Aktenzeichen W 2 K 15.336
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Der Tatsache des bestandskräftigen Vollzugs früherer, wenn auch nichtiger Beitragssatzungen kann durch angemessene Übergangsregelungen innerhalb oder auch außerhalb der Satzung Rechnung getragen werden (wie BayVGH BeckRS 2001, 15834). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einheitlichkeit der Beitragssätze ist Ausfluss der rechtlichen Einheit der Wasserversorgungseinrichtungen und als Ausdruck der Solidargemeinschaft der durch die Beitragssatzung erfassten Grundstückseigentümer zwingend; für eine Differenzierung, die sich an der räumlichen Zuordnung der Verbesserungsmaßnahmen orientiert, besteht rechtlich kein Raum. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Bezug auf die Kostentragung der Hausanschlüsse ist eine Beitragsabstufung zwischen „Alt- und Neuanschließern“ in der Abgabensatzung nicht geboten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Gemeinde kann die Befugnis, die vor der Gründung eines Kommunalunternehmens entstandenen Beiträge, Gebühren und Kostenerstattungen zu erheben, wirksam auf das städtische Unternehmen übertragen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der verfahrensgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Beitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG, der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung vom 29. Oktober 2002 und der vom Stadtrat beschlossenen Übergangsregelung vom 25. Oktober 2004.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet. Von dieser Möglichkeit hat die Stadt G. mit der zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatz vom 29. Oktober 2002 (i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 25. Oktober 2004) erstmals wirksam Gebrauch gemacht. Denn das gesamte frühere Satzungsrecht der Stadt G. war – wie bereits obergerichtlich festgestellt – nichtig und konnte nicht als Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Herstellungs- oder Verbesserungsbeiträgen dienen (vgl. BayVGH, U.v. 1.3.2007 – 23 B 06.1892 – juris).
Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung vom 29. Oktober 2002 sowie die Wasserabgabensatzung der Stadt G. a.Main vom gleichen Tag wurden jeweils ordnungsgemäß gem. Art. 26 Abs. 2 GO im Mitteilungsblatt der Stadt G. a. Main (Jahrgang 28/Nr. 50) bekannt gemacht. Dies gilt auch für die Satzung zur 1. Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung vom 25. Oktober 2004 (Mitteilungsblatt der Stadt G., Jahrgang 30/Nr. 45).
Grundlage des hier verfahrensgegenständlichen sog. „eingeschränkten Herstellungsbeitrages“ ist der Investitionsaufwand der Beklagten für die in der Übergangsregelung vom 25. Oktober 2004 bezeichneten Maßnahmen aus den Jahren 1996 bis 2001. Der Stadtrat begrenzte damit die Beitragspflicht von Anschlussnehmern, bei denen bereits vor dem 1. Januar 2003 ein Beitragstatbestand erfüllt war. Dabei ist obergerichtlich anerkannt, dass der Tatsache des bestandskräftigen Vollzug früherer, wenn auch nichtiger Beitragssatzungen durch angemessene Übergangsregelungen innerhalb oder auch außerhalb der Satzung Rechnung getragen werden kann (statt vieler: BayVGH, B.v. 9.10.2001 – 23 CS 01.985 – juris). Mithin ist die im Mitteilungsblatt der Stadt G. a. Main (Jahrgang 30/Nr. 45) veröffentlichte Übergangsregelung nicht zu beanstanden. Aus der als „Erläuterung zur Übergangsregelung vom 25. Oktober 2004“ bezeichneten Auflistung der von der Übergangsregelung erfassten Einzelmaßnahmen, die ebenfalls im kommunalen Mitteilungsblatt veröffentlicht wurden, sind die Verbesserungsmaßnahmen nach Art, Ausmaß und räumlichem Bezug soweit konkretisiert, dass sie die auch auf die Abgabengrundlagen bezogenen Bestimmtheitsanforderungen des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. dazu: BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – BeckRS 2010, 55166 unter Bezug auf: BayVGH, U.v. 15.7.1999 – 23 B 98.1048 – juris) erfüllen.
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass in der Übergangsregelung vom 25. Oktober 2004 ein einheitlicher „eingeschränkter Herstellungsbeitragssatz“ für das gesamte Satzungsgebiet der Beitrags- und Gebührensatzung vom 29. Oktober 2002 festgesetzt wurde. Da die technisch getrennten Wasserversorgungsanlagen der Stadt G. vom Beklagten als Einrichtungseinheit gem. Art. 21 Abs. 2 GO geführt werden und auch bei Erlass des Beitragsbescheides vom 23. März 2006 bereits als Einrichtungseinheit geführt wurden, ist ein einheitlicher Beitragssatz rechtlich vorgeschrieben. Denn die Einheitlichkeit der Beitragssätze ist Ausfluss der rechtlichen Einheit der Wasserversorgungseinrichtungen und als Ausdruck der Solidargemeinschaft der durch die Beitragssatzung erfassten Grundstückseigentümer zwingend (für Verbesserungsbeiträge statt vieler: BayVGH, U.v. 18.2.1998 – 23 B 97.2810 – juris). Für eine Differenzierung, die sich an der räumlichen Zuordnung der Verbesserungsmaßnahmen orientiert, besteht rechtlich kein Raum. Ebenso ist in Bezug auf die Kostentragung der Hausanschlüsse eine Beitragsabstufung zwischen „Alt- und Neuanschließern“ in der Abgabensatzung nicht geboten (vgl. BayVGH, U.v. 1.3.2007 – 23 B 06.1982 – juris).
Weitere Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Rechtsgrundlagen des verfahrensgegenständlichen Bescheides sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Als selbständiges Unternehmen der Stadt G. a. Main in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts ist der Beklagte zum Erlass des verfahrensgegenständlichen Beitragsbescheides auch befugt. Gem. Art. 23 S. 1, 89 Abs. 3 GO i.V.m. der Verordnung über Kommunalunternehmen (KUV) vom 19. März 1998 (GVBl S. 220; BayRS 2023-15-I), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), hat die Gemeinde die Befugnis, die vor der Gründung des Kommunalunternehmens entstandenen Beiträge, Gebühren und Kostenerstattungen zu erheben, gem. § 2 Abs. 3 der Unternehmenssatzung vom 6. Dezember 2004 i.d.F. des (klarstellenden) Stadtratsbeschlusses vom 23. Oktober 2006 wirksam übertragen (so auch: BayVGH, U.v. 1.3.2007 – 23 B 06.1892 – juris). Selbiges gilt für die aktuelle Unternehmenssatzung des Beklagten vom 6. Dezember 2011 (Mitteilungsblatt der Stadt G. a. Main, Jahrgang 37/Nr.50) i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 5. Mai 2014 (Mitteilungsblatt der Stadt G. a. Main, Jahrgang 40/Nr.19).
Der Bescheid vom 23. März 2006 erhobene eingeschränkte Herstellungsbeitrag steht auch im Einklang mit diesen Rechtsgrundlagen. Im Hinblick auf die zwischen den Parteien umstrittene Geschossflächenzahl nimmt das Gericht Bezug auf das aufgrund Beweisbeschluss vom 20. Dezember 2016 eingeholte Sachverständigengutachten vom 5. Mai 2017, das für das verfahrensgegenständliche Grundstück zu einer anrechenbaren Geschossfläche von 137,7 m² kommt. Das Gericht hat keinen Anlass am Ergebnis der Vermessung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu zweifeln. Da die vom Beklagten im verfahrensgegenständlichen Beitragsbescheid veranschlagte Geschossfläche mit 132,03 m² unter dem vom Sachverständigen ermittelten Wert liegt und sich somit für den Kläger allenfalls begünstigend auf die Höhe des Beitrags ausgewirkt hat, kann offen bleiben, ob der Bescheid wegen der Differenz weniger Quadratmeter bereits teilweise rechtswidrig ist. Jedenfalls führt die Abweichung nicht zu einer Rechtsverletzung des Klägers.
Da die auf dem Grundstück Fl.-Nr. …1 vorhandene Bebauung tatsächlich weder Terrassen noch Balkonflächen aufweist, kommt es für das vorliegende Verfahren nicht auf die Frage der rechtlichen Einordnung solcher Flächen an.
Der mit Beitragsbescheid vom 23. März 2006 erhobene eingeschränkte Herstellungsbeitrag ist, da erstmals mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung vom 29. Oktober 2002 wirksames Satzungsrecht vorlag, gem. Art. 13 Abs. 1 Ziff. 4 lit b) cc) Sp. 2 KAG nicht festsetzungsverjährt.
Da dem eingeschränkten Herstellungsbeitrag Verbesserungsmaßnahmen aus den Jahren 1996 bis 2001 zugrunde liegen, kommt auch keine 20jährige unveränderte Vorteilslage gem. Art. 13 Abs. 1 Ziff. 4 lit. b) bb) So. 1 KAG in Betracht.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.