläger hatte zuletzt in erster Instanz beantragt:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz in Höhe von € 9.075,75 zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Pkw Audi Q 5, Fahrgestellnr.: …, durch die Beklagte resultieren.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers in Höhe von € 1.590,91.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie moniert insbesondere die Eigentümerstellung des Klägers. Zudem stellte sie im Termin am 24.10.2018 klar, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor ein Motor des Typs EA896GN1 Mono EU 5 sei, also kein klägerseits behaupteter Motor EA897 (vgl. Protokoll, Bl. 48/52). Ferner sei das „positive Interesse“ im Deliktsrecht nicht zu kompensieren.
2. Das Landgericht hat mit Urteil vom 30.11.2018 (vgl. Bl. 65/69 d.A.) die Klage abgewiesen, weil dem Kläger der Nachweis nicht gelungen sei, Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs und damit Inhaber der geltend gemachten Ansprüche zu sein.
3. Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers (vgl. Berufungsbegründung vom 05.02.2019, Bl. 81/85 d.A.).
Der Kläger betont seine Eigentümerstellung, insbesondere unter Verweis auf (nunmehr vollständig vorgelegte) Kopien der Rechnung des … vom 28.02.2014 (Seiten 1 und 2) sowie auf die „Zulassungsbescheinigung Teil II“ (vgl. Anlagen im Berufungsverfahren).
Der Kläger verfolgt weiterhin seine Anträge aus der ersten Instanz und stützt seine Schadensersatzansprüche insbesondere auf §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (vgl. Schriftsatz vom 21.11.2018, Bl. 53/57 d.A.).
II.
Der Senat beabsichtigt, sein eingeschränktes Ermessen („soll“) dahingehend auszuüben, dass er die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nach derzeitigem Sach- und Rechtsstand eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist im Ergebnis zutreffend, als der Kläger letztlich mit seinem Anliegen nicht durchdringen kann:
2.1. Es mögen die nunmehr vorgelegten Unterlagen, einer Gesamtwürdigung des klägerischen Vortrags und der Vermutungsregel in § 1006 BGB für einen Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger und auch für eine Übereignung des Wagens an ihn sprechen, allerdings verhält sich die Berufung weiterhin nicht zur unstreitigen Finanzierung eines erheblichen Teils des Kaufpreises, bei der eine Sicherungsübereignung des Wagens an den Kreditgeber nicht unüblich ist.
2.2. Darüber hinaus fehlt es an einem hinreichend konkreten Sachvortrag, inwieweit der streitgegenständliche Motor überhaupt eine unzulässige Manipulation aufweist. Weder ist dargetan, dass das Kraftfahrtbundesamt das Fahrzeug für nachrüstungsbedürftig erachtet hat, noch erschließt sich, welche nach Meinung des Klägers nicht statthafte Veränderung vorgenommen worden sein soll.
2.3. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der bemühten deliktischen Anspruchsgrundlagen überhaupt erfüllt sind, hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Ersatz des eingeklagten, positiven Interesses, worauf die Beklagtenseite bereits in erster Instanz zutreffend hingewiesen. Im Falle einer unerlaubten Handlung der Beklagten bekommt der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht sein positives, sondern nur sein negatives Interesse ersetzt.
Er kann lediglich fordern, so gestellt zu werden, als hätte er den Pkw nicht gekauft (BGH, NJW 2011, 1962, 1963 Rn. 11). Eine Rückabwicklung des Kaufvertrags begehrt der Kläger aber nicht, sondern nur eine konkrete Schadenssumme, nämlich € 9.075,75, wobei der Kläger zwar allgemein die Positionen umschreibt (Kosten für Nachbesserung, Minderwertersatz), diese jedoch nicht aufschlüsselt (vgl. Klage, Bl. 4 d.A.), was zusätzlich Schlüssigkeitsfragen aufwirft.
Im Einzelnen:
Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten Differenzhypothese grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Der nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (bzw. anderen – vermeintlichen – Schutzgesetzen) oder nach § 826 BGB zum Schadensersatz Verpflichtete hat lediglich den Differenzschaden zu ersetzen. Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Anspruchsinhaber verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, stellt sich im Deliktsrecht die Frage nach dem Erfüllungsinteresse als solche nicht (hierzu mit vielen Nachweisen BGH, Urteil vom 18.01.2011, Az.: VI ZR 325/09).
Der Kläger könnte also – bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen – verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht über die Manipulation getäuscht worden wäre. Er könnte also gegebenenfalls beanspruchen, so gestellt zu werden, als habe er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages hat er jedoch in erster Instanz nicht geltend gemacht. Vielmehr will der das Fahrzeug offensichtlich behalten und daneben den ihm „aus der Manipulation entstandenen Schaden“ ersetzt erhalten. In der Sache ist sein Begehren mithin darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als hätte er einen Kaufvertrag über ein nicht manipuliertes Fahrzeug abgeschlossen. Damit beansprucht er aber das Erfüllungsinteresse, denn er möchte im Ergebnis so gestellt werden, als hätte der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt. Ein solcher Anspruch steht ihm jedenfalls gegenüber der Beklagten als Dritter nach den für Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 249 Satz 1 BGB maßgebenden Grundsätzen der Differenzhypothese nicht zu.
Allerdings muss der Differenzschaden nicht notwendigerweise geringer sein als das positive Interesse des Geschädigten an der Vertragserfüllung. So ist anerkannt, dass die Anwendung der Differenzhypothese in dem Fall, in dem der Geschädigte nachweist, dass er ohne die für den Abschluss des Vertrages ursächliche Täuschungshandlung einen anderen, günstigeren Vertrag – mit dem Verkäufer oder einem Dritten – abgeschlossen hätte, im Ergebnis das Erfüllungsinteresse verlangen kann, und zwar deswegen, weil der Schaden in diesem Ausnahmefall dem Erfüllungsinteresse entspricht (BGH, a.a.O. Rn. 10).
Der Kläger müsste also dartun und belegen, dass er ohne die Manipulation ein anderes Fahrzeug gekauft hätte, welches den behaupteten Wertverlust nicht erlitten hätte. Hierzu findet sich kein substanziierter Vortrag.
III.
Der Senat erwägt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf € 9.075,75 festzusetzen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.07.2019.
Dem Kläger wird zur Vermeidung weiterer Kosten die Berufungsrücknahme anheimgestellt.