IT- und Medienrecht

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nach Verbot der Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“

Aktenzeichen  M 7 E 16.4936

Datum:
9.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VereinsG VereinsG § 3 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, § 10 Abs. 2 S. 5
StPO StPO § 94

 

Leitsatz

Voraussetzung für den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung zum Zwecke der Sicherstellung von Vereinsvermögen ist das Vorliegen einer vollziehbaren Verbotsverfügung nach § 3 Abs. 1 VereinsG. Eine solche liegt hier mit der sofort vollziehbaren Verfügung des Bundesministeriums des Inneren vom Oktober 2016 gegen die Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“ vor. Vor Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung ist die Rechtmäßigkeit dieser zugrundeliegenden Verbotsverfügung nicht in vollem Umfang zu überprüfen, da dies jeweils in gesonderten Verfahren durch andere Gerichte zu geschehen hat. Zu prüfen ist aber, ob die im Vereinsverbot angeführten Gründe plausibel sind. Im Falle offenkundiger Mängel ist der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung ablehnen (vgl. VGH Müchen BeckRS 2015, 410689).  (redaktioneller Leitsatz)
Die Durchsuchungsmaßnahme durfte sich gegen den Antragsgegner richten, weil hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich bei ihm Gegenstände aus dem Vereinsvermögen befinden bzw. eine Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird, da er der salafistischen Szene zugerechnet wird und Verantwortlicher von sog. LIES!-Ständen ist. Damit ist er als Dritter iSd § 10 Abs. 2 S. 1 VereinsG anzusehen (Parallelentscheidung BeckRS 2016, 54739). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Durchsuchung der Wohnung einschließlich etwaiger Nebenräume zur Wohnung sowie Keller- und Garagenräume und der Fahrzeuge des Herrn … durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte am Dienstag, den … November 2016, ab 6.00 Uhr zur Sicherstellung des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“/“Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und Insamlingsstiflesen AI Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln wird angeordnet. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
2. Die Durchsuchung des Herrn …
beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher) durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
3. Die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung von Bedeutung sein können, d. h.
– IT-Technik inklusive Datenträger und Peripheriegeräte (PCs, Notebooks, Tablets, externe Festplatten, sonstige Datenträger)
– Handys, Smartphones sowie
– Foto-/Videotechnik und zugehörige Datenträger,
– Kontounterlagen mit Bezug zu DWR/LIES! oder deren Teilorganisationen „LIES! Verlag“, „ReadLiesLtd.“, Leicester, Großbritannien, „Insamlingsstiftlesen Al Quran Foundation“, Malmö, Schweden,
– Spendenquittungen, sonstige Hinweise zu Spendengebern
durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
4. Die Antragsgegnerin zu 2) hat die unter den Nummern 1 und 3 genannten Maßnahmen zu dulden.
5. Der Antragsgegner zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Das Bundesministerium des Inneren hat mit einer noch zuzustellenden Verfügung vom 25. Oktober 2016 festgestellt, dass die Vereinigung „Die wahre Religion“ (DWR) alias „LIES! Stiftung“/“Stiftung LIES“ (im Folgenden als DWR bezeichnet) einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“, „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte (Nummer 1) und hat die Vereinigung DWR und ihre in Nummer 1 genannten Teilorganisationen verboten und aufgelöst (Nummer 2). Die öffentliche Verwendung genauer bestimmter Kennzeichen der Vereinigung DWR und deren in Nummer 1 genannten Teilorganisationen (Nummer 3) und die Internetauftritte auf im Einzelnen bezeichneten Seiten (Nummer 4) wurden verboten und das Vereinsvermögen (Nummer 5) sowie genauer bezeichnete Sachen Dritter (Nummer 6) und genauer bezeichnete Forderungen Dritter (Nummer 7) beschlagnahmt und eingezogen. In Nummer 8 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung mit Ausnahme der Einziehungsanordnung angeordnet.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 hat das Bundesministerium des Inneren das Bayerische Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr ersucht, die Verbotsverfügung zu vollstrecken, welches das Vollzugsersuchen mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 an die Regierungen weitergeleitet hat, mit dem Auftrag, die Verbotsverfügung dem Antragsgegner zuzustellen und die Durchsuchungen und Beschlagnahmen durchzuführen. Dazu sollen am … November 2016 bundesweit zeitgleich Durchsuchungen zum Vollzug des Verbots erfolgen.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 beantragte die Regierung von Oberbayern beim Verwaltungsgericht München,
1. die Durchsuchung der Wohnräume, Nebengelasse, Kfz und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder des Antragsgegners zu 1) zur Sicherstellung und Beschlagnahme des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“/“Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln
2. die Durchsuchung des Antragsgegners zu 1), beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher)
3. die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung
anzuordnen.
Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf die Verbotsverfügung ausgeführt, dass es sich bei dem Antragsgegner zu 1) um einen Verantwortlichen, Mehrfachanmelder und Organisator von LIES!-Ständen handle und hinreichende Anhaltspunkte dafür bestünden, dass im Zusammenhang mit den beantragten Durchsuchungsmaßnahmen bei ihm Gegenstände aufgefunden würden, die dem Vermögen der verbotenen Vereinigung zuzurechnen seien oder die dazu dienen könnten, die Vereinsstrukturen weiter aufzuklären. Soweit sich Vereinsvermögen im Gewahrsam Dritter befinde, werde die Regierung von Oberbayern dessen Sicherstellung mit einem Sicherstellungsbescheid anordnen. Der Antragsgegner sei der salafistischen Szene München zuzurechnen und verfüge über überregionale Kontakte zur salafistischen Szene im Umfeld von Abou-Nagie. Im Jahr 2015 habe er mit radikal-salafistischen Kontaktpersonen eine LIES! Street Dawa Tour in Italien durchgeführt.
Mit Schreiben vom 9. November 2016 ergänzte die Regierung ihren Antrag um eine Duldungsanordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme für die Antragsgegnerin zu 2).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den Inhalt des Antragsschreibens und die beigefügten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht München ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VereinsG bzw. § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG örtlich zuständig, weil die Durchsuchung und Beschlagnahme im Gerichtsbezirk stattfinden soll. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG bzw. § 10 Abs. 2 Satz 6 VereinsG entscheidet der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts als gesetzlicher Einzelrichter, vorliegend entsprechend der Geschäftsverteilung der Kammer die Berichterstatterin.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung liegen im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses vor. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die beantragte Durchsuchung von Wohnräumen einschließlich Nebenräumen und Fahrzeugen des Antragsgegners zu 1), die sich in seinem Besitz befinden, zur Sicherstellung von Vereinsvermögen (§ 10 Abs. 2 VereinsG) und zum Auffinden von Gegenständen führen kann, die im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren als Beweismittel von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG). Die beantragte Durchsuchung des Antragsgegners zu 1) und die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, sind gemäß § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 4 VereinsG gerechtfertigt.
Voraussetzung für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung zum Zwecke der Sicherstellung von Vereinsvermögen nach § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG ist das Vorliegen einer vollziehbaren Verbots- und Beschlagnahmeverfügung nach § 3 Abs. 1 VereinsG (vgl. VGH BW, B. v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 10). Eine solche liegt hier mit der sofort vollziehbaren Verfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 25. Oktober 2016 vor. Bei Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung ist die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Verbotsfeststellung (§ 3 Abs. 1 VereinsG) und der damit verbundenen Beschlagnahme- und Einziehungsverfügungen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG) nicht in vollem Umfang zu überprüfen, da dies jeweils in gesonderten Klage- oder Eilverfahren durch andere gerichtliche Spruchkörper zu geschehen hat (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24 m. w. N.; OVG Bremen, B. v. 11.9.2013 – 1 S 131/13 – juris Rn. 9). Ob die behördliche Beschlagnahmeverfügung und die ihr zugrundeliegende Verbotsfeststellung zu Recht ergangen sind, kann und muss der zuständige Richter vor Erlass der Durchsuchungsanordnung als einer Vollzugsmaßnahme nicht im Einzelnen aufklären und abschließend bewerten, sondern lediglich die für die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung angeführten Gründe in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin überprüfen und im Falle offenkundiger Mängel den Antrag auf Anordnung der Durchsuchung ablehnen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24 m. w. N.; OVG Bremen, B. v. 11.9.2013 – 1 S 131/13 – juris Ls. 2, Rn. 9).
Die in der für sofort vollziehbar erklärten Verbots- und Beschlagnahmeverfügung vom 25. Oktober 2016 genannten Gründe sind schlüssig und plausibel. Es wird darauf abgestellt, dass es sich bei der Vereinigung DWR, in die die Teilorganisationen eingegliedert sind, um einen Verein i. S. d. § 2 VereinsG handle, der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Der Verein vertrete und werbe für in Widerspruch zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes stehende Lehren als Glaubensinhalt, wirke auf Umsetzung dieser Lehren und aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten hin und nehme dabei eine kämpferisch-aggressive Haltung ein. Das Gericht nimmt auf die Gründe der Verbotsverfügung, die dem Antragsgegner mit dem Durchsuchungsbeschluss in beglaubigter Form ausgehändigt wird, Bezug und sieht die Einschätzung als nachvollziehbar an, dass es sich bei der Vereinigung DWR um eine solche handelt, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG verboten werden durfte.
Mit der vorliegenden Verbotsverfügung bestehen auch hinreichende Anhaltspunkte, dass eine Durchsuchung der Räume des Vereins und der Räume, Sachen und Person eines Vereinsmitglieds oder Hintermannes zur Auffindung von Gegenständen führen kann, die als Beweismittel in einem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG).
Die Durchsuchungsmaßnahmen dürfen sich auch gegen den Antragsgegner zu 1) richten, da hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich bei ihm Gegenstände aus dem Vereinsvermögen befinden bzw. eine Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 25.8.2008 – 4 C 08.1341 – juris Rn. 14 ff.; VGH BW, B. v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 10 a. E.). Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG können aufgrund der Beschlagnahme Sachen im Gewahrsam des Vereins und aufgrund besonderer Anordnung Sachen im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner zu 1), der der salafistischen Szene in München zugerechnet wird, Verantwortlicher, Mehrfachanmelder und Organisator von sog. LIES!-Ständen in München ist und im Jahr 2015 eine LIES! Street Dawa Tour in Italien durchgeführt hat. In der Verbotsverfügung wird zu den LIES!-Projekten ausgeführt, dass örtliche LIES!-Initiativen aus Gruppen zu etwa 10 Personen bestehen, die gemäß den Vorgaben der Führungsfigur Abou-Nagie unter ausschließlicher Verwendung des von ihm zur Verfügung gestellten Materials regelmäßig in festem Rhythmus Koran-Übersetzungen verteilen. Organisatoren kommt dabei eine Schlüsselfunktion für die Flächenpräsenz des Vereins zu, sie fungieren als Kommunikationsmittel für Abou-Nagie. Aufgrund seiner Tätigkeit für den Verein durch regelmäßige Ausrichtung der LIES!-Stände als Verantwortlicher, Anmelder und Organisator sowie durch seine Teilnahme an der LIES! Street Dawa Tour in Italien liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, dass beim Antragsgegner zu 1) als Drittem i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG (vgl. VGH BW, B. v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 10) zu beschlagnahmendes Vereinsvermögen aufzufinden ist. Ebenso bestehen aufgrund der Ausführungen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung bei ihm als Mitglied oder Hintermann des Vereins (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2009 – 4 C 08.2891 – juris Rn. 10) zur Auffindung von Gegenständen führt, die als Beweismittel zur weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen von Bedeutung sein können. Zu diesem Zweck darf auch die Durchsuchung des Antragsgegners zu 1) gemäß Nummer 2 des Tenors erfolgen.
Die Beschlagnahme von bei der Durchsuchung aufgefundenem weiteren Beweismaterial wird gemäß § 4 Abs. 2 und 4 Satz 1 VereinsG, § 94 StPO im tenorierten Umfang für den Fall angeordnet, dass der Antragsgegner zu 1) die Gegenstände nicht freiwillig herausgibt (vgl. BayVGH, B. v. 11.12.2002 – 4 C 02.2478 – juris Rn. 22).
Da in den zu durchsuchenden Räumen neben dem Antragsgegner zu 1) auch die Antragsgegnerin zu 2) wohnt, hat diese die Durchsuchung der Räume und Fahrzeuge des Antragsgegners zu 1), soweit diese in ihrem Mitbesitz sind, und die Beschlagnahme von in ihrem (Mit-)Gewahrsam stehenden Beweismitteln zu dulden, wenn kein Einverständnis mit diesen Maßnahmen besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.9.2009, OVG 1 L 100.08 – juris Rn. 2). Eine klare Trennung der Wohnräume der beiden Personen ist nach der Lebenserfahrung nicht möglich.
Die Durchsuchung und Beschlagnahme verstoßen auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, B. v. 26.10.2011 – 2 BvR 1774/10 – Rn. 26, B. v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/92 – juris 1. Ls, Rn. 24). Sie versprechen Erfolg und sind im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen auch erforderlich, da andere, weniger einschneidende Mittel, um an die erwartungsgemäß zu gewinnenden Beweismittel und Vermögensgegenstände zu gelangen, nicht ersichtlich sind. Auch das zwangsweise Öffnen der Räume, sofern kein Zutritt gewährt wird, ist gerechtfertigt, da bundesweit mehrere Durchsuchungen durchgeführt werden und das Vorgehen nur in einer konzertierten Aktion erfolgversprechend erscheint. Schließlich steht die Schwere dieser grundgesetzlichen Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B. v. 11.7.2008 – 2 BvR 2016/06 – juris Rn. 16 ff.), Art. 2 Abs. 1 GG in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck, das Vereinsverbot durchzusetzen und weitere Beweismittel zu erlangen.
Eine vorherige Anhörung der Antragsgegner nach Art. 103 Abs. 1 GG unterbleibt, da andernfalls die Gelegenheit bestünde, einschlägige Vermögensgegenstände und Beweismittel beiseite zu schaffen und damit den Zweck der Anordnung zu gefährden (vgl. BVerfG, B. v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 54 m. w. N.). Dieser Beschluss ist den Antragsgegnern jedoch vor Beginn der Durchsuchung auszuhändigen bzw. bei ihrer Abwesenheit in der Wohnung oder dem zugehörigen Briefkasten niederzulegen.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 4, § 156 VwGO waren die Kosten dem Antragsgegner zu 1) als Veranlasser der Maßnahme aufzuerlegen. Gerichtsgebühren fallen nicht an.

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