IT- und Medienrecht

Disziplinarverfahren – Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  M 13B DK 16.1546

Datum:
10.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 139122
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 9, § 10, § 13
StGB § 331 Abs. 1
BBG § 61 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 62 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 71 Abs. 1 S. 1
BDG § 9 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
StGB § 331 Abs. 1, § 332 Abs. 1
BBG § 61 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 62 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 71 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Das Verbot, in Bezug auf das ausgeübte Amt Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile anzunehmen, gilt unabhänigig davon, ob der Vorteil im Zusammenhang mit einer bestimmten dienstlichen Handlung des Beamten steht. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist der Beamte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der strafbaren Vorteilsannahme ist – anders als beim Vorwurf der Bestechlichkeit – im Regelfall eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur indiziert, wenn ein Beamter als Inhaber eines hervorgehobenen Amtes oder einer dienstlichen Vertrauensstellung für die Dienstausübung einen mehr als unerheblichen Vorteil fordert oder annimmt. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist dem Beamten regelwidrig eine über das übliche Maß hinausgehende besondere Vertrauensstellung übertragen worden, so ist dieser dem Beamtgennicht vorwerfbare besondere Umstand als Milderungsgrund anzusehen, der ein Absehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt. (Rn. 92) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine über vierjährige Verzögerung des Disziplinarverfahrens, ohne dass dafür ein sachlicher Grund gegeben war, ist – sofern nicht eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt ist – als mildernder Umstand zugunsten des Beamten zu berücksichtigen. (Rn. 94) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Disziplinarbeklagte wird in das Amt eines Zollobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft.
II. Der Disziplinarbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässig erhobene Disziplinarklage führt in Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 1 Bundesdisziplinargesetz (BDG) i.d.F. d. Bek. vom 9. Juli 2001 (BGBl I S. 1510) zur Zurückstufung des Beklagten um zwei Stufen aus dem innegehabten Amt eines Zollbetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 m) in das Amt eines Zollobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7).
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
1. Soweit von der Bevollmächtigten des Beklagten im Schriftsatz vom 30. März 2015 geltend gemacht wird, dass in der Disziplinarklage vom 26. Januar 2015 die Einlassungen des Beklagten im Rahmen der abschließenden Anhörung nicht gewürdigt worden sind, geht dieser Vorwurf fehl.
Nach dem Eingang der Stellungnahme der Bevollmächtigen des Beklagten vom 8. Juli 2014 hat sich der Ermittlungsführer mit dieser im Einzelnen befasst und zusammenfassend in dem Bericht vom 25. Juli 2014 (Bl. 149 ff. der Einleitungsakte (EL)) gewürdigt. Dass der Ermittlungsführer und dem folgend die Disziplinarbehörde in der Disziplinarklage dabei inhaltlich zu einer anderen Bewertung des Vorbringens der Beklagtenseite im Rahmen der abschließenden Anhörung gelangt sind, stellt keinen Verfahrensmangel dar.
2. Da auch sonst keine Verfahrensmängel erkennbar sind, der Beklagte zu allen Verfahrensschritten gehört und nach der Durchführung der Ermittlungen abschließend angehört worden ist, bestehen gegen die erhobene Disziplinarklage keine formellen Bedenken. Der zuständige Bezirkspersonalrat wurde auf Antrag des Beklagten ebenfalls beteiligt.
II.
Das Disziplinargericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung nach der in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 erfolgten Beweisaufnahme die nachfolgend im Einzelnen dargestellten Sachverhalte zugrunde:
1. Der Beklagte hat im Zeitraum zwischen dem Januar 2008 und April 2008 von Herrn P …, damaliger Inhaber der Firma P … … …, einen tragbaren MP3-Player im Wert von etwa 190,– EUR und elektronisches Gerät im Wert von etwa 60,– EUR in Bezug auf sein Amt erhalten und angenommen, ohne für diese Gegenstände zu bezahlen (Sachverhalt 1).
Diese Vorteilsannahme steht fest aufgrund des Ergebnisses der strafrechtlichen Ermittlungen im Strafbefehlsverfahren vor dem Amtsgericht … (Az. 571 … …). Auch wenn die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehlsverfahren nicht bindend sind, ist dieser Sachverhalt vorliegend ohne nochmalige Prüfung der disziplinarrechtlichen Bewertung zugrunde zu legen (§ 23 Abs. 2 BDG). Der Beklagte hat diesen Sachverhalt nicht bestritten, ihn vielmehr sowohl in der abschließenden Anhörung als auch im gerichtlichen Verfahren eingeräumt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die strafrechtlichen Ermittlungen unzutreffend sind, so dass dieser Sachverhalt der disziplinarrechtlichen Bewertung zugrunde zu legen ist.
2. Der Beklagte hat von Herrn P … einen gebrauchten Computer sowie weiteres Computer-Zubehör erhalten, ohne für diese Gegenstände zu bezahlen. Entgegen den Feststellungen in der Disziplinarklage vom 26. Januar 2015 geht das Disziplinargericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 jedoch davon aus, dass der Wert dieser unentgeltlich überlassenen Gegenstände deutlich unter 1.500,– EUR gelegen hat (Sachverhalt 2).
a) Die Klägerin legt bei der Bemessung der Höhe des Wertes, den der überlassene Computer und das weitere Zubehör gehabt haben, die Aussage von Herrn P … bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 4. August 2008 (Bl. 7/17 ff – Bl. 21 der Kopie „Teilakte Strafsache Band 1“) zugrunde. In dieser Vernehmung hat Herr P … die dem Beklagten ohne Bezahlung überlassenen Computergegenstände wertmäßig mit „ca. 1.500,– EUR“ beziffert.
b) In der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 hat der als Zeuge vernommene Firmeninhaber den Wert des kostenlos dem Beklagten überlassenen Computers und des Zubehörs als deutlich geringer bezeichnet. Ohne dass der Zeuge den Wert genau bezeichnete, hat er nachvollziehbar angegeben, dass er dem Beklagten die technischen Gegenstände ohne Bezahlung überlassen hat, da diese aufgrund des technischen Fortschritts für ihn im Betriebsablauf nicht mehr adäquat nutzbar waren.
Zwar geht das Gericht entgegen der Aussage des Zeugen davon aus, dass auch für gebrauchte Computer und das Zubehör ohne weiteres ein Markt vorhanden ist und diese elektronischen Gegenstände, auch wenn sie im Unternehmen des Zeugen steuerrechtlich abgeschrieben waren, keinesfalls als geringwertig anzusehen waren. Allerdings unterliegen diese Gegenstände tatsächlich einem relativ schnellen Preisverfall, da mit dem Einsatz weiterer Programme etc. eine verhältnismäßig schnelle „Alterung“ dieser technischen Ausrüstungsgegenstände eintritt.
Auch wenn die Aussage des Zeugen bei seiner Vernehmung im August 2008 zeitlich deutlich näher am Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung des Computers an den Beklagten gelegen hat, erscheint es dem Gericht unter Berücksichtigung der Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 nachvollziehbar und überzeugend (§ 3 BDG i.Vm. § 108 Abs. 1 VwGO), dass der kostenlos überlassene Computer und das Zubehör insgesamt wertmäßig deutlich günstiger als die von der Klägerin angesetzten 1.500,– EUR anzusetzen sind. Eine genauere Festlegung des Werts des kostenlos überlassenen Computers und des Zubehörs ist allerdings aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs nicht (mehr) möglich.
3. Der Beklagte hat – entgegen seiner Einlassung im behördlichen und gerichtlichen Verfahren – im gesamten Zeitraum von Oktober 2006 bis zum Juli 2008 in den Geschäftsräumen der Fa. P … kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagsbrotzeiten eingenommen (Sachverhalt 3). Der vom Beklagten dadurch erlangte geldwerte Vorteil wurde von der Klägerin wertmäßig zutreffend ermittelt.
a) Die Klägerin legt bei der Berechnung der Höhe des geldwerten Vorteils, den der Beklagte durch die kostenlose Bereitstellung einer Mittagsbrotzeit in den Geschäftsräumen der Fa. P … erhalten hat, den Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2008 zugrunde. In diesem Zeitraum hat der Beklagte unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankheitszeiten 286 Werktage an der Dienststelle verbracht (vgl. zu den dokumentierten Anwesenheitszeiten des Beklagten an der Dienststelle Bl. 242 ff. der Ermittlungsakte (EA) sowie die Auswertung im Ermittlungsbericht vom 7.5.2014, Bl. 91/100 ff. der Einleitungsakte (EL)). Für jeden Werktag wurde der Wert der Mittagsbrotzeit mit dem Sachwert von 2,67 EUR angesetzt.
b) Der Beklagte hat im Disziplinarverfahren bestritten, dass er bereits ab Oktober 2006 kostenlos Mittagsbrotzeiten bei der Fa. P … eingenommen hat. Nach seiner Einlassung im Rahmen der abschließenden Anhörung sowie auch im gerichtlichen Verfahren war dies erst ab dem Februar 2008 der Fall. Vor diesem Zeitpunkt hat er nach seinen Angaben der Zeugin P … für die von ihr mitgebrachten Brotzeiten Bargeld gegeben (Schriftsatz der Bevollmächtigten des Beklagten vom 8.7.2014, S. 1 f.; Bl. 137 f. der Einleitungsakte (EL)).
c) Dieser Schilderung der Beklagtenseite folgt das Gericht nicht. Vielmehr geht das Disziplinargericht nach den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 davon aus (§ 3 BDG i.Vm. § 108 Abs. 1 VwGO), dass der Beklagten bereits ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Zollamtes … im Oktober 2006 in den Geschäftsräumen der Fa. P … seine Mittagspause verbracht und dort auch regelmäßig kostenlos eine Mittagsbrotzeit eingenommen hat.
Dass sich der Beklagte seit Oktober 2006 regelmäßig während der Mittagspause in den Geschäftsräumen der Fa. P … aufgehalten hat, hat er selbst eingeräumt (Schriftsatz der Bevollmächtigten des Beklagten vom 8.7.2014, S. 2 Absatz 3; Bl. 138 der Einleitungsakte (EL)).
Dabei konnte der Beklagte jederzeit auch kostenlos auf die dort vorbereiteten Mittagsbrotzeiten zugreifen und hat dies auch getan. Wie der Zeuge P … in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 ausgeführt hat, hat der Beklagte dann, wenn eine Brotzeit in den Geschäftsräumen der Fa. P … vorbereitet war, davon genommen und dafür nichts bezahlt (Niederschrift vom 10.5.2016, S. 8).
Dies war auch regelmäßig der Fall. Zwar hat der Zeuge die Anwesenheitszeiten des Beklagten in den Geschäftsräumen der Fa. P … relativiert („meiner Erinnerung nach nicht regelmäßig“; Niederschrift vom 10.5.2016, S. 8). Diese Relativierung ist jedoch zu Überzeugung des Gerichts (§ 3 BDG i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO) unglaubwürdig, da sie in eindeutigem Widerspruch zur eigenen Einlassung des Beklagten und den Aussagen des Beklagten und des Zeugen im Rahmen von deren Beschuldigtenvernehmungen vom Juli 2008 (Bl. 7/4 und 7/15 der Kopie „Teilakte Strafsache Band 1“) steht. Das Gericht ist nach der Zeugeneinvernahme davon überzeugt, dass diese Relativierung des Zeugen P … aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit durch eine mangelhafte Erinnerung des Zeugen erklärbar ist, nicht jedoch dem tatsächlichen Geschehen entspricht.
Auch aus der Aussage der Zeugin P … in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 ist nichts anderes abzuleiten. Diese hat auf ausdrückliche Nachfrage zur Einnahme von kostenlosen Mittagsbrotzeiten des Beklagten in den Geschäftsräumen der Fa. P … nur ausweichend geantwortet und sich auf ihre fehlende Erinnerung berufen. Gleichzeitig hat sie aber bestätigt, dass der Beklagte regelmäßig den Kaffeeautomat in den Geschäftsräumen der Fa. P … genutzt hat. Damit ist zur Überzeugung des Gerichts im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte in regelmäßiger Art und Weise sich in den Geschäftsräumen der Fa. P … aufgehalten hat und damit auch die dort vorbereiteten kostenlosen Mittagsbrotzeiten in Anspruch nehmen konnte.
d) Das Gericht geht damit im Ergebnis wie die Klägerin davon aus, dass der Beklagte mit der Eröffnung des Zollamtes … ab Oktober 2006 regelmäßig in den Geschäftsräumen der Fa. P … seine Mittagspause verbracht und dort neben der Nutzung des Kaffeeautomaten auch im gesamten Zeitraum bis Juli 2008 kostenlose Mittagsbrotzeiten erhalten hat.
4. Der Beklagte hat regelmäßig von der Fa. P … erstellte Ausfuhranmeldungen im elektronischen Abfertigungsverfahren „ATLAS“ angenommen und die auszuführenden Waren anschließend überlassen, d.h. zur Ausfuhr freigegeben, obwohl er wusste, dass diese am Z2.platz nicht gestellt waren und/oder das Zollamt … örtlich für diese Waren nicht zuständig war (Sachverhalt 4).
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren und den Aussagen der Zeugen P … und P … in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 fest.
Zwar hat der Beklagte sich im Disziplinar- und im gerichtlichen Verfahren dahin eingelassen, dass er bei der Zeugin P … regelmäßig telefonisch nachgefragt hat, ob die Ware am Amtsplatz gestellt ist. Allerdings hat er mit dieser Einlassung im Kern nicht bestritten, dass er eine tatsächliche Kontrolle der Gestellung der Ware am Amtsplatz nicht vorgenommen hat.
Auch die Abfertigung von Waren durch den Beklagten trotz Fehlens der örtlichen Zuständigkeit des Zollamtes hat dieser im Ergebnis nicht bestritten. Im Übrigen haben insoweit die beiden Zeugen bestätigt, dass sie bei „Problemen“ mit der Gestellung oder sonstigen fehlenden Abfertigungsvoraussetzungen – und das betraf auch die fehlende örtliche Zuständigkeit – beim Beklagten nachgefragt haben, ob eine Abfertigung durch ihn trotzdem erfolgen kann.
Insgesamt war zur Überzeugung des Gerichts eine Abfertigung von Waren trotz fehlender Gestellung und/oder fehlender örtlicher Zuständigkeit durch den Beklagten – ebenso wie auch durch andere Zöllner – in vielen Fällen gängige Praxis (vgl. Niederschrift vom 10.5.2016, S. 8 Absatz 2: „die im Verhältnis zu unseren Kunden auch flexible Lösungen aus meiner Sicht nötig machte“).
III.
1. Durch die nach den vorstehenden Ausführungen zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Sachverhalte 1, 2 und 3 (Annahme der elektronischen Gegenstände bzw. der Mittagsbrotzeiten, ohne jeweils für diese zu bezahlen) hat der Beklagte gegen die ihm aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) i.d.F. d. Bek. vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) obliegende Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung verstoßen.
Gleichzeitig hat der Beklagte damit das Verbot aus § 71 Abs. 1 Satz 1 BBG, in Bezug auf das ausgeübte Amt Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile anzunehmen, verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3/12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 14). Die Entgegennahme der elektronischen Gegenstände bzw. der kostenlosen Mittagsbrotzeiten erfolgte in Bezug auf das Amt des Beklagten. Dass der Vorteil im Zusammenhang mit einer bestimmten dienstlichen Handlung des Beklagten, z.B. im Rahmen der Erteilung von Ausfuhr- oder Einfuhrgenehmigungen, stand, ist dabei nicht nötig (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2013 a.a.O. Rn. 17).
Soweit die Handlungen des Beklagten als Vorteilsannahme auch eine innerdienstlich begangene Straftat darstellen (Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 9.6.2009), hat der Beklagte weiter gegen die ihm aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst, insbesondere zur Pflicht zur Wahrung von Recht und Gesetz verstoßen.
Zur rechtlichen Bewertung der Dienstpflichtverletzung folgt das Gericht im Einzelnen den Ausführungen in der Disziplinarklage vom 26. Januar 2015 (dort S. 15 ff.) und sieht insoweit in Anwendung von § 3 BDG i.V.m. § 117 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) von einer weiteren Begründung ab.
Ergänzend wird insoweit zur Klageerwiderung des Beklagten ausgeführt:
Nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 und dem Ergebnis der Ermittlungen im Disziplinarverfahren bestehen für das Gericht keine vernünftigen Zweifel, dass dem Beklagten die Zuwendungen in Bezug auf sein Amt als Abfertigungsbeamter im Bereich des Zollamtes … zugewendet worden sind und dies dem Beklagten auch im Zeitpunkt der Zuwendungen bewusst gewesen ist. Denn wenn im Rahmen der Abfertigung auch andere Zollbeamte sich in Bezug auf die Prüfung der Gestellung der Ware am Amtsplatz bzw. auf die Abfertigung, ohne dafür örtlich zuständig zu sein, in gleicher Weise wie der Beklagte verhalten haben, war für ihn ohne weiteres erkennbar, dass die ihm kostenlos zur Verfügung gestellten Gegenstände bzw. die Mahlzeiten im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit standen. Jede andere Bewertung widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung.
Im Übrigen kann vom Beklagten im vorliegenden Verfahren auch nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass dieser Bezug zur Amtstätigkeit auf der Hand gelegen hat. Soweit in der Klageerwiderung insoweit von der Beklagtenseite vorgetragen wird, dass die „Unrechtsvereinbarung“ in Bezug auf die Vorteilsgewährung und der Dienstausübung jedenfalls im Zeitpunkt der Vorteilsannahme nicht hergestellt war (Klageerwiderung vom 30.3.2015, S. 7; Bl. 35/41 der Gerichtsakte in dem Verfahren M 13B DK 15.374), so wertet das Gericht dies als Schutzbehauptung.
Nach der Aussage des Zeugen P … in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 verband diesen mit dem Beklagten ein langandauerndes Vertrauensverhältnisses. Die kostenlose Überlassung von elektronischen Gegenständen bzw. der Mittagsbrotzeiten war danach eine „freundschaftliche“ (vgl. Niederschrift vom 10.5.2016, S. 9 und 10) Geste, die erkennbar in Bezug zu der langdauernden Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und der Fa. P … im Bereich der Zollabfertigung stand.
Auch wenn für den Beklagten mit diesen kostenlosen Überlassungen wegen der im Vergleich zu anderen Zollanmeldern nicht abweichenden Behandlung der Firma des Zeugen keine Bestechung verbunden war, war ihm aber zur Überzeugung des Gerichts bei zumutbarer Anstrengung zur objektiven Bewertung des Verhaltens des Zeugen erkennbar, dass dieser ihn mit seinen „Geschenken“ wohlwollend stimmen wollte (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3/12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 17).
2. Durch den zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Sachverhalt 4, d.h. der Annahme und Abfertigung von Zollwaren ohne deren Gestellung am Amtsplatz und/oder der Abfertigung ohne örtliche Zuständigkeit, hat der Beklagte gegen die ihm aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG obliegende Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und Weisungen sowie allgemeiner Richtlinien verstoßen. Gleichzeitig hat er damit durch die gesetzeswidrige Durchführung von Zollabfertigungen die ihm aus § 62 Abs. 1 Satz 3 BBG obliegende Wohlverhaltenspflicht verletzt.
Auch insoweit folgt das Gericht den Ausführungen in der Disziplinarklage (dort S. 18 ff.), insbesondere im Einzelnen auch zu den rechtlichen Grundlage für die Durchführung der Ausfuhrabfertigung von Zollwaren, und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 3 BDG i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).
In der Klageerwiderung des Beklagten vom 30. März 2015 wird dieses Dienstvergehen im Kern nicht bestritten.
Denn soweit die Beklagtenseite darauf hinweist, dass eine Abfertigung ohne Gestellung am Amtsplatz nicht nur vom Beklagten sondern nach den Aussagen der Zeugin P … auch von anderen Zollbeamten vorgenommen worden ist (Klageerwiderung vom 30.3.2015, S. 4 zu 1. lit. e; Bl. 38 der Gerichtsakte im Verfahren M 13B DK 15.374), so widerspricht dies nicht den Feststellungen der Klägerin zum dienstpflichtwidrigen Verhalten des Beklagten. Denn auch wenn sich der Beklagte – wie behauptet – telefonisch von der Zeugin den Standort der abzufertigenden Ware hat bestätigen lassen, hat er es unbestritten jedenfalls entgegen der ihm obliegenden Pflichten unterlassen, sich durch eine stichprobenartig durchgeführte Beschau der Ware persönlich von deren Gestellung zu überzeugen.
Dass vom Beklagten auch Abfertigungen trotz fehlender örtlicher Zuständigkeit vorgenommen wurden, wird im Kern ebenfalls nicht bestritten. Denn auch wenn das „ATLAS-System“ noch nicht bereits im Oktober 2006 am Zollamt … freigeschaltet war (Klageerwiderung vom 30.3.2015, s. 4 zu 1. lit. f; Bl. 38 der Gerichtsakte im Verfahren M 13B DK 15.374), ist dem Beklagten nicht nur die Abfertigung unter Verstoß gegen die gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften im elektronischen „ATLAS-System“ vorzuwerfen, sondern auch die fehlerhafte Abfertigung im papierbasierten Abfertigungsvorgang. Diese fehlerhafte Abfertigung aber steht zur Überzeugung des Gerichts nach den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 fest, da nach der Aussage des Zeugen P … die Abfertigungen trotz fehlender örtlicher Zuständigkeit (auch) vom Beklagten vorgenommen worden sind.
IV.
Die in vorstehender Ziffer III. im Einzelnen festgestellten Dienstvergehen des Beklagten gegen die ihm aus §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG sowie aus §§ 62 Abs. 1 Satz 2, 62 Abs. 1 Satz 3 BBG obliegenden Pflichten sind nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens, der sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ergibt, einheitlich zu würdigen. Dies führt vorliegend im Ergebnis dazu den Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BDG um zwei Gehaltsstufen in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt zurückzustufen.
1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach Art. 13 Abs. 1 BDG durch das Gericht „über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. (…) Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten“ (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59/07 – juris Rn. 16).
Damit ist maßgebliches Kriterium der Zumessung zunächst die Schwere des Dienstvergehens. Diese ist zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, nach Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) zu bewerten. Zum anderen sind für die Bewertung die Form und das Gewicht des Verschuldens und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) heranzuziehen. Weiter sind die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich oder für Dritte in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 13).
Ist durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist der Beamte gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dazu bedarf es der Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten. Wenn aufgrund dieser der Schluss zu ziehen ist, dass der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, ist das Beamtenverhältnis zu beenden (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 18).
Die festgestellten Dienstvergehen sind nach ihrem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Dabei sind die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen für bestimmte Regeleinstufungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage kommt es dann für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zur Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als diejenige, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert ist, notwendig ist (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 20).
2. In Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend das Folgende:
a) Das für die Maßnahmenzumessung in erster Linie heranzuziehende Kriterium der Schwere des Dienstvergehens führt vorliegend auf der Ebene der objektiven und subjektiven Handlungsmerkmale dazu, von besonders schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen auszugehen.
aa) Das Verhalten betrifft hinsichtlich der objektiven Handlungsmerkmale den Bereich der beamtenrechtlichen Grundpflichten des Beklagten und den Kernbereich seiner dienstlichen Tätigkeit.
(1) Durch die mehrfache Annahme von Geschenken und die vielfache Annahme der kostenlosen Mittagsbrotzeiten, auch wenn insgesamt nicht von einem Gesamtwert von ca. 2.500,– EUR für diese Leistungen auszugehen ist (vgl. im Einzelnen oben zu II. 1. mit 3.), hat der Beklagte über einen lange andauernden Zeitraum die für das Beamtenverhältnis unabdingbare Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung in einem nicht nur unerheblichen Umfang verletzt. Das Verbot der Vorteilsannahme, gegen das Beklagte durch die Entgegennahme der Geschenke verstoßen hat, stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar (im Einzelnen: BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3/12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 15).
(2) Auch die Abfertigung von Zollwaren ohne ausreichende Prüfung der Gestellung der Ware am Amtsplatz bzw. ohne örtliche Zuständigkeit für die Abfertigung stellen objektiv besonders schwerwiegende Verstöße gegen Kernbereichspflichten dar. Die Beachtung der zollrechtlichen Vorschriften bei der Warenabfertigung gehört zum originären Aufgabenbereich des Amtes des Beklagten.
bb) Auch hinsichtlich der subjektiven Handlungsmerkmale ist das Verhalten des Beklagten dem Bereich der schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen zuzuordnen.
(1) Dem Beklagten war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 zur Überzeugung des Gerichts bewusst, dass ihm die Zuwendungen von Seiten des Firmeninhabers in Bezug auf sein Amt geleistet worden sind. Auch wenn er selbst die Firma des Zeugen P … bei den Abfertigungen nicht anders behandelt hat als auch andere Zollanmelder – und nach der Aussagen der Zeugin P … in der mündlichen Verhandlung im Ergebnis wohl auch nicht anders als die anderen Zollbeamten -, so sollten die gewährten Vorteile erkennbar eine „wohlwollende“ (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2013 a.a.O. Rn. 17) Beurteilung der Abfertigungsvorgänge durch den Beklagten „vorbereiten“. Dies musste dem Beklagten als erfahrenen Zollbeamten auch bewusst gewesen sein, spätestens jedenfalls als der Zeuge die Bezahlung der überlassenen Gegenstände abgelehnt hatte.
(2) Die gleiche Beurteilung ergibt sich in Bezug auf die vom Beklagten vorgenommenen Abfertigungen unter Verstoß gegen die zollrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Gestellung der Ware bzw. der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit. Auch insoweit ist das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme im Disziplinar- und gerichtlichen Verfahren davon überzeugt, dass dem Beklagten bewusst war, dass die Zuwendungen im Zusammenhang mit den von ihm vorgenommenen Abfertigungen gestanden haben.
b) Die Schwere der Dienstpflichtverletzungen ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Vorliegend ist als schwerste Dienstpflichtverletzung, die für die Maßnahmenzumessung primär heranzuziehen ist, der strafrechtliche Schuldvorwurf der Vorteilsannahme im Dienst anzusehen. Denn die weitere Annahme der Mittagsbrotzeiten bzw. der Abfertigung der Zollwaren unter Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften stellt sich insoweit als notwendige Konsequenz dieses strafbaren Verhaltens dar, da sämtliche Vorteilsgewährungen durch den Zeugen P … im Sinne der von der Rechtsprechung so bezeichneten „Pflege der Landschaft“ (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3/12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 17) gerade dem Zweck gedient haben, die vom Beklagten durchgeführten Zollabfertigung von nicht gestellten Waren bzw. unter Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit zu ermöglichen.
aa) Für diese Dienstpflichtverletzung des Beklagten durch die strafbare Vorteilsannahme besteht eine abschließend zwingend vorzunehmende Regeleinstufung im Rahmen der Maßnahmenzumessung nur bei Bejahung bestimmter weiterer in der Person des Beamten bestehenden Voraussetzungen.
Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der zwar „dem Verbot der Vorteilsannahme in Bezug auf das Amt (…) als Bestandteil der Dienstpflicht zur uneigennützigen Amtsführung herausragende Bedeutung“ zukommt und damit „jeder Eindruck, ein Beamter sei für Gefälligkeiten offen oder käuflich“, das unverzichtbare Vertrauen der Allgemeinheit in die Gesetzesbindung und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung beschädigt (BVerwGE, U.v. 28.2.2013 a.a.O. Rn. 28). Allerdings ist bei der strafbaren Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) – anders als beim Vorwurf der Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB – im Regelfall eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur indiziert, „wenn ein Beamter als Inhaber eines hervorgehobenen Amtes oder einer dienstlichen Vertrauensstellung für die Dienstausübung einen mehr als unerheblichen Vorteil fordert oder annimmt“ (BVerwG, U.v. 28.2.2013 a.a.O. Rn. 31).
bb) Vorliegend sind diese weiteren Voraussetzungen in der Person des Beklagten zur Überzeugung des Gerichts nicht erfüllt.
(1) Die Disziplinarbehörde geht davon aus, dass der Beklagte als sog. Lokaler Verfahrensbeauftragter (LVB) für das elektronische Abfertigungssystem „ATLAS“ ein im Sinne der Rechtsprechung „herausgehobenes Amt“ bzw. eine entsprechende Vertrauensstellung inne gehabt hat. Trotz der Zuordnung des konkret-funktionellen Amtes zum mittleren Dienst ohne eigene Vorgesetztenfunktion ist nach dieser Auffassung der Disziplinarbehörde aufgrund der Befugnisse des LVB im Zusammenhang mit den damit verbundenen Benutzerrechten eine besondere Vertrauensstellung verbunden.
(2) Dieser Einschätzung der Disziplinarbehörde folgt das Disziplinargericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2016 zwar insoweit, als die mit der Funktion des LVB verbundenen besonderen Befugnisse auch für Beamte des mittleren Dienstes dem Grunde nach zwar geeignet sind, bei dem mit dieser Aufgabe betrauten Beamten eine herausgehobene Position zu begründen.
Vorliegend ist davon aber im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls deshalb abzuweichen, weil durch die das Dienstverhältnis des Beklagten betreffenden Entscheidungen der verantwortlichen Dienstvorgesetzten der dienstliche Aufgabenbereich des Beklagten über den mit der Aufgabe des LVB üblicherweise verbunden Umfang hinaus ausgedehnt worden ist.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Aufgabe des LVB mit keinen Administratorenrechten verbunden. Zwar kann der LVB im elektronischen „ATLAS-System“ auf Abfertigungsvorgänge zugreifen und diese – nach der Vergabe entsprechender Benutzerrollen – auch ändern. Aber eine Befugnis zur Ausübung von Administratorenrechten war damit nicht verbunden.
Gleichzeitig war nach der vom Dienstherrn vorgenommenen Konzeption des elektronischen Abfertigungssystems „ATLAS“ die Zuordnung der Aufgaben des LVB an die dafür eingesetzten Beamten nur in je einem Abfertigungsbereich vorgesehen. Diese Zuordnung zu den unterschiedlichen Aufgaben (Einfuhr, Ausfuhr etc.) sollte erkennbar dazu dienen, die Befugnisse des LVB je nach Aufgabenbereich zu trennen, so dass insbesondere eine aufgabenübergreifende Ausübung von Befugnissen ausgeschlossen werden konnte.
Diese Grundsystematik der Aufgabenzuordnung wurde an der Dienststelle des Beklagten unstreitig nicht eingehalten. Vielmehr wurde dem Beklagten die Aufgabe des LVB für sämtliche Aufgabenbereiche, d.h. aufgabenübergreifend, von der Dienststellenleitung übertragen. Damit war dem Beklagten, der nach der Geschäftsverteilung an der Dienststelle nur im Bereich der Wareneinfuhr tätig gewesen ist, jedoch tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt worden, auch in sämtlichen anderen Aufgabenbereichen in der Funktion als LVB für das elektronische Abfertigungssystem „ATLAS“ Vorgänge zu bearbeiten.
Mit dieser – entgegen den zwingenden Vorgaben – erfolgten Aufgabenübertragung an den Beklagten hat die Dienststellenleitung in dessen Person besondere Umstände geschaffen, die vorliegend zu berücksichtigen sind. Denn für den Zeugen P … war damit der Beklagte aufgrund der ihm in unzulässiger Art und Weise eingeräumten umfassenden Befugnisse im Zusammenhang mit dem Abfertigungssystem „ATLAS“ als Kontaktperson zum Zollamt von besonderem Interesse. Alleine durch den Beklagten war es dem Zeugen möglich, umfassend auf sämtliche Abfertigungsvorgänge in allen Aufgabenbereichen Einfluss nehmen zu können, was ansonsten die gebotene getrennte Übertragung der Befugnisse als LVB verhindert hätte.
(3) Aufgrund dieser besonderen Umstände geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte seine – über das übliche Maß hinausgehende – besondere Vertrauensstellung nur durch die von der Dienststellenleitung veranlasste Aufgabenübertragung als LVB für alle Abfertigungsbereiche erhalten hat. Diese dem Beklagten nicht vorwerfbaren besonderen Umstände sind als Milderungsgrund anzusehen, der ein Absehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt.
c) Ist damit aufgrund dieses Milderungsgrundes die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht geboten, so sind zugunsten des Beklagten vorliegend bei der Maßnahmenzumessung die überlange Verfahrensdauer und das positive Persönlichkeitsbild zu berücksichtigen.
Nach dem Abschluss des Strafverfahrens durch den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 6. Juli 2009 waren dem Ermittlungsführer spätestens ab Februar 2010 alle Umstände bekannt, die eine abschließende Entscheidung ermöglicht hätten. Das Disziplinarverfahren wurde deshalb auch mit Verfügung vom 9. Februar 2010 fortgesetzt. Der Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens erfolgte jedoch erst mit der abschließenden Anhörung vom 8. Mai 2014. Diese über vierjährige Verzögerung der Dauer des Disziplinarverfahrens, ohne dass dafür ein sachlicher Grund gegeben war, ist mangels Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis als mildernder Umstand zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen (vgl. etwa zur Rechtsprechung: BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3/12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 53 f. m. umfangr. Nachw.).
Vor dem Hintergrund, dass dem Beklagten von der Dienststellenleitung mit der umfassenden Übertragung der Aufgaben des LVB ein besonderes Vertrauen entgegengebracht worden ist und dies gleichzeitig aber auch zugunsten des Beklagten eine besonders positive Bewertung seines dienstlichen Verhaltens und seines Persönlichkeitsbildes voraussetzt, was bei der Maßnahmenzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist, ist das Disziplinargericht im Ergebnis davon überzeugt, dass ein Absehen von der Höchstmaßnahme geboten ist. Wegen der vom Beklagten begangen besonders schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen ist allerdings auch eine mit der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme verbundene deutliche Pflichtenmahnung notwendig.
In Abwägung der zugunsten des Beklagten zu wertenden Umstände des Einzelfalls und der Schwere der Dienstpflichtverletzungen hält das Disziplinargericht als Disziplinarmaßnahme nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BDG die Zurückstufung des Beklagten um zwei Gehaltsstufen für geboten aber auch für ausreichend.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG.

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